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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 25.10.2001
Aktenzeichen: 4Z SchH 6/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 1032 Abs. 1
ZPO § 1032 Abs. 2
Zur Frage, ob eine Klage vor einem Schiedsgericht zu erheben ist, wenn ein Gesellschafter seine Gesellschafterrechte auf einen Dritten überträgt, wenn ein Mitgesellschafter ihm gerade diese Übertragung als Verletzung eines vertraglichen Wettbewerbsverbots vorwirft und ihn deswegen in dem für "alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern" vereinbarten schiedsrichterlichen Verfahren auf Schadensersatz in Anspruch nehmen will.
Gründe:

I.

1. Die Parteien streiten vor dem Senat über die Frage, ob zur Entscheidung über eine von der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin beabsichtigte Schadensersatzklage ein Schiedsgericht berufen ist. Sie waren zusammen mit weiteren Partnern als Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft gesellschaftsrechtlich verbunden. Parallel zu den Gesellschaftsverträgen, die den Gesellschaftern Wettbewerbsverbote auferlegten, schlossen die Gesellschafter Schiedsgerichtsverträge. Die Antragstellerin übertrug ihre gesellschaftsrechtliche Beteiligung auf Dritte. Sie meint, damit sei auch ihre Bindung an die Schiedsgerichtsvereinbarungen entfallen. Die Antragsgegnerin geht von dem Fortbestehen dieser Bindung aus und sieht in der Übertragung der Beteiligung einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot; in ihrer auf Konstituierung des Schiedsgerichts gerichteten Aufforderung hat sie ihr Interesse an der Feststellung der Schadensersatzpflicht der Antragstellerin mit 50 Millionen Deutsche Mark beziffert.

2. Zur Stützung ihrer entgegengesetzten Standpunkte berufen sich die Parteien im einzelnen auf folgende Vorgänge:

a) Am 6.2.1998 kam es im Handelsregister zur Eintragung der A-GmbH & Co KG (im folgenden abgekürzt: A-KG). Sie war mit Gesellschaftsvertrag vom 10.12.1997 unter Beteiligung der Antragstellerin als eine von 14 Kommanditistinnen gegründet worden. § 17 dieses Vertrags bestimmt: "Die Entscheidung aller Streitigkeiten... zwischen Gesellschaftern untereinander ... erfolgt durch ein Schiedsgericht nach Maßgabe des gesondert vereinbarten Schiedsvertrages".

b) In Ausführung dieser Bestimmung unterzeichneten die Antragstellerin und die übrigen Parteien des Vertrags vom 10.12.1997 am selben Tag einen "Schiedsgerichtsvertrag". Er bestimmt, "dass unter Ausschluss der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte die Entscheidung über... die Gültigkeit dieses Schiedsgerichtsvertrages... das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander... im schiedsrichterlichen Verfahren erfolgen soll."

c) Eine der 14 Kommanditistinnen war die B-GmbH & Co KG. Die Antragstellerin erwarb alle Beteiligungen an dieser Gesellschaft mit Wirkung zum 1.1.1998.

d) Die Antragsgegnerin trat am 28.12.1998 der A-KG als Kommanditistin bei. Sie firmierte damals "C-GmbH". Als Anlage zum Beitrittsvertrag unterzeichneten alle Vertragsparteien einschließlich Antragstellerin am selben Tag einen "Schiedsgerichtsvertrag", dessen Ziffer 1 bestimmt, "dass über alle Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern des Beitrittsvertrages betreffend alle Rechtsangelegenheiten aus dem Beitrittsvertrag ein Schiedsgericht unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges entscheidet".

e) Mit Vertrag vom 30.12.1998 Übertrug die Antragstellerin ihren Kommanditanteil an der A-KG auf die D-GmbH, einer eigenen Tochtergesellschaft.

f) Mit Wirkung zum 1.8.2000 verkaufte und übertrug die Antragstellerin "im Rahmen einer Neuausrichtung der "D-Gruppe" alle Beteiligungen an der unter c genannten Kommanditgesellschaft und an der unter e genannten Tochtergesellschaft an die E-GmbH & Co OHG.

g) Diesen Übertragungsakt sah die Antragsgegnerin als Verletzung des in § 11 des Gesellschaftsvertrags vom 10.12.1997 vereinbarten Wettbewerbsverbots in Verbindung mit der dem Vertrag als Anlage beigefügten "Liste der Konkurrenzunternehmen" an und leitete mit Aufforderungsschreiben vom 14.5.2001 die Konstituierung eines Schiedsgerichts ein, das die Schadensersatzpflicht wegen Wettbewerbsverstoßes feststellen soll. Das Schiedsgericht ist noch nicht gebildet. Durch Firmenänderung nahm die Antragsgegnerin 1999 den im Beschlussrubrum wiedergegebenen Namen F-GmbH an.

3. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vertragsgestaltung wird auf den Inhalt der Anlagen verwiesen.

4. Für ihre Rechtsauffassung, sie sei an die unter 1. 2 dargestellten Schiedsgerichtsvereinbarungen nicht mehr gebunden, weil auch diese vertragliche Bindung mit der Übertragung aller Gesellschaftsbeteiligungen auf die Erwerberin übergegangen sei, beruft sich die Antragstellerin auf höchstrichterliche Rechtsprechung (RGZ 146, 52; BGH NJW 1976, 852, NJW 1977, 1397/1398, NJW 1978, 1585/1586, NJW 1979, 2567/2568, NJW 1980, 1797, NJW 1998, 371, NJW 2000, 2346 und BGHZ 77, 32/35).

Sie beantragt,

......die Unzulässigkeit des von der Antragsgegnerin durch Schriftsatz vom 14.5.2001 gegen sie eingeleiteten schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt

...................Zurückverweisung des Antrags.

Sie hält das von ihr eingeleitete schiedsrichterliche Verfahren für zulässig, weil mit der Übertragung von Gesellschaftsbeteiligungen nicht eine Bindung der Antragstellerin an die Schiedsgerichtsvereinbarungen entfallen sei; es sei unerheblich, ob die Erwerberin der Beteiligungen etwa zusätzlich an die Schiedsgerichtsvereinbarungen gebunden sei.

Die am 25.5.2001 eingegangene Antragsschrift vom selben Tag ist der Antragsgegnerin am 6.6.2001 zugestellt worden.

Beweise hat der Senat nicht erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze der Antragstellerin vom 25.5., 8.8. und 16.10.2001 und die der Antragsgegnerin vom20.6. und 24.9.2001 und die darin jeweils in Bezug genommenen Anlagen verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Antrag ist nach § 1032 Abs. 2 ZPO statthaft, da sich ein Schiedsgericht noch nicht konstituiert hat.

Es sind die Verfahrensvorschriften der §§ 1025 ff. ZPO in der seit 1.1.1998 geltenden Fassung anzuwenden, da das gerichtliche Verfahren nach diesem Zeitpunkt anhängig geworden ist.. Das bedeutet, dass durch Beschluss , der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann (§ 1063 Abs. 1 Satz 1 ZPO), zu entscheiden ist (BayObLGZ 20d0, 57/59). Nur die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung vom 10.12.1997 ist nach altem Recht zu beurteilen (BayObLGZ 1999, 255/263), da sie vor dem Stichtag 1.1.1998 getroffen wurde (Art. 4 § 1 Abs. 1 SchiedsVfG).

2. Die sachliche Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 ZPO i. V. m. § 6 a GZVJu. Seine örtliche Zuständigkeit ist gegeben, da der vertraglich festgelegte Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens in Bayern liegt. Diese Festlegung ist maßgeblich, da die Benennung eines Oberlandesgerichts unterblieben ist. Die in beiden Schiedsgerichtsverträgen enthaltene Vereinbarung eines Landgerichts ist wirkungslos, da die in § 1062 Abs. 1 ZPO seit 1.1.1998 eingeführte obergerichtliche sachliche Zuständigkeit nicht derogiert werden kann.

3. Eine zwischen den Parteien wirksame Schiedsvereinbarung liegt in Gestalt der Schiedsgerichtsverträge vom 10.12.1997 und vom 28.12.1998 vor; der erstgenannte erfüllt die zur Zeit seiner Unterzeichnung geltenden Formvorschriften des § 1027 ZPO a. F., der zweitgenannte die zur Zeit seiner Unterzeichnung geltenden Formvorschriften des § 1029 Abs. 2 und § 1031 Abs. 1 ZPO n. F.

4. Der im Aufforderungsschreiben vom 14.5.2001 angekündigte Streitgegenstand - Feststellung der Schadensersatzpflicht - ist, da er einen vermögensrechtlichen Anspruch betrifft, schiedsfähig (§ 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Frage, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) erfüllt sind, ist nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO; sie wird gegebenenfalls im schiedsrichterlichen Verfahren zu prüfen sein.

