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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Urteil verkündet am 23.04.2001
Aktenzeichen: 5Z RR 500/99
Rechtsgebiete: GG, ZAG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 14
ZAG Art. I
ZAG Art. V Nr. 2
BGB § 372
BGB § 378
Zur Frage des Eigentumsübergangs nach dem Bayerischen Zwangsabtretungsgesetz vom 17.11.1837.
Der 5. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Werdich, Seifried, Zwirlein und Dr. Denk

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2001

in dem Rechtsstreit

wegen Nutzungsentschädigung,

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Revision der Klägerin gegen das Endurteil des Oberlandesgerichts München vom 28. Juli 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht für eine Erbengemeinschaft gegen die Beklagte, eine bayerische Gemeinde, Ansprüche auf Nutzungsentschädigung für die Inanspruchnahme des Grundstücks Flst. 835 durch die Beklagte geltend. Grundlage der mit der Klage für die Jahre 1968 bis 1970 und 1989 bis 1991 beanspruchten Nutzungsentschädigung ist das Vorbringen der Klägerin, die Erbengemeinschaft, sei nach wie vor Eigentümerin des Grundstücks Flst. 835, da ein von der Beklagten im Jahre 1924 in bezug auf dieses Grundstück eingeleitetes Enteignungsverfahren nicht zum Übergang des Eigentums auf die Beklagte geführt habe.

Durch rechtskräftigen Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.1.1925 wurden die Rechtsvorgänger der Erbengemeinschaft für verpflichtet erklärt, das ihnen gemeinschaftlich gehörige Grundstück Flst. 835 gegen vorgängige volle Entschädigung an die Beklagte zum Zwecke der Herstellung eines gemeindlichen Krankenhauserweiterungsbaues und der Erbauung eines gemeindlichen Altersheims abzutreten. In dem daraufhin wegen der Höhe der Entschädigung zwischen der Beklagten und den Rechtsvorgängern der Erbengemeinschaftgeführten Rechtsstreit wurde die an fünf Abtretungsverpflichtete zu zahlende Entschädigung für das Grundstück Flst. 835 mit Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.1.1928 auf RM 250 pro Dezimale festgesetzt. Die gegen die Festsetzung der Höhe der Entschädigung durch das Oberlandesgericht München gerichteten Revisionen wurden mit Urteil des Obersten Landesgerichts vom 24.11.1928 zurückgewiesen.

In bezug auf die hiernach zu leistende Entschädigungssumme von RM 6250 erklärte die Beklagte mit einer Steuerforderung in Höhe von RM 1023,95 die Aufrechnung. Den danach offenen Restbetrag in Höhe von RM 5226,05 überwies die Beklagte an ihren damaligen Prozessbevollmächtigten zur Abführung an die Entschädigungsberechtigten. Dieser Betrag gelangte sodann an den Rechtsanwalt R., der in dem wegen der Höhe der Entschädigung anhängigen gerichtlichen Verfahren einen Teil der Entschädigungsberechtigten vertreten hatte.

R. hat bei dem Amtsgericht am 13.7.1938 einen Betrag von RM 6260 unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegt und auf dem Hinterlegungsformular u.a. angegeben: Urteilssumme samt Zinsen laut Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.1.1928. Hinterlegung gemäß § 372 BGB wegen Ungewissheit in der Person des Gläubigers. Als in Betracht kommende Empfangsberechtigte für den hinterlegten Betrag wurden zehn Personen namentlich benannt.

