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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.09.2001
Aktenzeichen: 4Z BR 18/01
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 305 Abs. 3 Satz 1, 2
InsO § 8 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 176
ZPO § 212 a
Wird der Ergänzungsaufforderung des Insolvenzgerichts gemäß § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO nicht fristgerecht nachgekommen, so gilt Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens lediglich nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO als zurückgenommen.
Der 4.Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Jaggy sowie der Richter Frisch und Heiss

am 4. September 2001

in dem Verfahren über den Antrag

auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens des ...

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Landgerichts Schweinfurt vom 20.Juni 2001 wird zugelassen.

II. Auf dieses Rechtsmittel werden der vorgenannte Beschluss sowie der Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 25.April 2001 aufgehoben.

III. Das Verfahren wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Schweinfurt zurückverwiesen.

IV. Die in den Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Schweinfurt - 22 T 143/01 - und vor dem Senat - 4Z BR 18/01 - angefallenen Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

1. Mit Beschluss vom 25.4.2001 wies das Insolvenzgericht einen Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens als unzulässig zurück. Gegen die am 8.5.2001 zugestellte Entscheidung legte der Schuldner am 22.5.2001 sofortige Beschwerde ein. Mit weiterem Beschluss vom 1.6.2001 erklärte das Insolvenzgericht, dass es "aufgrund des im Insolvenzverfahren herrschenden Beschleunigungsgrundsatzes" der Beschwerde nicht abhelfen könne und legte die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vor. Die Beschwerdekammer wies die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 20.6.2001, zugestellt am 2.7.2001, unter Bezugnahme auf die nach ihrer Ansicht zutreffenden Gründe der Beschlüsse vom 25.4. und vom 1.6.2001 zurück; der Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gelte nach § 305 Abs. 3 InsO sowieso als zurückgenommen; dem Schuldner bleibe es unbenommen, einen erneuten Antrag zu stellen.

2. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner am 13.7.2001 eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde, deren Zulassung er zugleich mit der Begründung beantragt, die landgerichtliche Entscheidung beruhe auf einer-, Verletzung des § 305 InsO, eine Nachprüfung sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten; die Frage, ob versehentlich nicht richtige Anschriften und Firmenbezeichnungen in einem als solchen vollständigen Gläubigerverzeichnis eine Rücknahmefiktion nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO oder darüber hinaus eine förmliche Antragszurückweisung rechtfertigen können, sei in der Rechtsprechung des BGH und der Rechtsbeschwerdegerichte noch nicht entschieden worden.

3. Aus der pauschalen Verweisung auf die amtsgerichtlichen Beschlüsse vom 25.4. und vom 1.6.2001 ergibt sich, dass das Landgericht von folgenden Feststellungen ausgeht:

"Der Schuldner hat mit Schreiben vom 19.12.00 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt. In dem vom Schuldner vorgelegten Gläubiger- und Forderungsverzeichnis (Anlage 5 zum Eröffnungsantrag) sind 29 Gläubiger enthalten. Unter Nr.15 befindet sich eine GmbH, deren Forderung sich auf 152,80 DM beläuft. Des weiteren befindet sich unter Nr. 25 eine GmbH & Co KG, deren Forderung sich auf 153490,02 DM beläuft. Diesen beiden Gläubigern konnten weder Insolvenzantrag noch Schuldenbereinigungsplan mit den notwendigen Unterlagen zugestellt werden. Das Zustellersuchen an die GmbH & Co KG kam von der Post mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" sowie dem handschriftlichen Vermerk "soll Empfänger Firma... heißen?" zurück. Das Zustellersuchen an die GmbH kam mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" zurück. Bereits am 31.1.01 hat das Amtsgericht ein Kopie der Postzustellungsurkunde für die GmbH & Co KG an die anwaltschaftlichen Vertreter des Schuldners gesandt mit der Bitte, den Gläubiger genau mit Zustelladresse zu bezeichnen. Mit gleichem Schreiben wurde der anwaltliche Vertreter des Schuldners um Zustelladresse für die GmbH gebeten. Nachdem keine Reaktion erfolgte, wurde der Verfahrensbevollmächtigte mit Schreiben vom 21.02.01 an die Mitteilung der Zustelladressen erinnert. Eine Antwort auf die gerichtliche Aufforderung ist bis heute (= 25.4.2001) nicht erfolgt."

