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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 16.01.2002
Aktenzeichen: 4Z SchH 9/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1035 Abs. 3
ZPO § 1035 Abs. 4
1. Allgemein gilt im Verfahren für die Bestellung der Schiedsrichter nach § 1035 Abs. 4 ZPO die gesetzliche Monatsfrist, wenn die Parteien keine Frist vereinbarten und "die Rechtsvorschriften der §§ 1034 bis 1066 ZPO" für ergänzend anwendbar vereinbarten.

2. Die verspätete Benennung eines Beisitzers ist weder für die Schiedsklägerin noch für das angerufene Gericht bindend.


In dem gerichtlichen Verfahren

betreffend die Schiedssache

erlässt der 4. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Jaggy und der Richter Vrisch und Heiss

ohne mündliche Verhandlung

am 16. Januar 2002

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. C wird zum zweiten beisitzenden Schiedsrichter des aus dem Obmann Rechtsanwalt A und dem weiteren beisitzenden Schiedsrichter B bestehenden Schiedsgerichts bestellt.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 13000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Für ein Bauvorhaben in Rostock haben die Parteien am 20.11.2000 einen Bauvertrag geschlossen, wonach die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Metallbau- und Schlosserarbeiten beauftragt hat. Als Schlusszahlung verlangt die Antragstellerin von der Antragsgegnerin einen Hauptsachebetrag von 77628,58 DM. Dem Bauvertrag haben die Parteien Allgemeine, Vertragsbedingungen zugrundegelegt, die unter Nr. 14 eine Schiedsvereinbarung beinhaltet, nach der alle Streitigkeiten aus dem Bauvertrag durch ein Schiedsgericht zu entscheiden sind:

"Bei einem Streitwert von über DM 50000,00 setzt sich das Schiedsgericht zusammen aus einem Obmann und zwei Beisitzern. Der Obmann soll ein in Baurechtsfragen erfahrener Jurist sein und wird von dem für den Betriebssitz des Auftraggebers zuständigen Präsidenten des Landgerichtes benannt. Je ein Beisitzer wird von dem Auftraggeber und Auftragnehmer benannt. Die Beisitzer müssen öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige sein. Es gelten ergänzend für das gesamte Verfahren die Rechtsvorschriften der §§ 1034 bis 1066 ZPO."

Mit Schreiben vom 6.6.2001 mahnten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin unter Fristsetzung den ausstehenden Werklohn bei der Antragsgegnerin an. Nach fruchtlosem Ablauf der Zahlungsfrist benannten sie mit Schreiben vom 6.7.2001 den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen B als Beisitzer des Schiedsgerichts und forderten die Antragsgegnerin auf, ihrerseits den zweiten Beisitzer zu bestellen. Mit Schreiben vom 13.8.2001 gab die Antragstellerin der Antragsgegnerin bekannt, dass aufgrund ihres Antrags zwischenzeitlich Rechtsanwalt A vom Präsidenten des Landgerichts zum Obmann des Schiedsgerichts bestellt worden war. Mit Schriftsatz vom 12.10.2001 beantragte sie die gerichtliche Bestellung des zweiten Beisitzers.

Mit Schriftsatz vom 21.11.2001 legten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ein an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gerichtetes Schreiben vom selben Tage vor, mit dem nunmehr der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) C als von der Antragsgegnerin bestellter Beisitzer des Schiedsgerichts benannt wurde. Die Antragstellerin ließ mit Schriftsatz vom 17.12.2001 mitteilen, dass gegen den vorgeschlagenen beisitzenden Schiedsrichter keine Bedenken bestehen.

II.

1. Der Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters ist zulässig. Der Senat ist gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 6a GZVJu i.d.F. vom 15.6.1998 (GVBl. S. 358) für die Bestellung des Schiedsrichters zuständig.

2. Der Antrag ist auch begründet.

Die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung des weiteren beisitzenden Schiedsrichters gemäß § 1035 Abs. 4-ZPO liegen vor.

a) Der formgerechte Schiedsvertrag der Parteien vom 20.11.2000 sieht vor, dass jede Partei einen beisitzenden Schiedsrichter ernennt. Dem ist die Antragsgegnerin trotz Aufforderung der Antragstellerin erst nach Ablauf der aufgrund der Schiedsvereinbarung der Parteien anzuwendenden Frist von einem Monat (§ 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO) nachgekommen. Dies hat zur Folge, dass ihre Benennung eines Beisitzers weder für die Schiedsklägerin noch für das angerufene Gericht bindend ist.