Die Klägerin geht davon aus, dass die Erbengemeinschaft, der sie angehört, weiterhin Eigentümerin des Grundstücks Flst. 835 sei. Der geschuldete Entschädigungsbetrag sei nicht an die Berechtigten bezahlt worden. Voraussetzung für den Eigentumsübergang sei jedoch die vollständige Leistung der Entschädigung gewesen. Durch die von R. vorgenommene Hinterlegung sei die Entschädigung nicht geleistet worden, da dieser in eigenem Namen hinterlegt habe, die Hinterlegung nicht in zulässiger weise erfolgt sei und der geschuldete Entschädigungsbetrag nicht vollständig hinterlegt worden sei. Als Eigentümerin könne die Erbengemeinschaft gegen die Beklagte, die das Grundstück Flst. 835 im Jahre 1959 bebaut habe, Ansprüche auf Zahlung von Nutzungsentschädigung geltend machen. Für die Jahre 1968 bis 1970 könne die Klägerin als Nutzungsentschädigung DM 11300 beanspruchen.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft DM 11300 nebst 4 % Zinsen aus DM 7200 seit 31.12.1997 und aus DM 4100 seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Auffassung, Eigentümer des Grundstücks Flst. 835 geworden zu sein, da das Enteignungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen und die Entschädigung durch Aufrechnung und Hinterlegung erbracht worden sei.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 20.1.1999 abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und die Klage in zweiter Instanz auf Zahlung von Nutzungsentschädigung auch für die Jahre 1989 bis 1991 erweitert. Sie hat in der Berufungsinstanz beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft DM 74412,50 nebst 4 % Zinsen aus DM 7200 seit 31.12.1997 und aus DM 67212,15 seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Das Oberlandesgericht hat mit Urteil vom 28.7.1999 die Berufung zurückgewiesen und die weitergehende Klage abgewiesen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts richtet sich die Revision der Klägerin. Sie beantragt die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Verurteilung der Beklagten gemäß dem in zweiter Instanz gestellten Antrag, hilfsweise Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagte sei nach wirksam und vollständig durchgeführtem Enteignungsverfahren am 13.7.1938 Eigentümerin geworden.

a) Das die Enteignung betreffende Verwaltungsverfahren sei durch den auf das Zwangsabtretungsgesetz - ZAG - vom 27.11.1837 gestützten Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.1.1925 rechtskräftig abgeschlossen worden. Die von der Gemeinde zu leistende Entschädigung sei durch das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.1.1928 in Verbindung mit dem Revisionsurteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 24.11.1928 rechtskräftig und damit abschließend festgesetzt worden.

b) Die Entschädigung sei von der Gemeinde geleistet worden. Es spreche vieles dafür, dass bereits vor der Hinterlegung die Entschädigungssumme von der Beklagten wirksam dadurch geleistet worden sei, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sich für diese mit den beiden Prozessbevollmächtigten der Entschädigungsberechtigten über den Geldfluss verständigt habe. Dies könne aber im Hinblick auf den letztlich ausschlaggebenden Effekt der Hinterlegung dahinstehen.

Die Leistung der Entschädigung durch die Beklagte habe auch durch Hinterlegung als Erfüllungssurrogat erfolgen können. Hinsichtlich der Beurteilung der Frage, ob die Hinterlegung mit Wirkung für die Beklagte erfolgt sei, bedürfe das am 13.7.1938 von R. unterschriebene Formular der Auslegung. Dieses weise zwar als Hinterleger R. aus, es sei jedoch der hinterlegte Geldbetrag als "Urteilssumme" aus dem gerichtlichen Entschädigungsverfahren bezeichnet und "Hinterlegung gemäß § 372 BGB wegen Ungewissheit in der Person des Gläubigers" angegeben. Aus diesem Text gehe unmissverständlich hervor, dass die Urteilssumme, also die Schuld der Beklagten als Titelschuldnerin, für die Titelgläubigerin und ihre Erben hinterlegt werden solle.

