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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.09.2001
Aktenzeichen: 5 St RR 248/2001
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 24
StPO § 338 Nr. 3
Verfahrensverstöße sind allein kein Grund,um einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
Tatbestand:

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 13.2.2001 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten.

Die Berufung des Angeklagten wurde vom Landgericht durch Urteil vom 30.5.2001 als unbegründet verworfen.

Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Ergänzend zu den Ausführungen der Staatsanwaltschaft bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht in der Antragsbegründung vom 28.8.2001 ist folgendes auszuführen:

Bei, wie hier, ordnungsgemäß erhobener Verfahrensrüge der Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO, prüft das Revisionsgericht die Begründetheit des Ablehnungsgesuches nach Beschwerdegrundsätzen. An die Feststellungen und Erwägungen in dem die Ablehnung verwerfenden Beschluss des Landgerichts ist es nicht gebunden (BGHSt 18, 201/203).

Der Angeklagte stützt sein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter der erkennenden Strafkammer darauf, dass dieser, obwohl sein Verteidiger, der Einzelanwalt und alleiniger Sachbearbeiter sei, mitgeteilt hatte, dass er vom 4.5. bis 28.5.2001 in Urlaub sei, Termin bereits auf den 30.5.2001 mit sieben Zeugen und einem Sachverständigen bestimmt habe, die Ladung des Verteidigers zum Termin, wenn auch unter Einhaltung der Ladungsfrist, während dessen Urlaubsabwesenheit erfolgt sei und der Verteidiger deshalb keine genügende Zeit zur Vorbereitung des Termins gehabt habe. Eine am 28.5.2001 von dessen Vertreterin beantragte Verlegung des Termins wegen der Notwendigkeit der Terminsvorbereitung, habe der Vorsitzende telefonisch abgelehnt, mit dem Bemerken, er hätte auch einen gleich nach Erhalt der Ladung gestellten Verlegungsantrag abgelehnt. Der Vorsitzende Richter habe bewusst so terminiert, dass eine ausreichende Vorbereitung der Verteidigung wegen der Urlaubsabwesenheit zumindest erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht werden sollte. Dieses Verhalten lasse nur den Schluss zu, dass dem Angeklagten die Verteidigung insgesamt erschwert werden sollte, was nur damit erklärt werden könne, dass der Vorsitzende diesem gegenüber nicht unparteilich ist und die Weichen für eine neuerliche Verurteilung gestellt werden sollten.

Ergänzend trägt der Angeklagte in seiner Revisionsbegründung vor, dass der Verteidiger zuletzt am 22.3.2001 Akteneinsicht hatte, die Staatsanwaltschaft bis dahin die Ladung der Zeugen PM G. und POM M., sowie des Landgerichtsarztes nicht beantragt hatte und diese Zeugen vom Vorsitzenden zusätzlich geladen worden seien. Die Ladung dieser zusätzlichen Zeugen und des Sachverständigen lasse nur den Schluss zu, dass der Angeklagte "überrumpelt" werden sollte.

Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet, weil die vorgetragenen Tatsachen die Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen vermögen und damit das Gesuch nicht mit Unrecht verworfen worden ist.

Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 1 und Abs. 2 StPO). Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes ist grundsätzlich vom Standpunkt des Ablehnenden aus zu beurteilen.(Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 24 Rn. 6).

Dabei kommt es nicht auf die subjektive Sicht des Ablehnenden an, maßgebend ist der Standpunkt eines verständigen und vernünftigen Angeklagten und die Vorstellungen, die sich ein geistig gesunder, bei voller Vernunft befindlicher Prozessbeteiligter bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann. Der Ablehnende muss daher Gründe vorbringen, die jedem unbeteiligten Dritten einleuchten (Kleinknecht/Meyer-Goßner Rn. 8).

Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnehme, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Wird, wie hier, die Ablehnung auf prozessuales Verhalten des Richters gestützt (Terminierung zur Unzeit; Ablehnung eines Verlegungsantrages; Ladung zusätzlicher bisher nicht beantragter Zeugen), so kann ein solches Verhalten, solange sich der Richter im Rahmen seiner Befugnisse hält, nicht Gegenstand eines Misstrauens gegenüber dem Richter sein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob insoweit getroffene Entscheidungen rechtlich fehlerhaft sind (Kleinknecht/Meyer-Goßner Rn. 14). Verfahrensverstöße allein sind grundsätzlich kein Ablehnungsgrund. Lediglich wenn das prozessuale Vorgehen des Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage in der Weise entbehrt, dass die der richterlichen Tätigkeit gesetzten Schranken missachtet und in der Verfassung wurzelnde elementare Regeln zum Schutz der Grundrechte verletzt worden sind, oder das Vorgehen des Richters den Anschein der Willkür erweckt, kann von einem üblichen, hinzunehmenden Verfahrensfehler nicht mehr gesprochen werden (BayObLG DRIZ 1977, 244/245).

