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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.09.1995
Aktenzeichen: BReg 1 Z 66/86
Rechtsgebiete: BGB, FGG, ZPO, KostO


Vorschriften:

BGB § 2361 Abs. 1 Satz 2
BGB § 2108 Abs. 2 Satz 1
BGB § 2229 Abs. 1
BGB § 2100
BGB § 2269 Abs. 1
BGB § 1482
BGB § 2113
BGB § 2136
BGB § 13a Abs. 1 Satz 1
FGG § 27
FGG § 12
ZPO § 550
KostO § 31 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BayObLG Beschluß

I. AG Altötting - Beschluß vom 21. April 1986 - VI 57/82 -; II. LG Traunstein - Beschluß vom 15. Oktober 1986 - 4 T 1845/86

BReg 1 Z 66/86

29.09.87

Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Bayerischen Obersten Landesgericht Prof. Dr. Putzo sowie der Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Nappenbach und Dr. Kahl

am 29. September 1987

in der Sache

betreffend den Nachlaß des am 13.2.1982 verstorbenen

pp.

auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1

beschlossen:

Tenor:

I. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Altötting vom 21. April 1986 und des Landgerichts Traunstein vom 15. Oktober 1986 werden aufgehoben.

II. Das Amtsgericht - Nachlaßgericht - Altötting wird angewiesen, den gemäß Verfügung vom 14. April 1982 erteilten Erbschein einzuziehen.

III. Im übrigen wird die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 15. Oktober 1986 zurückgewiesen.

IV. Die Beteiligte zu 1 hat die den Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren und im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

V. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren und das Verfahren der Weiteren Beschwerde wird auf je 96.000 DM festgesetzt.

I.

Am 13.2.1982 verstarb in der verheiratete Mechanikermeister (Erblasser). Er hinterließ seine Ehefrau, die Beteiligte zu 1, sowie seine beiden Söhne (Beteiligter zu 3) und. Der Wert des Reinnachlasses beträgt nach den Feststellungen des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Traunstein 478.239 DM.

Die Ehegatten hatten sich in einem Ehe- und Erbvertrag des Notars in vom 19.6.1958 (Urkunden-Rolle Nr.) gegenseitig "zum alleinigen und ausschließlichen Erben" eingesetzt. Der Vertrag enthält ferner eine Regelung über die Auszahlung des "Vater- oder Mutterguts" an die damals schon geborenen Söhne und sowie folgende Vereinbarung (C V des Vertrages):

"Endlich verpflichten wir uns gegenseitig im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter unser Besitztum Anwesen Hs.Nr. samt allenfallsigem Zubehör, Wirtschaftsvorräten und Inventar an eines unserer gemeinschaftlichen Kinder unter folgenden Bedingungen zu übergeben:

1. mit dinglicher Sicherung bei Tod des überlebenden Eheteils

2. a) das Überlebende trifft unter mehreren Kindern freie Wahl, welche auch durch letztwillige Verfügung getroffen werden kann,

b) es setzt die Übergabebedingungen nach Ermessen fest oder bestimmt sie in der letztwilligen Verfügung;

c) fehlen solche Bestimmungen, so erhält den Übernahmeanspruch das älteste gemeinschaftliche Kind, jedoch in diesem Fall der jüngere Sohn vor der älteren Schwester und zwar zu den bei uns zwischen Eltern und Kindern geltenden brauchmäßigen, die Forstbewirtschaftung gewährleistenden Bedingungen, nämlich Versorgung des Übergebers und dessen etwaigen zweiten Ehegatten mit Wohnungsrecht, Austrag und Zehrpfennig und der weichenden Geschwister mit Aussteuer und Ausstattungsansprüchen;

d) der Übernehmer muß auf seinen Anteil an dem nach obiger Bestimmung auszuweisenden Vater- oder Muttergut zugunsten seiner Geschwister verzichten oder diesen überlassen;

e) bei wichtigem Grund ist das Überlebende von dieser Verpflichtung gänzlich frei und berechtigt, über das Besitztum nach bestem Wissen und Gewissen anderweitig zu verfügen. Als wichtiger Grund gilt neben anderen heute nicht erkennbaren:

1. körperliche oder geistige Unfähigkeit des Erben das Besitztum zu führen oder zu verwalten,

2. Abwanderung

3. schwerer unbegründeter Ungehorsam, besonders trotz ernsthaften Hinweises dem allgemeinen Brauch und guter Sitte widersprechender Lebenswandel.

