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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.05.1999
Aktenzeichen: Verg 1/99
Rechtsgebiete: UmwG, GWB, VOB/A, ZustÜVJu, GZVJu, HGB, BGB, FGG, ZPO, GKG


Vorschriften:

UmwG §§ 168 ff.
UmwG § 171
UmwG § 135 Abs. 1 Satz 1
UmwG § 131 Abs. 1 Nr. 1
GWB § 98 Nr. 2
GWB § 107 Abs. 3
GWB § 116 Abs. 3 Satz 1
GWB § 116 Abs. 4
GWB § 117
GWB § 116 Abs. 1 Satz 1
GWB § 107 Abs. 2 Satz 1
GWB § 109
VOB/A § 22 N. 1
VOB/A § 2 Nr. 1 Satz 2
VOB/A § 24 Nr. 3
VOB/A § 23
VOB/A § 25
VOB/A § 21 Nr. 4
VOB/A § 25 Nr. 6
VOB/A § 19 Nr. 1
VOB/A § 28 Nr. 1
ZustÜVJu § 1 Abs. 1 Nr. 25
GZVJu § 16 Abs. 3
HGB § 49 Abs. 1
BGB § 145
BGB § 148
BGB § 150 Abs. 1
FGG § 13a
ZPO §§ 91 ff.
GKG § 12a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht

Verg 1/99 Vergabekammer Südbayern 120.3-3194.1-03-02/99

Verkündet am 21.05.1999

Der Urkundsbeamte: Gebhart

Justizhauptsekretär

BESCHLUSS

Der Vergabesenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Gummer sowie der Richter Sprau und Seifried

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 1999

in dem Nachprüfungsverfahren

beschlossen:

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der Vergabekammer Südbayern vom 18. März 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.300.000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Stadt X betrieb bis Mitte des Jahres 1998 die Wasserversorgung der Bevölkerung im Rahmen eines Eigenbetriebes, der Stadtwerke X. Diese wurden im Jahr 1998 im Wege der Ausgliederung (§§ 168 ff. UmwG) in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt und als solche am 3.9.1998 in das Handelsregister eingetragen. Alleinige Gesellschafterin ist die Stadt. Gegenstand des Unternehmens ist u.a. die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser. § 18 des Gesellschaftsvertrages bestimmt, daß die Gesellschaft an Grundsatzbeschlüsse des Stadtrats gebunden ist. Einer dieser Grundsatzbeschlüsse sieht vor, daß bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen der Stadt von den Bietern eine Erklärung zu verlangen ist, wonach diese sich verpflichten, bei der Entlohnung ihrer Arbeitnehmer die in Bayern geltenden Lohntarife einzuhalten und Nachunternehmer entsprechend zu verpflichten.

Die Stadtwerke (im folgenden Vergabestelle) errichten derzeit einen Trinkwasserstollen mit Betriebsbauwerken. Im Januar 1998 veranlaßten sie (noch als Eigenbetrieb) die Bekanntmachung des Bauauftrags für Abschnitt 3 des Vorhabens (geschätzter Auftragswert 126 Mio DM) als nicht offenes Verfahren, u.a. im Supplement des Amtsblatts der Europäischen Gemeinschaften vom 30.1.1998. Mit Schreiben vom 4.3.1998 bewarb sich auch die Beteiligte zu 1, eine aus einem Unternehmen mit Sitz in Frankreich und der deutschen Tochter eines anderen französischen Unternehmens bestehende Bietergemeinschaft (im folgenden Antragstellerin). Sie wurde mit weiteren 17 Bewerbern in die Liste zu beteiligenden Firmen aufgenommen.

Mit Schreiben vom 13.10.1998 forderte die Vergabestelle (nunmehr als GmbH) die Bewerber zur Abgabe von Angeboten im nicht offenen Verfahren auf. Als Eröffnungs-/Einreichungstermin war der 19.11.1998 11.15 Uhr angegeben, als Ablauf der Zuschlagsfrist der 24.2.1999. Ferner wurde u.a. die Abgabe der bereits erwähnten Tariftreueerklärung/Nachunternehmererklärung verlangt. Mit Telefax vom 12.11.1998 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit, daß zum genannten Eröffnungstermin keine Verlesung der Angebote stattfinde und das Angebot bis 19.11.1998 12.00 Uhr abzugeben sei. Mit Schreiben vom 18.11.1998 reichte die Antragstellerin ein Angebot nebst Tariftreueerklärung ein, das an die "Stadtwerke" adressiert war und sich nach der Amtslösung auf ca. 163,8 Mio DM, nach dem (billigeren) Sondervorschlag auf ca. 144,7 Mio DM belief. Die Angebote wurden am 20.11.1998 eröffnet. Die Antragstellerin lag nach rechnerischer Prüfung an 10. Stelle in der Bieterreihenfolge. Zum Teil waren Angebote abgegeben worden, die deutlich unter der geschätzten Auftragssumme lagen.

Auf Anfrage teilte die Vergabestelle der Antragstellerin am 9.2.1999 mit, daß die Auswertung der Angebote abgeschlossen sei und die Antragstellerin für eine Beauftragung nicht in Frage komme. Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben an die "Stadtwerke" vom 10.2.1999 die Wahl des nicht offenen Vergabeverfahrens, den Verzicht auf einen Eröffnungstermin, die Anforderung einer Tariftreueerklärung und einen Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot. Die Vergabestelle wies diese Rügen zurück. Das Vergabeverfahren ist bisher nicht durch Zuschlag beendet.

Mit Schreiben vom 12.2.1999 hat die Antragstellerin bei der zuständigen Vergabekammer die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt. Sie brachte in diesem Schreiben und in weiteren im Verlauf des Verfahrens vor der Vergabekammer eingereichten Schriftsätzen vor, daß das Vergabeverfahren in folgenden Punkten rechtswidrig durchgeführt worden sei:

- Die Vergabestelle habe das Verfahren nicht als nicht offenes oder Verhandlungsverfahren durchführen dürfen. Sie sei als hundertprozentige Tochter der Stadt dazu gegründet worden, im allgemeinen Interesse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art insbesondere im Bereich der Trinkwasserversorgung zu erfüllen, und damit öffentlicher Auftraggeber im Sinn von § 98 Nr. 2 GWB. Für sie gelte der 3. Abschnitt der VOB/A und somit der Vorrang des offenen Verfahrens. Das Verfahren sei jedoch als nicht offenes Verfahren eingeleitet und anschließend in das Verhandlungsverfahren überführt worden.

- Als zur Anwendung des 3. Abschnitts der VOB/A verpflichtete Auftraggeberin hätte die Vergabestelle auf die Abhaltung eines Eröffnungstermins (§ 22 N. 1 VOB/A) nicht verzichten dürfen.

