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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.10.2002
Aktenzeichen: 4Z SchH 8/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1032 Abs. 2
ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 2
Zur Frage der Zulässigkeit eines schiedsgerichtlichen Verfahrens, soweit bereits ein Hauptsacheverfahren vor einem staatlichen Gericht rechtshängig ist.
Gründe:

I.

In der Gesellschafterversammlung vom 28.2.2002 fassten die Gesellschafter der Antragstellerin zu 2, einer GmbH, mehrheitlich drei Beschlüsse zur Neuregelung der Geschäftsführung, mit denen der Antragsteller zu 1 als überstimmter Gesellschafter nicht einverstanden war. Er focht die Beschlüsse mit einer am 24.4.2002 bei dem Landgericht und der Antragstellerin zu 2 als Beklagten. am 2.5.2002 zugestellten Klage an. Seine Klageanträge lauten:

Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 28.2.2002,

"A wird zum weiteren Geschäftsführer der GmbH bestellt. Er vertritt gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen. Von den Beschränkungen des § 181 BGB ist er nicht befreit."

und

"Die Gesellschafterversammlung möge beschließen, mit A den in der Anlage beigefügten Geschäftsführerdienstvertrag abzuschließen. Die Gesellschafterin B wird bevollmächtigt - von der Gesellschafterversammlung, handelnd für die Gesellschaft - den in der Anlage beiliegenden Geschäftsführerdienstvertrag abzuschließen."

und

"Der Geschäftsführer C wird angewiesen dem Geschäftsführer A uneingeschränkte Akteneinsicht in alle Unterlagen mit Bezug zum Unternehmen, innerhalb wie außerhalb des Firmengebäudes, zu gewähren."

werden für nichtig erklärt.

Die Antragstellerin zu 2 ließ als Beklagte einwenden, der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten sei ausgeschlossen, weil nach der Schiedsgerichtsvereinbarung in § 16 des Gesellschaftsvertrages vom 8.2.1993 die Streitigkeit durch ein Schiedsgericht zu entscheiden sei. Sie stelle gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO folgenden Antrag: "Es wird festgestellt, dass das schiedsrichterliche Verfahren zulässig ist."

Der Antragsteller zu 1 erklärte am 31.5.2002 als Kläger, dass er sich dem Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens anschließe. Die zum Landgericht erhobene Klage hielt er aufrecht.

Am 3.6.2002 erließ das Landgericht den Beschluss. "Es wird festgestellt, dass das schiedsrichterliche Verfahren zulässig ist."

Die Antragsgegnerin B beteiligte sich am landgerichtlichen Verfahren als Nebenintervenientin, erklärte, sie trete dem Verfahren auf Seiten der Beklagten bei, und kündigte für die mündliche Verhandlung Antrag auf Klageabweisung an. Gegen den Beschluss vom 3.6.2002 legte sie Beschwerde u. a. mit der Rüge ein, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt; der Beschluss sei ergangen, bevor ihr die Anschlusserklärung des Antragstellers zu 1 vom 31.5.2002, der bis dahin den Standpunkt vertreten hatte, ein schiedsgerichtliches Verfahren sei unzulässig, bekannt gegeben worden war.

Das Landgericht erließ am 22.7.2002 folgenden Beschluss:

I. Auf die Beschwerde der Nebenintervenientin wird der Beschluss vom 3.6.2002 aufgehoben.

II. Die Akten werden dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung über den Antrag, die Zulässigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens festzustellen, vorgelegt.

Den Streitwert für das Klageverfahren setzte das Landgericht vorläufig auf 25000 Euro fest.

Vor dem Senat halten die Antragsteller ihre Anträge auf Feststellung der Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens aufrecht.

Die Antragsgegnerin bittet, die Feststellungsanträge zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die Schriftsätze ... - einschließlich beigefügte Anlagen - verwiesen.

In der Zeit nach Rechtshängigkeit der Klage vom 24.5.2002 haben die Antragsteller die Bildung eines Schiedsgerichts betrieben. Am 27.8.2002 hat sich ein aus drei Rechtsanwälten bestehendes Schiedsgericht in ... konstituiert und am 9.9.2002 Frist zur Einreichung der Schiedsklage gesetzt.

II.

1. Zur Entscheidung über den von den Antragstellern zu 1 und 2 gestellten Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens ist der Senat gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 5 Satz 1 ZPO, § 6 a Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz berufen, da der Ort des beabsichtigten und bereits eingeleiteten schiedsrichterlichen Verfahrens in Bayern liegt.