4. Ein wichtiger Grund ist, daß aus erster Ehe nur Töchter, aus zweiter Ehe aber ein Sohn vorhanden ist;

5. nicht dagegen die Tatsache der Wiederverehelichung des Überlebenden."

Am 25.12.1974 errichteten die Ehegatten ein privatschriftliches "Testament" mit folgendem Wortlaut:

"Als Besitzer des Anwesens Hsnr., mit Werkstattgebäuden-Wohnhaus-aller Einrichtung und Inventar, unbebautem Grundstück ab der geteerten Hoffläche bis zum Gißgraben, vorhandener Barmittel als Privatbesitz - z.Zt. bei der angelegt und einem Grundstück gegenüber,

machen wir

, geb., geb.

am 25.3.1927

und

,geboren am 14.1.1928

im beiderseitigen Einvernehmen nachfolgende Testamentsniederschrift.

1) Für den Fall des Ablebens eines der beiden Ehepartner, geht das gesamte Besitztum mit allen Rechten und Pflichten auf den überlebenden Ehepartner über.

2) Die am 1. November 1973 an unseren Sohn gemachte Schenkungszusage ist davon ausgeschlossen und hat laut dem damaligen Vertragstext weiterhin Gültigkeit.

3) Wie mit unseren beiden Söhnen schon vor langem vereinbart, soll der Betrieb mit allen Gebäuden und Einrichtungen Sohn übernehmen, da dieser ja auch das KFZ-Handwerk erlernt - wenn er das Geschäft im ähnlichen Sinne wie bisher weiterführt.

4) Dem Sohn ist bis zu seiner Verheiratung das Wohnrecht, also ein akzeptables Zimmer im Wohnhaus zur Verfügung zu stellen und solange er sein Studium weiterführt, die dadurch notwendige finanzielle Unterstützung und Finanzierung seines Studiums voll zu gewährleisten. Den jeweiligen Verhältnissen entsprechend hat dafür der überlebende Ehepartner bzw. der Bruder aufzukommen.

5) Für den Fall des Ablebens beider Elternteile bleiben alle oben gemachten Zusagen für den Sohn gültig, aber dem Sohn werden in diesem Falle das Grundstück gegenüber, sowie alle vorhandenen Sparguthaben der Eltern zugeschrieben. Selbstverständlich verbleibt ihm auch das vorerwähnte Wohnrecht. Sofern es die jeweilige Situation von Sohn für notwendig erscheinen läßt, muß Sohn seinen Bruder solange finanziell unterstützen, bis dieser selbst im Erwerbsleben steht.

6) Ferner sei erwähnt, daß für beide Elternteile bei der Krankenversicherung eine Sterbegeldversicherung besteht.

7) Sollten sich andere Voraussetzungen ergeben, als im bisherigen Text ausgeführt, so kann der überlebende Elternteil an dem vorliegenden Testamentstext nur noch Kleinigkeiten als Nachtrag ändern, dagegen können beide Elternteile gemeinsam jederzeit jede beliebige Änderung vornehmen, oder dieses auch ganz neu erstellen.

Dieses Testament wurde in dieser einzigen Originalschrift geschrieben, am 25. Dezember 1974".

Die Urkunde ist von beiden Ehegatten unterschrieben.

Am 25.12.1978 verfaßten die Ehegatten einen "Nachtrag", der auf Blatt 3 jenes Testaments beginnt und auf einem vierten Blatt fortgesetzt wird. Die von den Ehegatten unterschriebene Urkunde lautet:

"Erster Nachtrag zu vorliegendem Testament vom 25. Dezember 1974:

Vorliegendes Testament Blatt 1 bis 3 soll in allen Einzelheiten beibehalten bleiben, nachfolgende Änderungen dazu sollen ab heute in Kraft treten.

Das von uns 1978 erworbene Wohnhaus mit Grundstück in, bei geht nach unser beider ableben in den Besitz von Sohn, geb. 20.11.55 über.