- Die Verpflichtung zur Abgabe der geforderten Tariftreueerklärung verstoße gegen die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs gemäß Art. 59 EGV sowie gegen das Wettbewerbsgebot gemäß § 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/A.

Diese Verstöße seien nicht gemäß § 107 Abs. 3 GWB präkludiert. Die Antragstellerin sei erst im Januar 1999 durch ihren Verfahrensbevollmächtigten darüber unterrichtet worden, daß die Verfahrensweise der Vergabestelle rechtswidrig sei. Ihr drohe ein Schaden, da sie durch die Nachverhandlungen mit anderen Bietern um ihre Chance auf Auftragserteilung gebracht worden sei. Der Zwang zur Abgabe einer Tariftreueerklärung schmälere für den Fall der Auftragserteilung ihre möglichen Deckungsbeiträge.

Die Antragstellerin hat die Feststellung begehrt, daß die Vergabestelle gegen die Vorschriften des Art. 59 EGV sowie der § 24 Nr. 3, § 22 Nr. 1 und § 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/A verstoßen habe, ferner daß sie eine echte Chance auf Auftragserteilung gehabt hätte, die durch die genannten Verstöße beeinträchtigt worden sei. Außerdem hat sie eine Kostenentscheidung zu ihren Gunsten sowie eine Feststellung der Auftragssumme des Vergabeverfahrens auf 126 Mio DM beantragt.

Die Vergabestelle hat im wesentlichen eingewandt, die gerügten Verstöße seien präkludiert. Im übrigen sei das Vergabeverfahren rechtmäßig durchgeführt worden. Infolge des Wechsels ihrer Rechtsform unterliege sie nur Abschnitt 4 VOB/A. Sie habe sich daher dazu entschließen dürfen, das als nicht offenes Verfahren eingeleitete Vergabeverfahren ohne Eröffnungstermin durchzuführen. Zu Nachverhandlungen über die Amtsvorschläge sei es nicht gekommen, im übrigen sei sie zu solchen Verhandlungen berechtigt gewesen.

Die Vergabekammer hat mit Beschluß vom 18.3.1999, der Antragstellerin zugestellt am 22.3.1999, festgestellt, daß die nicht ordnungsgemäße Durchführung des nicht offenen Verfahrens die Antragstellerin in ihren Rechten verletze. Sie hat die Vergabestelle verpflichtet, das nicht offene Verfahren ab dem Eröffnungstermin entsprechend der VOB/A fortzusetzen, hierzu allen beteiligten Bietern das Submissionsergebnis vom 20.11.1998 schriftlich mitzuteilen sowie anschließend die eingegangenen Angebote nach den §§ 23, 25 VOB/A zu prüfen und zu werten. Im übrigen hat die Kammer den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Rügen hinsichtlich der Wahl der Vergabeart (nicht offenes Verfahren), hinsichtlich des unterlassenen Eröffnungstermins und der Tariftreueerklärung seien entgegen § 107 Abs. 3 GWB nicht rechtzeitig vorgebracht worden und daher unzulässig. Dagegen sei die Rüge des Verstoßes gegen das Nachverhandlungsverbot zulässig und berechtigt. Es seien nicht nur Aufklärungsgespräche über Sondervorschläge geführt worden, vielmehr seien verschiedene Angebote überarbeitet und preislich verändert worden. Der Wechsel vom nicht offenen Verfahren in das Verhandlungsverfahren sei weder aufgrund der "Umwandlung" der Vergabestelle noch aufgrund des Schreibens vom 12.11.1998 gerechtfertigt gewesen. Die Voraussetzungen für eine Änderung der Vergabeart hätten nicht vorgelegen. Da die Prüfung und Wertung der Angebote durch die Vergabestelle nicht abgeschlossen sei, könne derzeit die Chance der Antragstellerin auf Zuschlagserteilung nicht zuverlässig beurteilt werden.

Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 30.3.1999, bei Gericht eingegangen am 31.3.1999, Beschwerde eingelegt. Sie beantragt,

1. die Entscheidung der Vergabekammer insoweit aufzuheben, als die Vergabestelle verpflichtet wird, das nicht offene Verfahren ab dem Eröffnungstermin entsprechend der VOB/A fortzusetzen;

2. die Entscheidung der Vergabekammer insoweit aufzuheben, als der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin im Hinblick auf die erhobene Rüge wegen des Verlangens einer Tariftreueerklärung zurückgewiesen wird;

3. die Vergabekammer zu verpflichten, im Sinn der Rechtsauffassung des Senats zu den unter 1 und 2 gestellten Anträgen erneut zu entscheiden;

4. die Vergabekammer zu verpflichten festzustellen, daß die Antragstellerin eine echte Chance auf Zuschlagserteilung in dem beanstandeten Vergabeverfahren gehabt hätte, die durch den Verstoß gegen bieterschützende Rechtsvorschriften beeinträchtigt wurde;

5. den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens auf 6,3 Mio DM festzusetzen;

6. die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Vergabekammer, hilfweise der Staatskasse aufzuerlegen.

Zur Begründung verweist sie im wesentlichen darauf, daß das nicht offene Verfahren, das nach der Zielsetzung des Beschlusses der Vergabekammer ab dem Zeitpunkt der Angebotsabgabe verfahrensfehlerfrei durchgeführt werden solle, schon deshalb nicht mehr ordnungsgemäß fortgesetzt werden könne, weil die Zuschlags- und Bindungsfrist am 24.2.1999 abgelaufen sei. Mit der Antragstellerin sei eine Verlängerung nicht vereinbart worden. Die Rüge hinsichtlich der Tariftreueerklärung sei zu Unrecht als gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB unzulässig zurückgewiesen worden. Die Vergabekammer sei in der Lage gewesen, eine echte Chance der Antragstellerin auf Zuschlagserteilung festzustellen, da es hierfür genüge, daß die Antragstellerin in die engere Wahl gekommen sei.

Die Vergabestelle ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist als das für den Sitz der Vergabekammer Südbayern zuständige Vergabegericht zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 GWB i.V.m. § 116 Abs. 4 GWB, § 1 Abs. 1 Nr. 25 ZustÜVJu, § 16 Abs. 3 GZVJu).

Das frist- und formgerecht (§ 117 GWB) eingelegte Rechtsmittel ist statthaft (§ 116 Abs. 1 Satz 1 GWB) und auch im übrigen zulässig.

