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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Urteil verkündet am 19.02.2001
Aktenzeichen: 5Z RR 3/00
Rechtsgebiete: BayBO 1982, BayBO 1994, VwGO, BauGB


Vorschriften:

BayBO 1982 Art. 75
BayBO 1982 Art. 69
BayBO 1994 Art. 6
BayBO 1994 Art. 79
VwGO § 121
BauGB § 34 Abs. 1
BauGB § 36
Zur Frage, welche Amtspflichten der Gemeinde und der Baugenehmigungsbehörde obliegen, wenn es um die Verbescheidung eines Vorbescheidungsantrags für ein Bauwerk im unbeplanten Innenbereich geht.
BayObLG Urteil

OLG München 1 U 3169/99; LG München I - 9 0 18522/96

5Z RR 3/00

19.02.01

BayObLGZ 2001 Nr. 9

Der 5. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Werdich, Kenklies, Seifried und Zwirlein aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2001

in dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes,

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Revision der Klägerin gegen das Endurteil des Oberlandesgerichts München vom 9. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.

Tatbestand

Die Klägerin, ein Bauträgerunternehmen, nimmt die Stadt A. (Beklagte zu 1) und den Freistaat Bayern (Beklagter zu 2) wegen Amtspflichtverletzung und enteignungsgleichen Eingriffs auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr durch die Nichterteilung eines baurechtlichen Vorbescheids entstanden sei.

Die Klägerin erwarb im November 1993,dao innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile von A. in einem Gebiet ohne Bebauungsplan gelegene Grundstück, um dort neben einem bereits vorhandenen Gebäude ein Dreifamilienhaus zu errichten. Ihr Antrag vom 26.1.1994 auf Erteilung eines Vorbescheids für die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses ging am 31.1.1994 bei der Stadt ein. Die Stadt verweigerte in ihrer Stellungnahme vom 21.2.1994 gegenüber dem Landratsamt als Bauaufsichtsbehörde das gemeindliche Einvernehmen mit der Begründung, das Bauvorhaben füge sich nicht ein, sei städtebaulich bedenklich und die Erschließung unzureichend.

Der Vorbescheidsantrag der Klägerin und die Stellungnahme der Stadt gingen am 23.2.1994 beim Landratsamt ein. Mit Schreiben vom 8.3.1994 forderte das Landratsamt unter Hinweis auf die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens die Klägerin auf, weitere Unterlagen beizubringen, u.a. betreffend die Abstände der geplanten baulichen Anlage zu den Grundstücksgrenzen und den umgebenden baulichen Anlagen sowie die Berechnung der Grund- und Geschossflächen nach der Baunutzungsverordnung für das Baugrundstück und die Nachbargrundstücke. Die angeforderten Unterlagen lagen dem Landratsamt spätestens Ende Mai 1994 vor. Mit Schreiben vom 3.6.1994 gab das Landratsamt den Vorbescheidsantrag mit den Berechnungen der Klägerin an die Stadt zurück mit der Bitte, die Verweigerung des Einvernehmens nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls detailliert zu begründen.

Das Schreiben des Landratsamts ging am 7.6.1994 bei der Stadt ein. Diese behandelte die Angelegenheit in der turnusmäßigen Sitzung des Bauausschusses vom 5.7.1994, zugleich mit einem Antrag der Klägerin vom 2.5.1994 auf Erteilung der Baugenehmigung für das beabsichtigte Vorhaben, der am 11.5.1994 bei der Stadt eingegangen war. Der Bauausschuss äußerte sich ablehnend. Auf seine Empfehlung beschloss der Stadtrat am 19.7.1994 die Aufstellung eines Bebauungsplans und den Erlass einer Veränderungssperre für ein Gebiet, innerhalb dessen das Grundstück der Klägerin lag. Die Maßnahmen wurden am 11.8.1994 im Amtsblatt der Stadt bekannt gemacht; am Tag nach der Bekanntgabe trat die Veränderungssperre in Kraft. Über den Vorbescheidsantrag der Klägerin entschied das Landratsamt nicht mehr, ebenso wenig über ihren am 11.7.1994 beim Landratsamt eingegangenen Baugenehmigungsantrag.

