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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Urteil verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: 5 St RR 296/02
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 284 Abs. 1
Zur Frage des Tatbestandes der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels.
Tatbestand:

Der Angeklagte ist Automatenaufsteller. Gleichzeitig betreibt er als verantwortlicher Gastwirt die Gaststätte "B" in der U.Straße 2 in A. In den Gaststätten "C" in der L.straße 53 in N. - Gastwirte waren die Eheleute R. - sowie "U" in der U.Straße 6 in A. - Gastwirt war I. - hat der Angeklagte in der Zeit vom April 2000 bis 29.3.2001 folgende Unterhaltungsspielgeräte aufgestellt:

Gaststätte: Gerät: Zeitraum: Mindestumsatz: B Viva Espana 1.9.2000-29.3.2001 7000 DM C Black Jack April 2000-13.2.2001 Jolly Joker April 2000-13.2.2001 Cyber Casino 13.2.2001-29.3.2001 840 DM U lack Jack 4.5.2000-24.1.2001 Brain Waves 24.1.2001-29.3.2001 Crown Jewels 11.9.2000-29.3.2001 17000 DM

Vom Umsatz der Geräte in den Gaststätten "C" und "U" erhielt der Angeklagte je 50% vom Umsatz in seiner eigenen Gaststätte 40%.

Bei den fraglichen Geräten handelt es sich um Automaten mit drei drehbaren Rollen, die mit verschiedenen Symbolen (Glocke, Zitrone, Melone, Kirschen, Bar) ausgerüstet sind. Bei drei gleichen waagrechten Symbolen in der mittleren Reihe werden entsprechende Punktgewinne von zwei bis 200 Punkten erreicht. Neben den reinen Punktgewinnen befinden sich noch zwei Risiko-Tasten, mit der die erreichte Punktzahl jeweils verdoppelt oder vervierfacht werden kann. Zusätzliche Gewinnmöglichkeit besteht in einem großen Display mit einer Gewinnmöglichkeit von maximal 100 Punkten. Bei Einwurf einer Toke von 10 DM erhält man 100 Punkte. Beim Einwurf von 5 DM erhält man entsprechend 50 Punkte. Es ist der Einwurf von 1, 2 und 5 Mark-Münzen neben dem Tokeneinwurf möglich.

Der Einsatz für einen Spieler (Spieldauer 3 Sekunden) kann nur mit einem Punkt (= 0,10 DM) belegt werden. Bei einem Einsatz von einem Punkt je Spiel und der Voraussetzung, dass kein Gewinn erzielt wird, sind 10 DM nach ca. 5 bis 10 Minuten verspielt. Der Vierfach-Einsatz ist nur möglich bei sogenannten Superzählern auf dem Display. Nach einer entsprechenden Symbolreihe können die Punkte auf diesen Superzähler übernommen werden. Bei diesem Superzähler ist ein Maximaleinsatz von vier Punkten möglich. Neben den Token (= Metallmünzen mit Loch und besonderer Kennzeichnung) kann der Spieler auch 1 Mark-, 2 Mark-, und 5 Mark-Münzen einwerfen.

Einen Gewinn in Geld wirft der Apparat nicht aus. Erzielt der Spieler einen Gewinn, so erhält er 1 oder auch mehrere Token. Hiermit kann er das Spiel weiterbetreiben.

Da diese Art des Spiels für die Spieler wenig Spielanreize bietet, sind der Angeklagte und die beiden Gastwirte der von ihm mit Automaten bestückten Gaststätten dazu übergegangen, die Token auf Anfrage in Geld oder in Getränke einzulösen. Durch diese Maßnahme konnte der Angeklagte den Umsatz an den Geräten in einem nicht feststellbaren Umfang steigern.

Die Unterhaltungsspielgeräte sind genehmigungsfrei. Entsprechend hat der Angeklagte auch keine Genehmigung beantragt.

Der Angeklagte hat mit diesen Geräten Bruttoeinnahmen in Höhe von mindestens 11720 DM erzielt. Durch den Einsatz der Geräte hat er sich eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von nicht unerheblichem Umfang geschaffen.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 20.2.2002 wegen "gewerbsmäßigen unerlaubten Veranstaltens von Glücksspielen in drei Fällen (§§ 284 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, 53 StGB)" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus; ferner erklärte es einen Betrag in Höhe von 11720 DM für verfallen (§§ 73, 73a, 73b StGB). Auf die Berufung des Angeklagten hob das Landgericht mit Urteil vom 16.7.2.002 die erstinstanzliche Entscheidung auf und sprach den Angeklagten frei.

