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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: 4Z Sch 13/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1063 Abs. 3 Satz 3
ZPO § 1064 Abs. 2
Die Abwendungsbefugnis nach § 1063 Abs. 3 Satz 3 ZPO steht dem Antragsgegner (Schiedsbeklagten) nur gegenüber einer nach § 1063 Abs. 3 Satz 1 ZPO als vorläufige Sicherungsmaßnahme zugelassenen Zwangsvollstreckung zu, nicht gegenüber einer Zwangsvollstreckung, die auf einer Vollstreckbarerklärung nach § 1064 Abs. 2 ZPO beruht.
Gründe:

I.

Die Parteien stritten vor dem Schiedsgericht über abgetretene Ansprüche aus einem Beteiligungsvertrag. Am 26. Mai 2004 erließ das Schiedsgericht den in der Beschlussformel wiedergegebenen Schiedsspruch. Unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Schiedsspruchs beantragt die Antragstellerin, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.

Die Antragsgegner beantragen Abweisung des Antrags sowie den Antragsgegnern für alle Fälle der Zwangsvollstreckung gemäß § 1063 Abs. 3 ZPO nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des Betrages, wegen dessen die Antragstellerin vollstrecken kann, abzuwenden und vor der Entscheidung eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Sie tragen vor, die Antragstellerin sei nicht aktivlegitimiert. Sie habe die streitgegenständliche Forderung von einer Gesellschaft, einer AG, erworben, die zum Zeitpunkt der Abtretung am 11. September 2002 materiell zahlungsunfähig gewesen sei. Dies sei sowohl den Organen der Gesellschaft als auch den Organen der Antragstellerin bekannt gewesen. Vermutlich sei die Gesellschaft bereits am 31. Juli 2002 überschuldet und damit insolvenzreif gewesen, da damals die endgültige Einstellung der Weiterentwicklung eines Projekts beschlossen worden sei, was Rückzahlungspflichten von Fördermitteln in Höhe von ca. EURO 400.000,00 ausgelöst habe. Da die Abtretung der Forderung an die Antragstellerin zu einer unmittelbaren Benachteiligung der Insolvenzgläubiger führe, sei sie gemäß § 132 InsO anfechtbar. Der Insolvenzverwalter der Gesellschaft werde die Anfechtung voraussichtlich in der ersten Septemberhälfte 2004 erklären. Damit sei die Antragstellerin zum Einzug der Forderung nicht mehr berechtigt. Die Antragstellerin handele zudem treuwidrig, wenn sie angesichts der unmittelbar bevorstehenden Anfechtung noch Zahlung an sich selbst verlange.

Da die Gesellschaft deutlich früher als vom Schiedsgericht angenommen insolvent gewesen sei, sei außerdem seitens der Mitgesellschafter redlicherweise nicht mehr zu erwarten gewesen, dass die Antragsgegner noch Zahlungen leisten. Die Einwände hätten die Antragsgegner im Schiedsverfahren nicht mehr erheben können, da ihnen entsprechende Informationen erst am 7. Juli 2004 bekannt geworden seien.

Darüber hinaus stünden die Regeln des Eigenkapitalersatzes einer wirksamen Abtretung entgegen. Die ursprünglichen Gläubiger der streitgegenständlichen Ansprüche, hätten die Forderung zunächst der in der Krise befindlichen Gesellschaft als Eigenmittel zur Verfügung gestellt. Die unmittelbar nachfolgende Forderungsabtretung an die Antragstellerin stelle eine (zumindest anteilige) verbotene Einlagenrückgewähr dar und sei folglich gemäß §§ 57 AktG, 134 BGB nichtig.

Damit sei der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO (ordre public) gegeben. Die Vollstreckung einer Forderung, die unter Missachtung eines gesetzlichen Verbotes abgetreten worden sei, verstoße gegen die öffentliche Ordnung.

Die Einwände der Antragsgegner seien nicht präkludiert. Die Nichtigkeit der Abtretung sei von Amts wegen zu beachten und keine Einwendung im Sinne von § 767 Abs. 2 ZPO. Das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters begründe erst durch seine Ausübung den entsprechenden Anspruch gegen den begünstigten Insolvenzgläubiger und sei deshalb ebenfalls nicht präkludiert. Aus Gründen der Prozessökonomie seien die Einwände im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung zuzulassen und die Antragsgegner nicht auf die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage zu verweisen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig und begründet.

