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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.10.2001
Aktenzeichen: 4Z BR 28/01
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 290 Abs. 1 Nr. 1
Die Restschuldbefreiung wegen rechtskräftiger Verurteilung nach §§ 283 bis 283 c StGB kann auch versagt werden, wenn die abgeurteilte Tat mit dem aktuellen Insolvenzverfahren nicht in einem konkreten Zusammenhang steht (Anschluss am OLG Celle Beschluss vom 5.4.2001 - 2 W 8/01 NZI 2001, 314 = ZInsO 2001, 414).
Gründe:

I.

1. Die im Beschlussrubrum bezeichneten Gläubiger und der Schuldner streiten über die Frage, ob eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO (rechtskräftige Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat nach den §§ 283 bis 283 c StGB) voraussetzt, dass die abgeurteilte Straftat in einem Zusammenhang mit dem aktuellen Insolvenzverfahren steht. Beide Vorinstanzen haben dies verneint.

2. Auf Antrag des Schuldners eröffnete das Amtsgericht Landshut - Insolvenzgericht - am 20.6.2000 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Die im Rubrum genannten Gläubiger beantragten im Schlusstermin vom 16.2.2001, dem Schuldner die von ihm beantragte Restschuldbefreiung in Anwendung von § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu versagen. Das Insolvenzgericht gab dem Antrag auf Versagung mit Beschluss vom 24.4.2001, dem Schuldner am 27.4.2001 zugestellt, statt. Der am 11.5.2001 eingegangenen sofortigen Beschwerde des Schuldners vom selben Tag half das Insolvenzgericht nicht ab; das Landgericht Landshut wies die Beschwerde mit Beschluss vom 20.6.2001 als unbegründet zurück.

3. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Schuldner mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 25.7.1996, rechtskräftig seit 14.8.1996, wegen einer Straftat nach § 283 b Abs. 1 Nr. 3 b und Abs. 3, § 283 Abs. 4 (richtig: Abs. 6) StGB verurteilt worden. Bei der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von drei Monaten handelt es sich um eine Gesamtstrafe, bei deren Bildung zwei tateinheitlich begangene Vergehen nach § 266 Abs. 1 1. Alt. StGB berücksichtigt und die wegen 16 in Tatmehrheit begangener vergehen nach § 266 a Abs. 1 StGB ausgeworfenen Einzelstrafen einbezogen wurden. Gegenstand der Verurteilung nach § 283 b Abs. 1 Nr. 3 b und Abs. 3 StGB war der Vorwurf, dass der Schuldner es als Geschäftsführer einer GmbH im Jahr 1994 vorsätzlich unterließ, die Bilanz in der handelsrechtlich vorgeschriebenen Zeit aufzustellen. Die Beschwerdekammer zitiert in Übereinstimmung mit dem Bundeszentralregisterauszug § 283 Abs. 4 StGB; hierbei handelt es sich um einen Schreibfehler. Die Verurteilung wegen eines sogenannten Bankrottdelikts im Strafbefehl bezieht sich tatsächlich auf die in § 283 Abs. 6 StGB normierte objektive Strafbarkeitsvoraussetzung, nämlich den wirtschaftlichen Zusammenbruch des seinerzeit vom Schuldner geführten Unternehmens (Ablehnung der Eröffnung eines Konkursverfahrens betreffend die GmbH mangels Masse).

4. Das Landgericht begründete seine Auffassung, dass § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine einschränkende Auslegung in dem vom Schuldner gewünschten Sinne nicht zulasse, u. a. mit folgenden Ausführungen:

"Eine entsprechende Einschränkung ist zunächst durch den Wortlaut der Bestimmung nicht geboten. Der Wortlaut der Bestimmung, der während des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach geändert wurde (Nerlich/Römermann, InsO § 290 Rn. 1 bis 14) stellt insoweit lediglich auf das Vorhandensein einer rechtskräftigen Verurteilung nach den dort genannten Bestimmungen des Strafgesetzbuchs ab. Eine Einschränkung dahingehend, dass zwischen dem Insolvenzverfahren und den begangenen Straftaten ein Zusammenhang bestehen muss, lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen.

