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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.11.2003
Aktenzeichen: 4Z BR 71/03
Rechtsgebiete: AuslG
Vorschriften:
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 |
Gründe:
I.
Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines algerischen oder marokkanischen oder tunesischen Staatsangehörigen.
Mit Beschluss vom 11.9.2003 verlängerte das Amtsgericht Nürnberg die zur Sicherung der Abschiebung seit 17.6.2003 vollzogene Abschiebungshaft bis längstens 17.12.2003.
Die vom Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 6.10.2003 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde, die er darauf stützt, dass wegen der Bearbeitungszeit der algerischen Behörden eine Passersatzbeschaffung binnen drei Monaten nicht möglich sei.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Die den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO) tragen die beanstandete Haftverlängerung.
Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der zutreffend auf die Haftgründe des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 5 AuslG gestützten Abschiebungshaft für weitere drei Monate liegen vor. Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei zu der Auffassung gelangt, dass der Betroffene seine Abschiebung durch ein ihm zurechenbares Verhalten verhindert hat (§ 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG).
Die Ansicht des Landgerichts, dass der Betroffene, der ohne Pass und sonstige Identifikationspapiere sich illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, die Fortdauer seiner Sicherungshaft über die in § 57 Abs. 3 Satz 1 AuslG normierte Sechsmonatsfrist hinaus zu vertreten hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht stützt seine Beurteilung auf die Feststellung, dass der Betroffene bei seiner Vorführung bei dem Algerischen Generalkonsulat in München zum Zwecke der Beschaffung von Heimreisedokumenten sich geweigert habe, eine Rückkehrerklärung rechtsverbindlich unterzeichnet abzugeben, so dass nunmehr ein Identitätsüberprüfungsverfahren in Algerien durchgeführt werde, dessen Ergebnis bislang noch nicht vorliege. Da nach Auffassung des Algerischen Konsulats der Betroffene möglicherweise marokkanischer oder tunesischer Staatsangehöriger sein könnte, wurden von der Ausländerbehörde die entsprechenden Ermittlungen veranlasst. Bereits jetzt steht fest, dass der Betroffene ausweislich der Mitteilung des Konsulats der Republik Tunesien in München bei den zuständigen tunesischen Behörden unbekannt ist. Durch seine Verhaltensweise hat der Betroffene bislang die Ausstellung der notwendigen Urkunden für seine Heimreise erfolgreich verhindert.
Für den Betroffenen war vorhersehbar, dass der Nachweis seiner Identität aufwändig sein wird, wenn er - um seine Ausweispflicht nach § 4 Abs. 1 AuslG zu unterlaufen - ohne Pass und sonstige Identifizierungspapiere in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einreist und anschließend nichts unternimmt, um sich für seine Identifikation geeignete Unterlagen zu beschaffen.
Die Sicherungshaft (§ 57 Abs. 2 Satz 1 AuslG) mutiert erst dann zur Beugehaft, wenn die Abschiebung des Betroffenen zuletzt nur noch von seinem Belieben abhängt, einerseits, weil er die zur Erlangung der Heimreisedokumente erforderlichen Angaben oder Erklärungen verweigert und andererseits die Ausländerbehörde bereits sämtliche Ermittlungsansätze erfolglos ausgeschöpft hat. Das ist hier nicht der Fall, da die Ermittlungen zur Identität des Betroffenen noch andauern.
Der rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet es zwar, von der Sicherungshaft abzusehen, wenn die Abschiebung nicht durchführbar und die Freiheitsentziehung deshalb nicht erforderlich ist. Er zwingt dazu, das öffentliche Interesse an der Sicherung der Abschiebung und den Freiheitsanspruch des Betroffenen gegeneinander abzuwägen; dabei ist zu beachten, dass sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Durchsetzung ausländerrechtlicher Vorschriften mit zunehmender Dauer der Haft regelmäßig vergrößern wird. Diese Abwägung der gegenläufigen Interessen fällt zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu Ungunsten des Betroffenen aus. Das bisherige Unterbleiben der Abschiebung des Betroffenen ist maßgeblich auf das zurechenbare pflichtwidrige Verhalten des Betroffenen zurückzuführen. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG festgestellt. Diese den Senat bindenden tatrichterlichen Feststellungen lassen eine erneute Verlängerung der Abschiebungshaft gerechtfertigt erscheinen.
Die vom Landgericht hieraus gezogene Schlussfolgerung muss nicht zwingend sein, in tatsächlicher Hinsicht aber möglich und damit rechtlich zulässig. Sie ist daher in dem revisionsähnlich ausgestalteten Rechtsbeschwerdeverfahren als ein Akt tatrichterlicher Überzeugungsbildung hinzunehmen. Unter den aufgezeigten Umständen geht auch eine eventuelle Undurchführbarkeit der Abschiebung innerhalb der festgesetzten Haftzeit bis zur Grenze der in § 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG genannten Frist zu Lasten des Betroffenen.
Die vom Betroffenen aufgestellte Behauptung, dass Heimreisedokumente wegen der Bearbeitungszeit der algerischen Behörden nicht innerhalb von drei Monaten zu beschaffen seien, entbehrt nachprüfbarer Grundlagen. Vielmehr ist der Stellungnahme der Ausländerbehörde vom 11.11.2003 im Rechtsbeschwerdeverfahren zu entnehmen, dass Heimreisedokumente bei freiwilliger Rückkehr nach Algerien innerhalb einer Woche, andernfalls innerhalb von drei Monaten erlangt werden können.
Ende der Entscheidung
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