Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: 4Z Sch 16/02
Rechtsgebiete: ZPO, UN-Übereinkommen vom 10.06.1958


Vorschriften:

ZPO § 1061 Abs. 1 Satz 1
UN-Übereinkommen vom 10.06.1958 Art. II Abs. 2
Eine nach Art. II UN-Ü wirksame Schiedsabrede hat die die Vollstreckbarkeit eines ausländischen Schiedsspruchs beantragende Partei zu beweisen.
Gründe:

I.

1. Im September 1999 traten die Parteien erstmals telefonisch miteinander in Verbindung. Beide Seiten zeigten Interesse an der Anbahnung einer Geschäftsbeziehung, in deren Rahmen landwirtschaftliche Erzeugnisse von Jugoslawien nach Deutschland exportiert werden sollten. Für die Antragsgegnerin führte die Verhandlungen der Zeuge Z, Ehemann der Inhaberin und einziger Mitarbeiter in der nicht im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma. Zur Durchführung eines Exportgeschäfts kam es im Jahr 1999 noch nicht.

2. Weitere Telefongespräche zwischen Mai und Juli 2000 führten dazu, dass die Antragstellerin im Juni 2000 mindestens 450 kg Pfifferlinge und im Juli 2000 über 60000 kg frische Pflaumen an einen von der Antragsgegnerin benannten Großhändler in der Münchener Großmarkthalle lieferte. Die Antragsgegnerin rügte die Unverkäuflichkeit dieser Obstlieferung und weigerte sich, die Kaufpreisforderung der Antragstellerin zu begleichen.

3. Im Januar 2001 erhob die Antragstellerin vor einem Schiedsgericht der Außenhandelskammer in Belgrad eine Schiedsklage gegen die Antragsgegnerin und machte wegen der vorgenannten Lieferungen eine offene Kaufpreisforderung von über 99000 DM geltend. Die Antragsgegnerin, der die Schiedsklage und Aufforderungen des Schiedsgerichts zur Mitwirkung an der Auswahl des Schiedsrichters und zur Klagebeantwortung, eine Ladung zur mündlichen Verhandlung in Belgrad und schließlich der Schiedsspruch vom 24.9.2001 jeweils mit eingeschriebener Post zugegangen waren, gab gegenüber dem Schiedsgericht keine Stellungnahme ab. Das Schiedsgericht bejahte auf Grund der von der Antragstellerin ihm vorgelegten Unterlagen den Abschluss einer seine Kompetenz begründenden Schiedsvereinbarung und entschied am 24.9.2001 in der Sache; in Höhe von 1094,72 DM wies es die Schiedsklage ab und verurteilte die Antragsgegnerin, an die Antragstellerin insgesamt 98098,72 DM (zuzüglich Zinsen und 166100 jugoslawische Dinar an Verfahrenskosten) zu zahlen.

4. Unter Vorlage des Originals des Schiedsspruchs (mit Übersetzung einer beeidigten Dolmetscherin, deren Unterschrift durch Apostille vom 25.1.2002 beglaubigt ist)

beantragt die Antragstellerin,

den Schiedsspruch vom 24.9.2001 für vollstreckbar zu erklären.

5. Die Antragsgegnerin beantragt

festzustellen, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.

Sie wendet ein, sie habe weder mündlich noch schriftlich für den Fall von Streitigkeiten mit der Antragstellerin die Durchführung eines schiedsgerichtlichen Verfahrens vereinbart.