Maßgebend sei nicht, ob die Formalien der Hinterlegungsordnung eingehalten worden seien, sondern ob der Zweck und Sinn des Zwangsabtretungsgesetzes erfüllt sei. Art. I A ZAG fordere eine "vorgängige volle Entschädigung" der zu Enteignenden. Diese Entschädigung sei u.a. erbracht, wenn die Gläubiger über die Geldbeträge als Alleinverfügungsbefugte frei verfügen können. Rechtsanwalt R. habe auf die Rücknahme des hinterlegten Betrags verzichtet. Mit diesem Verzicht sei R. als Hinterleger aus dem gesamten Hinterlegungsverhältnis ausgeschieden. Es sei ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis mit einem Öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Auszahlung entstanden, der nunmehr allein den Gläubigern zugestanden habe. Diese Rechtsposition hätten die Gläubiger auch dann erworben, wenn die Voraussetzungen der Hinterlegung nicht vorgelegen haben sollten. Ab dem 13.7.1938 seien die zu entschädigenden Gläubiger die alleinigen Gläubiger der Hinterlegungssumme und allein verfügungsbefugt gewesen. Dies müsse dem Sinn des Zwangsabtretungsgesetzes genügen, wolle man nicht an die Einhaltung von Hinterlegungsformalien zu hohe Anforderungen stellen.

Die Gläubiger seien auch im Hinterlegungsantrag zweifelsfrei bestimmt. Durch die Nennung der Urteilssumme laut Urteil des Oberlandesgerichts seien sämtliche ursprünglich berechtigten Eigentümer, nämlich die damalige Erbengemeinschaft, wie sie schon im Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.1.1925 und im Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.1.1928 aufgeführt sei, gekennzeichnet. Wie die ursprünglich bei Enteignung bestehende Erbengemeinschaft nach weiteren Erbfällen ihrerseits erbrechtlich fortgesetzt wurde, sei in den jeweiligen Erbscheinsverfahren zu ermitteln. Jedenfalls seien die Gläubiger der Hinterlegungssumme eindeutig bestimmbar.

Die im Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.1.1928 festgesetzte Entschädigungssumme sei teils durch Aufrechnung gegen eine Steuerforderung, im übrigen durch die Hinterlegung erbracht worden. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin, die Entschädigungssumme sei deswegen nicht vollständig erbracht, weil die Entschädigungssumme zu verzinsen sei, die Beklagte aber keine Zinsen gezahlt habe. Das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.1.1929 enthalte keine Verpflichtung der Beklagten zur Zinszahlung. Dies binde gemäß den allgemeinen Grundsätzen der Rechtskraft beide Seiten unabhängig davon, ob dies rechtlich so zutreffend gewesen sei oder nicht. Im übrigen sei statt der nach Aufrechnung gegen eine Steuerforderung noch offenen Summe von RM 5226,05 ein höherer Betrag, nämlich RM 6260 hinterlegt worden.

c) Der Einwand der Klägerin, die Enteignung sei nicht wirksam durchgeführt worden, weil die Beklagte nicht in den Besitz eingewiesen worden sei (Art. 22 AGZPO), greife nicht durch.

Die Besitzeinweisung sei keine Voraussetzung der Enteignung. Der Übergang des Eigentums trete kraft Gesetzes ein, wenn die Abtretungspflicht und die Entschädigung endgültig festgestellt worden seien und die Entschädigungssumme gezahlt und hinterlegt sei. Die Besitzeinweisung nach Art. 22 AGZPO diene lediglich dazu, schon zu einem früheren Zeitpunkt dem Abtretungsberechtigten den Besitz zu verschaffen.

Die seit 13.7.1938 bestehende Eigentümerstellung der Beklagten führe dazu, dass die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Nutzungsentschädigung nicht gegeben seien.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand (§§ 549, 550 ZPO).

a) Ob das Eigentum an dem Grundstück Flst. 835 im Jahre 1938 auf die Beklagte übergegangen ist, richtet sich in erster Linie nach den damals in Bayern geltenden Enteignungsvorschriften. Nach Art. I des Gesetzes, die Zwangsabtretung von Grundeigentum für öffentliche Zwecke betreffend, vom 17.11.1837 (BayBS I S. 203) - ZAG - (abgedruckt bei Ostler Bayerische Justizgesetze 2. Aufl. Nr. 175) konnten Eigentümer angehalten werden, unbewegliches Eigentum für öffentliche, notwendige und gemeinnützige Zwecke abzutreten, jedoch hier nur nach vorgängiger rechtskräftiger Entscheidung der betreffenden Kreisverwaltungsbehörde und gegen vorgängige angemessene Entschädigung (Art. I Teil A Buchst. a, b ZAG).