b) Die Parteien haben zwar keine Regelung darüber getroffen, in welcher Frist der jeweilige Gegner seiner vertraglichen Mitwirkungspflicht nachzukommen hat, einen Schiedsrichter zu bestelle n. Da nach dem Willen der Parteien aber ergänzend die gesetzlichen Vorschriften gelten, war die Antragsgegnerin verpflichtet, innerhalb eines Monats nach Empfang der entsprechenden Aufforderung der Antragstellerin den Beisitzer zu benennen (§ 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO). Eines Hinweises auf diese gesetzliche Monatsfrist bedurfte es nicht (a.A. Baumbach/ Lauterbach/Albers ZPO 60. Aufl. § 1035 Rn 9).

c) Nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzlichen Frist hat die Antragsgegnerin ihr Recht auf Schiedsrichterernennung verloren, da gemäß § 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO nach Fristablauf der Schiedsrichter auf Antrag der betreibenden Partei durch das Gericht zu bestellen ist (vgl. auch Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren 3. Aufl. Rn 32; Schütze Handbuch, des Schiedsverfahrens 2..Aufl. Rn 204; Wieczorek/Schütze ZPO 3. Aufl. § 1029 Rn 17; Raeschke-Kessler/Berger Recht und Praxis des Schiedsverfahrens 3. Aufl. Rn 507; OLG Breslau OLG Rspr. 19, 174/175; OLG Hamburg aaO 17, 213.; RGZ 45, 382/384 f.; OLG Bremen NJW 1972, 454). Auch nach der in der Literatur vielfach vertretenen Meinung, die Versäumung der Monatsfrist sei bis zur Antragstellung an das Gericht heilbar (vgl. Thomas/Putzo ZPO 23. Aufl. § 1035 Rn 8; Zöller/Geimer ZPO 22. Aufl. § 1035 Rn 17; Baumbach/Lauterbach/Albers § 1035 Rn 9; Musielak/Voit ZPO 2. Aufl. § 1035 Rn 10; BTDrucks. 13/5274 S. 40), hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall ihr Recht auf Schiedsrichterernennung verloren, da sie von diesem Recht auch nicht bis zum Eingang des Antrags bei Gericht (16.10.2001) Gebrauch machte. Der in der Literatur ebenfalls vielfach vertretenen Ansicht, das Ernennungsrecht der säumigen Partei erlösche erst mit Rechtsbestand der Ersetzungsentscheidung des Gerichts (so Stein/Jonas/Schlosser ZPO 21. Aufl. § 1029 Rn 2; MK/Münch ZPO 2. Aufl. § 1035 Rn 24; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. Kap. 10 Rn 21; Lachmann/König Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 1998 Kap. 7 Rn 270; Rosenberg/Schwab/ Gottwald ZPO 15. Aufl. § 173 111.3; Schlosser Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit 2. Aufl. Rn 477, 480), vermag der Senat nicht zu folgen. Gerade in der neuralgischen Phase der Bildung des Schiedsgerichts wird durch § 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO einer möglichen Verzögerungs- oder Blockadetaktik vorgebeugt. Rechtssicherheit und -klarheit sind für beide Parteien gleichermaßen gewährleistet, wenn feststeht, dass nunmehr nur noch das Gericht den zweiten Schiedsrichter bestellen kann; was jedoch nicht die Möglichkeit einer (nachträglichen) Vereinbarung der Vertragsparteien dahin ausschließt, dass die säumige Partei trotz Ablaufs der Bestellungsfrist den zweiten Schiedsrichter bestellen darf.

Der Eingriff des staatlichen Gerichts in die Parteiautonomie der säumigen Schiedsgerichtspartei kann in aller Regel dadurch abgemildert bzw. sogar kompensiert werden, dass die Antragsgegnerin bei eingetretener Fristversäumung einen Schiedsrichter (deklaratorisch) benennt und das staatliche Gericht, - wie geschehen - diesen Schiedsrichter bestellt bzw. die Parteien - wie oben dargestellt - eine nachträgliche Vereinbarung über die Bestellung des zweiten Schiedsrichters treffen.

d) Nach § 1035 Abs. 4 ZPO ist deshalb auf den Antrag der Schiedsklägerin unter Beachtung der Grundsätze des § 1035 Abs. 5 ZPO der zweite beisitzende Schiedsrichter gerichtlich zu bestellen.

3. Der Senat bestellt den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH ) C zum weiteren beisitzenden Schiedsrichter, weil die Antragsgegnerin diesen Schiedsrichter benannt und die Antragstellerin nach Anfrage durch den Senat hiergegen keine Bedenken erhoben hat.

Gründe, die einer Bestellung entgegenstünden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

4. Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO.

5. Streitwert: § 3 ZPO (ca. ein Drittel des Hauptsachebetrages nach den insoweit maßgeblichen Angaben der Antragstellerin).



Ende der Entscheidung

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