Die Strafkammer vertrat die Auffassung, der festgestellte Sachverhalt könne nicht unter § 284 StGB subsumiert werden.

Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus,

beim Spiel mit den verfahrensgegenständlichen Geräten erlange der Spieler keinen Vermögenswert, der nach der Verkehrsauffassung ins Gewicht falle. Er erhalte lediglich sog. Token, "von Haus aus wertneutrale Gegenstände", die lediglich dem Weiterspielen ohne erneuten Geldeinsatz dienten.

Einen Wert erhielten diese Token erst dann, wenn der Gastwirt sie gegen Geld oder Getränke eintausche. Dieser Vorgang sei jedoch nicht mehr Bestandteil des Spiels. Deshalb könnten diese Geräte genehmigungsfrei betrieben werden.

Der Anwendung des § 284 StGB auf die festgestellten Vorgänge stehe das "strafrechtliche Analogieverbot" entgegen.

"Im übrigen... sei... der Betrieb eines durch die physikalisch-technische Bundesanstalt zugelassenen Spielgeräts, das ohne Erlaubnis nach § 33c Abs. 1 GewO betrieben... werde..., kein unerlaubtes Glücksspiel nach § 284 StGB (vgl. OLG Köln in NJW 1957 S. 721). Für die Fun-Games bestehe jedoch eine Zulassung durch die physikalisch-technische Bundesanstalt."

Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg.

Gründe:

Die Erwägungen der Strafkammer sind in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.

Bereits die bisherigen Feststellungen der Strafkammer rechtfertigen prinzipiell den in erster Instanz ergangenen Schuldspruch.

Bei sämtlichen verfahrensgegenständlichen Spielautomaten erwarb danach der jeweilige Spieler gegen einen nicht ganz unbeträchtlichen Einsatz die Aussicht auf einen - wegen der technischen Vorrichtungen dieser Geräte - vom Zufall abhängigen vermögenswerten Gewinn. Damit handelte es sich in sämtlichen verfahrensgegenständlichen Fällen um öffentlich veranstaltetes, unerlaubtes Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB (BGHSt 2, 274 ff.; 9, 39/40; 34, 171/175 ff.; RGSt 64, 355 ff. und 64, 219 ff. vgl. ferner Friauf/Hahn GewO Stand 5/2002 § 33c Rn. 6 m. w. N.).

Entgegen der Auffassung der Strafkammer kommt es dabei hinsichtlich des Vermögenswertes des Gewinns nicht darauf an, ob der Gewinn durch das Gerät selbst ausgeschüttet wird; es kommt auch nicht darauf an, ob der Geräteaufsteller selbst oder ein Dritter den Gewinn auszahlt. Entscheidend ist vielmehr die Gestaltung des jeweiligen Spielvertrages.

Nach den Feststellungen der Strafkammer "sind der Angeklagte und die beiden Gastwirte der von ihm mit Automaten bestückten Gaststätten - weil die ursprüngliche, durch die Bauweise der verwendeten Automaten bedingte Art des Spiels für die Spieler wegen Fehlens jeglicher Aussicht auf vermögenswerten Gewinn wenig Spielanreize bietet - dazu übergegangen, die Token auf Anfrage in Geld oder in Getränke einzulösen, um den Umsatz an den Geräten zu steigern".

Nach der Einlassung des Angeklagten ist diese Feststellung dahin zu verstehen, dass der Angeklagte und die beiden mit ihm insoweit zusammenarbeitenden Gastwirte jeweils von vornherein einen Anspruch auf "Umtausch von Token in Geld oder Ware" einräumten, also nicht erst auf nachträgliche Anfrage im Einzelfall kulanter Weise zu einem solchen Umtausch bereit waren, weil "andernfalls keiner mehr gespielt hätte" und der Angeklagte und die anderen Gastwirte so "das Interesse der Gäste weckten".

Der Angeklagte hatte demnach die für die jeweiligen Spieler und auch für die Veranstalter verbindlichen Regeln für den Betrieb dieser ursprünglich genehmigungsfreien Unterhaltungsspielgeräte (§§ 33i, 33c GewO) so verändert, dass den jeweils zu gewinnenden "Token" von vornherein Geldwert in nach der Verkehrsanschauung nicht nur unerheblicher Größenordnung zukam.

