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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.09.2001
Aktenzeichen: 4Z BR 27/01
Rechtsgebiete: InsO, SGB III


Vorschriften:

InsO § 309 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
SGB III § 183 Abs. 1
SGB III § 208 Abs. 1
Fällt eine Krankenkasse mit dem ihr zustehenden Anteil an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nach § 183 Abs. 1 i.V.m. § 208 Abs. 1 SGB III bei Annahme des Schuldenbereinigungsplans aus und wird der anspruchsberechtigte Gläubiger dadurch wirtschaftlich benachteiligt so kann dies der gerichtlichen Ersetzung durch Zustimmung entgegenstehen.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht lehnte mit Beschluss vom 5.4.2001 den Antrag des Schuldners ab, die Einwendungen der Gläubigerinnen AOK und Betriebskrankenkasse gegen den Schuldenbereinigungsplan durch eine gerichtliche Zustimmung zu ersetzen. über die Begründung für die abgelehnte Ersetzung der Zustimmung hinaus ist in den Gründen noch ausgeführt, dass ein zuletzt erneut abgeänderter Schuldenbereinigungsplan des Schuldners, der den Einwendungen der beiden Gläubigerinnen Rechnung trägt, u.a. deshalb nicht mehr in das Schuldenbereinigungsverfahren einbezogen werde, weil dies zu einer nicht mehr vertretbaren Verfahrensverzögerung führen würde.

Gegen den am 23.4.2001 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts legte der Schuldner am 30.4.2001 sofortige Beschwerde ein, der das Amtsgericht nicht abhalf.

Das Landgericht wies mit Beschluss vom 10.7.2001 die sofortige Beschwerde als unbegründet zurück. Nach Auffassung des, Landgerichts hat das Amtsgericht zu Recht gemäß § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO die gerichtliche Zustimmung verweigert, weil beide Gläubigerinnen durch den Schuldenbereinigungsplan schlechter gestellt werden würden als sie bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auf Erteilung von Restschuldbefreiung stünden. Bei Vorliegen eines Insolvenzereignisses i.S. von § 183 Abs. 1 SGB III hätten die Gläubigerinnen ein Insolvenzgeld beanspruchen können, das höher als die vom Schuldner angebotene Quote sei. Die Zahlung des Insolvenzgeldes liege im öffentlichen Interesse. Soweit der Beschwerdeführer in einem Hilfsantrag beantrage, den Beschluss des Amtsgerichts München aufzuheben und den geänderten Schuldenbereinigungsplan (in dem die Einwendungen der beiden Gläubigerinnen berücksichtigt worden seien) zuzustellen, richte sich die Beschwerde gegen die in den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung abgelehnte Einbeziehung des zuletzt angebotenen, geänderten Schuldenbereinigungsplans. Gegen diese Ermessensentscheidung sei ein Rechtsmittel nicht statthaft.

Gegen den am 19.7.2001 zugestellten Beschluss wendet sich der Schuldner mit der am 2.8.2001 bei Gericht eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde, mit der er u.a. geltend macht, man solle entweder § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO dahin auslegen, dass potentielle Insolvenzgelder von Gläubigern bei Prüfung der wirtschaftlichen Schlechterstellung nicht zu berücksichtigen seien, oder § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO dahin verstehen, dass eine quotenmäßige Besserstellung von Gläubigern mit Insolvenzgeldansprüchen nicht als unangemessene Beteiligung der übrigen Gläubiger, die nicht insolvenzgeldberechtigt seien, angesehen werde. Soweit das Gericht es ablehne, den zuletzt geänderten, den Gläubigern nicht zugestellten Schuldenbereinigungsplan vom 29.3.2001 zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen, müsse die darin liegende Verletzung des § 307 Abs. 3 InsO im Wege einer außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit angefochten werden können.

Der Beschwerdeführer stellt folgende Anträge:

I. Der Beschluss des Landgerichts vom 10.07.2001 wird aufgehoben und die Zustimmungen der Gläubiger AOK und Betriebskrankenkasse ersetzt.

II. Hilfsweise wird beantragt, den Beschluss des Landgerichts aufzuheben und über die Annahme des geänderten Schuldenbereinigungsplans vom 29.03.01 - hilfsweise nach erneuter Zustellung - durch das Insolvenzverfahren zu entscheiden.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 7 Abs. 3 InsO i.V.m. § 9 Abs. 2 GZVJu n.F. zuständig.