Als Bietergemeinschaft konnte die Antragstellerin am Vergabeverfahren als Einheit teilnehmen (vgl. § 21 Nr. 4, § 25 Nr. 6 VOB/A) und ist daher auch für das Nachprüfungsverfahren als beteiligungsfähiges Unternehmen (§ 107 Abs. 2 Satz 1, § 109 GWB) anzusehen. Sie ist beschwerdeberechtigt (§ 116 Abs. 1 Satz 2 GWB) und jedenfalls im Nachprüfungsverfahren ordnungsgemäß vertreten. Der Vorstandsvorsitzende des Mitglieds der Bietergemeinschaft A hat dem Prokuristen des anderen Mitglieds am 16.11.1998 Vollmacht erteilt, "ihn" im Rahmen der Ausschreibung der Vergabestelle zu vertreten. Inhalt und Umfang dieser Vollmacht sind, da das Geschäft in Deutschland vorgenommen werden soll, nach den Grundsätzen des deutschen Rechts (vgl. Palandt/Heldrich BGB 58. Aufl. Anh. zu Art. 32 EGBGB Rn. 1) durch Auslegung zu bestimmen. Die Vollmacht ist nach Auffassung des Senats dahin zu verstehen, daß dem Prokuristen die Rechtsmacht eingeräumt wurde, die Firma A, eine Aktiengesellschaft französischen Rechts, in allen mit dem Ausschreibungsverfahren zusammenhängenden Angelegenheiten zu vertreten. Hierzu rechnet auch die Einleitung des gesetzlich vorgesehenen Nachprüfungsverfahrens. Der Prokurist hat nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung die Vollmacht für die Verfahrensbevollmächtigten der Bietergemeinschaft selbst unterzeichnet, und zwar für beide Mitglieder der Bietergemeinschaft, wie sich aus der Einleitung der Vollmacht ergibt. Hierzu war er zum einen gemäß § 49 Abs. 1 HGB, zum anderen durch die erwähnte Vollmacht berechtigt.

Die Beschwer der Bietergemeinschaft ist durch das Auslaufen der für ihr Angebot geltenden Bindungsfrist nicht entfallen. Denn dadurch scheidet eine Auftragsvergabe an sie nicht zwingend aus (vgl. Abschnitt II.2.d).

2. Das Rechtsmittel ist in der Sache nicht begründet.

a) Die auch im Verfahren der sofortigen Beschwerde zu berücksichtigenden allgemeinen Voraussetzungen für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens (§§ 98 - 100, 102, 107 Abs. 1 und 2 Satz 1, § 108 GWB) liegen vor. Die Antragstellerin war als Bietergemeinschaft aus den bereits dargelegten Gründen antragsbefugt (§ 107 Abs. 2 Satz 1 GWB).

Soweit die Vergabestelle rügt, die Antragstellerin habe das Verfahren gegen die früheren Eigenbetriebe und damit gegen die Stadt durchführen wollen, kann dem nicht gefolgt werden. Das Vergabeverfahren ist zwar durch die Stadt eingeleitet worden, da die Vergabestelle damals noch als Eigenbetrieb und damit als Sondervermögen der Stadt ohne eigene Rechtspersönlichkeit organisiert war (vgl. Art. 86 Nr. 1, Art. 88 Abs. 1 GO). Mit Wirksamwerden der Ausgliederung (§§ 168 ff. UmwG) durch deren Eintragung im Handelsregister am 3.9.1998 ist das Vermögen der Eigenbetriebe jedoch auf die Vergabestelle als selbständige juristische Person übergegangen (§§ 168, 171, 135 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Damit bestand das durch die Einleitung des Vergabeverfahrens mit den Bietern entstandene Rechtsverhältnis mit der jetzigen Beschwerdegegnerin als Vergabestelle fort. Diese forderte die Bewerber mit Schreiben vom 13.10.1998 unter ihrer neuen Bezeichnung zur Abgabe von Angeboten auf. Die schriftlichen Erklärungen, die die Antragstellerin im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens abgegeben hat, insbesondere das Angebot vom 18.11.1998, die Rüge vom 10.2.1999 und die Antragsschrift vom 12.2.1999, können nach ihrem objektiven Erklärungswert aus der Sicht des Empfängers (vgl. Palandt/Heinrichs § 133 Rn. 9) nur so verstanden werden, daß sie sich an die Stelle richten sollten, die gemäß der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 13.10.1998 den Auftrag erteilen würde. Das ist die Vergabestelle in ihrer jetzigen Rechtsform.

b) Die Vergabekammer war nicht verpflichtet, die anderen Bieter oder jedenfalls diejenigen Bieter, mit denen die Vergabestelle in Verhandlungen eingetreten war, von Amts wegen beizuladen (§ 109 GWB). Deshalb kann dahinstehen, welche Rechtsfolgen aus einer unterbliebenen (notwendigen) Beiladung für das Beschwerdeverfahren entstehen.

aa) Gemäß § 109 GWB sind Verfahrensbeteiligte neben dem Antragsteller und dem Auftraggeber auch diejenigen Unternehmen, deren Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden und die deswegen von der Vergabekammer beigeladen worden sind. Die Beiladung kann sowohl auf Antrag wie auch von Amts wegen erfolgen und soll die Beteiligung all derer sicherstellen, die durch eine für sie nachteilige Entscheidung der Vergabekammer eine Verletzung ihrer eigenen Rechte erfahren und - bei Nichtbeteiligung - ein weiteres Überprüfungsverfahren beantragen könnten (BT-Drucks. 13/9340 S. 18).

bb) Die Beiladung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Vergabekammer (Bechtold GWB 2. Aufl. § 109 Rn. 3). Jedoch kann unter Umständen eine Pflicht zur Beiladung bestehen. Für die Vorschrift des § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB, der § 109 GWB jedenfalls teilweise nachgebildet ist, wird eine solche Pflicht bejaht (sogenannte notwendige Beiladung), wenn der Verfahrensausgang für den Betroffenen rechtsgestaltende Wirkung hat (Frankfurter Kommentar/Bracher GWB 3. Aufl. Rn. 58, weitergehend Immenga/Mestmäcker/Schmidt GWB 2. Aufl. Rn. 45 f., jeweils zu § 51 a.F. m.w.N.). Diese Abgrenzung liegt auch der Vorschrift des Art. 13 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG zugrunde (vgl. zur lückenfüllenden Heranziehung der Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts im Verfahren vor der Vergabekammer Gröning ZIP 1999, 52/58). Der Senat sieht keinen Anlaß, für das auf besondere Beschleunigung angelegte Nachprüfungsverfahren einen Anspruch auf Beiladung unterhalb dieser Schwelle anzunehmen.

cc) Die Entscheidung der Vergabekammer hat hier für die anderen am Verfahren beteiligten Bieter keine rechtsgestaltende Wirkung. Die Vergabekammer hat, von geringfügigen die Bieter nicht beeinträchtigenden Abweichungen abgesehen, lediglich festgelegt, daß die Vergabestelle das Verfahren als nicht offenes Verfahren fortzuführen hat. Dies entspricht den Regeln, unter denen das Vergabeverfahren eingeleitet worden war. Dadurch ist weder in die verfahrensrechtliche Stellung einzelner Bieter eingegriffen worden, noch ist ihre rechtliche Chance auf den Zuschlag beeinträchtigt worden. Es mag sein, daß durch den nach Auffassung der Vergabekammer unzulässigen Übergang in das Verhandlungsverfahren, den die Vergabestelle vollzogen hat, die tatsächliche Chance einzelner Bieter auf den Zuschlag erhöht worden ist. Darin liegt aber keine Rechtsposition, die im Nachprüfungsverfahren geschützt werden müßte.