Die Enteignung nach diesen gesetzlichen Bestimmungen führt wegen des Erfordernisses der vorgängigen Entschädigung (Art. I Teil A Buchst. b ZAG) zum Eigentumsübergang als Wirkung des Staatsaktes, durch den die Abtretungspflicht festgestellt wird, in Verbindung mit der Zahlung der Entschädigung. Eine Auflassung ist nicht erforderlich. Mit der rechtskräftigen Feststellung der Abtretungspflicht und mit der Zahlung der Entschädigung an den Abtretungspflichtigen tritt der Eigentumsübergang kraft Gesetzes außerhalb des Grundbuchs ein. Die Eintragung des Enteigungsbegünstigten als Eigentümer hat nur die Bedeutung einer Grundbuchberichtigung (BayObLGZ 1971, 336/341 m.w.N.).

Keine Voraussetzung des Eigentumsübergangs im Verfahren nach dem ZAG ist die Besitzeinweisung. Mit der in Art. 22 Satz 1 AGZPO vorgesehenen Besitzeinweisung ist vielmehr deshalb, weil das Eigentum an dem Abtretungsgegenstand erst mit der Leistung der rechtskräftig festgestellten Entschädigung auf den Abtretungsbegünstigten übergeht, der rechtskräftige Abschluss des Entschädigungsverfahrens sich bei Anrufung der Gerichte aber über längere Zeit hinziehen kann, gesetzlich ermöglicht worden, dem Abtretungsberechtigten schon vor Übergang des Eigentums den Besitz an dem Abtretungsgegenstand zu verschaffen.

b) Die Abtretungspflicht ist mit dem Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.1.1925 rechtskräftig festgestellt. Hiervon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.

c) Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, jedenfalls durch die am 13.7.1938 erfolgte Hinterlegung sei die mit Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.1.1928rechtskräftig und damit abschließend festgesetzte Entschädigung geleistet worden, ist nicht zu beanstanden.

Die Leistung der im Enteignungsverfahren nach dem ZAG endgültig festgestellten Entschädigung kann erfolgen durch Zahlung der Entschädigung an die empfangsberechtigten Abtretungspflichtigen oder, wenn zulässig, durch Hinterlegung für die empfangsberechtigten Beteiligten (vgl. BayObLGZ 1934, 250/260 m.w.N.; Seufert Bayerisches Enteignungsrecht Art. 22 AGZPO Rn. 13).

Ob die sonach grundsätzlich durch Hinterlegung mögliche Leistung der Entschädigung im konkreten Fall zulässig war und für die Beklagte schuldbefreiende Wirkung hatte, ergibt sich aus den gesetzlichen Regelungen der §§ 372 ff. BGB. Hat im Zeitpunkt der Hinterlegung ein Hinterlegungsgrund gemäß § 372 BGB bestanden, wird der Schuldner nach § 378 BGB von seiner Verbindlichkeit befreit, sobald die Rücknahme der hinterlegten Sache gemäß § 376 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist. Dem trägt das Urteil des Berufungsgerichts im Ergebnis zutreffend Rechnung.

aa) Die von R. im Hinterlegungsantrag vom 13.7.1938 als die Hinterlegung rechtfertigende Tatsache angegebene "Ungewissheit in der Person des Gläubigers" ist einer der in § 372 Satz 2 BGB anerkannten Hinterlegungsgründe.