1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 6 a GZVJu. Der Ort des schiedsgerichtlichen Verfahrens ist München.

2. Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung hat die Antragstellerin durch Vorlage des Schiedsspruchs in beglaubigter Abschrift erfüllt (§ 1064 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zur Beglaubigung ist der für das gerichtliche Verfahren bevollmächtigte Rechtsanwalt berechtigt (§ 1064 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

3. Versagungs- oder Aufhebungsgründe im Sinne von § 1059 Abs. 2 ZPO sind weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die von den Antragsgegnern geltend gemachten Einwendungen stehen der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 26. Mai 2004 nicht entgegen (§ 1060 Abs. 2 ZPO).

Das Vorbringen der Antragsgegner beinhaltet keinerlei Sachvortrag zu einem der Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Sie erheben weder formale Einwände gegen das Schiedsgericht noch tragen sie vor, dass ihnen die Geltendmachung schlüssiger Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Schiedsverfahren verwehrt worden sei (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 b ZPO) oder der Schiedsspruch auf Verfahrensfehlern beruhe (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO).

Auch führt die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs nicht zu einem Ergebnis, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO). Der Schiedsspruch hat unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils (§ 1055 ZPO). Er unterliegt grundsätzlich nicht einer inhaltlichen Nachprüfung ("révision au fond") durch ein staatliches Gericht. Fehlentscheidungen des Schiedsgerichts werden ebenso hingenommen, wie bei unanfechtbaren Entscheidungen deutscher staatlicher Gerichte. Denn weder das Aufhebungsverfahren noch das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eröffnen ein Rechtsmittel zur Überprüfung der sachlichen Richtigkeit des Schiedsspruchs. Nur in extremen Ausnahmefällen, in denen die Hinnahme des Schiedsspruchs unerträglich wäre, greift der ordre public ein. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO setzt somit voraus, dass der Schiedsspruch als solcher der öffentlichen Ordnung widerspricht, etwa weil die Grundrechte missachtet wurden, Restitutionsgründe vorliegen (vgl. BGH NJW 2001, 374) oder der Schiedsspruch auf einem zu missbilligenden Verfahren beruht. So verstößt beispielsweise die Verurteilung zu einer verbotenen oder offensichtlich sittenwidrigen Handlung, zur Erfüllung eines offensichtlich sittenwidrigen Vertrags oder die Erwirkung des Schiedsspruchs durch Betrug gegen den ordre public. Auch die Verletzung einer Norm, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder ein untragbarer Widerspruch zu inländischen Gerechtigkeitsvorstellungen kann die Annahme des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO rechtfertigen (vgl. Zöller/Geimer ZPO 24. Aufl. § 1059, Rn 10 und 11 m.w.N.).

Auch unter Berücksichtigung des (strittigen) Vorbringens der Antragsgegner ist vorliegend das Ergebnis des schiedsgerichtlichen Verfahrens mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts nicht unvereinbar. Das Schiedsgericht ist verfahrensfehlerfrei zu dem rechtlich nachvollziehbaren Ergebnis gelangt, dass die Antragsgegner ihre (unstreitig eingegangene) Verpflichtung aus dem Beteiligungsvertrag trotz der Insolvenz der Firma vectriz international AG zu erfüllen und dass die Antragsteller diesen Anspruch rechtswirksam durch Abtretung erworben haben. Bei der Entscheidung hat sich das Schiedsgericht auch mit der Behauptung der Antragsteller auseinandergesetzt, dass der Fortbestand der Gesellschaft bereits im Juli 2002 nicht mehr gesichert gewesen, und die Insolvenz der Firma am 10. September 2002, am Tag vor der Abtretung, unvermeidbar gewesen sei (S. 5 des Schiedsurteils). Die diesbezüglichen Tatsachenbehauptungen der Antragsgegner sind nicht neu, sondern bereits im Schiedsverfahren vorgebracht und berücksichtigt worden. Das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung dient - wie dargelegt - nicht dazu, eine weitere Instanz zu eröffnen, insbesondere bereits erhobene Einwände zu wiederholen, zu ergänzen oder nochmals zur Diskussion zu stellen.