6. Die Antragstellerin meint, der Schiedsrichter sei zu Recht von einer wirksamen Schiedsvereinbarung ausgegangen. Bereits im September 1999 habe ihr Geschäftsführer seinen Gesprächspartner Z darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung einer Streitschlichtung vor einem Schiedsgericht der Außenhandelskammer in Belgrad zu ihren Export-Geschäftskonditionen gehöre. Ihr Geschäftsführer habe seinen Gesprächspartner damals gebeten, einen Kopfbogen der Antragsgegnerin mit Stempel und Blanko-Unterschrift (ohne Text zwischen Kopf und Unterschrift) per Fax zu übermitteln, und zwar um im Einzelfall für ein telefonisch abgesprochenes Exportgeschäft die jeweils konkreten Vertragsbedingungen in den leeren Raum zwischen Briefkopf und Unterschrift ohne Zeitverlust einsetzen zu können. Der Kopfbogen mit Blanko-Unterschrift und Firmenstempel sei wunschgemäß als Fernkopie bei ihr eingegangen; diese Fernkopie habe ihr Geschäftsführer mit seiner Unterschrift und eigenem Firmenstempel ergänzt und damit eine Blanko-Vorlage hergestellt, die durch Kopieren nach Bedarf vervielfältigt werden konnte, um im Einzelfall einen Vertragstext zu Papier zu bringen, der - in Kopie - die Unterschrift beider Parteien trägt. So seien im September 1999 ein Vertragstext betreffend Steinpilze und im Frühsommer 2000 zwei Vertragstexte (einer betreffend "frische Pilze", der andere betreffend "frische Brombeeren/gefrorene Brombeeren/frische Pflaumen") unter Verwendung der Blanko-Vorlage zu Papier gebracht worden. Die drei Textproduktionen seien der Antragsgegnerin jeweils zeitnah per Fax mitgeteilt worden. Die Antragsgegnerin habe diesen Mitteilungen nicht widersprochen, sie aber auch nicht mittels eigener Brief-, Fax- oder Telegrammpost schriftlich bestätigt.

7. Der Senat hat den Geschäftsführer der Antragstellerin informatorisch angehört und Z als Zeugen uneidlich vernommen. Auf das Verhandlungsprotokoll vom 14.11.2002 und den Schriftsatz der Antragstellerin vom 28.11.2002 wird ergänzend verwiesen.

In diesem - als Beweiswürdigung angekündigten - Schriftsatz hat die Antragstellerin ihren Beweisantritt in der mündlichen Verhandlung um die Benennung, einer Angestellten der Antragstellerin, als Zeugin erweitert und erstmals vorgetragen, auch diese Zeugin habe im September 1999 und zusätzlich anlässlich der telefonischen Bestellung von Pfifferlingen am 15.5.2000 sowie anlässlich der telefonischen Bestellung von Pflaumen und Brombeeren am 20.7.2000 mit die Zuständigkeit des Schiedsgerichts in Belgrad und bei den beiden letztgenannten Bestellungen die Wiederverwendung des per Fax im September 1999 erhaltenen Blanko-Formulars zur Ausfertigung der u. a. für die Ausfuhrgenehmigung benötigten Vertragstexte ausdrücklich vereinbart; habe am 20.7.2000 bei der Antragstellerin angerufen und der Zeugin den Erhalt des per Fax übermittelten Vertragstextes bestätigt.

II.

Der Antrag, den Schiedsspruch vom 24.9.2001 für vollstreckbar zu erklären, ist zulässig (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1 Satz 1, § 1064 Abs. 1 Satz 1 ZPO, Art. VII Abs. 1 UN-Übereinkommen vom 10.6.1958, BGBl. 1961 II S. 121 [im folgenden abgekürzt UNÜ]). Dem Schiedsspruch ist jedoch die Anerkennung im Inland zu versagen (§ 1061 Abs. 2 ZPO).

1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und Abs. 5 i.V.m. § 6 a GZVJu; die Antragsgegnerin hat ihren Sitz in Bayern.

2. Dem Antrag, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, kann nicht stattgegeben werden, weil die schiedsrichterliche Entscheidung vom 24.9.2001 nicht durch eine "schriftliche Vereinbarung" im Sinne von Art. II Abs. 2 UNÜ legitimiert ist (Art. III Satz 1, Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ). Dieser Mangel ist auch weder dadurch, dass die Antragsgegnerin dem Schiedsgericht gegenüber keine Stellungnahme abgegeben hat, noch dadurch, dass das Schiedsgericht von dem Vorliegen einer "schriftlichen Vereinbarung" im Sinne von Art. II Abs. 2 UNÜ ausgegangen ist, geheilt worden.