Das Berufungsgericht durfte davon ausgehen, dass der von R. genannte Hinterlegungsgrund die Beklagte tatsächlich zur Hinterlegung berechtigte. Gläubiger der Entschädigungssumme war eine Erbengemeinschaft, die nach weiteren Erbfällen ihrerseits erbrechtlich fortgesetzt wurde. Gemäß § 2039 Satz 1 BGB kann der Schuldner einer Erbengemeinschaft nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten. Angesichts der unklaren Erbrechtslage konnte das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrundelegen, dass die Beklagte außerstande war, ihre Verbindlichkeit durch Zahlung mit Sicherheit zu erfüllen, zumal auch durch die erfolgten Anfragen an die beiden Prozessbevollmächtigten der Entschädigungsberechtigten die objektiv bestehenden Zweifel über die Person der Gläubiger der Entschädigungssumme nicht ausgeräumt werden konnten. Angesichts dieser Umstände konnte das Berufungsgericht seiner Entscheidung auch zugrundelegen, dass die Ungewissheit der Beklagten über die Person des Gläubigers nicht auf Fahrlässigkeit beruhte und im Ergebnis ein Hinterlegungsgrund im Sinne des § 372 Satz 2 BGB vorlag.

Ob die vom Berufungsgericht für den Fall, dass die Voraussetzungen der Hinterlegung nicht vorgelegen hätten, hilfsweise angestellten Erwägungen zutreffen, kann daher dahingestellt bleiben.

bb) Infolge des zugleich mit der am 13.7.1938 erfolgten Hinterlegung erklärten Verzichts auf das Recht zur Rücknahme hatte die Hinterlegung gemäß § 378 BGB i.V.m. § 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich schuldbefreiende Wirkung.

Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass im Hinterlegungsformular als Hinterleger R. ausgewiesen ist, konnte das Berufungsgericht von einer schuldbefreienden Wirkung der Hinterlegung für die Beklagte ausgehen. Die insoweit vorgenommene tatrichterliche Auslegung verletzt nicht gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze (vgl. BGHZ 137, 69/72).

Gemäß § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB ist kein ausdrückliches Auftreten des Vertreters im Namen des Vertretenen erforderlich, wenn die Umstände ergeben, dass ein Handeln in dessen Namen erfolgt. Für die Abgrenzung zwischen Vertreter- und Eigengeschäft gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB. Zu berücksichtigen sind alle Umstände, insbesondere früheres Verhalten, Zeit und Ort der Erklärung, die berufliche Stellung der Beteiligten und die erkennbare Interessenlage (Palandt/Heinrichs BGB 60. Aufl. § 164 Rn. 4).

Dem trägt die Auslegung durch das Berufungsgericht Rechnung. Der hinterlegte Betrag wurde unter genauer Benennung des Aktenzeichens und der Parteien ausdrücklich als Urteilssumme laut Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.1.1928 bezeichnet. Die Zuordnung des hinterlegten Betrags war somit hinreichend klargestellt. Zweifel an dieser Zuordnung konnten sich nicht daraus ergeben, dass neben dem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.1.1928 auch "Forderungsbeschlüsse A gegen B." im Hinterlegungsformular erwähnt sind; dies beruht nämlich darauf, dass mit amtsgerichtlichem Beschluss vom 6.4.1938 der Anteil der Entschädigungssumme, der B als Beteiligter des Zwangsabtretungsverfahrens gemäß Urteil des Oberlandesgerichts vom 26.1.1928 gegen die Beklagte zustand, zugunsten von A gepfändet worden war.

