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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.10.2000
Aktenzeichen: 4Z BR 18/00
Rechtsgebiete: InsO, InsVV


Vorschriften:

InsO § 21
InsO § 22
InsO § 7 Abs. 2 Satz 1
InsVV § 11 Abs. 1
InsVV § 1 Abs. 2 Nr. 2
1. Die mit Aus- und Absonderungsrechten belasteten Gegenstände sind bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters heranzuziehen, wenn sich die Tätigkeit der vorläufigen Verwaltung auf diese Gegenstände erstreckte (im Anschluß an OLG Zweibrücken NZI 2000, 314 [316] und Thüringer OLG, Beschluss vom 18.9.2000, 6 W 291/00).

2. Für die Berechnung der Vergütung ist eine Prognose über die Möglichkeit einer zukünftigen Verwertung und Überschußerzielung durch den endgültigen Verwalter nicht erforderlich (im Anschluß an Thüringer OLG aaO; a.A. OLG Zweibrücken aaO).

3. Der Wertansatz für die mit Drittrechten belasteten Gegenstände kann nicht mit der Begründung gekürzt werden, während der vorläufigen Verwaltung habe der Verwalter diese Gegenstände nicht verwertet.


BayObLG Beschluß

Landgericht Deggendorf 1 T 106/00; Amtsgericht Deggendorf IN 14/00

4Z BR 18/00

18.10.00

BayObLGZ Nr. 60

Der 4. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Jaggy sowie der Richter Dr. Pongratz und Heiss

am 18. Oktober 2000

in dem Insolvenzverfahren

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des vorläufigen Insolvenzverwalters wird im Umfang der nachfolgend in Ziff. II tenorierten Entscheidung zugelassen.

II. Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 17.8.2000 in Ziffern 2, 3 und 4 wie folgt geändert:

1. Die dem vorläufigen Insolvenzverwalter zu erstattende Vergütung wird auf netto 14970,28 DM zuzüglich Auslagen von netto 686,60 DM zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer (2505,10 DM), somit brutto 18161,38 DM festgesetzt.

2. Im übrigen wird die sofortige Beschwerde des vorläufigen Insolvenzverwalters zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht tragen der Beschwerdeführer 90 % und die Insolvenzmasse 10 %.

4. Der Beschwerdewert wird auf 23156,54 DM festgesetzt.

III. Im übrigen wird der Antrag auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde zurückgewiesen und das Rechtsmittel als unzulässig verworfen.

IV. Von den Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde tragen der Beschwerdeführer 98 % und die Insolvenzmasse 2 %.

V. Der Beschwerdewert für die weitere Beschwerde wird auf 41165,31 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

In dem auf Antrag der Schuldnerin eingeleiteten Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen bestellte das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 28.1.2000 den Beschwerdeführer zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungszustimmungsbefugnis gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 (2. Alternative) InsO. Die Schuldnerin betreibt unter der im Rubrum genannten Firma ein Einzelunternehmen, zu dem eine Pkw-Service- und Reparaturwerkstatt gehört und das mit neuen und gebrauchten Fahrzeugen handelt. Das Insolvenzgericht hob mit Beschluß vom 25.2.2000 die Bestellung auf, da die Schuldnerin ihren Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens am Vortag zurückgenommen hatte. Mit Schriftsatz vom 28.3.2000 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter in Höhe von netto 16467,30 DM zuzüglich 686,60 DM Auslagen und 16 % Mehrwertsteuer. Das Insolvenzgericht setzte die Vergütung am 29.6.2000 auf netto 12972,07 DM zuzüglich beantragte Auslagen und Mehrwertsteuer fest und wies den weitergehenden Antrag zurück. Gegen diese am 7.7.2000 zugestellte Entscheidung legte der Beschwerdeführer am 19.7.2000 sofortige Beschwerde ein, mit der er die Festsetzung einer Vergütung von nunmehr netto 32934,61 DM beantragte. Das Insolvenzgericht half der Beschwerde nicht ab. In seiner Beschwerdeentscheidung vom 17.8.2000 setzte das Landgericht die Vergütung auf netto 14413,40 DM zuzüglich beantragte Auslagen und 16 % Mehrwertsteuer fest.

Gegen diese dem Beschwerdeführer am 29.8.2000 zugestellte Entscheidung wendet er sich mit seiner am 11.9.2000 eingereichten sofortigen weiteren Beschwerde vom selben Tag. Er beantragt, in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen seine Vergütung nunmehr auf netto 49900,92 DM (9980,18 DM 39920,74 DM) zuzüglich 686 DM Auslagen und 16 % Mehrwertsteuer festzusetzen. Er beanstandet an erster Stelle, dass beide Vorinstanzen bei der Ermittlung der Verwaltungsmasse die von ihm beantragten Wertansätze von insgesamt 297000 DM für Fuhrpark, Lager und Reparaturwerkzeuge mit der Begründung um 50 % herabsetzten, es habe sich um sicherungsübereignete Gegenstände gehandelt, bei denen Drittrechte nicht streitig gewesen seien und eine Verwertung nicht erfolgt sei. Er trägt vor, diese Herabsetzung sei nicht gerechtfertigt, weil gerade die Verwaltung dieser Gegenstände schwierig und enorm zeitraubend gewesen sei. An zweiter Stelle nimmt er, abweichend von seinem Sachvortrag und seiner Antragstellung gegenüber den Vorinstanzen eine Neuberechnung seines Vergütungsanspruchs vor, indem er - insoweit noch in Übereinstimmung mit der landgerichtlichen Entscheidung - von Erhöhungsfaktoren nach § 3 InsVV von insgesamt 0,5 (0,25 + 0,15 + 0,1) ausgeht, seinen sich daraus ergebenden Anspruch jedoch nicht aus der Regelvergütung für die vorläufige Verwaltung (19960,37 DM), sondern aus der ungekürzten Regelvergütung des (endgültigen) Insolvenzverwalters (79841,48 DM) ableitet.