Bereits am 30.6.1994 hatte die Klägerin beim Verwaltungsgericht Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu 2 zur Erteilung des Vorbescheids zu verpflichten; die Stadt wurde zum Verfahren beigeladen. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht beantragte die Klägerin zuletzt, den Beklagten zu 2 zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu verpflichten sowie festzustellen, dass er verpflichtet war, den beantragten Vorbescheid, beschränkt auf die planungsrechtliche Zulässigkeit, zu erteilen. Das Verwaltungsgericht stellte mit Urteil vom 25.1.1996 fest, dass der Beklagte zu 2 verpflichtet war, der Klägerin den beantragten Vorbescheid, beschränkt auf die planungsrechtliche Zulässigkeit, zu erteilen. Den Antrag, den Beklagten zu 2 zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu verpflichten, wies es ab, weil das Vorhaben wegen der am 11.8.1994 bekannt gemachten Veränderungssperre planungsrechtlich unzulässig sei und im übrigen auch wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen nicht zulässig wäre. Die Klägerin legte insoweit Berufung ein. Im November 1997 nahm sie ihren Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung beim Landratsamt zurück, weil die Finanzierung des Bauvorhabens nicht mehr möglich sei.

Beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erklärte sie die Erledigung der Hauptsache und beantragte festzustellen, dass sie einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung gehabt habe. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies die Berufung der Klägerin durch Beschluss vom 30.10.1998 zurück. Ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.6.2000 verworfen.

Die Klägerin hat vorgetragen, nach dem rechtskräftigen, die Zivilgerichte bindenden Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25.1.1996 habe ihr ein Rechtsanspruch auf Erteilung des beantragten, auf die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens beschränkten Vorbescheids zugestanden. Die Stadt habe mit der Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens eine ihr gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt. Das Landratsamt habe es amtspflichtwidrig unterlassen, das verweigerte Einvernehmen zu ersetzen und den Vorbescheid zu erteilen. Der pflichtgemäß erlassene Vorbescheid hätte sich gegenüber der am 11.8.1994 bekannt gemachten Veränderungssperre durchgesetzt; dann hätte die Genehmigung ihres Bauvorhabens aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht mehr verweigert werden können. Bauordnungsrechtliche Hindernisse hätten durch eine Umplanung beseitigt werden können. Nach Erteilung der Baugenehmigung hätte sie das bestehende und das zu errichtende Gebäude in Eigentumswohnungen aufteilen und die insgesamt sechs Wohnungen veräußern können. Bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten wären die bestehenden Wohnungen bis Ende August 1994 verkauft und mit dem Erlös der Grundstückskaufpreise getilgt worden. Die Kosten des Neubaus wären weitgehend von den Käufern dieser Wohnungen vorfinanziert worden. Bis zum 31.12.1994 hätte das Bauvorhaben abgewickelt und gewinnbringend veräußert werden können. Den ihr entstandenen Schaden, bestehend im wesentlichen aus Zinsaufwendungen für die Finanzierung des Grundstückskaufpreises und entgangenem Gewinn aus der Veräußerung der Wohnungen, hat die Klägerin im ersten Rechtszug auf rund 570000 DM beziffert und davon im Weg der Teilklage 300000 DM geltend gemacht.

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Der Vorbescheidsantrag der Klägerin sei nicht auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beschränkt gewesen; eine solche inhaltliche Beschränkung sei erst im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erklärt worden. Das Bauvorhaben habe daher auch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht überprüft werden müssen. Da es die erforderlichen Abstandsflächen nicht eingehalten habe, sei der Vorbescheidsantrag nicht genehmigungsfähig gewesen. Im übrigen hätte der Vorbescheid keine Baufreigabe enthalten. Seine Nichterteilung sei für den geltend gemachten Schaden nicht ursächlich geworden, denn auch die Baugenehmigung hätte versagt werden müssen, weil das Bauvorhaben den Vorschriften über die einzuhaltenden Abstandsflächen widersprochen hätte. Die Schadensberechnung der Klägerin werde bestritten.