Die Mitteilung der nach durchgeführten Ermittlungen, berichtigten Bezeichnungen der Gläubiger Nr. 15 und Nr. 25 in der Beschwerdeschrift vom 22.5.2001 hält das Insolvenzgericht laut Beschluss vom 1.6.2001 für verspätet, da "die zeitliche Verzögerung nicht glaubhaft ausgeführt" sei.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen des Landgerichts vom 20.6.2001 und des Amtsgerichts vom 25.4.2001 und zur Zurückverweisung der Sache an das Insolvenzgericht.

1. Die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Entscheidung über das Rechtsmittel folgt aus § 7 Abs. 3 InsO i.V.m. § 29 Abs. 2 GZVJu i.d.F. vom 6.7.1995 (GVB1. S.343).

2. Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft. Da das Amtsgericht den Eröffnungsantrag als unzulässig zurückgewiesen hat, wendet sich der Schuldner im Rechtsmittelverfahren gegen eine Ausgangsentscheidung, gegen die die sofortige weitere Beschwerde gegeben ist (§ 34 Abs. 1, § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 InsO).

Der Senat lässt das Rechtsmittel gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO zu. Die Frage, ob nach dem Gesetz neben der Rücknahmefiktion gemäß § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO für eine zusätzliche Zurückweisung des Antrags auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens Raum ist und die Frage, welche dem Schuldner mögliche, aber von ihm unterlassene Mitwirkungshandlungen die Fiktion einer Antragsrücknahme nach 9 305 Abs. 3 Satz 2 InsO auslösen, haben eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung; zu beiden Fragen sind in der bisherigen insolvenzrechtlichen Rechtsprechung, soweit ersichtlich, noch keine einheitlichen Grundsätze entwickelt worden.

3. Der die amtsgerichtliche Entscheidung vom 25.4.2001 bestätigende Beschluss des Landgerichts vom 20.6.2001 kann keinen Bestand haben, da bereits die erstgenannte Entscheidung rechtlicher Nachprüfung nicht standhält.

Das Amtsgericht durfte den Eröffnungsantrag nicht als unzulässig mit der Begründung zurückweisen, der Schuldner habe es trotz gerichtlicher Aufforderung unterlassen, die fehlenden Gläubigerangaben nachzureichen. Kommt der Schuldner seiner in § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO normierten Verpflichtung nicht binnen eines Monats nach, so gilt sein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO als zurückgenommen. Für eine darüber hinausgehende Entscheidung des Insolvenzgerichts bietet das Gesetz bei - wie hier - ergänzungsfähigen Planunterlagen keine Grundlage. Die Entscheidungen beider Vorinstanzen waren daher aufzuheben.

4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

a) "Das Fehlende" in § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO bezieht sich auf eine nicht vollständige Abgabe der "in Absatz 1 (derselben Bestimmung) genannten Erklärungen und Unterlagen". Es kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob - nach einem mißlungenen Zustellungsversuch - aktualisierte Firmenbezeichnungen und Anschriften zu den "in Absatz 1 genannten Erklärungen und Unterlagen" (hier: Gläubigerverzeichnis nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO) zu zählen sind. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, könnte die bis 25.4.2001 unterbliebene Beantwortung der gerichtlichen Rückfrage nach der richtigen Bezeichnung und der aktuellen Anschrift der Gläubigerin Nr. 25 die erfolgte Zurückweisung des Insolvenzantrags nicht rechtfertigen, denn die Rückfrage (und deren Beantwortung) waren in Wirklichkeit nicht notwendig: Die Nachfrage des Postzustellers "soll Empfänger Firma... heißen?" hätte das Insolvenzgericht aus dem als Anlage 6 zum Antrag vom 16.12.2000 eingereichten Verzeichnis aller Gläubiger selbst beantworten und eine neue Zustellung mit der richtigen Bezeichnung (die auch einer weiteren Anlage zum Antrag vom 16.12.2000 zu entnehmen war) veranlassen können; der vorgenannten Nachfrage des Postzustellers war schließlich auch ein Hinweis auf einen stattgefundenen Umzug zu entnehmen. Die hinsichtlich der Gläubigerin Nr. 25 aufgetretenen Schwierigkeiten hätte das Insolvenzgericht in Ausfluss seiner Amts- und Fürsorgepflichten (§ 8 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1, § 4 InsO, § 139 ZPO) bereits nach dem Aktenstand vom 25.4.2001 Überwinden können und müssen.