dd) Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob in Fällen einer notwendigen Beteiligung eine Pflicht der Vergabekammer zur Beiladung von Amts wegen besteht, oder ob es genügt, wenn die Vergabekammer die anderen Bieter von der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens (§ 107 Abs. 1, § 110 Abs. 2 Satz 1 GWB) benachrichtigt (vgl. Art. 13 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BayVwVfG) und ihnen so Gelegenheit gibt, einen Antrag auf Beiladung zu stellen. Die letztgenannte Verfahrensweise dürfte sich aus der Sicht des Senats allerdings jedenfalls dann empfehlen, wenn der Nachprüfungsantrag nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und eine Beeinträchtigung der Rechte der anderen Bieter durch die Entscheidung der Vergabekammer in Betracht kommen kann.

c) Bei der ihm obliegenden Überprüfung geht der Senat, da die Beschwerde von der Antragstellerin erhoben wird, von dem Vergabeverfahren aus in der Form, die es durch die Entscheidung der Vergabekammer gefunden hat (vgl. § 117 Abs. 2 Nr. 1 GWB). Auf dieser Grundlage hat er zu prüfen, ob die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist (vgl. für das Verfahren vor der Vergabekammer § 114 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GWB). Dagegen ist es nicht seine Aufgabe, unabhängig von einer Beschwerde der durch die Entscheidung der Vergabekammer beschwerten Vergabestelle die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung von Amts wegen in jeder Hinsicht zu überprüfen. Hat wie hier nur ein Bieter Beschwerde eingelegt, so ist Ziel des Beschwerdeverfahrens die Durchsetzung seiner Anspruchs auf Beachtung der seinen Schutz bezweckenden Vergabevorschriften (BT-Drucks. 13/9340 S. 12). Dieser Anspruch steht zur Disposition des Bieters. Der Bieter kann daher den Umfang der Nachprüfung jedenfalls insoweit bestimmen, als es sich um die Überprüfung selbständiger Teilbereiche des Vergabeverfahrens handelt. Damit stünde es nicht in Einklang, wenn er allein aufgrund seiner auf Durchsetzung seiner Rechte gerichteten Beschwerde im Ergebnis schlechter gestellt werden könnte als er aufgrund der Entscheidung der Vergabekammer steht.

Aus diesen Gründen ist die Überprüfung auch auf diejenigen (behaupteten) Rechtsverletzungen beschränkt, die die Antragstellerin ausdrücklich rügt. Die in § 117 Abs. 2 Nr. 1 GWB geforderte Erklärung des Beschwerdeführers dient dieser Eingrenzung. Dabei setzt die Vorschrift, da sie auf die Entscheidung der Vergabekammer abstellt, voraus, daß der Bieter die behauptete Rechtsverletzung zur Überprüfung der Vergabekammer gestellt (vgl. § 108 Abs. 2 GWB) und keinen Erfolg gehabt hat, oder daß er durch die Entscheidung der Vergabekammer neu beschwert ist. Durch die Erklärung gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 1 GWB legt der Bieter für das Beschwerdeverfahren fest, welche behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften, d.h. welche Verletzungen seiner Ansprüche gemäß § 97 Abs. 7 GWB im Beschwerdeverfahren (noch) überprüft werden sollen. Diese Eingrenzung des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens entspricht der Zielsetzung des Gesetzes (vgl. nur § 113 GWB und BT-Drucks. 13/9340 S. 20), eine rasche Durchführung des Verfahrens zu ermöglichen, damit die in vielen Fällen noch ausstehende Vergabeentscheidung nicht über das für den Rechtsschutz des Bieters unbedingt erforderliche Maß hinaus verzögert wird.

Da sich die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer richtet (§ 116 Abs. 1 Satz 1 GWB), sind auch im Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Überprüfung von Rechtsverletzungen die Einschränkungen zu beachten, die bereits im Verfahren vor der Vergabekammer gelten. Zur Überprüfung gestellt werden können daher nur (behauptete) Verstöße gegen Vergabevorschriften, die weder wegen Verletzung der Rügepflicht ausgeschlossen sind (§ 107 Abs. 3 GWB), noch deshalb ausscheiden, weil der Bieter den ihm entstandenden oder drohenden Schaden nicht dargelegt hat (§ 107 Abs. 2 Satz 2 GWB).

d) Die Rüge der Antragstellerin, die Vergabekammer habe die Vergabestelle nicht zur Fortsetzung des nicht offenen Verfahrens verpflichten dürfen, bleibt ohne Erfolg.

aa) Die Vergabekammer hat festgestellt, daß die Vergabestelle in das Verhandlungsverfahren übergegangen sei und daß diese Vorgehensweise durch die Bestimmungen der VOB/A nicht gedeckt sei. Dies nimmt die Antragstellerin als ihr günstig hin. Auch im Beschwerdeverfahren ist hiervon auszugehen, da insoweit eine Rechtsverletzung nicht behauptet ist. Die Vergabestelle hat gegen die Entscheidung der Vergabekammer kein Rechtsmittel eingelegt.

bb) Die Vergabekammer hat die Vergabestelle durch ihre Entscheidung vom 18.3.1999 mit bestimmten Maßgaben zur Fortführung des Vergabeverfahrens als nicht offenes Verfahren verpflichtet. Die Antragstellerin hält dies für rechtswidrig, da bereits am 24.2.1999 die Zuschlags- und (jedenfalls für sie) auch die Bindefrist abgelaufen sei. Damit sei das beanstandete Vergabeverfahren beendet. Diese Auffassung trifft nicht zu. Das Vergabeverfahren ist noch nicht beendet, so daß die Vergabekammer die im Beschluß im einzelnen aufgeführten Anordnungen treffen konnte.