Das Landgericht hat am 12.4.1999 die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der sie beantragt hat, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1110864,79 DM nebst Zinsen zu verurteilen, hat das Oberlandesgericht durch Urteil vom 9.12.1999 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, der die Beklagten entgegentreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Vorbescheidsantrag der Klägerin lasse eine Beschränkung auf bestimmte Fragen, insbesondere diejenige der planungsrechtlichen Zulässigkeit, nicht erkennen. Eine solche Beschränkung sei im schriftlichen Antrag nicht enthalten und ergebe sich auch nicht aus sonstigen Umständen. Die Klägerin selbst habe lediglich behauptet, ihr sei es "im wesentlichen" um die Frage der baurechtlichen Zulässigkeit gegangen. Dies bedeute, dass der Vorbescheid sich gerade nicht nur darauf habe beschränken sollen.

Weil der dem Landratsamt vorliegende Vorbescheidsantrag nicht auf die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beschränkt gewesen sei, hätte ihm nur entsprochen werden können, wenn das Vorhaben der Klägerin auch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht zulässig gewesen wäre. Dies sei nicht der Fall gewesen. Das Verwaltungsgericht und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hätten festgestellt, das vorhaben habe den Vorschriften über die Abstandsflächen widersprochen. Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines unbeschränkten Vorbescheids habe somit nicht bestanden.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, wonach der Beklagte zu 2 zur Erteilung des beantragten Vorbescheids, beschränkt auf die planungsrechtliche Zulässigkeit, verpflichtet gewesen sei, stehe nicht entgegen. Das Verwaltungsgericht habe die Frage nicht geprüft, ob der Antrag der Klägerin nur die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens umfasst habe oder darüber hinausgegangen sei, es sei vielmehr von der im gerichtlichen Verfahren erklärten Beschränkung ausgegangen.

Dem Landratsamt sei weder eine verzögerte Bearbeitung des Vorbescheidsantrags noch die Nichtersetzung des gemeindlichen Einvernehmens vorzuwerfen. Aufgrund des unvollständigen Vorbescheidsantrags und wegen des Fehlens der Angaben zur Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl des Bauvorhabens sowie des prägenden Umgriffs habe das Landratsamt nicht konkret prüfen können, ob sich das Vorhaben der Klägerin in die Umgebung einfüge. Neben dieser im Einvernehmen mit der Stadt zu prüfenden Frage habe das Landratsamt wegen des Fehlens einer Beschränkung im Vorbescheidsantrag auch bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte, insbesondere die Frage der Abstandsflächen, zu prüfen gehabt. Die erforderlichen Unterlagen habe es bereits zwei Wochen nach Eingang des Antrags der Klägerin mit Schreiben vom 8.3.1994 angefordert. Erst mit deren Eingang sei es zu einer ausreichenden Prüfung in der Lage gewesen. Ein vollständiger Eingang der angeforderten Unterlagen beim Landratsamt sei erst für Ende Mai 1994 belegt; einen früheren Zugang habe die Klägerin nicht unter Beweis gestellt.

Offenbar in Unkenntnis des zwischenzeitlich bei der Gemeinde eingegangenen Bauantrags sei das Landratsamt weiter davon ausgegangen, dass der Vorbescheidsantrag zu verbescheiden sei, und habe mit Schreiben vom 3.6.1994 innerhalb angemessener Prüfungsfrist die Stadt zur erneuten Äußerung aufgefordert. Sofern das Landratsamt eine Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens in Betracht gezogen habe, habe die Stadt zuvor angehört und ihr eine angemessene Frist zur Neuentscheidung gewährt werden müssen. Die Stadt habe ihre Rechtsauffassung in der nächsten turnusmäßigen Sitzung des Bauausschusses überprüft, in deren Vorfeld sich bereits abgezeichnet habe, dass sie in eine Bauleitplanung eintreten und planungssichernde Maßnahmen ergreifen wolle, wie dies mit dem Stadtratsbeschluss vom 19.7.1994 geschehen sei. Bis zu diesem Zeitpunkt könne von einer unzulässigen Verzögerung keine Rede sein, zumal mit dem Eingang des Bauantrage beim Landratsamt am 12.7.1994 das Verbescheidungsinteresse für die Bauvoranfrage entfallen sei. Da es an einem rechtswidrigen Handeln des Landratsamte fehle, scheide auch ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff gegen den Beklagten zu 2 aus.

