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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.07.2001
Aktenzeichen: 5 St RR 169/01
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 265 a
Eine Beförderungsleistung wird auch dann erschlichen, wenn sich der Täter weder unauffällig verhält noch keine besonderen Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen umgeht, um nicht entdeckt zu werden.
Tatbestand:

In der Nacht auf Donnerstag, 30.12.1999, bestieg der Angeklagte nach einer durchzechten Nacht nach einer Betriebsfeier in München den Intercity-Zug ICE 894 von München nach Augsburg gegen 6.40 Uhr.

Der Angeklagte war nicht im Besitz einer gültigen Fahrkarte, die für diesen Zug 28 DM zuzüglich Intercity-Zuschlag gekostet hätte. Er hatte auch nicht vor, den Fahrpreis zu entrichten.

Auf der Strecke zwischen München und Augsburg wurde der Angeklagte von einer Zugbegleiterin im Bordcafe des ICE angetroffen und um Vorlage seiner Fahrkarte gebeten. Der Angeklagte erklärte, dass er keine Fahrkarte habe und auch keine Fahrkarte lösen wolle.

Bei der späteren Überprüfung beleidigte der Angeklagte einen Grenzschutzbeamten.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 21.12.2000 wegen Leistungserschleichung in Tatmehrheit mit Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe.

Das Landgericht verwarf die Berufung des Angeklagten am 6.3.2001 unter Herabsetzung der Geldstrafe.

Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Ergänzend zu der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht in der Antragsbegründung vom 31.5.2001 ist anzumerken: Es ist daran festzuhalten, dass unter dem "Erschleichen" einer Beförderung jedes der Ordnung widersprechende Verhalten zu verstehen ist, durch das sich der Täter in den Genuss der Leistung bringt und bei welchem er sich mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgibt (OLG Stuttgart NJW 1990, 924; OLG Hamburg NStZ 1991, 587; NStZ 1988, 221; vgl. auch BVerfG NJW 1998, 1135). Die dagegen zunehmend in der Literatur vertretene Ansicht, die das Umgehen von besonderen Sicherungsmaßnahmen verlangt (Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 265 a Rn. 3; Schönke/ Schröder StGB 26. Aufl. § 265 a Rn. 11 je m. w. N.) überzeugt nicht. Sie wird dem Charakter der Vorschrift des § 265 a StGB als Auffangtatbestand zu § 263 StGB (BVerfG NJW 1998, 1135/ 1136) nicht gerecht (OLG Hamburg NStZ 1991, 587/588).

Nach § 9 Abs. 1 der Neufassung der Eisenbahnverkehrsordnung (EVO) vom 20.4.1999 (BGBl I S. 782) muss der Reisende bei Antritt der Reise mit einem Fahrausweis versehen sein, soweit der Tarif nichts anderes bestimmt. Nach § 9 Abs. 3 d EVO ist der Reisende verpflichtet, bei der Prüfung der Fahrausweise unaufgefordert dem Kontrollpersonal zu melden, dass vor Antritt der Reise ein gültiger Fahrausweis nicht gelöst werden konnte, weil ein Fahrkartenschalter oder Fahrkartenautomat nicht vorhanden, nicht geöffnet oder nicht betriebsbereit war. Über diese Bestimmungen hinausgehende Befreiungen sieht auch der Tarif der Deutschen Bundesbahn nicht vor. Ein Reisender, der - wie hier nicht im Besitz eines gültigen Fahrausweises ist, auch nicht vor hat, den Fahrpreis zu entrichten, und gleichwohl die Leistung des Beförderungsunternehmers in Anspruch nimmt, verhält sich sonach der Ordnung widersprechend.

Das Nichtlösen eines Fahrscheines für die Benutzung des Beförderungsmittels erfüllt zwar für sich allein noch nicht den Tatbestand des § 265 a StGB; in der Regel geht es allerdings mit einem unauffälligen Verhalten einher, das die Fahrgeldhinterziehung nicht aufscheinen lassen soll. Bei dieser Fallgestaltung steht die Erfüllung des Tatbestandes außer Frage (BayObLG NJW 1969, 1042/1043). Durch dieses unauffällige Verhalten erweckt der Reisende den Anschein der Ordnungsmäßigkeit, da er wie jeder andere - ehrliche - Benutzer auftretend das abfahrbereite Beförderungsmittel betritt und die Leistung des Betreibers in Anspruch nimmt (OLG Stuttgart aaO, OLG Hamburg NStZ 1988, 221/222). Er verhält sich dadurch gerade nicht sozialadäquat.

Das nach den Urteilsfeststellungen "nicht unaufgeforderte" Offenbaren anlässlich der Fahrscheinkontrolle beseitigt die Verwirklichung des Tatbestandes nicht. Das Vergehen der Beförderungserschleichung ist bereits mit dem Beginn der Leistung vollendet (LK/Tiedemann StGB 11. Aufl. § 265 a Rn. 51; Schönke-Schröder § 265 a Rn. 13). Das Offenbaren der Ausweislosigkeit anlässlich der Kontrolle kann deshalb lediglich zur Beendigung des Dauerdeliktes (Schönke/Schröder aaO; Bilda MDR 1969, 434/435) führen, ohne dass dadurch der bis dahin verwirklichte Tatbestand entfällt. Eine "offene Inanspruchnahme" der Unentgeltlichkeit der Leistung im Sinne der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG aaO) stellt dies nicht dar.

Ende der Entscheidung

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