Es widerspricht des Weiteren nicht elementaren Normen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens oder fundamentalen Gerechtigkeitsvorstellungen, dass ein Schuldner zur Zahlung einer Forderung verurteilt wird, deren Abtretung möglicherweise nach dem Insolvenzrecht anfechtbar ist. Sofern tatsächlich die Voraussetzungen für eine Anfechtung vorliegen, kann der Insolvenzverwalter von der Antragstellerin Rückgewähr des zu Unrecht Erlangten verlangen. Eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Rechtsposition des Schuldners oder eine Missachtung grundlegender Rechtsnormen ist bei dieser Sachlage nicht gegeben.

Gleiches gilt für die Frage, ob die Abtretung des streitgegenständlichen Anspruchs durch die Gesellschafter an die Gesellschaft und die sofortige Rückabtretung an die Antragstellerin kapitalersetzenden Charakter hatte und damit im Widerspruch zu § 57 AktG steht. Der von den Antragsgegnern geschilderte (strittige) Sachverhalt ist nicht geeignet, die Abtretung der Forderung an die Antragstellerin als so offensichtlich im Widerspruch zu wesentlichen Grundsätzen oder Vorschriften des deutschen Rechts anzusehen, dass die Verurteilung zur Zahlung an diese schlechthin nicht hinnehmbar wäre. Ob das Geld im Innenverhältnis der Gesellschaft oder dem Gesellschafter zusteht, an den die Abtretung der Forderung erfolgt ist, ist für den Schuldner von untergeordneter Bedeutung. Dies können die Gläubiger der Gesellschaft bzw. der Insolvenzverwalter ungeachtet des Schiedsspruchs gerichtlich klären lassen.

Dass die Antragsgegner eine nochmalige Inanspruchnahme zu befürchten hätten, wenn sie nunmehr im Hinblick auf den Schiedsspruch Zahlung an die Antragstellerin leisten, ist nicht ersichtlich.

Im Übrigen hat der Insolvenzverwalter unstreitig bislang weder die Anfechtung der Abtretung erklärt noch Rückgewähransprüche geltend gemacht. Die Geltendmachung der titulierten Forderung seitens der Antragstellerin ist bei dieser Sachlage weder offensichtlich treuwidrig noch sittenwidrig.

4. Es bestand kein Anlass für eine mündliche Verhandlung, da die Voraussetzungen des § 1063 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Vorliegend wurde kein förmliches Aufhebungsverfahren gemäß § 1059 ZPO durchgeführt, sondern ein Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs gestellt. Gemäß § 1063 Abs. 2, 2. Alt. ZPO ist im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur dann eine mündliche Verhandlung erforderlich, wenn Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO "in Betracht kommen". Dies war hier nicht der Fall. Einwendungen im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO haben die Antragsgegner nicht schlüssig und damit auch nicht begründet geltend gemacht. Auch dass die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht gegen den deutschen ordre public verstieß, lag klar zutage.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO.

6. Gemäß § 1064 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Möglichkeit, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, wie dies die Antragsgegner beantragt haben, eröffnet das Gesetz gemäß § 1063 Abs. 3 Satz 3 ZPO nur im Fall einer vorläufigen Anordnung vor der eigentlichen Entscheidung über den Antrag. Für den dem Antrag stattgebenden Beschluss ist eine entsprechende Regelung nicht vorgesehen. Die spezielle Vorschrift des § 1063 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist insoweit weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar, da nach der Systematik des Schiedsgerichtsverfahrens die obsiegende Partei sofort in die Lage versetzt werden soll, aus dem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen, ohne dass dem Schuldner eine Abwendungsbefugnis eröffnet wird.

7. Der Streitwert wurde gemäß §§ 2, 3 und 4 ZPO in Höhe des Hauptsachebetrags (Ziffer 1 des Schiedsspruchs) festgesetzt. Die als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen blieben ebenso unberücksichtigt, wie die in Ziffer 2 der Entscheidungsformel niedergelegte Kostengrundentscheidung (§ 4 Abs. 1 ZPO).



Ende der Entscheidung

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