2. Der Senat lässt die sofortige weitere Beschwerde nicht zu.

a) Die sofortige weitere Beschwerde ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO nur zuzulassen, wenn sie darauf gestützt wird, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, und wenn die Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Vorliegend ist bereits die letztgenannte Voraussetzung nicht erfüllt.

Die Nachprüfung der Beschwerdeentscheidung ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dann geboten, wenn die ernsthafte Gefahr von divergierenden insolvenzrechtlichen Entscheidungen besteht. Dies kann im Anwendungsbereich des neuen Insolvenzrechts auch ohne eine bereits vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung der Fall sein, wenn abweichende Entscheidungen von Land- und Amtsgerichten oder ernstzunehmende Ansichten im Schrifttum zu bedeutsamen Rechtsfragen der Insolvenzordnung die Notwendigkeit einer einheitlichen Ausrichtung begründen. Bloße Subsumtionsfehler des Landgerichts bei Anwendung einer - an sich zweifelsfreien und unumstrittenen - Rechtsnorm oder eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung im konkreten Einzelfall begründen dagegen keine generelle, durch das Obergericht zu korrigierende Divergenzgefahr (statt vieler: OLG Köln NZI 2000, 224).

Im vorliegenden Fall ist die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten.

Amts- und Landgericht haben die Ersetzung der Einwendungen der beiden Gläubigerinnen durch gerichtliche Zustimmung abgelehnt, weil auf der Grundlage des zuletzt geänderten, allen Gläubigern zugestellten Schuldenbereinigungsplans die beiden Krankenkassen bei Annahme des Schuldenbereinigungsplans wegen des dann mangels eines "Insolvenzereignisses" (Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Ablehnung mangels masse) eintretenden Ausfalls des Insolvenzgeldes (§ 183 Abs. 1 i.V.m. § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III) wirtschaftlich schlechter gestellt werden würden.

Dieses wirtschaftliche Ergebnis auf Seiten der beiden Gläubigerinnen haben die Instanzgerichte zu Recht als Zustimmungshindernis i.S. des § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO angesehen. Sollten die Gerichte bei Prüfung der wirtschaftlichen Situation der Gläubiger im tatsächlichen Bereich geirrt haben, läge ein bloßer Subsumtionsfehler im Einzelfall vor, der grundsätzlich nicht geeignet sein kann, die Zulassung der sofortigen Beschwerde zu rechtfertigen.

Die vom Beschwerdeführer erstrebte Auslegung von § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 InsO dahin, dass bei Beteiligung von nach § 183 Abs. 1 i.V.m. § 208 Abs. 1 SGB III anspruchsberechtigten Gläubigern deren Besserstellung im Schuldenbereinigungsplan nicht als unangemessene Beteiligung der übrigen Gläubiger angesehen wird (§ 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO) bzw. Insolvenzgeldansprüche von am Verfahren beteiligten Gläubigern bei der Prüfung, ob eine wirtschaftliche Schlechterstellung vorliegt, nicht berücksichtigt werden (§ 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO), findet in dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut keine Stütze. Die Auffassung, dass Insolvenzgeldansprüche nicht geeignet sein sollen, ein Zustimmungshindernis i.S. des § 309 Abs. 1 Satz 2 InsO zu begründen, wird auch, soweit ersichtlich, in Rechtsprechung und Literatur nirgendwo vertreten.

Die vom Beschwerdeführer bei der Entscheidung nach § 309 InsO erstrebte Nichtberücksichtigung von Insolvenzgeldansprüchen mag aus der Sicht des Schuldners möglicherweise wünschenswert sein. Da nach der bestehenden Gesetzeslage für eine solche Handhabung aber kein Raum ist, ist es nicht die Aufgabe der Rechtsprechung, sondern des Gesetzgebers insoweit eine Änderung herbeizuführen, wenn diese rechtspolitisch geboten sein sollte.

b) Auch dem Hilfsantrag, mit dem der Beschwerdeführer im Wege einer sog. außerordentlichen Beschwerde die von Amts- und Landgericht abgelehnte Aufnahme seines geänderten Schuldenbereinigungsplans vom 29.3.2001 in das Schuldenbereinigungsverfahren erstrebt, kann kein Erfolg beschieden sein.