Auch gegen die Stadt bestünden keine Ansprüche. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts stehe zwar bindend fest, dass das Vorhaben der Klägerin planungsrechtlich zulässig gewesen wäre. Die ablehnende Stellungnahme der Stadt vom 21.2.1994 sei jedoch nicht zu beanstanden. Anhand der mit dem Antrag der Klägerin vorgelegten Unterlagen habe die Frage, ob sich das Bauvorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung einfügen würde, jedenfalls nicht positiv beantwortet werden können. Erst nach Vorlage der vollständigen Unterlagen und auf das Schreiben des Landratsamts vom 3.6.1994 hin habe die Stadt Veranlassung zu einer eingehenden Überprüfung gehabt. Die ihr zuzubilligende angemessene Bearbeitungszeit sei bis zur Beschlussfassung über die Aufstellung eines Bebauungsplans und den Erlass einer Veränderungssperre noch nicht abgelaufen gewesen.

Außerdem sei die Ursächlichkeit der Verweigerung des Einvernehmens für die Nichterteilung des Vorbescheids nicht nachgewiesen. Dem Landratsamt habe ein unbeschränkter Vorbescheidsantrag vorgelegen. Selbst wenn ihm das Einvernehmen der Gemeinde mitgeteilt worden wäre, hätte hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens insbesondere im Hinblick auf die Abstandsflächenproblematik keine positive Entscheidung ergehen können. Dass hierzu noch vor Inkrafttreten der Veränderungssperre eine Lösung hätte erzielt werden können, sei nicht dargetan, zumal auch die weit später ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen insoweit von der Unzulässigkeit des Vorhabens der Klägerin ausgingen.

Im übrigen fehle es an der Ursächlichkeit zwischen der Nichterteilung des Vorbescheide und dem von der Klägerin konkret geltend gemachten Schaden. Deren Schadensberechnung beruhe darauf, dass ihr im Februar 1994 ein Vorbescheid erteilt worden wäre. Der Vorbescheid hätte jedoch, wenn überhaupt, nur hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit erteilt werden können. Eine Baugenehmigung wäre damit nicht verbunden, ihre Erteilung wegen bestehender bauordnungsrechtlicher Bedenken auch nicht zu erwarten gewesen.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zwar eine Verletzung von Amtspflichten gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Vorbescheidsantrags vom 26.1.1994 zu Unrecht verneint. Seine Entscheidung stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar (§ 563 ZPO), denn der von der Klägerin geltend gemachte Schaden wäre auch bei pflichtgemäßem Handeln der für die Beklagten handelnden Amtsträger eingetreten. Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG besteht daher nicht.

1. Gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 der Bayerischen Bauordnung in der damals geltenden Fassung vom 2.7.1982 - BayBO 1982 - konnte vor Einreichung des Bauantrage auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden. Der Vorbescheid war ein vorweggenommener Teil der Baugenehmigung. Er setzte sich - wie die Baugenehmigung auch - gegenüber nachfolgenden Rechtsänderungen durch das Inkrafttreten einer Veränderungssperre oder eines Bebauungsplans durch (BGH NJW 1986, 1605/1606 und NVwZ 1994, 405/408; BVerwGE 69, 1/3).

Für die Behandlung des Antrags auf Erteilung eines Vorbescheids galten gemäß Art. 75 Abs. 2 BayBO 1982 die gleichen Vorschriften wie für die Behandlung eines Bauantrags (vgl. BayObLGZ 1995, 95/98). Er musste bei der Gemeinde eingereicht und mit ihrer Stellungnahme unverzüglich dem Landratsamt als Bauaufsichtsbehörde vorgelegt werden (Art. 69 Abs. 1 BayBO 1982). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lag das Grundstück der Klägerin innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB. Die Genehmigung eines Bauvorhabens bedurfte daher gemäß § 36 BauGB des Einvernehmens der Gemeinde.

2. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts vom 25.1.1996 steht für die Zivilgerichte bindend (§ 121 VwGO) fest, dass das Vorhaben der Klägerin planungsrechtlich zulässig und das Landratsamt verpflichtet war, der Klägerin den beantragten Vorbescheid, beschränkt auf die planungsrechtliche Zulässigkeit, zu erteilen. Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, wenn es eine Bindungswirkung dieser Entscheidung für die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess verneint, weil das Verwaltungsgericht von einer während des gerichtlichen Verfahrens vorgenommenen Beschränkung des Vorbescheidsantrage ausgegangen sei. Die Urteilsformel, der in erster Linie der Inhalt der Entscheidung zu entnehmen ist, ist eindeutig und lässt eine solche Einschränkung nicht erkennen. Daher ist es den Zivilgerichten verwehrt, den Einwand zu berücksichtigen, dass dem Landratsamt ein anderer, weitergehender Vorbescheidsantrag zur Entscheidung vorgelegen habe (vgl. BGH NJW 1982, 2257 und NJW 1993, 3204/3205). Aus der Bindungswirkung des verwaltungsgerichtlichen Urteils für die Zivilgerichte folgt vielmehr, dass von einer Amtspflichtsverletzung der Bediensteten des Landratsamts auszugehen ist, wenn sie aufgrund des Antrags der Klägerin vom 26.1.1994 einen auf die planungsrechtliche Zulässigkeit beschränkten Vorbescheid nicht in angemessener Frist erlassen haben (vgl. BGH NJW-RR 1994, 1171 m.w.N.).

3. Diese Bindung besteht auch, wenn eine der späteren Prozessparteien - hier die Stadt - im Verwaltungsrechtsstreit nur beigeladen war. Daher steht für die Zivilgerichte bindend fest, dass die beklagte Stadt gemäß § 36 BauGB verpflichtet war, ihr Einvernehmen zu erteilen. Die mit der Stellungnahme der Stadt vom 21.2.1994 gegenüber dem Landratsamt erklärte Verweigerung des Einvernehmens war somit rechtswidrig und stellte eine Amtspflichtverletzung gegenüber der Klägerin dar (BGHZ 93, 87/90 und 119, 365/367 f.; BayObLGZ 2000, 99/102 f.).

Es kann offen bleiben, ob die Stadt bereits zu diesem Zeitpunkt anhand der mit dem Vorbescheidsantrag von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und der ihr bekannten Umstände erkennen konnte, dass sie ihr Einvernehmen nicht verweigern durfte, oder ob dies nicht der Fall war, wie das Berufungsgericht angenommen hat. Denn die Klägerin hat die Berechnung der Grund- und Geschossflächen nach der Baunutzungsverordnung, die das Verwaltungsgericht für die Prüfung herangezogen hat, ob das Vorhaben sich im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte, mit dem Baugenehmigungsantrag eingereicht, der am 11.5.1994 bei der Stadt einging. Die Stadt hätte daher jedenfalls auf das Schreiben des Landratsamts vom 3.6.1994 hin bei pflichtgemäßer Prüfung des Bauvorhabens der Klägerin ihr Einvernehmen nicht versagen und den Anspruch der Klägerin auf einen positiven Vorbescheid nicht dadurch vereiteln dürfen, dass sie die Aufstellung eines Bebauungsplans in die Wege leitete (vgl. BGH NVwZ 1993, 299/300 und 1994, 405/406).