Unter Berücksichtigung der klaren Zuordnung des hinterlegten Betrags zu der gemäß Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.1.1928 von der Beklagten zu leistenden Entschädigung und des benannten Hinterlegungsgrundes "Ungewissheit in der Person der Gläubiger" ist der vom Berufungsgericht gezogene Schluss, die Hinterlegung sei mit Wirkung für die Beklagte erfolgt, nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat den gesamten Umständen des Falles keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnommen, dass die Hinterlegung der Entschädigungssumme ein Eigengeschäft des R. war. Nach der festgestellten Entschädigungsverpflichtung der Beklagten war für die Bezahlung der im Hinterlegungsantrag benannten Urteilssumme kein anderer Rechtsgrund als die Leistung der Entschädigungssumme ersichtlich. Da die Verbindung zwischen R. und den Entschädigungsberechtigten darauf beruhte, dass ein Teil der Entschädigungsberechtigten in dem wegen der Höhe der Entschädigung anhängigen gerichtlichen Verfahren von R. als Rechtsanwalt vertreten worden war, und keine Erkenntnisse darüber vorliegen, dass R. eigene Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Entschädigungsberechtigten hatte, konnte die Hinterlegung der in dem gerichtlichen Verfahren festgesetzten Entschädigungssumme sinnvoller Weise nicht als Eigengeschäft des R. verstanden werden. Ergänzend hätte das Berufungsgericht auch auf die in bezug auf die Bezahlung der Entschädigung zwischen den Prozessbevollmächtigten der damaligen Parteien geführten Verhandlungen abstellen können: Mit Schreiben vom 14.3.1928 hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten dieser mitgeteilt, die beiden Prozessbevollmächtigten (R. und Rechtsanwalt J.) der Entschädigungsberechtigten hätten darum ersucht, die Entschädigungssumme zu Händen der Anwälte und nicht der Parteien auszubezahlen. Mit weiterem Schreiben vom 12.4.1929 wurde die Beklagte von ihrem Prozessbevollmächtigten davon unterrichtet, dass er die beiden Prozessbevollmächtigten der Entschädigungsberechtigten gebeten habe, sich über die Verteilung des Entschädigungsvertrags auseinander zu setzen, und dass daraufhin von ihm auf Ersuchen des Rechtsanwalts J. der Betrag an R. als Treuhänder überwiesen worden sei. Dieser Ablauf der Angelegenheit stützt die Auslegung des Berufungsgerichts, dass der von R. hinterlegte Betrag die von der Beklagten gemäß Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.1.1928 geschuldete Entschädigung darstellt.

cc) Zutreffend hat das Berufungsgericht den Einwand der Klägerin, die Entschädigungssumme sei nicht vollständig erbracht, weil die Beklagte keine Zinsen für diese Summe geleistet habe, als nicht durchgreifend erachtet.

Das ZAG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über eine Verzinsung der Enteignungsentschädigungsforderungen. Gleichwohl geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine nach bayerischem Enteignungsrecht zu bemessende Enteignungsentschädigung - vom Zeitpunkt der Enteignung an oder bei vorzeitiger Besitzüberlassung von da an bis zur Zahlung der Entschädigung - zu verzinsen ist (BayObLGZ 1932, 397/410; 1934, 250/264; 1934, 270/ 271; 1967, 358/375; 1972, 368). Maßgebend hierfür sind folgende Erwägungen (BayObLGZ 1972, 368/369 ff. u.a. unter Hinweis auf BGHZ 37, 269/275 ff.; 43, 120/122 ff.; 48, 291/294):