Ferner haben wir 1978 von und ein Baugrundstück gekauft, welches unbebaut oder bebaut nach unserer beider ableben in den Besitz unseres Sohnes, geb. 20.11.55 übergeht.

Die entsprechenden Notarsverträge über den Erwerb liegen vor, erstellt von Notar."

Auf den Antrag der Beteiligten zu 1 bewilligte das Amtsgericht - Nachlaßgericht - Altötting mit Verfügung vom 14.4.1983 einen Erbschein, demzufolge diese den Erblasser aufgrund Testaments beerbt habe. Im Erbschein ist folgendes ausgeführt:

"Nacherbfolge ist angeordnet.

Die Nacherbfolge tritt ein mit dem Tode der Vorerbin.

Nacherben sind die Kinder, geb. 20.11.1955, wohnhaft in, und, geb. 20.11.1955, wohnhaft in.

Die Vorerbin ist in der Verfügung über den Nachlaß nicht befreit."

Eine Ausfertigung des Erbscheins wurde der Beteiligten zu 1 erteilt.

[Ein Sohn] ist am 1.7.1985 verstorben. Er wurde kraft Gesetzes von seiner Ehefrau und seiner Tochter, den Beteiligten zu 2, je zur Hälfte beerbt.

Mit Schriftsatz vom 20.1.1986 beantragte die Beteiligte zu 1, den Erbschein vom 14.4.1982 einzuziehen. Er sei unrichtig, weil sie nicht Vorerbin sondern Vollerbin sei; ihre Söhne seien als Schlußerben eingesetzt worden. Das Amtsgericht wies diesen Antrag mit Beschluß vom 21.4.1986 zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde durch Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 15.10.1986 zurückgewiesen. In dieser Entscheidung ist ferner angeordnet, daß die Beteiligte zu 1 die den Beteiligten zu 2 und 3 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen notwendigen Auslagen zu erstatten habe; der "Beschwerdewert" wurde auf 120.000 DM festgesetzt.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. Sie beantragt, die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen, "beziehungsweise" das Nachlaßgericht anzuweisen, den Erbschein vom 14.4.1982 einzuziehen und ihr einen Erbschein zu erteilen, demzufolge der Erblasser von ihr allein beerbt worden sei. Die Beteiligten zu 2 treten dem Rechtsmittel entgegen; der Beteiligte zu 3 hat sich nicht geäußert.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nur insoweit begründet, als es die Vorinstanzen abgelehnt haben, den gemäß Verfügung vom 14.4.1982 erteilten Erbschein einzuziehen. Unbegründet ist das Rechtsmittel jedoch insoweit, als es das Landgericht abgelehnt hat, der Beteiligten zu 1 einen Erbschein ohne Nacherbenvermerk zu erteilen.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Maßgebend für die Erbfolge sei das handschriftliche Testament der Ehegatten vom 25.9.1974 mit der Ergänzung vom 25.12.1978. Diese letztwillige Verfügung treffe eine eigenständige Neuregelung der Erbfolge gegenüber dem Ehe- und Erbvertrag vom 19.6.1958. Sie enthalte nämlich eine erbrechtliche Regelung nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten. Da jedoch das Testament hinsichtlich der Frage, ob die Söhne der Testierenden Nacherben oder lediglich Schlußerben sein sollten, nicht eindeutig sei, müsse es ausgelegt werden. Zwar sei davon auszugehen, daß die Ehegatten ihr Vermögen als Einheit angesehen hatten. Dem überlebenden Ehegatten sollte jedoch keine Befugnis eingeräumt sein, hierüber unter Lebenden frei zu verfügen. Hieraus ergebe sich, daß die Testierenden den überlebenden Ehegatten mit dem Kontrollrecht eines Nacherben belasten wollten und deshalb Vor- und Nacherbfolge angeordnet hatten.

2. Die Entscheidungen der Vorinstanzen, den Erbschein vom 14.4.1982 nicht einzuziehen, müssen aufgehoben werden, denn dieser ist auch dann unrichtig, wenn die Beteiligte zu 1 nicht Vollerbin, sondern nur Vorerbin ist.