5. Der Senat bejaht die von den Parteien in den Mittelpunkt des vorliegenden Verfahrens gestellte Rechtsfrage: Die Bindung der Antragstellerin an die von ihr am 10.12.1997 und am 28.12.1998 unterzeichneten Schiedsgerichtsverträge besteht für den von der Antragsgegnerin behaupteten Schadensersatzanspruch fort.

a) Der Streit über eine mögliche Schadensersatzpflicht der Antragstellerin ist im Sinne von Ziffer 1 d des Schiedsgerichtsvertrages vom 10.12.1997 eine Rechtsstreitigkeit, die dem "Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander" entspringt, denn die Antragsgegnerin stützt ihren Anspruch auf eine Verletzung des Wettbewerbsverbots, dem sich in § 11 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 10.12.1997 alle diesen Vertrag unterzeichnenden Gesellschafter, also auch die Antragstellerin, unterworfen haben. Das Wettbewerbsverbot ist im vertrag weder auf eine bestimmte Zeit beschränkt noch an die Inhaberschaft der Kommanditistenstellung gebunden, es ist nach der Regelung in §'12 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages auch im Falle der "Abtretung... von Gesellschafterrechten" zu beachten.

b) Entsprechend sind auch die Schiedsgerichtsverträge vom 10.12.1997 und vom 28.12.1998 weder auf eine bestimmte Zeit beschränkt noch an die Inhaberschaft der Kommanditistenstellung gebunden. Denn - wie der vorliegende Sachverhalt deutlich zeigt - können sich gerade aus einer (in § 12 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages grundsätzlich zugelassenen) Übertragung der Gesellschafterrechte auf einen Dritten "Rechtsstreitigkeiten" ergeben, die aus dem "Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander" entspringen (Ziffer 1 d des Schiedsgerichtsvertrags vom 10.12.1997, der auf Grund des Beitrittsvertrags vom 28.12.1998 auch die Antragsgegnerin in den Kreis der Gesellschafter und damit in den Schutz des Wettbewerbsverbots einbezieht).

c) Eine im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich mögliche Freistellung der Antragstellerin aus allen am 10.12.1997 und am 28.12.1998 von ihr eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen (einschließlich Wettbewerbsverbot und Schiedsvereinbarung) durch eine weitere, z. B. zum Zeitpunkt der Übertragung der Gesellschafterrechte getroffene Vereinbarung mit den übrigen Parteien der Verträge vom 10.12.1997 und vom 28.12.1998 hat nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin nicht stattgefunden.

d) Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, auf die sich die Antragstellerin zur Begründung ihrer Rechtsauffassung beruft, entwickelten Grundsätze sind nicht geeignet, eine Freistellung der Antragstellerin von der mit Schiedsgerichtsvertrag vom 10.12.1997 eingegangenen Bindung zu begründen. Denn, wie die Antragsgegnerin zutreffend ausführt, befassen sich alle von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen mit der Frage, ob ein Rechtsnachfolger an eine Schiedsvereinbarung gebunden ist, die sein Rechtsvorgänger getroffen hatte, jedoch nicht mit der Frage, ob die Bindung des Rechtsvorgängers fortbesteht. Im vorliegenden Streit kommt es auf eine Beantwortung der zuerst aufgeführten Frage nicht an. Der Umfang der von der Rechtsnachfolgerin der Antragstellerin eingegangenen Verpflichtungen hat keinen Einfluss auf den Umfang der in der Person der Antragstellerin fortbestehenden Verpflichtungen. Eine Vereinbarung mit den Gläubigern, die die Antragstellerin von allen Verpflichtungen hätten freistellen können (§ 414 BGB), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

6. Im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens korrespondiert der Umfang der vorzunehmenden Prüfung mit den Anforderungen, die nach § 1032 Abs. 1 ZPO an die Geltendmachung der Schiedseinrede im Klageverfahren vor staatlichen Gerichten zu stellen sind (BayObLGZ 1999, 255/269), d. h. es ist nur zu prüfen, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, sie durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt. Diese Anforderungen sind erfüllt.

7. Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO.

8. Einer Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit (§ 1064 Abs. 2, 9 708 Nr. 10 ZPO) bedarf es nicht, da für die im Beschlussverfahren ergangene Kostenentscheidung § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gilt.

9. Der Streitwert wird entsprechend der von der Antragstellerin vorgenommenen Bewertung ihres Interesses an der beantragten Feststellung festgesetzt (§ 3 ZPO).

10. Einer Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 1065 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1062 Abs. 1 Nr. 2, § 546 Abs. 1 ZPO) bedarf es nicht, da das Verfahren eine Streitigkeit über vermögensrechtliche Ansprüche betrifft und die Beschwer der Antragstellerin 60000 DM übersteigt.

Ende der Entscheidung

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