Der einheitliche Enteignungsentschädigungsbetrag ist der Gegenwert für das enteignete Grundstück und tritt an dessen Stelle. Das Grundstück und sein Wert werden gewissermaßen gegeneinander ausgetauscht. Deshalb ist auch der Entschädigungsbetrag im Regelfall - nämlich dann, wenn Entzug von Besitz und Nutzung einerseits und förmliche Enteignung andererseits zeitlich zusammenfallen - vom Zeitpunkt der Enteignung an zu verzinsen, wie es fast durchwegs alle Enteignungsgesetze vorsehen. Erfolgt jedoch eine vorzeitige Besitzüberlassung, werden mithin dem Eigentümer Besitz und Nutzung entzogen, ohne dass er alsbald in den Genuss des Gegenwerts für das Grundstück gelangt, dann hat die Verzinsung grundsätzlich bereits von der Besitzüberlassung an stattzufinden. Diese Verzinsung der Enteignungsentschädigung ist Ausfluss des Gedankens, dass die Entschädigungssumme an die Stelle des Grundstücks und seiner Substanz tritt und die Zinsen die Entschädigung für die Nutzungen darstellen, die dadurch entgehen, dass trotz teilweiser Entziehung der Grundstückssubstanz der Gegenwert in Form der Enteignungsentschädigung noch nicht an den Betroffenen gezahlt ist und daher von ihm noch nicht an Stelle der ihm insoweit bereits entzogenen Grundstückssubstanz genutzt werden kann. Eine Enteignungsentschädigung stellt sich erst dann als angemessen dar, wenn im Zeitpunkt der Entziehung des Substanzwerts der dafür zu gewährende Geldgegenwert dem Enteigneten sofort zur Nutzung an Stelle des entzogenen Substanzwerts zur Verfügung steht oder ihm bei einstweiliger Vorenthaltung des Geldgegenwerts die aus entgangener Nutzung eben dieses Geldwerts entstehenden Nachteile ersetzt werden. Da es sich insoweit nicht mehr um die entzogene Nutzung des Grundstücks, sondern die durch Vorenthaltung des Geldgegenwerts entstandenen Nachteile handelt, muss für diese Vorenthaltung der in Geld ausgedrückten Enteignungsentschädigung eine Leistung gewährt werden, damit dem Betroffenen die ihm nach Entziehung des Substanzwerts an Stelle der Nutzung aus dem Grundstück allein zustehende Nutzung des Geldwerts zufließt; erst damit wird die Enteignung des Grundbesitzes angemessen entschädigt. Weil es sich insoweit aber um die Nutzung eines Geldbetrages handelt und die Nutzung eines solchen regelmäßig in seiner Verzinsung erfolgt, gelten die Regeln über die Verzinsung der Enteignungsentschädigung nicht nur, soweit sie in ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen normiert sind, sondern auch da, wo gesetzliche Sonderregelungen fehlen. Das bedeutet, dass Zinsen immer, aber auch nur dann zu zahlen sind, wenn dem betroffenen Grundstückseigentümer die Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks bereits genommen ist, ohne dass ihm der Entschädigungsbetrag zur Nutzung zur Verfügung steht.

(1) Der von der Klägerin behauptete Zinsanspruch ist demnach bereits in materieller Hinsicht nicht gegeben, weil die Klägerin nicht vorgetragen hat, den Rechtsvorgängern der Erbengemeinschaft als betroffenen Grundstückseigentümern sei die Nutzungsmöglichkeit genommen worden, bevor ihnen der Entschädigungsbetrag zur Verfügung stand. Die Klägerin hat sich im Gegenteil gegen die Wirksamkeit der Enteignung mit dem Vorbringen gewandt, die Beklagte sei nicht in den Besitz eingewiesen worden und habe das Vorhaben, dem die Enteignung dienen solle, im Zeitpunkt der Hinterlegung der Entschädigungssumme bereits aufgegeben gehabt.

(2) Aus Rechtsgründen ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, dass das im Verfahren über die Höhe der Entschädigung ergangene Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.1.1928 keine Verpflichtung der Beklagten zur Zinszahlung enthält. Die Beklagte könnte Zinsen als Bestandteil der angemessenen Entschädigung nämlich nur dann verlangen, wenn sie diese im gerichtlichen Verfahren über die Höhe der Entschädigung geltend gemacht hätte und diese ihr zugesprochen worden wären. Das Ersatzverlangen muss ausdrücklich gestellt werden, weil das Gericht Schäden und Nachteile, die von den Parteien nicht geltend gemacht sind, gemäß § 308 ZPO nicht ohne weiteres berücksichtigen darf (BayObLGZ 1934, 250/264). Nachdem das gerichtliche Verfahren über die Höhe der Entschädigung rechtskräftig abgeschlossen war, ohne dass den Entschädigungsberechtigten Zinsen als Bestandteil der Enteignungsentschädigung zugesprochen worden sind, kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass mangels Zinszahlung der Entschädigungsverpflichteten der Eigentumsübergang nach dem ZAG nicht eingetreten sei.