Nach der zitierten Einlassung des Angeklagten kam es den Spielern bei ihren Einsätzen auch entscheidend auf diesen Gewinn jederzeit in Geld umtauschbarer Token an, "andernfalls hätte keiner mehr gespielt".

Dass der Angeklagte keine behördliche Erlaubnis hierfür hatte, folgt zweifelsfrei aus der Feststellung der Strafkammer, diese "Unterhaltungsspielgeräte... seien... genehmigungsfrei.. Entsprechend... habe... der Angeklagte auch keine Genehmigung beantragt".

Auch das Vorliegen der subjektiven Tatseite ist nach dem angefochtenen Urteil nicht zweifelhaft.

Seiner Einlassung zufolge wusste der Angeklagte, "dass die Meinung besteht, dass dieses Umtauschen von Token in Geld oder Ware strafbar sei. Es hätten aber alle so gemacht, ohne dass etwas passiert sei. Außerdem hätte nur so das Interesse der Gäste geweckt werden können. Er habe es genau so gemacht wie alle, weil es so besser läuft."

Danach lag beim Angeklagten kein schuldausschließender Verbotsirrtum vor (§ 17 Abs. 1 StGB). Im übrigen ist von einem Gewerbetreibenden grundsätzlich zu verlangen, dass er sich Kenntnis von den für seinen Tätigkeitsbereich einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verschafft und in Zweifelsfällen mit zumutbaren Anstrengungen besonders sachkundigen Rechtsrat einholt (BGH GewArch 2002, 162). Angesichts der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung hätte der Angeklagte etwaige tatsächlich bestehende Zweifel hinsichtlich der strafrechtlichen Relevanz seines Vorgehens jederzeit mit vertretbarem Aufwand überwinden können.

Die gewerberechtlichen Hilfserwägungen der Strafkammer rechtfertigen den angefochtenen Freispruch ebenfalls nicht.

Nach den in NJW 1957, 721 wiedergegebenen Gründen des Urteils des OLG Köln vom 19.2.1957, Az. Ss 417/56, war dort darüber zu befinden, ob der Betrieb eines von der physikalisch-technischen Bundesanstalt zugelassenen Geldspielautomaten nach § 284 StGB deshalb strafbar ist, weil der Angeklagte es vorsätzlich unterließ, die polizeiliche Genehmigung für die Aufstellung zu beantragen. Demnach tangiert das zitierte Urteil des OLG Köln die vorliegende Entscheidung des Senats von vornherein nicht (§ 121 Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 2 GVG).

Grundsätzlich ist die Aufstellung von Spielgeräten, die mit einer den Spielausgang beeinflussenden technischen Vorrichtung ausgestattet sind und die die Möglichkeit eines Gewinns bieten, nur zulässig, wenn

a) der Aufsteller im Besitz der allgemeinen Aufstellungserlaubnis ist (§ 33c Abs. 1 Satz 1 GewO),

b) die Bauart des Gerätes von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassen wurde (§ 33c Abs. 1 Satz 2 GewO) und

c) die Behörde die Eignung des Aufstellungsortes bestätigt hat (§ 33c Abs. 3 GewO).

Die von der Strafkamm er zitierte Entscheidung des OLG Köln betraf lediglich die allgemeine Aufstellungserlaubnis nach § 33c Abs. 1 Satz 1 GewO n.F..

Der hier zu entscheidende Fall betrifft demgegenüber das Fehlen einer Erlaubnis im Sinne von § 33c Abs. 1 Satz 2 GewO mit der Besonderheit, dass die verwendeten Geräte nach den Feststellungen der Strafkammer als - generell erlaubnisfreie (§§ 33i, 33c GewO) - Unterhaltungsspielgeräte konzipiert sind und (nur) insoweit eine "Zulassung", d.h. eine auf die Bauart bezogene Prüfung seitens der physikalisch-technischen Bundesanstalt besteht, der Angeklagte aber nach Inbetriebnahme und zur Förderung des Umsatzes den Spielablauf durch regelwidrige Einführung eines generellen Rechtsanspruchs der Spieler auf Umtausch der gewonnenen Token in Geld oder Waren (durch Verrechnung auf die Zeche) zu einem unerlaubten, nach § 284 StGB strafbaren Glücksspiel veränderte (RGSt 64, 355 ff.; BayObLGSt 1993, 8/9; vgl. ferner Odenthal GewArch 1989, 222/225).

Ende der Entscheidung

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