(1) Die Zuschlagsfrist (§ 19 Nr. 1 VOB/A) bezeichnet den Zeitraum, den der Auftraggeber darauf verwendet festzustellen, welches der eingereichten Angebote für ihn das geeignetste ist und welches er deshalb annehmen, d.h. welchem Bieter er den Zuschlag erteilen will (Heiermann/Riedl/Rusam Handkommentar zur VOB 8. Aufl. A § 19 Rn. 1). Die der Zuschlagsfrist gleichlaufende (§ 19 Nr. 3 VOB/A) Bindefrist bedeutet die Zeitspanne, für die der Bieter an das von ihm abgegebene Angebot gebunden ist (§§ 145, 148 BGB; Heiermann/Riedl/Rusam aaO Rn. 2 f.). Die VOB/A sieht zwar vor, daß der Zuschlag innerhalb dieser Fristen zu erteilen ist (§ 28 Nr. 1 VOB/A), geht jedoch selbst davon aus, daß der Zuschlag auch nach Fristablauf erteilt werden kann (§ 28 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A). Dann wird allerdings der Vertrag nicht schon mit dem Zuschlag geschlossen; vielmehr stellt der Zuschlag in diesem Fall ein neues Angebot dar, das der Annahme durch den Bieter bedarf (§ 150 Abs. 1 BGB; vgl. § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A, Heiermann/Riedl/Rusam A § 26 Rn. 2 und A § 28 Rn. 14). Nimmt der Bieter dann den Zuschlag an, kommt der Vertrag zustande. Nur wenn er den Zuschlag ablehnt und aufgrund des verspäteten Zuschlags auch mit keinem anderen Bieter ein Vertrag zustande kommt, ist das Vergabeverfahren durch Aufhebung aus schwerwiegendem Grund (§ 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A) zu beenden. Allein der Fristablauf genügt zur Beendigung nicht (Heiermann/Riedl/Rusam A § 26 Rn. 2).

Hiervon abgesehen ist die Frage, ob, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen die Zuschlags- und Bindefrist verlängert werden kann, in den Vergabebestimmungen nicht ausdrücklich geregelt. Aus dem Zweck der Bindefrist folgt jedenfalls, daß eine solche Verlängerung nur im Einvernehmen mit den Bietern möglich ist. Strittig ist, ob alle Bieter zustimmen müssen (verneinend Heiermann/Riedl/Rusam A § 19 Rn. 9; aA Ingenstau/Korbion VOB-Kommentar 13. Aufl. § 19 VOB/A Rn. 14: alle für die Wertung nach § 25 Nr. 2 ff. VOB/A in Betracht kommenden Bieter; vgl. auch Daub/Piel/Soergel VOB/A ErlZ A 19.23, der die Zustimmung der in die engere Wahl kommenden Bieter verlangt). Eine Verlängerung während des Laufs der alten Frist fordert nur Ingenstau/Korbion aaO.

Nach Auffassung des Senats verlangen die für die Entscheidung der Frage maßgebenden Grundsätze des Wettbewerbs (vgl. § 97 Abs. 1 GWB) und der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) nur, daß auch nach Fristablauf allen für die Vergabe noch in Betracht kommenden Bietern die Möglichkeit gegeben wird, weiterhin am Vergabeverfahren teilzunehmen. Dies kann dadurch sichergestellt werden, daß diese Bieter aufgefordert werden, der sachlich gebotenen Fristverlängerung zuzustimmen. Hingegen ist es nicht erforderlich, daß ein durch die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nicht fristgerecht erteilter Zuschlag generell unterbleibt. Es genügt, wenn durch Vereinbarung mit den Bietern, die weiterhin an dem Auftrag interessiert sind und je nach Verfahrensstand für einen Zuschlag in Betracht kommen, eine neue Zuschlags- und Bindefrist in Lauf gesetzt und der Zuschlag innerhalb dieser Frist erteilt wird. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß die Zuschlagsfristen nach § 19 Nr. 2 VOB/A möglichst kurz gehalten werden sollen. Denn sie sollen nicht länger bemessen werden als der Auftraggeber für eine zügige Prüfung und Wertung der Angebote benötigt. Andererseits wird sich der Zuschlag schon wegen des mit einem Nachprüfungsantrag verbundenen Suspensiveffekts (§ 115 Abs. 1 GWB) in zahlreichen Fällen über eine kurz bemessene Frist hinaus zwangsläufig verzögern, wenn ein Bieter nach Beginn der Zuschlagsfrist (regelmäßig der Eröffnungstermin, § 19 Nr. 1 VOB/A) einen solchen Antrag stellt. Es entspräche nicht der Zielsetzung des Nachprüfungsverfahrens, wenn es ein Bieter in der Hand hätte, durch Stellung des Nachprüfungsantrags und Verweigerung der Zustimmung zur Fristverlängerung das Vergabeverfahren praktisch zu beenden.

(2) Hier endete die in der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 13.10.1998 ausgewiesene Zuschlagsfrist und damit auch die Bindefrist (vgl. Nr. 6 der Aufforderung) am 24.2.1999. Die von der Vergabekammer vorgesehenen weiteren Verfahrensschritte (Mitteilung des Submissionsergebnisses an die Bieter, Prüfung und Wertung der Angebote) bedingen zwar die Fortführung des Verfahrens. Dies kann die Vergabestelle jedoch dadurch erreichen, daß sie die für die Vergabe in Betracht kommenden Bieter zu einer Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist bis zu einem neuen Termin auffordert und diejenigen Bieter, die damit einverstanden sind, eine entsprechende Erklärung abgeben. Ob die Vergabestelle diesen Anforderungen entsprochen hat, ist nach den Darlegungen zu Abschnitt 2.c nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, da sich eine andere Verhaltensweise der Vergabestelle als Verstoß gegen Vergabevorschriften darstellen würde, den die Vergabestelle erst auf der Grundlage der von der Vergabekammer geschaffenen Verfahrenssituation begangen hätte.

e) Die Antragstellerin rügt weiter, daß die Vergabestelle zusammen mit dem Angebot die Abgabe einer Tariftreueerklärung verlangt hat. Auch diese Rüge bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

aa) Die Vergabekammer hat angenommen, dieser Verstoß sei nicht rechtzeitig gerügt worden und könne daher im Nachprüfungsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Dem kann sich der Senat nicht anschließen.

(1) Auf die Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB kann der Ausschluß der Rüge nicht gestützt werden. Danach ist der Antrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Dieser Ausschlußtatbestand paßt hier schon deshalb nicht, weil die in der Vorschrift genannte Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung im konkreten Vergabeverfahren bereits vor dem Inkrafttreten des Vergaberechtsänderungsgesetzes abgelaufen war.

(2) Auch nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist die Rüge nicht ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist ein Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat.