Gemäß § 2361 Abs. 1 Satz 2 BGB ist ein erteilter Erbschein dann einzuziehen, wenn er unrichtig ist. Voraussetzung für die Einziehung ist aber nicht nur eine ursprüngliche, sondern auch eine nachträgliche Unrichtigkeit (Palandt BGB 46. Aufl. § 2361 Anm. 2), insbesondere eine solche, die durch einen Wechsel in der Person des Nacherben eintritt (MünchKomm BGB RdNr. 5 a.E., Staudinger BGB 12. Aufl. RdNr. 21, je zu § 2361). Das ist vor allem dann der Fall, wenn der im Erbschein angeführte Nacherbe vor dem Nacherbfall stirbt (MünchKomm RdNr. 21, Soergel BGB 11. Aufl. RdNr. 5, je zu § 2363) und dadurch gemäß § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB ein Wechsel der festgestellten Nacherben eintritt (Firsching Nachlaßrecht 6. Aufl. S. 258). Hier ist der Erbschein durch den Tod des dort als Nacherben bezeichneten unrichtig geworden und schon deshalb einzuziehen. Ungeachtet der Frage, ob überhaupt Vor- und Nacherbschaft angeordnet ist, müssen im Erbschein die Beteiligten zu 2 als Nacherben bezeichnet werden. Die Einziehung des Erbscheins ist dem Nachlaßgericht zu übertragen (Palandt § 2361 Anm. 5 c).

3. Das Landgericht hat nicht nur über die von der Beteiligten zu 1 beantragten Einziehung des Erbscheins entschieden. Es hat vielmehr zugleich den im Beschwerdeverfahren ausdrücklich gestellten Antrag, der Beteiligten zu 1 einen Erbschein ohne Nacherbenvermerk (§ 2363 Abs. 1 BGB) zu erteilen, dadurch abgelehnt, daß es die Beschwerde zurückgewiesen und das Amtsgericht nicht angewiesen hat, den beantragten Erbschein zu erteilen. Das ergibt sich aus den Gründen seiner Entscheidung. Insoweit hält diese der gemäß § 27 FGG, § 550 ZPO allein möglichen rechtlichen Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht stand.

a) Das Beschwerdegericht geht davon aus, daß die Ehegatten in ihrem gemeinschaftlichen Testament vom 25.12.1974 ihre beiden Söhne, nämlich den verstorbenen Sohn und den Beteiligten zu 3, nicht als Schlußerben (§ 2229 Abs. 1 BGB), sondern als Nacherben (§ 2100 BGB) eingesetzt haben. Die hiergegen erhobenen Rügen greifen nicht durch.

aa) Der gerügte verfahrensrechtliche Verstoß gegen § 12 FGG liegt nicht vor. Eine Anhörung des Beteiligten zu 3 war nicht geboten. Die Rechtsbeschwerdeführerin hat weder vor dem Nachlaßgericht noch im Beschwerdeverfahren Tatsachen vorgetragen, die der Beteiligte zu 3 bekunden soll. Sie hat ihn lediglich zum "Beweis" dafür benannt, daß der Erblasser von ihr allein beerbt worden sei. Dabei handelt es sich jedoch um eine Rechtsfrage, über die nicht durch eine Anhörung von Beteiligten Beweis erhoben werden kann. In der unterlassenen Anhörung liegt auch kein Verstoß gegen § 12 FGG. Es ist nicht erkennbar, zu welcher Tatsache, aus der auf den Erblasserwillen geschlossen werden könnte, der Beteiligte zu 3 hätte angehört werden sollen.

bb) Zutreffend geht das Landgericht auch davon aus, daß das Testament vom 25.12.1974 nicht eindeutig ist und deshalb der Auslegung (§§ 133, 2084 BGB) bedarf. Diese ist grundsätzlich dem Gericht der Tatsacheninstanz vorbehalten (BGHZ 80, 246/249; 86, 41/45). Sie bindet das Rechtsbeschwerdegericht, sofern sie nach den Denkgesetzen und der Erfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut des Testaments nicht widerspricht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt; nur in diesem Rahmen unterliegt die Testamentsauslegung der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BayObLGZ 1982, 331/337 m.w.Nachw.). Dabei müssen die gezogenen Schlußfolgerungen nicht zwingend sein; es genügt vielmehr, daß sie möglich sind, mag auch eine andere Schlußfolgerung ebenso nahe oder noch näher liegen (BayObLG aaO). Die nur in diesem Rahmen mögliche Nachprüfung läßt jedoch keinen Rechtsfehler erkennen.