a) Die Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs nach Art. III-V UNÜ setzt den Nachweis einer nach Art. II Abs. 1, 2 UNÜ wirksamen Schiedsvereinbarung voraus; den Nachweis hat die die Vollstreckbarerklärung beantragende Partei zu erbringen (Musielak/Voit ZPO 3. Aufl. § 1061 Rn. 14; OLG Rostock IPrax 2002, 401/403 m. w. N.). Aus der Anhörung der Parteien und der Vernehmung des Zeugen in der Verhandlung vom 14.11.2002 folgt zur Überzeugung des Senats, dass zwischen den Parteien nicht eine nach Art. II Abs. 1, 2 UNÜ wirksame Vereinbarung getroffen wurde, mit der sie sich verpflichtet hätten, künftige Streitigkeiten einem schiedsrichterlichen Verfahren in Belgrad zu unterwerfen. Selbst wenn die Parteien, wie die Antragstellerin unter Beweisantritt behauptet, im September 1999, im Mai 2000 und im Juli 2000 jeweils eine solche Vereinbarung mündlich getroffen hätten, würde sie nicht den Schiedsspruch vom 24.9.2001 legitimieren, da sie nicht den formellen Anforderungen des Art. II Abs. 2 UNÜ genügt. Eine Schiedsvereinbarung, die diesen Anforderungen nicht genügt, begründet keine Anerkennungsverpflichtung nach UNÜ.

b) Nach dem eigenen - insoweit unbestrittenen - Vortrag der Antragstellerin haben die Parteien im Frühsommer 2000 keine Urkunde unterzeichnet, die eine Schiedsklausel oder -abrede enthält. Die zwei dem Schiedsrichter im Belgrad vorgelegten Vertragstexte mit der Zeile "Schiedsgericht...." sind nicht durch beiderseitige Unterzeichnung der zwischen Briefkopf und Unterschriftenzeile geschriebenen Textzeilen, sondern durch fototechnische Montage entstanden. Den Vertragstext, aus dem die Antragstellerin vor dem Schiedsgericht sowohl dessen Zuständigkeit als auch materielle Ansprüche geltend gemacht hat, haben die Parteien in Wirklichkeit nicht unterzeichnet. Eine durch Kopieren früher geleisteter Unterschriften hergestellte Textmontage genügt nicht den Anforderungen des Art. II Abs. 2 Variante 1 UNÜ.

c) Auch die Prüfung der Frage, ob in Briefen oder Telegrammen, die die Parteien gewechselt haben, eine Schiedsabrede enthalten ist (Art. II Abs. 2 Variante 2 UNÜ), führt nicht zur Bejahung einer nach Art. II, V UNÜ wirksamen Schiedsvereinbarung. Für die Entscheidung dieser Frage kommt es nicht darauf an, ob, wie die Antragstellerin unter Beweisantritt behauptet, die drei durch kopiertechnische Übertragung der Unterschriften hergestellten Textmontagen im September 1999, im Mai 2000 und im Juli 2000 jeweils per Fax an die Antragsgegnerin gesendet wurden. Auch dieser Vorgang, wenn nachgewiesen, erfüllt nicht die Anforderungen eines Nachrichtenwechsels im Sinne von Art. II Abs. 2 Variante 2 UNÜ. Die Bestimmung verlangt einen gegenseitigen Schriftwechsel; entscheidendes Kriterium ist die Wechselseitigkeit. Eine einseitige Zusendung eines Vertragstextes reicht nicht aus (MK/Gottwald ZPO 2. Aufl. Band 3 Art. II UNÜ Rn. 11); ebenso wenig eine einseitige schriftliche Bestätigung einer mündlichen Abrede (Baumbach/Lauterbach/Albers ZPO 60. Aufl. Art. II UNU Rn. 2). Weder eine mündliche noch eine stillschweigende Annahme eines Vertragsangebots genügen zur Begründung einer nach Art. II Abs. 2 Variante 2 UNÜ wirksamen Schiedsvereinbarung. Dies gilt selbst dann, wenn zwischen den Parteien laufende Geschäftsbeziehungen bestehen (MK/Gottwald aaO m. w. N.). Telex- und Fax-Schreiben sind Telegrammen gleichzustellen. Erforderlich ist in jedem Fall ein Austausch schriftlicher Erklärungen (Musielak/Voit § 1031 Rn. 18 m. w. N.). Der von der Antragstellerin unter Beweis gestellte Sachvortrag beinhaltet nicht einen gegenseitigen Schriftwechsel, denn die Antragstellerin behauptet selbst nicht, dass die Antragsgegnerin auf die (bestrittenen) Faxsendungen mittels Brief-, Telegramm- oder Faxpost bestätigend geantwortet habe.