(a) Die Vorschrift ist grundsätzlich auch auf die hier in Frage stehende Rüge anwendbar, auch wenn sie erst durch das Vergaberechtsänderungsgesetz in das GWB eingefügt worden ist. Das Vergaberechtsänderungsgesetz ist am 1.1.1999 in Kraft getreten (Art. 4 des Gesetzes). Die erwähnte gesetzliche Rügeobliegenheit bestand daher erst ab dem 1.1.1999. Vor diesem Zeitpunkt konnte jedenfalls nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB eine Rüge nicht verlangt werden (vgl. zur Rechtslage vor dem 1.1.1999 unten Abschnitt (3)). Ist jedoch in einem vor dem 1.1.1999 eingeleiteten Vergabeverfahren der Zuschlag am 1.1.1999 noch nicht erteilt, trifft den Bieter die Rügeobliegenheit nach dieser Vorschrift seit deren Inkrafttreten am 1.1.1999. Ab diesem Zeitpunkt muß ein Bieter einen von ihm erkannten Mangel des Vergabeverfahrens unverzüglich rügen, auch wenn der Verstoß gegen Vergabevorschriften, auf den sich der Bieter berufen will, vor dem 1.1.1999 stattgefunden hat. Unterläßt er dies, so kann er den Verstoß nicht mehr im Nachprüfungsverfahren geltend machen. Dies beruht, wie das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Beschluß vom 13.4.1999 (Verg 1/99) überzeugend dargelegt hat, auf dem Zusammenhang zwischen dem erst durch das Vergaberechtsänderungsgesetz geschaffenen Anspruch des Bieters gemäß § 97 Abs. 7 GWB auf Einhaltung der Vergabebestimmungen und der Rügeobliegenheit gemäß § 107 Abs. 3 GWB. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Hier betrifft die Rüge die vergaberechtlichen Anforderungen an das Angebot, das nach dem Aufforderungsschreiben vom 13.10.1998 bis zum 19.11.1998 abzugeben war. Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB war daher von der Antragstellerin zu verlangen, daß sie den Verstoß, der nach ihrer Auffassung in der Anforderung einer Tariftreueerklärung liegt, nach dem 1.1.1999 unverzüglich rügte, sobald er ihr bekannt war.

(b) Der Senat kann jedoch nicht feststellen, daß die Antragstellerin den (behaupteten) Verstoß bereits am 1.1.1999 erkannt hatte. Zwar waren ihr die tatsächlichen Umstände bekannt, die dem Verstoß zugrundeliegen. Ob ein Verstoß vorliegt, ist hier jedoch aus Rechtsgründen zweifelhaft. Diese Zweifel führen dazu, daß von einer Kenntnis der Antragstellerin in dem durch § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB geforderten Sinn nicht ausgegangen werden kann.

Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 13/9340 S. 18) nennt als Ziel der Vorschrift die Präklusion von Rügen unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zur Vermeidung unnötiger Verfahren. Der Unternehmer, der Fehler im Vergabeverfahren erkenne, müsse dem Auftraggeber Gelegenheit geben, diese Fehler zu korrigieren. Es solle verhindert werden, daß der Unternehmer auf einen erkannten Fehler spekuliere, weil er sich möglicherweise zu seinen Gunsten auswirken könne. In anderen Vorschriften des bürgerlichen Rechts, die den Verlust einer Rechtsposition bei Kenntnis eines bestimmten Umstands vorsehen, wird, wenn rechtliche Wertungen erforderlich sind, grundsätzlich die positive Kenntnis der Rechtslage verlangt, wobei im Einzelfall Einschränkungen vorgenommen werden (vgl. z.B. zu § 814 BGB Palandt/Thomas § 814 Rn. 3, zu § 819 Abs. 1 BGB Palandt/Thomas § 819 Rn. 2 f.; zu § 892 BGB Palandt/Bassenge § 892 Rn. 24). Kenntnis wird allerdings regelmäßig auch dann angenommen, wenn sich ein redlich Denkender nicht der Überzeugung verschließen würde, die der rechtlichen Würdigung der tatsächlichen Umstände zugrundeliegt (vgl. für § 819 BGB BGHZ 133, 246; für § 892 BGB BGH LM § 892 Nr. 5). Gefordert wird aber stets, daß die Rechtslage eindeutig ist (vgl. für § 892 BGB die Nachweise bei Palandt/Bassenge aaO).

Nach diesen Maßstäben kann auch im Rahmen des § 107 Abs. 3 Satz I GWB von einer Kenntnis des Verstoßes grundsätzlich nur gesprochen werden, wenn dem Bieter einerseits die den Verstoß begründenden Tatsachen bekannt sind und andererseits diese Tatsachen jedenfalls bei objektiver Wertung einen Mangel des Vergabeverfahrens darstellen. Ist hierfür eine rechtliche Wertung erforderlich, muß diese Wertung jedenfalls nach der gängigen praktischen Handhabung zu einem Verstoß gegen Vergabevorschriften führen. Denn dem Bieter kann nicht zugemutet werden, bereits in einem frühen Stadium des Verfahrens das Verhältnis zur Vergabestelle dadurch zu belasten, daß er sozusagen auf Verdacht Verfahrensweisen rügt, die nicht einmal objektiv mit Sicherheit als Verstöße gewertet werden können. Ob anderes gelten kann, wenn der Bieter selbst von vornherein davon ausgeht, daß das Verhalten der Vergabestelle einen Verstoß gegen Vergabevorschriften darstellt, braucht hier nicht entschieden zu werden, da eine solche Fallgestaltung nicht gegeben ist.

Ob es zulässig ist, im Rahmen eines Vergabeverfahrens eine Tariftreueerklärung zu fordern, war und ist umstritten.

Das Bundeskartellamt (WuW 1998, 207) und das Kammergericht (ZIP 1998 ,1600; vgl. auch BGH NJW-RR 1999, 342) haben die Zulässigkeit des Verlangens nach Tariftreueerklärungen unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten verneint. Diese Entscheidungen sind jedoch nicht rechtskräftig und im Hinblick auf den hier maßgebenden vergaberechtlichen Aspekt (vgl. § 97 Abs. 7 GWB) nur von beschränkter Aussagekraft (vgl. Boesen IBR 1998, 177; Dieckert IBR 1998, 464; siehe auch Vergaberechts-Report 1998 Heft 10 S. 4). Der im Vergabeüberwachungsverfahren ergangene Beschluß des Vergabeüberwachungsausschusses des Bundes vom 16.12.1998 (WuW 1999, 324) betrifft die Rechtslage vor Inkrafttreten des Vergaberechtsänderungsgesetzes. Er trägt nach Auffassung des Senats (vgl. Abschnitt cc) der für die Rügepflicht maßgebenden Rechtslage nach dem 1.1.1999 im Hinblick auf die Übergangsvorschrift des Art. 3 Nr. 5 VgRÄG nicht hinreichend Rechnung.

Darüberhinaus ist zur Rechtfertigung der Anforderung von Tariftreueerklärungen wiederholt auf § 2 Nr. 1 VOB/A hingewiesen worden. Auf dieser Grundlage werden in zahlreichen Bundesländern bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Tariftreueerklärungen mit unterschiedlichem Inhalt gefordert (vgl. die Nachweise bei Heiermann/Riedl/Rusam A § 25 Rn. 32 c).

