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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.07.2002
Aktenzeichen: 5 St RR 182/02
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 15
Zur Frage der Voraussehbarkeit der Verwirklichung des Tatbestandes einer Fahrlässigkeitstat.
Tatbestand:

Am 11.7.1999 gegen 1.00 Uhr kam es bei einer teilweise im Freien abgehaltenen Geburtstagsfeier in dem landwirtschaftlichen Anwesen F. in M.I. zu einem Brand von ca. 100 Wachsteelichtern.

Um das Feuer zu löschen, entschloss sich der Angeklagte, einen Feuerlöscher einzusetzen.

Dabei beachtete er nicht, dass es durch den starken Druckstrahl des Löschmittels zu unberechenbaren Reaktionen des brennenden Wachses kommen würde und versäumte, sicherzustellen und sich auch zu vergewissern, dass die anderen Anwesenden während des Löschvorgangs einen hinreichenden Sicherheitsabstand einhielten.

Als der Angeklagte den Feuerlöscher einsetzte, befanden sich noch der Gastgeber J.P. und drei Gäste in unmittelbarer Nähe der Feuerstelle.

Es kam zu einer Verpuffung und zum Auswurf von brennendem Wachs.

Die genannten Personen erlitten dadurch Verbrennungen 1., bis 3. Grades im Gesicht und an den Händen, sie mussten stationär behandelt werden.

Das Amtsgericht sprach den Angeklagten am 21.6.2000 wegen vier rechtlich zusammentreffender Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung schuldig und verwarnte ihn mit Strafvorbehalt (Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 60 DM).

Die Berufung des Angeklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil wurde vom Landgericht am 21.2.2002 als unbegründet verworfen.

Gründe:

1. Das Landgericht ist der Auffassung, der Angeklagte habe durch den Einsatz eines Feuerlöschers gegen den Brand von ca. 100 Wachsteelichtern eine Verpuffung und den Auswurf von brennendem Wachs herbeigeführt und dadurch bei den vier Geschädigten Verbrennungen ersten bis dritten Grades im Gesicht und an den Händen verursacht. Er habe fahrlässig gehandelt, weil er nicht beachtet habe, dass es durch den starken Druckstrahl des Löschmittels zu unberechenbaren Reaktionen des brennenden Wachses kommen würde, und habe versäumt, sicherzustellen und sich auch zu vergewissern, dass die anderen Anwesenden während des Löschvorgangs einen hinreichenden Sicherheitsabstand einhielten.

Fahrlässigkeitsunrecht setzt nach herrschender Meinung eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung und die objektive Voraussehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung voraus (Lackner/ Kühl StGB 24. Aufl. § 15 Rn. 36).

Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass die Strafkammer aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme den Einsatz des Feuerlöschers mangels konkreter Gefährlichkeit des entstandenen Brandes und im Hinblick auf die von verspritzten brennenden Wachspartikeln ausgehenden Gefahren für nicht erforderlich erachtete und auch die Einlassung des Angeklagten für widerlegt hielt, seine Tochter habe die umstehenden Personen mehrfach aufgefordert, sich vom Brandherd zu entfernen, weil jetzt mit einem Feuerlöscher gelöscht werde. Damit hat das Gericht zwar eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung des Angeklagten festgestellt. Nicht hinreichend ist aber festgestellt, ob die Tatbestandsverwirklichung,. d.h. die Verletzung der Geschädigten, für den Angeklagten vorhersehbar war.

Die Strafkammer geht davon aus, dass es durch die Feinverteilung des Wachses zu einer Verpuffung gekommen sei und dass dadurch die Geschädigten von brennenden Wachsteilen getroffen worden seien und hierdurch die Verbrennungen erlitten hätten. Die Urteilsgründe verhalten sich aber nicht zu der Frage, ob es sich bei einer solchen Verpuffung um einen nach allgemeiner Lebenserfahrung häufig vorkommenden oder nur höchst selten eintretenden Vorgang handelt. Nur dann wäre nämlich der tatbestandsmäßige Erfolg auch objektiv erkennbar gewesen. Wäre diese Frage zu bejahen, so bedürfte es darüber hinaus zur Begründung des Schuldvorwurfs auch der Feststellung, ob der Angeklagte nach seinen intellektuellen Fähigkeiten - er ist immerhin selbständiger Feuerlöscherprüfer - in der Lage war, den Eintritt einer Verpuffung und die dadurch verursachten Hautverbrennungen der Geschädigten vorauszusehen (Lackner/ Kühl § 15 Rn. 49). Diese Frage lässt das Gericht indes ausdrücklich offen, indem es darauf hinweist, auch wenn dem Angeklagten der naturwissenschaftliche Vorgang einer Verpuffung nicht bekannt gewesen sein sollte, habe er gewusst, dass das brennende Wachs beim Einsatz des Feuerlöschers auf die in der Nähe stehenden Personen spritzen würde.

Die letztere Überlegung erweist sich jedoch als nicht schlüssig; denn die Strafkammer hat eben gerade nicht festgestellt, dass auch ohne Verpuffung brennendes Wachs die Geschädigten getroffen und gleiche oder ähnliche Verbrennungen verursacht hätte. Nur in diesem Fall aber hätte es sich bei der Verpuffung lediglich um eine unwesentliche Besonderheit des Kausalverlaufs gehandelt, durch die die Voraussehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung nicht in Frage gestellt worden wäre.



Ende der Entscheidung

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