(1) Das Landgericht hat mit Recht angenommen, daß § 2269 Abs. 1 BGB als gesetzliche Auslegungsregel nur dann angewendet werden darf, wenn nach Prüfung aller Umstände begründete, auf andere Weise nicht zu lösende Zweifel an dem Erblasserwillen bestehen bleiben (BGHZ 22, 364/366; Palandt Anm. 3 a, MünchKomm RdNr. 15, je zu § 2269). Solche Zweifel hatte das Landgericht gerade nicht. Es mußte deshalb davon absehen, die Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB anzuwenden.

(2) Das Landgericht hat auch diejenigen Umstände dargelegt, die es veranlaßt haben, entgegen dieser gesetzlichen Auslegungsregel eine Nacherbeneinsetzung anzunehmen. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht auch nicht die Feststellungslast verkannt (vgl. BGB-RGRK 12. Aufl. § 2269 RdNr. 7); denn es hat die zur Testamentsauslegung herangezogenen Tatsachen für festgestellt erachtet und hat seine Entscheidung deshalb mit Recht nicht darauf abgestellt, daß diejenigen Beteiligten die Feststellungslast tragen, die sich auf die Anordnung der Nacherbfolge berufen.

(3) Das Landgericht hat angenommen, daß die testierenden Ehegatten ihr beiderseitiges Vermögen als eine Einheit angesehen haben. Diese Feststellung führt zwar bei der sogenannten Einheitslösung zur Schlußerbeneinsetzung und zur Vollerbenstellung des überlebenden Ehegatten (allg. Meinung; z.B. Soergel RdNr. 3, Palandt Anm. 2 a, je zu § 2269). Das Landgericht hat aber richtig erkannt und gewürdigt, daß die Ehegatten in Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) lebten, ihr Vermögen daher als Gesamtgut ihnen gemeinschaftlich zustand (§ 1416 Abs. 1 BGB) und sie daher keinen Anlaß hatten, das gemeinschaftliche Vermögen danach zu unterscheiden, wem von ihnen beiden es zustand. Anhaltspunkte dafür, daß ein wesentlicher Teils des Vermögens der Ehegatten in Vorbehalts- oder Sondergut bestand, sind jedenfalls nicht erkennbar. Die Auffassung des Landgerichts, einer einheitlichen Behandlung des beiderseitigen Nachlassen stehe eine Nacherbeneinsetzung nicht entgegen, wird auch nicht in Frage gestellt, wenn man berücksichtigt, daß wegen § 1482 BGB der Gesamtgutsanteil des verstorbenen Ehegatten in den Nachlaß fällt. Denn die durch die Gütergemeinschaft bewirkte Vermögenseinheit mit gesamthänderischer Bindung besteht weiter, wenn auch nur in der einen Person des überlebenden Ehegatten, der lediglich Vorerbe ist (Palandt Anm. 1, Soergel RdNr. 2, je zu § 1482).