Unter diesen Umständen konnte die Antragstellerin diese Frage zu keinem Zeitpunkt zuverlässig beurteilen. Schon aus diesem Grund durfte ihre Rüge nicht als verspätet im Sinn des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB zurückgewiesen werden.

(3) Die Vergabekammer beruft sich darauf, daß der Bieter bereits vor Inkrafttreten des § 107 GWB im Rahmen seiner Prüf- und Hinweispflichten auf vergaberechtswidrige Festlegungen habe hinweisen müssen (vgl. auch Ingenstau/Korbion Einl. 53 und 57). Auch wenn diese Hinweispflichten auf rechtliche Aspekte wie die Zulässigkeit des Verlangens einer Tariftreueerklärung bezogen werden könnten, verböte es doch die dargestellte unsichere Rechtslage; auf dieser Grundlage die Rüge als ausgeschlossen anzusehen. Deshalb kann dahinstehen, ob diese Hinweispflichten überhaupt geeignet sind, den erst ab 1.1.1999 bestehenden Anspruch des Bieters auf Einhaltung der Vergabebestimmungen (§ 97 Abs. 7 GWB), der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, auszuschließen (vgl. dazu die erwähnte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13.4.1999).

bb) Gleichwohl hat die Vergabekammer im Ergebnis zu Recht die Rüge als unzulässig angesehen. Denn die Antragstellerin hat nicht hinreichend dargelegt, daß ihr durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (§ 107 Abs. 2 Satz 2 GWB).

(1) Diese mit Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG vom 21.12.1989 (Rechtsmittelrichtlinie) übereinstimmende Vorschrift soll verhindern, daß ein Bieter, der auch bei ordnungsgemäß durchgeführtem Vergabeverfahren keinerlei Aussicht auf Berücksichtigung seines Angebots und auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, ein Nachprüfungsverfahren einleiten kann, und konkretisiert dadurch die für alle Rechtsschutzverfahren geltende Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses (BT-Drucks. 13/9340 S. 42 und 50). Hierfür wird z.T. verlangt, daß der Antragsteller die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 126 GWB (also auch einer "echten Chance" auf den Auftrag) darlegt (Portz ZVgR 1998, 596/598). Erforderlich ist jedenfalls ein Vortrag, aus dem sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt.

Die Voraussetzungen des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB können nur anhand der einzelnen geltend gemachten Verletzungen von Vergabevorschriften geprüft werden; sie müssen daher auch hinsichtlich der einzelnen behaupteten Verstöße erfüllt sein. Mangelt es an einer entsprechenden Darlegung, fehlt dem Antragsteller (Beschwerdeführer) das rechtliche Interesse an der Nachprüfung des betroffenen Verstoßes. Diese Auslegung entspricht dem Anliegen des Gesetzgebers, das Nachprüfungsverfahren auf Rügen von Vergabeverstößen zu beschränken, die für die Vergabeentscheidung von Bedeutung sein können.

(2) Die geforderte Tariftreueerklärung hat die Antragstellerin abgegeben. Sie behauptet nicht und trägt hierzu auch nichts vor, daß wegen dieser Erklärung ihre Chancen auf den Zuschlag gemindert worden seien. Hinsichtlich des ihr drohenden Schadens hat sie vorgebracht, der Zwang zur Abgabe dieser Erklärung schmälere im Fall einer Auftragserteilung ihre Deckungsbeiträge, d.h. die in betriebswirtschaftlichen Berechnungen ausgewiesene Differenz aus den Erlösen und den nach dem Kostenverursachungsprinzip dem Auftrag zurechenbaren Kosten (Bruttogewinn; vgl. Gabler Wirtschaftslexikon 11. Aufl. Stichwort "Deckungsbeitrag"). Der geltend gemachte Nachteil besteht demnach nicht darin, daß die Antragstellerin die Tariftreueerklärung ihrem Angebot zugrunde legen müßte, sondern darin; daß sich bei Ausführung des Auftrags ihr Bruttogewinn gemindert hätte.

(3) § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB soll gerade bei Rügen von für die Vergabeentscheidung offensichtlich nicht relevanten Verstößen verhindern, daß diese der Überprüfung in einem Nachprüfungsverfahren unterzogen werden müssen. Für den Normalfall geht das Gesetz davon aus, daß ein an dem Auftrag interessiertes Unternehmen befürchtet, es werde aufgrund der behaupteten Verletzung der Vergabebestimmungen von der Möglichkeit ausgeschlossen, den Auftrag zu erhalten (Bechtold GWB 2. Aufl. § 107 Rn. 1). Hier jedoch hat die Antragstellerin die geforderte Tariftreueerklärung ohne Einschränkungen abgegeben. Sie macht nicht gebend, daß ihre Chancen auf den Zuschlag dadurch beeinträchtigt würden, daß sie die geforderte Erklärung nicht abgeben konnte oder wollte. Hinderlich für den Zuschlag kann deshalb hier nur das gegenüber den Mitbewerbern deutlich teurere Angebot sein. Unter diesen Umständen hätte die Darlegung der Kausalität des behaupteten Verstoßes für den behaupteten Schaden näheren Vortrag dazu vorausgesetzt, daß die Antragstellerin ohne Tariftreueerklärung ein wesentlich günstigeres Angebot vorgelegt hätte, sich also eine deutlich bessere Position im Rahmen der Wertung der Angebote verschafft hätte. Dies hätte insbesondere konkrete Darlegungen dazu erfordert, ob und inwieweit die Kalkulation der Antragstellerin durch das Verlangen nach einer Tariftreueerklärung beeinflußt wurde. Aus der Tatsache allein, daß die Antragstellerin bei Durchführung des Auftrags französische Arbeitskräfte einzusetzen beabsichtigte, ergibt sich dies nicht. Zu konkreten Darlegungen in dieser Hinsicht hätte umsomehr Anlaß bestanden, als die Antragstellerin, wie ihr bekannt war, nach rechnerischer Prüfung der Angebote nur an 10. Stelle von 11 Bietern lag.

Ein solcher Vortrag fehlt. Auch auf Hinweis des Senats hat sich die Antragstellerin nur auf die Schmällerung ihres Deckungsbeitrags berufen.

cc) Der Beschwerdeführer stützt seine Rüge der Unzulässigkeit der Tariftreueerklärung im Kern auf die auf der Grundlage des bisherigen Rechts ergangene Entscheidung des Vergabeüberwachungsausschusses des Bundes vom 16.12.1998 (WuW 1999, 324 ff.). Im Hinblick hierauf sieht sich der Senat zu folgendem Hinweis veranlaßt:

(1) Der zum 1.1.1999 festgelegte Anspruch des Bieters auf Beachtung vergaberechtlicher Bestimmungen (§ 97 Abs. 7 GWB), der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, richtet sich auf Einhaltung der Bestimmungen des neuen Vergaberechts. Deshalb kommt es darauf, ob die Anforderungen der hier fraglichen Tariftreueerklärungen vor dem 1.1.1999 unzulässig war, nicht mehr entscheidend an.