b) Aus Gründen der Rechtssicherheit kann auf eine förmliche Zustellung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 InsO i.V.m. §§ 176, 212a ZPO bei einer gerichtlichen Aufforderung, die eine gesetzliche Frist von einem Monat in Gang setzen soll (§ 305 Abs. 3 Satz 2 InsO) nicht verzichtet werden. Denn der Fristablauf löst - im Falle einer rechtsfehlerfreien Aufforderung - für den untätigen Schuldner mit der Fiktion der Antragsrücknahme einen verfahrensrechtlich empfindlichen Nachteil aus: Eine daraufhin zulässige, aber auch erforderliche neue Antragstellung (auf die die Beschwerdekammer den Schuldner verweisen will) verdoppelt faktisch die Kosten des Eröffnungsverfahrens, da ein neuer Antrag wiederum allen Gläubigern zugestellt werden müsste (§ 307 Abs. 1 InsO). Weder die Aufforderung vom 31.1.2001 noch die "Erinnerung" vom 21.2.2001 sind den Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners förmlich zugestellt worden; beide gerichtlichen Mitteilungen waren somit nicht geeignet, die Frist des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO wirksam in Gang zu setzen und als Grundlage der vom Insolvenzgericht ausgesprochenen und vom Landgericht bestätigten Antragszurückweisung zu dienen.

c) Im Nichtabhilfebeschluss vom 1.6.2001 verweist das Insolvenzgericht zutreffend auf den "im Insolvenzverfahren herrschenden Beschleunigungsgrundsatz". Die unter Berufung auf diesen Grundsatz in der Sache getroffene Entscheidung - nämlich von der in § 6 Abs. 2 Satz 2 InsO ausdrücklich eröffneten Möglichkeit zur Abhilfe keinen Gebrauch zu machen - ist rechtlich nicht haltbar (vgl. hierzu OLG Celle, Beschluss vom 23.7.2001 - 2W 71/01 -).

d) Das Insolvenzgericht hatte im übrigen die ihm obliegende und nach Aktenstand auch durchführbare Anhörung des Gläubigers Nr.12 (Finanzverwaltung) noch nicht in einer den Anforderungen des § 307 Abs. 1 InsO genügenden Verfahrensweise abgeschlossen. Wegen der weitreichenden Folgen, die das Gesetz für die Gläubiger in §N 308, 309 InsO an den rügelosen Ablauf der Notfrist von einem Monat knüpft, schließt § 307 Abs. 1 Satz 3 InsO ausdrücklich vereinfachte Zustellungsformen nach § 8 Abs. 1 Sätze 2 und 3, Abs. 2 und 3 InsO aus. Eine Zustellung an das für eine Steuerschuld von über 58000 DM als Gläubiger zuständige Finanzamt steht bis heute aus (das laut Auskunft vom 26.1.2001 unzuständige Finanzamt hat folgerichtig eine Empfangsbestätigung nach § 212 a ZPO nicht ausgestellt). Mit Eingang der Auskunft vom 26.1.2001 ergab sich aus § 5 Abs. 1 InsO für das Insolvenzgericht die Pflicht, das für die Steuerschuld zuständige Finanzamt zu ermitteln und an diese Behörde die in § 307 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InsO vorgeschriebenen Unterlagen, Aufforderungen und Belehrungen zuzustellen.

5. Die mit sofortiger Beschwerde und mit der sofortigen weiteren Beschwerde angefochtenen Entscheidungen sind aus den vorstehend ausgeführten Gründen aufzuheben und die Sache ist zur Fortsetzung des Eröffnungsverfahrens nach §§ 307 ff. InsO an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen (§ 4 InsO, § 575 ZPO, Thomas/Putzo ZPO 23.Aufl. § 575 Rn. 2).

6. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (Thomas/Putzo § 97 Rn.8, 9). Wegen unrichtiger Sachbehandlung im Sinne von § 8 Abs. 1 GKG sind Gerichtskosten für die Verfahren der Erstbeschwerde und der weiteren Beschwerde nicht zu erheben.

Ende der Entscheidung

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