Die Schuldnerin hat in ihrer Stellungnahme vom 4.10.2000 den Sachvortrag des Beschwerdeführers bestätigt und ist seiner Antragstellung vom 11.9.2000 nicht entgegengetreten.

II.

1. Für die Entscheidung über die sofortige weitere Beschwerde ist das Bayerische Oberste Landesgericht gem. § 7 Abs. 3 InsO i. V. m. § 29 Abs. 2 GZVJu i. d. F. vom 6. Juli 1995 (GVBl S. 343) zuständig.

2. Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft (§ 7 Abs. 1, § 6 Abs. 1, § 21 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO; OLG Zweibrücken NZI 2000, 314; OLG Köln Beschlüsse vom 10.3.2000 und vom 18.8.2000, 2 W 274/99, 2 W 97/00 und 2 W 109/00; OLG Braunschweig Rpfleger 2000, 416; OLG Celle MDR 2000, 1031 und OLG Stuttgart NZI 2000, 166); sie ist auch form- und fristgerecht eingereicht (§ 7 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 569, 577 Abs. 2 ZPO).

3. Verfahrensrechtlich und sachlich hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.

a) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO ist die sofortige weitere Beschwerde nur dann eröffnet, wenn sie vom Rechtsbeschwerdegericht zugelassen wird. Dies setzt einen zulässigen und begründeten Antrag auf Zulassung (§ 7 Abs. 1 Satz 2 InsO) voraus. Zwar fehlt es an einem ausdrücklichen Zulassungsantrag, der Senat geht jedoch davon aus, dass der Zulassungsantrag konkludent in der Begründung der weiteren Beschwerde enthalten ist.

b) Keinen Erfolg haben der Zulassungsantrag und somit das Rechtsmittel, soweit der Beschwerdeführer erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren mit der Behauptung, er habe in 3,8 Wochen Verfahrensdauer das gleiche Arbeitspensum wie bei einer 6-wöchigen Verfahrensdauer bewältigt, eine neue Berechnung vornimmt und damit im Widerspruch zu seiner Anspruchsbegründung in den Tatsacheninstanzen eine dort bisher nicht geltend gemachte Vergütungshöhe verfolgt. Insoweit scheitert das Rechtsmittel sowohl daran, dass die zur Begründung eines höheren Anspruchs angeführten Gesichtspunkte nicht Gegenstand der bisherigen tatrichterlichen Prüfung waren, als auch daran, dass eine Gesetzesverletzung weder dargelegt noch ersichtlich ist. Der Beschwerdebegründung ist insoweit auch keine Rechtsfrage zu entnehmen, deren Klärung über den Einzelfall hinaus der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen soll.

4. Im übrigen, d. h. hinsichtlich der Rüge der fehlerhaften Ermittlung der Verwaltungsmasse, was die Wertansätze für Fuhrpark, Lager und Reparaturwerkzeuge anbelangt, ist das Rechtsmittel zuzulassen; es ist begründet.

a) Insoweit ist der mit der Beschwerdebegründung konkludent gestellte Zulassungsantrag begründet, die Zulassungsvoraussetzungen - Geltendmachung einer Gesetzesverletzung und Gebot der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - liegen vor.