Nach Ansicht der Kammer gebietet auch der Sinn und Zweck der Vorschrift keine Auslegung in dem vom Beschwerdeführer gewünschten einschränkenden Sinn. Nach § 1 Satz 2 InsO wollte der Gesetzgeber nur den redlichen Schuldner in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen lassen. Der Gesetzgeber wollte mit den in § 290 Abs. 1 InsO genannten Gründen eine zwingende Versagung der Restschuldbefreiung in einem abschließenden Katalog von Fällen, in denen er typischerweise von der Unredlichkeit des Schuldners ausging, bewirken (Nerlich/Römermann, InsO § 290 Rn. 12). Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber in den Fällen einer Verurteilung unabhängig vom laufenden Insolvenzverfahren von der Redlichkeit des Schuldners ausging und diese Fälle von der "typisierten Unredlichkeit" des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausnehmen wollte. Nach Ansicht der Kammer ist eine einschränkende Auslegung in diesen Fällen ebenso wenig möglich, wie der Katalog der aufgeführten Straftaten durch andere Strafbestimmungen, die wie § 266 StGB ebenfalls auf die Unredlichkeit des Schuldners schließen lassen, ergänzt werden kann.

Auch die Tatsache, dass der Wortlaut der hier in Frage stehenden Bestimmung des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO mehrfach geändert und zuletzt auf eine rechtskräftige Verurteilung abgestellt wurde, um dem Insolvenzgericht die Prüfung, ob gegebenenfalls entsprechende Straftaten vorliegen, zu ersparen und Rechtssicherheit für Schuldner und Insolvenzgläubiger zu schaffen, lässt sich nach Ansicht der Kammer nicht mit der im Fall einer einschränkenden Auslegung gebotenen Überprüfung eines Zusammenhangs zwischen Verurteilung und Insolvenzverfahren in Einklang bringen."

5. Gegen den am 3.7.2001 zugestellten landgerichtlichen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der am 16.7.2001 per Fax eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde, deren Zulassung er zugleich beantragt. Auf Rückfrage des Senats bestätigte die Geschäftsstelle der Beschwerdekammer den Fax-Eingang am 16.7.2001 17.54 Uhr (der seinerzeit als Fernkopie ausgedruckte Text sei nicht mehr auffindbar). Der Schuldner meint, die vom Landgericht vertretene Auslegung des § 290 Abs. 1 Satz 1 InsO widerspreche Sinn und Zweck der Regelung der Restschuldbefreiung, die Bestimmung sei folglich dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein Zusammenhang zwischen der Straftat und dem (aktuellen) Insolvenzverfahren vorliegen müsse.

6. Die als Antragsteller und als Beschwerdegegner am Verfahren beteiligten Gläubiger erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme; die Beschwerdegegner zu 1, 3, 6 und 7 verwiesen auf die nach ihrer Ansicht zutreffende Rechtsauffassung des Landgerichts.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, da die Voraussetzungen für ihre Zulassung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht erfüllt sind.

1. Die Zuständigkeit des Senats folgt aus § 7 Abs. 3 InsO i. V. m. § 29 Abs. 2 GZVJu i. d. F. vom 6.7.1995 (GVB1. S. 343).

2. Die Nachprüfung der Entscheidung vom 20.6.2001 ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten. Denn die Frage, ob die nach §§ 283 bis 283 c StGB abgeurteilte Straftat in einem Zusammenhang mit dem aktuellen Insolvenzverfahren stehen muss, ist bereits obergerichtlich entschieden worden. Der diese Frage verneinende, ausführlich begründete Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 5.4.2001, Az. 2 W 8/01, ist in NZI 2001, 314 und in ZInsO 2001, 414 veröffentlicht. Der hier einschlägige Leitsatz lautet: "Dem Schuldner kann die Erteilung der Restschuldbefreiung im Hinblick auf § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO auch dann versagt werden, wenn die Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat nicht in einem konkreten Zusammenhang mit dem aktuellen Insolvenzverfahren steht, in dem der Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt worden ist." Da der beschließende Senat in dieser Frage nicht von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Celle abweichen will (§ 7 Abs. 2 Satz 1 InsO), sondern sich ihr ausdrücklich anschließt, besteht keine Divergenzgefahr und damit kein Grund für eine Vorlageentscheidung nach § 7 Abs. 2 Satz 3 InsO.

3. Die Entscheidung des Landgerichts Landshut vom 20.6.2001 beruht auch nicht auf einer Verletzung des Gesetzes. Die im Rahmen der Zulassungsentscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO vorgenommene Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung ergibt, dass das Landgericht rechtsfehlerfrei über die Erstbeschwerde entschieden hat. Das mit der oben unter Ziff. 1. 4 wiedergegebenen Begründung gewonnene Ergebnis entspricht, wie unter Ziff. II. 2 ausgeführt, der obergerichtlichen Rechtsprechung.

4. Kosten: § 4 InsO, § 97 Abs. 1 InsO.

5. Beschwerdewert: Der Senat schließt sich der vom Landgericht nach § 3 ZPO, § 35 GKG vorgenommenen Schätzung an.

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