Solche Umstände liegen hier aber nicht vor. Wenn auch ein Angeklagter grundsätzlich - auch im Fall einer nicht notwendigen Verteidigung - das verfassungsmäßig fundierte Recht hat, sich eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen, was die Notwendigkeit der ausreichenden Vorbereitung des Verteidigers auf einen Termin beinhaltet, und dieses Recht sowohl bei der Terminsbestimmung, wie auch bei Entscheidungen über Anträge auf Terminsverlegung oder Aussetzungsanträge zu beachten ist (BGH StV 1989, 89; OLG Frankfurt NStZ-RR 1997, 272), so ist dieses Recht nicht schrankenlos. Die Prozessbeteiligten haben grundsätzlich keinen Anspruch auf die Verlegung eines Termins oder die Bestimmung eines bestimmten Termins. Insoweit hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen der Prozessbeteiligten, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der Terminsplanung des Gerichts zu entscheiden (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 213 Rn. 7). Selbst die Verhinderung eines Verteidigers ist vorbehaltlich der Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung und des Gebotes eines fairen Verfahrens kein Grund zur Aussetzung einer Verhandlung, § 228 Abs. 2 StPO. Es geht grundsätzlich zu Lasten eines Angeklagten, wenn er keinen Verteidiger findet, der bereit und in der Lage ist, ihn zu dem angesetzten Termin zu verteidigen (Kleinknecht/ Meyer-Goßner § 2,28 Rn. 10).

Danach hat sich der abgelehnte Richter mit seiner Terminierung und seiner Entscheidung, den Termin nicht zu verlegen, im Rahmen des gesetzlich Zulässigen gehalten und auch keine willkürliche Ermessensentscheidung getroffen. Dabei ist zu berücksichtigen dass, wie der Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme anführt, bereits der auf 7.5.2001 angesetzte Termin wegen der urlaubsbedingten Verhinderung des Verteidigers verlegt worden war. Die Sach- und Rechtslage des gegenständlichen Verfahrens ließ keine besonderen Schwierigkeiten erkennen. Der Umfang der Akten einschließlich des erstinstanzlichen Urteils bis zur letzten Akteneinsicht durch den Verteidiger wies lediglich 62 Blatt auf. Die Feststellungen der gegenüber der Hauptverhandlung erster Instanz zusätzlich geladenen beiden Polizeibeamten waren darin schon enthalten. Die bis zur Terminierung weiter angefallenen Vorgänge (10 Blatt) betrafen die Akteneinsicht durch den Verteidiger und Vermerke über den Verbleib der Akten bei Gericht oder Staatsanwaltschaft. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Termin bereits auf den zweiten Tag nach der Urlaubsrückkehr des Verteidigers angesetzt wurde, und es ferner für den Angeklagten um eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe ging, kann von einer willkürlichen Entscheidung des Richters auch unter dem Gesichtspunkt eines fairen Verfahrens nicht gesprochen werden. Gleiches gilt für die Ablehnung der am 28.5.2001 kurzfristig beantragten Terminsverlegung unter Berücksichtigung der weiteren Tatsache, dass durch das Gericht bereits sieben Zeugen und ein Sachverständiger geladen worden waren.

Unabhängig davon, dass im Revisionsverfahren zur Begründung eines Ablehnungsgesuches keine neuen Tatsachen oder Beweismittel nachgeschoben werden können (BGH NJW 1960, 2106/2108; BGHSt 21, 85/88), ergibt sich ein Grund, an der Objektivität und Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln, auch nicht aus der gegenüber der ersten Instanz zusätzlichen Ladung zweier Polizeibeamter und des Landgerichtsarztes. Die Ladung eines Sachverständigen in der Berufungsinstanz, ersichtlich wegen der alkoholischen Beeinflussung des Angeklagten, nachdem sich das Erstgericht mit der Verlesung der Atemalkoholausdrucke mit Werten von 2,29 und 0,83 Promille begnügt hatte, konnte für einen Strafverteidiger nicht überraschend sein. Gleiches gilt hinsichtlich der beiden Polizeibeamten, die, wie sich aus den dem Verteidiger bekannten Akten ergab, den Angeklagten festgenommen hatten und ersichtlich Angaben zu dessen Zustand und alkoholischer Beeinflussung zu diesem Zeitpunkt machen konnten. Insoweit von einer Überrumpelung zu sprechen, ist abwegig.

Ergänzend ist anzumerken, dass der Angeklagte bzw. sein Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 30.5.2001 auch keinen erneuten Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung zur weiteren Vorbereitung gestellt haben.



Ende der Entscheidung

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