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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.10.2000
Aktenzeichen: 5Z RR 233/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 2
ZPO § 3
ZPO § 546
Zum Wert der Beschwer bei einem Streit zwischen Grundstücksnachbarn um die Herstellung der Standsicherheit des Bodens des Grundstücks des Klägers nach Vertiefung des Grundstücks des Beklagten, in dem der Kläger nur teilweise obsiegt hat.
BayObLG Beschluß

OLG München 5 U 3852/99; LG München II - 4 O 578/96

5Z RR 233/00

18.10.00

Der 5. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Dr. Reichold sowie der Richter Werdich, Kenklies, Seifried und Zwirlein

am 18. Oktober 2000

in dem Rechtsstreit

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Kläger, den Wert ihrer Beschwer durch das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 14. März 2000 auf mehr als DM 60000,-- festzusetzen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Kläger sind Miteigentümer eines Grundstücks in W. Ab Juli 1993 wurden auf dem benachbarten Grundstück der Beklagten zu 1 und 3 bis 14 mehrere Wohnhäuser errichtet. Dabei wurde das Gelände auf diesem Grundstück vertieft, wodurch an der Grenze zwischen beiden Grundstücken ein Höhenunterschied von bis zu 2 m entstand. Der Höhenunterschied wurde durch eine in unterschiedlichen Abständen zur Grundstücksgrenze gewunden verlaufende Palisadenwand abgestützt. Die Kläger haben vorgetragen, dass ihr Grundstück durch die Vertiefung des Nachbargrundstücks seine Standsicherheit verloren habe. Sie verlangen von den Beklagten die Herstellung der Standsicherheit ihres Grundstücks an der Grundstücksgrenze auf eine Länge von 52 m und die Feststellung, dass die Beklagten wegen Vertiefung des Nachbargrundstücks Schadensersatz zu leisten haben. Das Landgericht verurteilte die Beklagten, die Standsicherheit des Bodens an der gesamten Länge der Grenze zum Grundstück der Kläger an den Stellen herzustellen, an denen die auf dem Grundstück der Beklagten errichteten Palisaden einen geringeren Abstand als 1 m von der äußeren Bordsteinkante der an der Grundstücksgrenze verlaufenden Fahrbahn auf dem Grundstück der Kläger aufweisen. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, den Klägern allen im Zusammenhang mit der Vertiefung von der Rechtshängigkeit an in Zukunft entstehenden Schaden zu ersetzen. im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die Kläger haben Berufung eingelegt, die Beklagten Anschlußberufung. Die Kläger haben beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen., die Standsicherheit des Bodens des klägerischen Grundstücks an der Grenze zu dem der Beklagten auf eine Länge von 52 m dergestalt herzustellen, dass der Boden eine Festigkeit geeignet für Verkehrslasten bis 16,7 kN/m² erhält. Außerdem haben sie beantragt festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern allen im Zusammenhang mit der Vertiefung des Grundstücks der Beklagten seit Juli 1993 bis zur Rechtshängigkeit etwaig entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Beklagten haben beantragt, die Berufung zurückzuweisen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Mit Endurteil vom 14.3.2000 hat das Oberlandesgericht unter Abänderung und Neufassung des landgerichtlichen Urteils die Beklagten verurteilt, zugunsten der Kläger die Standsicherheit des Bodens des klägerischen Grundstücks an der Grenze zum Grundstück der Beklagten an den Stellen, an denen die auf deren Grundstück errichteten Palisaden zur äußeren Bordsteinkante der Fahrbahn auf dem klägerischen Grundstück einen geringeren Abstand als 1 m haben, so herzustellen, dass der Boden eine Festigkeit geeignet für Verkehrslasten bis zu 16,7 kN/m² hat. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern allen im Zusammenhang mit der Vertiefung des Grundstücks der Beklagten in Zukunft entstehenden Schaden zu ersetzen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung der Kläger sowie die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen sowie die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben. Den wert der Beschwer der Parteien hat es auf je DM 52000,-- festgesetzt. Den Streitwert hat es entsprechend den Angaben der Kläger auf DM 104000,-- festgesetzt (DM 80000,-- für den Leistungsantrag und DM 24000,-- für den Feststellungsantrag). Mit Ergänzungsurteil vom 30.5.2000 hat das Oberlandesgericht den Antrag der Kläger auf Urteilsergänzung bezüglich der Feststellung der Ersatzpflicht abgelehnt und klargestellt, dass sich diese sowohl auf diejenigen Schäden bezieht, die in der Zeit ab Rechtshängigkeit entstanden sind, als auch auf diejenigen, die in der Zeit, von Juli 1993 bis zur Rechtshängigkeit entstanden sind.

Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts vom 14.3.2000 haben die Kläger Revision eingelegt. Sie beantragen die Heraufsetzung ihrer Beschwer auf über DM 60.000,--.

II.

Der Senat ist an die Wertfestsetzung des Berufungsgerichts nicht gebunden, da der festgesetzte Wert der Beschwer DM 60000,-- nicht übersteigt (§ 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Festsetzung einer nicht über DM 60000,- hinausgehenden Beschwer durch das Berufungsgericht ist jedoch im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Kläger haben einen höheren Wert nicht glaubhaft gemacht.

1. Nachdem das Oberlandesgericht mit Ergänzungsurteil vom 30.5.2000 klargestellt hat, dass es dem Feststellungsantrag der Kläger in vollem Umfang stattgegeben hat, sind die Kläger nur bezüglich der teilweisen Zurückweisung des Leistungsantrags beschwert.