Mit der Hinterlegung des Betrags von RM 6260 hat die Beklagte jedenfalls die von ihr nach dem Urteil des Oberlandesgerichts geschuldete Entschädigungssumme von RM 6250 beglichen. Es bedarf daher keiner Auseinandersetzung mit dem Revisionsvorbringen, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten in bezug auf die zu leistende Entschädigungssumme von RM 6250 erklärte Aufrechnung mit einer Steuerforderung in Höhe von RM 1023,95 unstreitig sei.

d) Im Hinblick darauf, dass die Entschädigung jedenfalls durch die am 13.7.1938 erfolgte Hinterlegung geleistet worden ist, konnte es das Berufungsgericht dahingestellt sein lassen, ob bereits die Überweisung des Entschädigungsbetrags an R. im Jahre 1929 gemäß der im Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 12.4.1929 angesprochenen Einigung zwischen ihm und den Prozessbevollmächtigten der Entschädigungsberechtigten eine wirksame Leistung der Entschädigungssumme darstellt.

e) Gegenüber dem mit der rechtskräftigen Feststellung der Abtretungspflicht und der Leistung der Entschädigung kraft Gesetzes eingetretenen Eigentumsübergang greift das Revisionsvorbringen, der Eigentümerstellung der Beklagten stehe entgegen, dass die Enteignung nicht binnen angemessener Frist durchgeführt worden sei, nicht durch. Soweit die Klägerin sich in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Eigentumsgarantie des Art. 14 GG beruft, verkennt sie, dass die Wirksamkeit des Eigentumsübergangs nur dann unter Berufung auf Art. 14 GG in Zweifel gezogen werden könnte, wenn bereits die Enteignung im Zeitpunkt ihrer Vornahme den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG unterlag. Zwar ergibt sich in Fällen, in denen der Zweck der Enteignung nicht verwirklicht wird, aus Art. 14 GG ein Rückerwerbsrecht des früheren Eigentümers (vgl. BVerfGE 38, 175). Dies gilt jedoch nur für Enteignungen, die unter der Geltung des Grundgesetzes angeordnet und vollzogen worden sind. Dagegen lässt sich ein Rückübereignungsanspruch nicht auch für solche Fälle begründen, in denen vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes eine dem Grundgesetz nicht verpflichtete Staatsgewalt auf vermögenswerte Rechte zugegriffen hat (BVerfGE 97, 89/96).

Im übrigen scheitert ein Anspruch auf Rückübereignung auch daran, dass das enteignete Grundstück im Jahre 1959 tatsächlich zu dem mit der Zwangsabtretung verfolgten Zweck bebaut worden ist. Voraussetzung für das aus der Verfassung hergeleitete Rückerwerbsrecht des früheren Grundstückseigentümers ist die Nichtverwirklichung des Enteignungszwecks und damit der Wegfall der die Enteignung legitimierenden verfassungsrechtlichen Voraussetzungen (vgl. BVerfGE 38, 175/181 und 97, 89/97). Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Rückübereignung ist ausgeschlossen, wenn die enteignete Sache dem ihr zugedachten öffentlichen Gemeinwohlzweck dauerhaft zugeführt und damit das Ziel der Enteignung nachhaltig erreicht worden ist (Depenheuer in v. Mangoldt/Klein/Starck GG 4. Aufl. Art. 14 Rn. 440).

In diese unter der Geltung des Grundgesetzes maßgebenden verfassungsrechtlichen Gegebenheiten fügen sich bereits die hier einschlägigen Vorschriften des Zwangsabtretungsgesetzes vom 17.11.1837 ein. Gemäß Art. XII Abs. 4 ZAG besteht dann ein Rückgabeanspruch des Enteigneten, wenn sich nach erfolgter Abtretung herausstellt, dass das Unternehmen, für welches das Grundstück des Enteigneten in Anspruch genommen worden ist, nicht durchgeführt wird. Jedenfalls mit der Verwirklichung des Enteigungszwecks im Jahre 1959 steht somit dem von der Beklagten erlangten Eigentum an dem Grundstück ein Rückerwerbsrecht der Rechtsnachfolger des früheren Eigentümers nicht entgegen.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Nutzungsentschädigung im Hinblick auf die Eigentümerstellung der Beklagten nicht gegeben sind, entspricht daher den rechtlichen Gegebenheiten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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