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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 25.09.2000
Aktenzeichen: 4Z AR 78/00
Rechtsgebiete: ZPO, FGG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
FGG § 50
BGB § 1693
BGB § 1696
Das Überprüfungs- und Abänderungsverfahren (§ 1696 BGB; § 50 Abs. 3 FGG) stellt gegenüber der ursprünglichen Anordnung ein neues selbständiges Verfahren dar, für das die gerichtliche Zuständigkeit neu zu bestimmen ist; daher sind auch Änderungen in der Zuständigkeit, die seit dem Erstverfahren eingetreten sind, zu berücksichtigen.
BayObLG Beschluß

4Z AR 78/00

25.09.00

Der 4. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Jaggy sowie der Richter Kaliebe und Heiss

am 25. September 2000

in dem Ergänzungspflegschaftsverfahren

wegen Aufhebung der Ergänzungspflegschaft,

hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts

auf Vorlage des Amtsgerichts - Vormundschaftsgerichts Augsburg

beschlossen:

Tenor:

Für die Entscheidung über die beantragte Aufhebung der Ergänzungspflegschaft ist das Amtsgericht - Familiengericht -- Augsburg zuständig.

Gründe

I.

Am 14.6.1991 ordnete das Amtsgericht- Vormundschaftsgericht - Augsburg für die Betroffene wegen Verhinderung ihrer Mutter als deren gesetzliche Vertreterin Ergänzungspflegschaft an mit dem Wirkungskreis: "Vertretung bei der Wahrnehmung der Rechte als Miterbin nach dem im 28.3.1991 verstorbenen Vater".

Mit Schreiben vom 15.2.1999 stellte die Mutter der Betroffenen Antrag auf Aufhebung der Ergänzungspflegschaft, den das Vormundschaftsgericht Augsburg am 28.4..1999 ablehnte.

Die Mutter der Betroffenen beantragte mit Schreiben vom 27.1.2000 sowie vom 2.5.2000 jeweils die Entlassung der Ergänzungspflegerin und erklärte am 25.5.2000, sie wünsche nicht nur die Entlassung der Ergänzungspflegerin, sondern beantrage die völlige Aufhebung der Ergänzungspflegschaft für ihre Tochter.

Mit - dem damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mitgeteilter - Verfügung vom 10.3.2000 gab das Vormundschaftsgericht Augsburg das Verfahren zur Entscheidung über den Aufhebungsantrag zuständigkeitshalber an das Familiengericht Augsburg ab.

Unter dem 17.4.2000 reichte das Familiengericht die Akten dem Vormundschaftsgericht mangels Zuständigkeit zurück. Unter dem 26.4.2000 erneuerte das Vormundschaftsgericht die Verfahrensabgabe an das Familiengericht.

Mit Beschluss vom 12.5.2000 lehnte das Familiengericht die Verfahrensübernahme ab. Inhaltlich unterrichtete hiervon das Vormundschaftsgericht mit Schreiben vom 17.5.2000 die Antragstellerin.

Mit - der Antragstellerin und der Ergänzungspflegerin mitgeteiltem - Beschluss vom 29.5.2000 erklärte sich das Vormundschaftsgericht für nicht zuständig.

Die Rechtspflegerin des Vormundschaftsgerichts legte die Akten unter dem 6.6.2000 dem Oberlandesgericht München und dieses im Juli 2000 dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

Hiervon unterrichtete das Bayerische Oberste Landesgericht die Verfahrensbeteiligten im selben Monat. Sie äußerten sich nicht.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist als das gemeinsame obere Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits zwischen dem Vormundschafts- und dem Familiengericht berufen (BayObLGZ 1999, 6/7).

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.

a) Ein Gesuch im Sinne des § 37 Abs. 1 ZPO liegt in der Vorlage des am Zuständigkeitsstreits beteiligten Vormundschaftsgerichts. Hierzu ist im Rahmen des ihr übertragenen Geschäfts (§ 3 Nr. 2 Buchst. a RPflG) auch die Rechtspflegerin befugt (BayObLGZ 1994, 91/93).

b) Beide Gerichte haben sich "rechtskräftig" im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für unzuständig erklärt. Bei der hier gegebenen entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO genügt die jeweils tatsächliche und als verbindlich gewollte Kompetenzleugnung und die Bekanntgabe der Entscheidungen an die Verfahrensbeteiligten (BayObLGZ 1994, 91/93; 1999, 6/8).

3. Für die Entscheidung über die beantragte Aufhebung der Ergänzungspflegschaft ist das Amtsgericht, - Familiengericht - Augsburg zuständig.

a) Gemäß § 1696 Abs. 1 BGB haben das Vormundschaftsgericht und das Familiengericht ihre Anordnungen zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist (vgl. auch § 50 Abs. 3 FGG). Das Abänderungsverfahren gemäß § 1696 Abs. 1 BGB stellt ein neues selbständiges Verfahren dar. Die Zuständigkeit für dieses Verfahren ist jeweils neu zu bestimmen. Daher sind auch Änderungen in der Zuständigkeit, die seit dem Erstverfahren eingetreten sind (vgl. § 1693 BGB in der seit 1.7.1998 geltenden Fassung: Art. 1 Nr. 46 und Art. 17 § 1 KindRG vom 16.12.1997: BGBl I S. 2942/2950/2967), zu berücksichtigen (BGHZ 21, 306/315; BayObLGZ 1999, 6/8 f.; RGRK/Adelmann BGB 12. Aufl. § 1696 Rn. 23; Palandt/Diederichsen BGB 59. Aufl. § 1696 Rn. 30; Erman/Michalski BGB 10. Aufl. 1696 Rn. 5 und 6; FamRefK/Rogner - 1998 - BGB Rn. 24 vor 1626 und 1696 Rn. 8; MünchKomm/Hinz BGB 3. Aufl. § 1696 Rn. 22).

b) Zuständig ist das Familiengericht (§ 1696 Abs. 1 BGB in der am 1.7.1998 in Kraft getretenen Neufassung laut Art. 1 Nr. 25 und Art. 17 § 1 KindRG vom 16.12.1997: BGBl I S. 2942/2948/2967).

Die noch ausstehende Entscheidung über die beantragte Aufhebung der Ergänzungspflegschaft betrifft das elterliche Sorgerecht. Eingriffe in die elterliche Sorge sind nach Wortlaut und Begründung des KindRG ab 1.7.1998 grundsätzlich den Familiengerichten zugewiesen (BT-Drucks. 13/4899 S. 71/72, 109/110). Die Aufhebung einer Pflegschaft gehört nicht zu den Angelegenheiten, für die das KindRG ausnahmsweise (vgl. ThomasyPutzo ZPO 22. Aufl. § 621 Rn. 23) die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts beibehalten hat, wie z. B. Bestellung, Beratung und Beaufsichtigung eines Vormunds oder Pflegers (BT-Drucks. aaO S. 110; BayObLG NJW-RR 2000, 959 Rpfleger 2000, 158; OLG Stuttgart FamRZ 1999, 1601).

c) Eine Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Eingriff in die elterliche Sorge im Jahr 1991 von dem damals zuständigen Vormundschaftsgericht angeordnet worden war, weil das Abänderungsverfahren nach § 1696 Abs. 1 BGB - wie ausgeführt -- ein neues, selbständiges Verfahren darstellt, für das die Zuständigkeit jeweils neu zu bestimmen ist (vgl. ebenso Senatsbeschluß 4Z AR 45/00 vom 16.6.2000).

Ende der Entscheidung

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