2. Der Senat ist durch den Beschluss des Landgerichts vom 3.6.2002 nicht an einer Entscheidung gehindert, da das Landgericht im Wege zulässiger Selbstkorrektur (vgl. BGH NJW 2002, 1577) seine Unzuständigkeit für die getroffene Entscheidung erkannt und den Beschluss vom 3.6.2002 aufgehoben hat (§ 321 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 4, 5, § 572 Abs. 1 Satz 1 Hs 1 ZPO analog). Die Antragsgegnerin (Nebenintervenientin im landgerichtlichen Verfahren) hat die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör fristgerecht gerügt.

3. Der nach § 1062 Abs. 1 Nr. 2, § 1032 Abs. 2 ZPO gestellte Feststellungsantrag ist jedoch als unzulässig zu verwerfen. Ihm fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil bereits ein Hauptsacheverfahren vor einem staatlichen Gericht rechtshängig ist und dort die Schiedseinrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO erhoben wurde (vgl. OLG Koblenz OLGR 2000, 4; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. V Rn. 12; Bredow in Anm. zu OLG Hamm BB 1999 Beil. 11 S. 10 und Henn Schiedsverfahrensrecht 3. Aufl. S. 43 Fn. 337; a.A. MK/Münch ZPO 2. Aufl. § 1032 Rn. 11, 12 und wohl auch Musielak/Voit ZPO 3. Aufl. § 1032 Rn. 10 - 14).

a) Außer Zweifel steht, dass den Parteien, die über einen materiell-rechtlichen Streit hinaus auch über die Frage streiten, ob für die Entscheidung die staatlichen Gerichte oder ein vereinbartes Schiedsgericht zuständig ist, das Gesetz in § 1032, § 1040 Abs. 3 und § 1059 Abs. 1 - 3 ZPO zunächst verschiedene Wege anbietet, um über die Kompetenzfrage eine abschließende Klärung herbeizuführen. Einigkeit besteht auch noch darin, dass die Parteien grundsätzlich die Wahl haben, in welchem Verfahren sie die Klärung der Kompetenzfrage erreichen wollen (Baumbach, Lauterbach/Albers ZPO 60. Aufl. § 1032 Rn. 9 a.E.).

b) Der Senat vermag der von Münch aaO vertretenen Ansicht, für einen Freistellungsantrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO bestehe "durchweg ein Rechtsschutzbedürfnis bzw. Feststellungsinteresse" nicht zu folgen. Denn sie ist mit wesentlichen Verfahrensgrundsätzen nicht zu vereinbaren. Im Urteil vom 27.6.2002 (NJW 2002, 2720 m. w. N.) hebt der BGH als "allgemeinen Grundsatz" hervor, dass Gerichte nicht unnütz in Anspruch genommen werden dürfen. Ein allgemeiner Grundsatz ist auch das Gebot der Vermeidung der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen (vgl. Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 301 Rn. 2, 2 a), wie es z. B. für gesellschaftsrechtliche Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen in den Zuständigkeits- und Konzentrationsbestimmungen in § 246 und § 249 Abs. 2 AktG zum Ausdruck kommt. Nicht zuletzt würde es auch dem das Schiedsverfahrensrecht beherrschenden Grundsatz der Beschleunigung zuwiderlaufen, wenn die über die Frage der Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens streitenden Parteien sowohl in einem Hauptsacheprozess vor dem staatlichen Gericht (§ 1032 Abs. 1 ZPO) als auch in einem Hauptsacheverfahren vor einem angerufenen Schiedsgericht (§ 1032 Abs. 3 i.V.m. § 1040 Abs. 3 ZPO) als auch noch zusätzlich in einem obergerichtlichen Feststellungsverfahren (§ 1062 Abs. 1 Nr. 2, § 1032 Abs. 2 ZPO) nach Belieben nebeneinander die Klärung der streitigen Kompetenzfrage durch mehrere staatliche Gerichte (und den ihnen übergeordneten Rechtsmittelinstanzen) betreiben könnten. § 148 ZPO bietet keine ausreichende Schranke, um einem solchen Nebeneinander mehrerer Verfahren und der Gefahr daraus resultierender widersprüchlicher Entscheidungen wirkungsvoll zu begegnen.

4. Die Kosten des vorliegenden Feststellungsverfahrens haben die Antragsteller zu tragen, § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.

5. Der Senat bewertet das Feststellungsinteresse mit 10000 Euro (§ 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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