d) Auf das Erfordernis einer beiderseits unterzeichneten Schiedsabrede oder eines gegenseitigen Schriftwechsels kann auch nicht in Anwendung der Meistbegünstigungsklausel (Art. VII Abs. 1 UNÜ, § 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und des im Verhältnis zu Jugoslawien weiterhin geltenden (siehe Thomas/ Putzo ZPO 24. Aufl. § 1061 Rn. 10) Europäischen Übereinkommens über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl. 1964 11 425) verzichtet werden. Art. I Abs. 2 lit. a dieses Übereinkommens lässt mündlich geschlossene Schiedsabreden nur zu, wenn beide beteiligten Rechtsordnungen diese Möglichkeit vorsehen; eine Formerleichterung nur nach dem Recht einer Partei oder nach dem Schiedsvertragsstatut genügt nicht (MK/Gottwald EuÜ Art. I Rn. 13 a. E). Die Anforderungen des § 1031 Abs. 1 ZPO entsprechen denen des Art. II Abs. 2 UNÜ und sind, wie ausgeführt, nicht erfüllt. Die Voraussetzungen für eine Formerleichterung nach § 1031 Abs. 2 ZPO (Verkehrssitte) sind weder behauptet noch ersichtlich.

e) Eine Heilung des Formmangels hat nach dem unstreitigen Sachverhalt auch nicht im Rahmen des schiedsrichterlichen Verfahrens stattgefunden. Als Möglichkeit der Heilung sehen Literatur und Rechtsprechung eine ausdrückliche Unterwerfungserklärung zu Protokoll des Schiedsgerichts (MK/Gottwald aaO Rn. 16) vor oder den in einem Schriftwechsel bei Bestellung des Schiedsgerichts beiderseits erklärten Willen, das Schiedsgericht möge über die aufgetretene Streitfrage entscheiden (Baumbach/Lauterbach/Albers aaO; OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1738) oder zumindest eine rügelose Einlassung zur Sache vor dem Schiedsgericht (Musielak/Voit § 1031 Rn. 18 a. E.; MK/Gottwald Art. II UNÜ Rn. 16). Keine dieser Voraussetzungen liegt nach dem festgestellten Sachverhalt vor; insbesondere kann die Tatsache, dass die Antragsgegnerin dem Schiedsgericht in Belgrad gegenüber jede Stellungnahme unterlassen hat, nicht einer rügelosen Einlassung zur Sache gleichgesetzt werden. Eine Verwirkung der Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts oder gegen den Bestand der Schiedsvereinbarung kann nicht eintreten, wenn sich die Partei vor dem Schiedsgericht überhaupt nicht zur Sache äußert (MK/Gottwald EuÜ Art. V Rn. 3 m. w. N.).

3. Einer Erörterung der Frage, ob dem Schiedsspruch vom 24.9.2001 auch nach Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ die Anerkennung zu versagen wäre, weil er ohne wirksame Schiedsvereinbarung ergangen ist (vgl. OLG Rostock aaO), bedarf es nicht mehr.

4. Die Entscheidung über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

5. Für einen Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit gemäß § 1064 Abs. 2 ZPO ist kein Raum, da der Schiedsspruch nicht für vollstreckbar erklärt wurde.

6. Den Streitwert hat der Senat gemäß § 3, 4 Abs. 1 HS 2 ZPO geschätzt.

7. Einer Entscheidung nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bedarf es nicht (§ 1065 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück