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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.10.2000
Aktenzeichen: 4Z BR 16/00
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 7
InsO § 26 Abs. 1
InsO § 304 Abs. 1
1. Auch in dem von völlig mittellosen Schuldnern eingeleiteten Verbraucherinsolvenzverfahren ist § 26 Abs. 1 InsO anwendbar mit der Folge, dass diesen Schuldnern der Zugang zur Restschuldbefreiung verschlossen bleibt, wenn keine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist und auch sonst niemand einen ausreichenden Geldbetrag vorschießt (im Anschluß an OLG Köln ZIP 2000, 548).

2. Über Fragen der Prozesskostenhilfe hat das Rechtsbeschwerdegericht im Verfahren nach § 7 InsO nicht zu befinden (im Anschluß an BGH NJW 2000, 1869).


BayObLG Beschluß

Landgericht I - 14 T 4134/00; Amtsgericht München 1503 IK 1064/99

4Z BR 16/00

05.10.00

Der 4. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Jaggy sowie der Richter Dr. Pongratz und Heiss

am 5. Oktober 2000

in dem Insolvenzverfahren

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 8. August 2000 wird nicht zugelassen. Das Rechtsmittel wird als unzulässig verworfen.

II. Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat die Schuldnerin zu tragen.

III. Der Beschwerdewert wird auf 2 000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Schuldnerin, seit Mitte 1995 Bezieherin einer Berufsunfähigkeitsrente von derzeit monatlich 1078,78 DM, beantragte mit Schriftsatz vom 21.7.1999, über ihr Vermögen das Verbraucherinsolvenzverfahren zu eröffnen.

Für das Schuldenbereinigungsplanverfahren hatte das Insolvenzgericht der Schuldnerin Prozeßkostenhilfe (ohne Beiordnung eines Rechtsanwalts) bewilligt. Dagegen lehnte es eine Prozeßkostenhilfebewilligung für die Durchführung des Insolvenzverfahrens ab; die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluss vom 13.10.1999 als unbegründet zurück.

Nach erfolgloser Durchführung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens nach §§ 307 - 309 InsO, in dem die Schuldnerin ihren Gläubigern eine Befriedigungsquote von 0 % vorgeschlagen hatte, wies das Amtsgericht München, Insolvenzgericht, den Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens mit Beschluss vom 2.12.1999 gemäß § 26 Abs. 1 InsO ab; weder sei eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse vorhanden noch sei ein zur Kostendeckung ausreichender Geldbetrag (wie mit Beschluss vom 10.9.1999 in Höhe von 2000 DM angefordert) vorgeschossen worden.

Die am 21.2.2000 hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde wies das Landgericht München I letztlich mit Beschluss vom 8.8.2000 zurück.

Gegen den am 10.8.2000 zugestellten landgerichtlichen Beschluss legte die Schuldnerin am 21.8.2000 sofortige weitere Beschwerde ein und beantragte deren Zulassung. In der Sache beantragt sie, die eine Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens ablehnenden Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts aufzuheben und die Eröffnung dieses Verfahrens - mit dem Ziel einer Restschuldbefreiung auf der Grundlage eines sogenannten Nullplans - anzuordnen. Zur Begründung des Antrags auf Zulassung des Rechtsmittels und zur Begründung des Rechtsmittels selbst macht sie geltend, die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts beruhten auf Gesetzesverletzungen, die Nachprüfung sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die Bestimmungen der §§ 26 Abs. 1 und 207 Abs. 1 InsO seien ausschließlich auf das Regelinsolvenzverfahren zugeschnitten und könnten nicht, unbesehen auf das Verbraucherinsolvenzverfahren angewendet werden. Die Vorinstanzen stuften die Vorschrift des § 26 InsO höherwertig ein als das in § 1 Satz 2 InsO normierte Ziel des Gesetzes, die Möglichkeit zur Restschuldbefreiung. Damit werde die Zielsetzung des Gesetzes ausgehöhlt bzw. blockiert. Die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Bezugnahme auf § 26 Abs. 1 InsO und die gleichzeitige Verweigerung von Prozeßkostenhilfe führe zur Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG, zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 GG und zu einem Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG. Dem völlig mittellosen Insolvenzschuldner, der folglich auch keinen nach § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichenden Geldbetrag vorschießen könne, sei zumindest durch Bewilligung von Prozeßkostenhilfe in Anwendung von § 4 InsO, §§ 114 ff. ZPO der Zugang zur Restschuldbefreiung zu ermöglichen. Der Vorschlag eines sogenannten Nullplans sei nach der obergerichtlichen Rechtsprechung zulässig; bei Vorlage von "Nullplänen" würden die Schuldner regelmäßig die Verfahrenskosten nicht aus eigenen Mitteln aufbringen können.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 7 Abs. 3. InsO i. V. m. § 29 Abs. 2 GZVJu i. d. F. vom 6. Juli 1995 (GVB1 S. 343) zur Entscheidung über die sofortige weitere Beschwerde berufen.

2. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 1 InsO statthaft, muss aber mangels Zulassung als unzulässig verworfen werden.

3. Die Zulassung der weiteren Beschwerde setzt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO voraus, dass sie darauf gestützt ist, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht und die Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht geboten, da die Frage der Anwendbarkeit des § 26 Abs. 1 InsO im Verfahren der Verbraucherinsolvenz bei völlig mittellosen Schuldnern bereits obergerichtlich bejaht worden ist (OLG Köln ZIP 2000, 548) und sich der Senat der ausführlich begründeten Entscheidung des OLG Köln schon im Beschluss vom 24.5.2000 (BayObLGZ 2000 Nr. 30 = NZI 2000, 434) angeschlossen hat. Der Senat teilt im übrigen auch die in der genannten Entscheidung des OLG Köln ausgeführte Ansicht, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen die sich aus der Versagung der Prozesskostenhilfe ergebende Notwendigkeit der Anwendung des § 26 Abs. 1 InsO für das vorliegende verfahren nicht relevant sind. Über die von der Beschwerdeführerin angesprochenen Fragen der Prozeßkostenhilfe hat der Senat als Rechtsbeschwerdegericht im Verfahren der weiteren Beschwerde nach § 7 InsO nicht zu befinden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO, § 97 Abs. 1 ZPO.

5. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 4 InsO, § 3 ZPO. Das wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin entspricht zumindest dem Betrag der vom Insolvenzgericht geschätzten Verfahrenskosten, die nach dem Ziel des Rechtsmittels auf die Staatskasse abgewälzt werden sollten.

Ende der Entscheidung

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