2. Die Beschwer der Kläger im Sinne des § 546 ZPO bestimmt sich insoweit nach der Wertdifferenz zwischen ihrem in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Antrag und dem Tenor des Berufungsurteils (BGH NJW-RR 1994, 701). Die Berechnung richtet sich nach §§ 3 bis 9 ZPO (§ 2 ZPO). Der Leistungsanspruch der Kläger zielt auf die Vornahme vertretbarer Handlungen ab; er ist nach dem Interesse der Kläger gemäß § 3 ZPO zu bewerten (Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 3 Rn. 82). Das Oberlandesgericht hat für den Leistungsantrag entsprechend den Angaben der Kläger DM 80000,-- festgesetzt. Der Senat sieht zu einer anderen Wertfestsetzung keinen Anlaß.

Das Berufungsgericht hat dem Antrag der Kläger auf Herbeiführung der Standsicherheit des Bodens ihres Grundstücks auf einer Länge von 52 m nur insoweit stattgegeben, als die Standsicherheit an der Grundstücksgrenze an den Stellen herzustellen ist, an denen die auf dem Grundstück der Beklagten errichteten Palisaden zur Bordsteinkante der an der Grenze gelegenen Fahrbahn des klägerischen Grundstücks einen geringeren Abstand als 1 m haben. Es hat keine Feststellungen getroffen, um welche Teilstrecke dies hinter dem Antrag der Kläger zurückbleibt. Die Parteien hätten keine Unterlagen vorgelegt, aus denen sich die Länge der Grundstücksgrenze, die Länge der Palisadenwand und diejenigen Strecken ersehen ließen, auf denen die Entfernung zur Fahrbahn der Kläger geringer als 1 m ist. Das Berufungsgericht hat aber festgestellt, dass dies auf mehreren Streckenabschnitten der Fall ist und bei seiner Kostenentscheidung zugrunde gelegt, dass die Kläger zur Hälfte obsiegt haben und die Beklagten zur Hälfte unterlegen sind.

Daraus läßt sich ableiten, dass das Berufungsgericht die Kläger durch die teilweise Zurückweisung ihres Leistungsantrages als in Höhe von DM 52000,--(65 %) beschwert angesehen hat, während es davon ausgegangen ist, dass sie im übrigen (DM 28000,-- Leistungsantrag [35 %] und DM 24.000,-- Feststellungsantrag) obsiegt haben. Das Berufungsgericht geht also in Übereinstimmung mit der örtlichen Situation, wie sie aus den von den Parteien vorgelegten und vom Sachverständigen gefertigten Fotodokumentationen und den zu den Akten gelangten Planskizzen erkennbar ist, davon aus, dass die gewunden verlaufende Palisadenwand auf dem Grundstück der Beklagten überwiegend (65 %) einen größeren Abstand als 1 in von der Bordsteinkante der Fahrbahn an der Grenze des Grundstücks der Kläger hat. Die Festsetzung der Beschwer durch das Berufungsgericht hält sich in den Grenzen des ihm nach § 3 ZPO eingeräumten Ermessens und läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Der Senat teilt die Einschätzung des Berufungsgerichts.

3. Entgegen der Auffassung der Kläger ist aus dem Berufungsurteil auch die Strecke abzuleiten, die nach Einschätzung des Oberlandesgerichts einen geringeren Abstand als 1 m hat. Sie beträgt insgesamt 18,2 in (35 % aus der Gesamtstrecke von 52 m). Danach ist das Berufungsgericht dem Antrag der Kläger im Ausmaß von 18,2 m gefolgt und hat hinsichtlich eines Bereiches von 33,8 m den Leistungsantrag abgewiesen. Ausgehend von einem Streitwert von DM 80000,-- für den Leistungsantrag sind die Kläger also im Umfang von 33,8/52,0 = 65 % (DM 52000,--) unterlegen.

4. Die Kläger haben einen höheren Wert der Beschwer nicht glaubhaft gemacht (zum Erfordernis der Glaubhaftmachung vgl. BGH NJW 1981, 579). Sie haben nach der gemeinsamen eidesstattlichen Versicherung ihres Prozeßbevollmächtigten und zweier Kläger die Grenzstrecke von 52 m daraufhin abgemessen, in welchen Bereichen der Abstand zwischen den auf dem Flurstück der Beklagten errichteten Palisaden zur äußeren Bordsteinkante der Fahrbahn auf dem Grundstück der Kläger geringer als 1 m ist. Das Meßergebnis von insgesamt 7,2 m haben sie dadurch gewonnen, dass sie jeweils diejenige senkrecht zur Grundstücksgrenze verlaufende Strecke zwischen der äußeren Bordsteinkante und der Außenkante oben der jeweils nächstgelegenen Palisade - bis auf einen Bereich von 6,4 m, in denen die Palisaden direkt an die Bordsteinkante anstoßen - gemessen haben. Sie sind dabei dem Höhengefälle (Abböschung) gefolgt, das zwischen der Bordsteinkante und der tieferliegenden Oberkante der Palisadenreihe besteht. Diese Messung vermag zwar die Entfernung zwischen der Bordsteinkante und der jeweiligen Palisadenkante wiederzugeben, nicht aber den - kürzeren - Abstand zwischen der Bordsteinkante und der Palisadenwand, wie er vom Berufungsgericht vorausgesetzt wurde. Dieses hat ausgeführt, dass der Boden des Grundstücks der Kläger seine Stütze überall dort verloren hat, wo die Palisaden weniger als 1 m von der äußeren Bordsteinkante der Fahrbahn auf dem Grundstück der Kläger entfernt stellen. Danach sind für den Abstand der Standort der Palisadenreihe und der Bordsteinkante ohne Berücksichtigung des unterschiedlichen Höhenniveaus maßgeblich. Das in der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung beschriebene Meßverfahren führt demgegenüber - bis auf den abstandslosen Bereich von 6,4 m nicht zu einem verwertbaren Meßergebnis.

Ende der Entscheidung

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