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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: 4Z BR 12/01
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 7
InsO § 14
InsO § 34
ZPO § 294
ZPO § 561
Zur Frage, wann die Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Gläubigerforderung bei einem Antrag des Gläubigers auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als überspannt anzusehen sind.
Der 4. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Dr. Pongratz, Kehrstephan und Frisch

am 11. September 2001

in dem Insolvenzverfahren

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Landgerichts Deggendorf vom 25. Juni 2001 wird zugelassen.

II. Auf dieses Rechtsmittel wird der Beschluss vom 25. Juni 2001 aufgehoben.

III. Das Verfahren wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Deggendorf zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Landgericht wies mit Beschluss vom 25.6.2001 die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 15.3.2001, durch den dem Antrag des Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Schuldnerin keine Folge gegeben worden war, zurück.

Gegen den am 2.7.2001 zugestellten Beschluss hat der Gläubiger am 16.7.2001 sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

Er beantragt, das Rechtsmittel zuzulassen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattzugeben.

Der Gläubiger macht geltend, ihm sei nur unzureichend rechtliches Gehör gewährt worden, weil wesentliche Teile seines Beschwerdevorbringens nicht berücksichtigt worden und ihm die Stellungnahme der Schuldnerin zur Beschwerdebegründung nicht mitgeteilt worden sei. Der der Entscheidung zugrunde zu legende Sachverhalt sei fehlerhaft unter Verstoß gegen die Grundsätze der Amtsermittlung und Parteiherrschaft festgestellt worden. Der Begriff der Glaubhaftmachung sei verkannt worden.

Die Schuldnerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält, ohne ihre Rechtsauffassung näher zu begründen, die sofortige weitere Beschwerde für nicht begründet.

II.

1. a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 7 Abs. 3 InsO i.V.m. § 29 Abs. 2 GZVJu n.F. zuständig.

b) Der Senat lässt die weitere Beschwerde gemäß § 7 Abs. 1 InsO zu.

Der Antrag des Gläubigers auf Zulassung des Rechtsmittels und die mit diesem Antrag verbundene sofortige weitere Beschwerde sind form- und fristgerecht angebracht worden. Der Gläubiger wendet sich im Beschwerdeverfahren gegen eine nach § 6 Abs. 1 InsO anfechtbare Ausgangsentscheidung des Insolvenzgerichts, nämlich gegen die Ablehnung der von ihm beantragten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, gegen die für den Gläubiger als Antragsteller gemäß § 34 Abs. 1 InsO die sofortige Beschwerde gegeben ist.

c) Auch die besonderen Voraussetzungen der Zulassung des Rechtsmittels der weiteren Beschwerde nach § 7 Abs. 1 InsO sind erfüllt. Der Gläubiger stützt das Rechtsmittel auf eine Verletzung des Gesetzes und wirft Rechtsfragen auf, deren Klärung nicht nur der Einzelfallgerechtigkeit, sondern auch der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen.

2. Das Rechtsmittel ist auch begründet.

a) Der angefochtene Beschluss des Landgerichts beruht auf einer Gesetzesverletzung (§ 7 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 550, 561 ZPO) und ist allein schon deshalb aufzuheben, weil die Entscheidung keinen subsumtionsfähigen Sachverhalt enthält. Nach inzwischen gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung ist die dem Gericht der weiteren Beschwerde obliegende rechtliche Nachprüfung nur möglich, wenn sich aus der angefochtenen Entscheidung ergibt, von welchem konkreten Sachverhalt das Gericht der Erstbeschwerde ausgegangen ist und wie es ihn festgestellt hat. Dazu ist grundsätzlich eine vollständige Sachverhaltsdarstellung erforderlich, die lediglich durch konkrete Bezugnahmen auf bestimmte Urkunden oder Aktenteile ersetzt oder ergänzt werden darf. Genügt die angefochtene Entscheidung diesen Anforderungen nicht, so zwingt dieser Mangel zur Aufhebung und Zurückverweisung. Das Rechtsbeschwerdegericht ist nicht befugt, sich den Sachverhalt, von dem das Landgericht ausgegangen ist, aus den Akten zu bilden und der rechtlichen Überprüfung zugrunde zu legen (statt vieler: BayObLG ZInsO 2000, 519; OLG Köln NZI 2000, 133; OLG Celle ZInsO 2000, 667).

Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts nicht. Ein Sachverhalt, dem auch nur ansatzweise entnommen werden könnte, wie sich die derzeitige wirtschaftliche Situation der Schuldnerin darstellt, wie die Rechtsbeziehung zwischen Schuldnerin und Gläubiger ausgestaltet ist um welche Forderungen mit welchen Argumenten die Beteiligten streiten, ist nicht vorhanden. Die Bezugnahme "wegen der Einzelheiten auf die Rechtsmittelbegründung in den Schreiben vom 4.4.2001 und 17.4.2001 sowie die Stellungnahme des Schuldnervertreters vom 12.4.2001" kann die Wiedergabe eines für das Rechtsbeschwerdegericht beurteilungsfähigen Sach- und Streitstands in den Entscheidungsgründen nicht ersetzen, weil nicht einmal stichpunktartig dargelegt ist, was die Beteiligten im Beschwerdeverfahren vorgebracht haben, welche Feststellungen das Landgericht hierzu getroffen hat und wie es das Vorbringen im einzelnen gewürdigt hat. Auf das ergänzende Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Schriftsatz vom 15.6.2001, dessen mangelnde Berücksichtigung durch das Landgericht der Beschwerdeführer rügt, ist die Kammer nicht eingegangen.

Das Rechtsbeschwerdegericht ist gemäß § 7 Abs. 1 InsO, § 561 ZPO an die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts gebunden. Dem Senat ist es daher verwehrt, durch Auswertung der Prozeßakten herauszufinden, von welchem Sachverhalt das Tatgericht möglicherweise ausgegangen sein könnte. Die tatsächlichen Feststellungen müssen daher nach Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht nachgeholt werden.

b) Der angefochtene Beschluss lässt darüber hinaus besorgen, dass das Landgericht auch zu hohe Anforderungen an die vom Gläubiger beizubringende Glaubhaftmachung seiner Forderung stellt. Gemäß § 14 InsO ist der Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens u.a. nur zulässig, wenn der Gläubiger seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Das Landgericht hält unter Zitathinweis auf "Eickmann u.a., InsO, 2. Aufl., § 16, Rd.Nr. 1311 die Glaubhaftmachung von Lohnforderungen des Beschwerdeführers, die von der Schuldnerin bestritten werden, für unzureichend, weil eidesstattliche Versicherungen nicht geeignet seien, Lohnansprüche zu "beweisen". Hierfür bedürfe es eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens in welchem eine Beweisaufnahme durchgeführt werden könne.

Diese Argumentation erweist sich schon insoweit als rechtsfehlerhaft, als die Kammer auf die Beweisfähigkeit eines Beweismittels - hier: der eidesstattlichen Versicherung - abstellt. Glaubhaftmachung bedeutet einen geringeren Grad der Beweisführung. zur Glaubhaftmachung bedarf es nicht des vollen Beweises, es genügt die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass eine bestrittene Tatsache zutrifft. Die vom Gläubiger behauptete Forderung braucht gemäß § 14 InsO nicht bewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht zu werden. Ist die Forderung glaubhaft gemacht, so ist der Gläubiger als antragsberechtigt legitimiert. Begründet ist der Antrag allerdings nur, wenn ein Eröffnungsgrund (§ 16 InsO) vorliegt. Eröffnungsgrund für einen Gläubigerantrag ist aber nicht die Gläubigerforderung, sondern nur die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und - bei einer juristischen Person - die Überschuldung (§ 19 InsO). Nur in dem Ausnahmefall, dass die Forderung des antragstellenden Gläubigers die einzige ist, die einen Eröffnungsgrund zu Lasten des Schuldners begründen könnte, ist auch diese in vollem Umfang zu beweisen (Eickmann/Kirchhof InsO 2. Aufl. § 14 Rn. 11, § 16 Rn. 12). Von einem Fall der Zahlungsunfähigkeit allein aufgrund der Gläubigerforderung des Antragstellers kann indes hier - wie schon das Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters zeigt - angesichts der zahlreichen weiteren Gläubiger keine Rede sein.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Gläubiger die tatsächlichen Grundlagen seiner Forderung gemäß § 294 ZPO i.V.m. § 4 InsO unter Zuhilfenahme aller präsenten Beweismittel glaubhaft machen. Danach ist neben den üblichen Beweismitteln auch die eidesstattliche Versicherung ein grundsätzlich zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung (Eickmann/Kirchhof § 14 Rn. 8). Ob die eidesstattliche Versicherung als Mittel der Glaubhaftmachung für die Überzeugungsbildung des Gerichts ausreicht, hängt dagegen vom Einzelfall ab. Die grundsätzliche Durchführung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens ist nicht geboten.

Soweit das Landgericht auch die gekaufte Forderung des Beschwerdeführers über 4315,20 DM als nicht hinreichend glaubhaft gemacht ansieht, lassen die Beschlussgründe eine nachvollziehbare Begründung der von der Kammer vorgenommenen Würdigung vermissen. Nach dem Beschwerdevorbringen hat der Gläubiger das Bestehen dieser im Wege der Abtretung erlangten Forderung durch verschiedene Belege glaubhaft gemacht. Diese Glaubhaftmachung - die Tragfähigkeit der insoweit vorgelegten Beweismittel unterstellt - kann ohne jede Erörterung und Abwägung der Mittel der Glaubhaftmachung der Beteiligten nicht allein mit dem lapidaren Hinweis, die Forderung sei in einem anderen Insolvenzverfahren von der Schuldnerin bestritten worden und werde nach Behauptung der dortigen Antragsstellerin gerichtlich geltend gemacht, als entkräftet angesehen werden. Im übrigen dient auch diese Forderung nicht, wie die Kammer meint, als Eröffnungsgrund, sondern als Zulässigkeitsvoraussetzung für den Gläubigerantrag nach 14 InsO.

3. Die angefochtene Entscheidung der Zivilkammer muss deshalb aufgehoben und das Verfahren zum Zweck ergänzender tatsächlicher Feststellungen an das Landgericht zurückverwiesen werden.

Da mit der Zurückverweisung noch nicht feststeht, ob das Rechtsmittel im Ergebnis Erfolg haben wird, muss dem Landgericht zugleich auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde übertragen werden.

Ende der Entscheidung

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