4. Das Landratsamt, bei dem der Vorbescheidsantrag am 23.2.1994 eingegangen ist, war zwar durch die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens gehindert, den Vorbescheid zu erteilen. Es hatte jedoch von sich aus in eigener Verantwortung zu prüfen, ob das Vorhaben der Klägerin bauplanungsrechtlich zulässig war oder nicht (Schlichter/Stich/Roeser Berliner Kommentar zum BauGB 2. Aufl. § 36 Rn. 14). Die Unterlagen, die das Landratsamt für diese Prüfung als erforderlich angesehen und mit Schreiben vom 8.3.1994 bei der Klägerin angefordert hatte, lagen jedenfalls Ende Mai 1994 beim Landratsamt vor. Nach deren Prüfung bejahte es die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens, wie sich aus seinem Schreiben an die Stadt vom 3.6.1994 ergibt.

Die Ersetzung des von der Stadt rechtswidrig versagten Einvernehmens richtete sich gemäß Art. 100 Abs. 2 BayBO 1994 nach den Vorschriften des Art. 81 BayBO 1994, weil vor dem 1.6.1994 ein kommunalaufsichtliches Verfahren zur Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nach Art. 112 GO nicht eingeleitet worden war (vgl. Simon BayBO 1994 Art. 81 Rn. 44). Gemäß Art. 81 Abs. 4 BayBO 1994 war die Gemeinde anzuhören und ihr Gelegenheit zu geben, binnen angemessener Frist erneut über das gemeindliche Einvernehmen zu entscheiden. Welche Frist insoweit angemessen ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, welches Gemeindeorgan nach Art. 37 GO über das Einvernehmen zu entscheiden hat. Ist der Gemeinderat oder ein beschließender Ausschuss zuständig, ist zu berücksichtigen, dass dieser nur turnusmäßig zusammentritt und eine Ladungsfrist einzuhalten ist. In der Regel ist davon auszugehen, dass eine Frist von einem Monat ausreicht. Zwar muss die Gemeinde grundsätzlich auch die Möglichkeit haben, in Ausübung ihrer Planungshoheit aus Anlass eines Einzelfalls die Aufstellung eines Bebauungsplans oder einer Veränderungssperre zu beschließen (Simon BayBO 1994 Art. 81 Rn. 18; zur inhaltsgleichen Vorschrift des Art. 74 Abs. 4 BayBO 1998 Koch/Molodovsky /Famers Art. 74 Rn. 4.2; s.a. BVerWG NVWZ-RR 1989, 6/7; BayObLGZ 1995, 95/100). Hier steht jedoch aufgrund der Bindungswirkung des verwaltungsgerichtlichen Urteils fest, dass die Klägerin einen Anspruch auf den beantragten Vorbescheid hatte, beschränkt auf die planungsrechtliche Zulässigkeit. Dieser Anspruch durfte nicht dadurch vereitelt werden, dass die Entscheidung über den Vorbescheidsantrag bis zur Aufstellung eines Bebauungsplans zurückgestellt wurde (vgl. BGH NWZ 1993, 2,99/300; BayObLGZ 1995, 95/101). Dem gemäß war das Landratsamt verpflichtet, das Einvernehmen der Stadt zu ersetzen und den auf die planungsrechtliche Zulässigkeit beschränkten Vorbescheid zu erteilen, bevor die Stadt die Aufstellung eines Bebauungsplans und den Erlass einer Veränderungssperre beschloss.

5. Im Ergebnis haben die Zivilgerichte davon auszugehen, dass der Klägerin bei pflichtgemäßem Verhalten der Stadt und des Landratsamts ein auf die planungsrechtliche Zulässigkeit ihres Bauvorhabens beschränkter Vorbescheid erteilt worden wäre, bevor die Stadt am 19.7.1994 die Aufstellung eines Bebauungsplans und den Erlass einer Veränderungssperre beschloss. Damit hätte die beantragte Baugenehmigung auch nach dem Inkrafttreten der Veränderungssperre aus bauplanungerechtlichen Gründen nicht verweigert werden dürfen (§ 14 Abs. 3 BauGB, vgl. BGH NWZ 1994, 405/407; Schlichter/Lemmel § 14 Rn. 23). Dennoch bleibt die Klage erfolglos. Das Oberlandesgericht ist ohne Rechtsverstoß und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, dass es an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der amtspflichtwidrigen Nichterteilung des Vorbescheids und dem geltend gemachten Schaden fehlt, weil die beantragte Baugenehmigung aus anderen Gründen abzulehnen war (vgl. BGHZ 119, 365/369).