Mit Recht hat insoweit das Landgericht darauf hingewiesen, dass ein Rechtsmittel gegen die Ermessensentscheidung nach § 307 Abs. 3 InsO nicht statthaft ist. Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung ausdrücklich die sofortige Beschwerde vorsieht (§ 6 Abs. 1 Inso). Für die in das Ermessen des Gerichts gestellte Entscheidung nach § 307 Abs. 3 InsO sieht die Insolvenzordnung aber keine sofortige Beschwerde vor.

Auch auf eine sogenannte außerordentliche Beschwerde kann der Hilfsantrag nicht gestützt werden.

Unabhängig von der Frage, ob dieser umstrittene Rechtsbehelf überhaupt einen Rechtsweg gegen insolvenzrechtliche Entscheidungen eröffnen kann, ist für seine Zulässigkeit vorliegend schon deshalb kein Raum, weil die auch von den Befürwortern einer solchen Beschwerde vorausgesetzte "greifbare Gesetzwidrigkeit" der vom Beschwerdeführer beanstandeten Nichtberücksichtigung seines geänderten Schuldenbereinigungsplans vom 29.3.2001 nicht vorliegt.

Zwar ist nach § 307 Abs. 3 Satz 1 InsO grundsätzlich dem Schuldner nach Ablauf der einmonatigen Notfrist Gelegenheit zu geben, den Schuldenbereinigungsplan binnen einer vom Gericht nach dessen pflichtgemäßen Ermessen zu bestimmenden Frist zu ändern oder zu ergänzen, "wenn dies aufgrund der Stellungnahme eines Gläubigers erforderlich oder zur Förderung einer einverständlichen Schuldenbereinigung sinnvoll erscheint". Der Beschwerdeführer verkennt jedoch, dass nach der Regelung des § 307 Abs. 3 Satz 1 InsO dem Schuldner nicht stets Gelegenheit zur Änderung oder Ergänzung seines gescheiterten Schuldenbereinigungsplans zu gewähren ist. Vielmehr hat das Insolvenzgericht nach pflichtgemäßem Ermessen eigenverantwortlich zu entscheiden, ob bei mehrheitlicher Ablehnung durch die Gläubiger der gerichtliche Schuldenbereinigungsversuch bereits endgültig gescheitert und deshalb unverzüglich über den Insolvenzantrag zu befinden ist, oder ob ein erneuter Versuch mit einem geänderten Plan erfolgversprechend erscheint. Dabei hat das Insolvenzgericht die Wahrscheinlichkeit einer Einigung gegenüber der Pflicht zur zügigen Durchführung des Verfahrens abzuwägen. Weitere Kriterien können sein die Mehrheitsverhältnisse hinsichtlich des ersten Schuldenbereinigungsplans, die mutmaßlichen Ablehnungsgründe der Gläubiger und ein Vergleich der zuerst angebotenen Quote mit der im Änderungsplan erhöhten Quote (grundsätzlich hierzu: Frankfurter Kommentar zur InsO/Grote 2. Aufl. 307 Rn. 15 ff.; Hess Kommentar zur InsO Aufl. 1999 307 Rn. 19 ff.).

Das Amtsgericht hat bei seiner vom Landgericht bestätigten Entscheidung darauf abgestellt, dass der Schuldner seinen Schuldenbereinigungsplan schon mehrfach abgeändert hat, dass das Verfahren bereits seit Dezember 1999 anhängig ist, und dass der neue Plan die übrigen Gläubiger quotenmäßig benachteiligen würde und allen Gläubigern erneut zugestellt werden müsste. Hierbei handelt es sich um eine nachvollziehbare Ermessensabwägung, die bei Würdigung der Gesamtumstände durchaus vertretbar, keinesfalls aber ermessensmissbräuchlich erscheint. Von einer greifbaren Gesetzwidrigkeit der getroffenen Entscheidung kann daher keine Rede sein.

3. Da der Antrag auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde keinen Erfolg hat, ist das Rechtsmittel mit der Kostenfolge gemäß § 4 InsO i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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