(4) Es ist nicht zu beanstanden, daß das Landgericht eine Nacherbeneinsetzung der Söhne gemäß § 2100 BGB angenommen hat. Dies hat das Landgericht mit der Feststellung begründet, dem überlebenden Ehegatten solle "keine freie Befugnis zur Verfügung unter Lebenden eingeräumt sein". Diese Annahme hat das Landgericht daraus abgeleitet, daß es den testierenden Ehegatten darauf angekommen sei, das "Gleichgewicht zwischen den Söhnen" nicht durch Verfügungen über den Grundbesitz zu verändern. Da dem Testament zufolge das Grundvermögen des Gesamtguts zwischen den Söhnen in bestimmter Weise aufgeteilt werden soll, ist der vom Landgericht gezogene Schluß, der Überlebende solle nur Vorerbe sein, jedenfalls möglich und widerspricht weder dem Sinn noch dem Wortlaut des Testaments. Darin kommt zudem der gemeinsame Wille zum Ausdruck, nach dem Tod des Überlebenden solle der Beteiligte zu 3 auf dem Betriebsgrundstück das elterliche Geschäft fortführen. Wäre der überlebende Ehegatte Vollerbe, könnte er frei über die Grundstücke verfügen, weil die Gütergemeinschaft aufgelöst und die Gesamthand beendet wird (§ 1482 BGB). Dem könnte durch die Anordnung der Nacherbfolge begegnet werden, weil der nicht befreite Vorerbe bei der Verfügung über Grundstücke beschränkt ist (§ 2113 Abs. 1 BGB). Ein solcher Wille der Ehegatten kann dem gemeinschaftlichen Testament entnommen werden. Hierfür kommt es nicht auf die rechtlichen Streitfragen an, die sich in bezug auf die Anwendung des § 2113 BGB für den Fall ergeben, daß bei einer Gütergemeinschaft der überlebende Ehegatte nicht Vollerbe, sondern lediglich Vorerbe ist (vgl. BGH NJW 1976, 893, 1978, 698; Senatsbeschluß vom 9.3.1981 - BReg. 1 Z 82/80 = Rpfleger 1981, 282 LS; Soergel § 1482 RdNr. 2; K. Schmidt FamRZ 1976, 683 ff.).

(5) Folgerichtig hat das Landgericht angenommen, die Vorerbin sei von den gesetzlichen Beschränkungen nicht gemäß § 2136 BGB befreit; denn es hat die Vorerbschaft daraus abgeleitet, daß es aufgrund des Testaments der Vorerbin verwehrt sein solle, frei über die Grundstücke zu verfügen.

(6) Unbegründet ist die Rüge, die sich darauf bezieht, daß das Landgericht den ersten Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 herangezogen hat, um die vorgenommene Auslegung zu bestätigen. Als Anhaltspunkt für den Erblasserwillen durfte das Landgericht diesen Umstand berücksichtigen, wonach sich die Beteiligte zu 1 selbst als Vorerbin angesehen hat, auch wenn dieser Vorgang nach der Testamentserrichtung lag. Das entspricht den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (Palandt § 2084 Anm. 4 b aa). Dessen ungeachtet hat das Landgericht die vorgenommene Testamentsauslegung darauf nicht gestützt, sondern sah sich dadurch lediglich bestätigt. Maßgebend ist und bleibt, was die Ehegatten im gemeinschaftlichen Testament erklärt haben.

4. Das Nachlaßgericht wird nach Einziehung des Erbscheins vom 14.4.1983 der Beteiligten zu 1 einen neuen Erbschein zu erteilen haben, in dem anstatt des Nacherben die Beteiligten zu 2 anzugeben sind.

5. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlaßt; wer diese zu tragen hat, ergibt sich aus dem Gesetz (vgl. § 2 Nr. 1 KostO).

Für die Erstattung der den Beteiligten entstandenen Kosten gilt § 13a Abs. 1 Satz 1 BGB, weil das Rechtsmittel teilweise erfolglos ist (vgl. BayObLGZ 1958, 109/117 f.; Jansen FGG 2. Aufl. RdNr. 15, Bassenge/Herbst FGG/RPflG 4. Aufl. Anm. 3 b, je zu § 13a FGG). Im Hinblick darauf, daß die Beteiligte zu 1 das mit ihren Rechtsmitteln vorrangig verfolgte Ziel nicht erreicht hat, ihr einen Erbschein als Vollerbin zu erteilen, erscheint es dem Senat angemessen, ihr die den Beteiligten zu 2 in beiden Rechtsmittelzügen entstandenen Auslagen aufzuerlegen. Hinsichtlich des Beteiligten zu 3 ist eine derartige Anordnung nicht veranlaßt, weil er in beiden Rechtsmittelzügen als im entgegengesetzten Sinn Beteiligter nicht hervorgetreten ist.

6. Für den gemäß § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO festzusetzenden Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist das Interesse der Beteiligten zu 1 an der Beseitigung des Nacherbenvermerks maßgeblich. Dieses bewertet der Senat mit 20 % des auf rund 480.000 DM geschätzten Werts des Reinnachlasses (vgl. BayObLG Rpfleger 1983, 12 LS); das sind 96.000 DM. Auf diesen Betrag ist auch der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens festzusetzen.



Ende der Entscheidung

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