b) Die Tätigkeit der vorläufigen Insolvenzverwaltung löst gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 InsVV einen eigenständigen Anspruch auf Vergütung aus, der mit Beendigung dieser Tätigkeit fällig wird und dessen Berechnungsgrundlage der Wert des Vermögens ist, das zur Zeit der Beendigung der Tätigkeit der Verwaltung unterlag (vgl. Hess InsO Bd. 2 § 11 InsVV Rn. 8 ff., Haarmeyer/Wutzke/Förster InsVV 2. Aufl. § 11 Rn. 1, 11, 38). Amtsgericht und Landgericht haben rechtsfehlerhaft die Wertansätze für Fuhrpark, Lager und Reparaturwerkzeuge um 50 % mit der Begründung gekürzt, es habe sich um sicherungsübereignete Gegenstände gehandelt, bei denen Drittrechte nicht streitig gewesen seien und eine Verwertung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht erfolgt sei. Diese Kürzung kann keinen Bestand haben. Auch die mit Drittrechten belasteten Gegenstände sind für die Vergütungsberechnung heranzuziehen, wenn sich - wie hier zweifelsfrei festgestellt - die Tätigkeit der vorläufigen Verwaltung auf sie erstreckte (vgl. OLG Zweibrücken NZI 2000, 314 (3161; LG Chemnitz ZInsO 2000, 509). Die Frage, ob der Umstand, dass die Drittrechte nicht streitig sind, eine Kürzung des Vermögenswertes rechtfertigen könnte, kann im vorliegenden Fall offen bleiben, da das Landgericht keine Tatsachen festgestellt hat, die den von der Insolvenzschuldnerin bestätigten, substantiierten Vortrag des Beschwerdeführers, die Klärung des Umfangs, Inhalts und Ranges der Drittrechte habe arbeitsintensive Ermittlungen und Verhandlungen erfordert, in Frage stellen. Die Kürzung des Wertansatzes kann auch nicht mit dem Argument begründet werden, die mit Drittrechten belasteten Gegenstände seien während der vorläufigen Verwaltung vom Beschwerdeführer nicht verwertet worden, denn eine Verwertung gehört nicht zu den in § 22 InsO normierten Aufgaben des vorläufigen Verwalters.

Der Senat hält es auch nicht für vertretbar, im Wege einer Prognose auf die Möglichkeit einer zukünftigen Verwertung und Überschußerzielung durch den endgültigen Insolvenzverwalter abzustellen (so OLG Zweibrücken NZI 2000, 314 (3171; a. A. Thüringer OLG, Beschluss vom 18.9.2000, 6 W 291/00). Die Forderung nach einer derartigen Prognose würde, wie das Thüringer OLG aaO zutreffend ausführt, das Vergütungsfestsetzungsverfahren in unzuträglicher Weise belasten und verkomplizieren. Der Senat vermag sich dagegen nicht der Ansicht des Thüringer OLG in der Frage der Vorlagepflicht nach § 7 Abs. 2 Satz 1 InsO anzuschließen, denn die Entscheidung des OLG Zweibrücken aaO, nämlich Aufhebung und Zurückverweisung an die erste Tatsacheninstanz zur weiteren Sachverhaltsermittlung, beruht nicht auf den im Teil 2 b/bb (4) der Beschlußbegründung ausgeführten rechtlichen Erwägungen (Forderung einer Prognose über zukünftige Verwertungsmöglichkeiten), sondern auf der rechtlichen Grundsatzerwägung, der Senat könne der von der Vorinstanz vertretenen Ansicht ("Gegenstände, die mit einem Absonderungsrecht belastet sind, seien bei der Ermittlung des Wertes nicht zu berücksichtigen") nicht beitreten (Teil 2 b/bb (1) der Beschlußgründe). Hierauf beruhte die Aufhebung und Zurückverweisung; die Rechtsausführungen im Teil 2 b/bb (4) der Beschlußgründe stellen obiter dicta dar, die den Tatsacheninstanzen im dortigen Verfahren als Leitlinien für die korrekte Vergütungsfestsetzung dienen sollen.

Zu den Aufgaben des vorläufigen Verwalters gehören nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 InsO unter anderem Sicherungsmaßnahmen; dass der Beschwerdeführer solche Maßnahmen in Bezug auf Fuhrpark, Lager und Reparaturwerkzeuge unterlassen hätte (was nach der von Amtsgericht und Landgericht herangezogenen Kommentierung in Haarmeyer/Wutzke/Förster InsVV 2. Aufl. § 11 Rn. 45 eine Reduzierung bis zu 50 % rechtfertigen könnte), kann nach dem im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt nicht bejaht werden.

c) Der vorstehend ausgeführte Teilerfolg des Rechtsmittels bewirkt, dass für die Berechnung des Vergütungsanspruchs von einem Massewert in Höhe von 1217074,40 DM auszugehen ist (1068574,40 DM zuzüglich 50 % aus 297000 DM). Daraus folgt - unter Beibehaltung der übrigen, nicht angegriffenen oder nicht erfolgreich angefochtenen Berechnungsansätze und Berechnungsschritte der landgerichtlichen Entscheidung ein Vergütungsanspruch in Höhe von netto 14970,28 DM (1/4 aus 79841,48 DM zuzüglich 0,5 Erhöhungsfaktoren nach § 3 Abs. 1, lit. a, b, d InsVV abzüglich.50 % gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3. InsVV), zu dem Auslagen von netto 686,60 DM und 2505,10 DM Mehrwertsteuer hinzuzurechnen sind (der Ausgangsbetrag von 79841,48 DM und der Abzug nach § 11 Abs. 1 Satz 3 InsVV entsprechen der Antragstellung des Beschwerdeführers in den Vorinstanzen).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO, § 97 ZPO unter Berücksichtigung des endgültigen Teilerfolges im Verhältnis zum Beschwerdewert je Instanz.

6. Der Beschwerdewert für das Verfahren vor dem Landgericht beträgt 23156,54 DM (39900,60 DM abzüglich 15844,06 DM). Der Beschwerdewert für das Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht beträgt 41165,31 DM (58681,31 DM abzüglich 17516 DM).

Ende der Entscheidung

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