a) Die Schadensberechnung der Klägerin beruht in erster Linie darauf, dass ihr die beantragte Baugenehmigung erteilt worden wäre und sie das geplante Bauvorhaben hätte verwirklichen können. Dies hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Das Bauvorhaben war in bauordnungsrechtlicher Hinsicht nicht genehmigungsfähig, weil die vorgeschriebenen Abstandsflächen nicht eingehalten waren (Art. 6, Art. 79 Abs. 1 BayBO 1994).

(1) Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, mit der sie entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die Feststellung beantragt hatte, sie habe im Zeitpunkt der Zurücknahme ihres Bauantrags einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung gehabt. Der gemäß § 130a VwGO ergangene Beschluss tritt an die Stelle eines Urteils (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO, vgl. Eyermann/Happ VwGO 11. Aufl. § 130a Rn. 15). Er ist mit der Verwerfung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig geworden (§ 133 Abs. 5 Satz 3 VwGO). Obwohl die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.6.2000 erst nach Erlaß des Berufungsurteils ergangen ist, steht dies ihrer Berücksichtigung im Revisionsverfahren nicht entgegen. Gemäß § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die Einführung neuer Tatsachen nach Abschluss des Berufungsverfahrens zwar in aller Regel unzulässig. Zu den von der Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmen zählt jedoch die rechtskräftige Entscheidung einer für das Revisionsverfahren vorgreiflichen Frage in einem anderen Prozess (BGH WPM 1985, 263/264; Zöller/Gummer ZPO 22. Aufl. Rn. 7, Thomas/ Reichold ZPO 22. Aufl. Rn. 13, jeweils zu § 561).

(2) Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat den mit der Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung verneint, weil das Vorhaben den Vorschriften der Bayerischen Bauordnung über Abstandsflächen widersprach. Diese Feststellung ist gemäß § 121 VwGO für die Zivilgerichte bindend, denn bei einer klageabweisenden Entscheidung ist der aus der Begründung zu ermittelnde, die Rechtsfolge bestimmende, ausschlaggebende Abweisungsgrund ein Teil des in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungssatzes (BGH NJW 1993, 3204/3205).

b) Die Klägerin trägt zusätzlich vor, sie hätte die Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens unschwer durch eine Umplanung herbeiführen können. Dieser Sachvortrag allein reicht jedoch nicht aus. Besteht die Amtspflichtverletzung wie hier in einem Unterlassen, kann nämlich ein Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nur bejaht werden, wenn der Schadenseintritt bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre; eine bloße Möglichkeit und eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nicht (BGH NVwZ 1994, 823/825). Zum einen hat die Klägerin bis zur Zurücknahme ihres Bauantrags im November 1997 keinerlei Alternativplanung für das von ihr angestrebte Dreifamilienhaus vorgelegt. Zum anderen hat sie wiederholt vorgetragen, dass eine Verkleinerung des Bauvorhabens nicht in Frage gekommen wäre, weil es für sie unwirtschaftlich gewesen wäre.

6. Einen Anspruch der Klägerin aus enteignungsgleichem Eingriff hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Zwar kann auch die rechtswidrige Verweigerung eines Vorbescheids einen enteignungsgleichen Eingriff darstellen (BGHZ 118, 253/261 und 118, 263/274 m.w.N.; anders noch BayObLGZ 1991, 35/40).

Voraussetzung ist jedoch, dass der Eigentümer während der Sperre die konkrete Absicht und die konkrete Möglichkeit gehabt hat, das Grundstück selbst zu bebauen oder zu Bebauungszwecken zu veräußern und dass die Sperre das Bauvorhaben verhindert hat (BGH WPM 1992, 1858/1861; BayObLGZ 1998, 321/332). Dies ist hier nicht der Fall, weil das von der Klägerin geplante Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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