(2) Die Frage, in welchem Umfang vergabefremde Aspekte als zulässige Vergabekriterien anzuerkennen sind, war im Gesetzgebungsverfahren ein zentraler Diskussionspunkt des materiellen Vergaberechts. Die Neuregelung in Art. 97 Abs. 4 GWB in Verbindung mit der Übergangsregelung des Art. 3 Nr. 5 VgRÄG enthält einen gesetzgeberischen Kompromiß der widerstreitenden Interessen.

(3) § 97 Abs. 4 und 5 GWB ordnen nunmehr an, daß Aufträge an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen zu vergeben sind, und diesen der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist. "Weitergehende Anforderungen" dürfen nur durch formelles Gesetz vorgesehen werden, das aber nach allgemeinen Grundsätzen der Gesetzeslehre als speziellere Regelung Vorrang gegenüber allgemeinen gesetzlichen Vorschriften hat.

(4) Die Umsetzung dieses Konzepts läuft in der Sache darauf hinaus, daß der bisherige Wildwuchs "weitergehender Anforderungen" in der Form von verwaltungsinternen Vorschriften aufgehoben ist und gegebenenfalls durch eine spezielle Regelung in Form eines formellen Gesetzes ersetzt wird. Dies setzt aber ein Tätigwerden des Gesetzgebers voraus, das angesichts des Standes des Gesetzgebungsverfahrens zum Vergaberechtsänderungsgesetz in diesem Gesetz nicht mehr geleistet werden konnte, zumal auch die Kompetenzen des Landesgesetzgebers Berücksichtigung finden sollen. Das sofortige Inkrafttreten des Verbots untergesetzlich geregelter "weitergehender Anforderungen" hätte andererseits bedeutet, daß die Zulässigkeit der Berücksichtigung vergabefremder Aspekte zunächst übergangslos gänzlich weggefallen wären. Der Gesetzgeber des Vergaberechtsänderungsgesetzes, dem der Streit über die vergaberechtliche Zulässigkeit dieser "weitergehenden Anforderungen" bekannt war, hat sich deshalb entschlossen, den bisher geltenden Zustand unbeschadet bestehender rechtlicher Zweifel über dessen vergaberechtliche Zulässigkeit im Rahmen einer Übergangslösung befristet bis zum 30.6.2000 hinzunehmen (vgl. Art. 3 Nr. 5 VgRÄG).

f) Das Begehren der Antragstellerin, die Vergabekammer zu der Feststellung zu verpflichten, daß die Antragstellerin eine echte Chance auf Zuschlagserteilung in die beanstandeten Vergabeverfahren gehabt hätte, bleibt ohne Erfolg. Es bezieht sich auf die Regelung des § 126 GWB. Danach kann ein Unternehmen Schadensersatz für die Kosten der Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme an dem Vergabeverfahren verlangen, wenn der Auftraggeber gegen eine den Schutz des Unternehmens bezweckende Vorschrift verstoßen hat und das Unternehmen ohne diesen Verstoß bei der Wertung der Angebote eine echte Chance gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten (vgl. zum Begriff der "echten Chance" Schnorbus BauR 1999, 77/92 ff.).

Die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen eines solchen Schadensersatzanspruchs gegeben sind, ist, wie sich auch aus § 124 Abs. 1 GWB ergibt, weiterhin von den ordentlichen Gerichten zu treffen. Das mit der Schadensersatzforderung befaßte Gericht ist allerdings nach den genannten Vorschriften bei seiner Beurteilung in gewissem Umfang an eine bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer oder die Entscheidung des Vergabesenats im Nachprüfungsverfahren gebunden. Dieses Verfahren beschränkt sich jedoch auf die Prüfung, ob der Antragsteller (d.h. das Unternehmen im Sinn des § 126 GWB) in seinen Rechten verletzt ist (§ 114 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GWB, vgl. Abschnitt c), gegebenenfalls auf weitere Maßnahmen zur Herstellung eines rechtmäßigen Vergabeverfahrens (§ 114 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 GWB). Nur in diesem Rahmen kann eine Bindung eintreten. Dagegen ist nicht Gegenstand des Verfahrens, ob das Unternehmen ohne einen festgestellten Verstoß eine echte Chance gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten. Deshalb ist es auch insoweit nicht Aufgabe dieses Verfahrens, über Schadensersatzansprüche des verletzten Unternehmens zu befinden. Die in § 124 Abs. 1 GWB vorgesehene Bindung des für den Schadensersatzanspruch zuständigen Gerichts soll lediglich der nochmaligen gerichtlichen Überprüfung derselben Sach- und Rechtsfragen vorbeugen, nicht aber Fragen des Schadensersatzverfahrens in das Nachprüfungsverfahren verlagern. Die von der Antragstellerin begehrte Feststellung kann daher im Nachprüfungsverfahren nicht getroffen werden. Deshalb kommt auch eine entsprechende Verpflichtung der Vergabekammer nicht in Betracht.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

§§ 97 ff. GWB enthalten keine ausdrückliche Regelung der Frage der Kostentragungspflicht im Beschwerdeverfahren. Für das Verfahren vor der Vergabekammer bestimmt § 128 Abs. 3 GWB allerdings, daß der unterliegende Beteiligte die Kosten zu tragen hat. Ferner sieht § 128 Abs. 4 GWB für dieses Verfahren bei erfolgreichem Antrag eine Erstattung hinsichtlich der Aufwendungen der Beteiligten vor und bestimmt, daß ein unterliegender Beteiligter die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen hat. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in der erwähnten Entscheidung vom 13.4.1999 für das Beschwerdeverfahren auf eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen zurückgegriffen.

Für das Kartellbeschwerdeverfahren enthält § 78 S. 1 und 2 GWB eine dem § 13a FGG vergleichbare Regelung; das Gesetz bestimmt jedoch nicht ausdrücklich, daß diese Vorschrift auch im Vergabenachprüfungsverfahren anwendbar ist, obwohl § 120 Abs. 2 GWB in weitem Umfang auf das Kartellbeschwerdeverfahren verweist. Gleichwohl wird z.T. ein Rückgriff auf diese Bestimmungen befürwortet (Gröning ZIP 1999, 181/185).

Eine dritte Ansicht befürwortet die entsprechende Anwendung der §§ 91 ff. ZPO (Bechtold § 123 Rn. 2).

Der Senat hat keinen Anlaß zu entscheiden, welcher Auffassung zu folgen ist. Denn im vorliegenden Fall führen sie zu dem einheitlichen Ergebnis, daß die in vollem Umfang unterlegene Antragstellerin sowohl die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens wie auch die der Vergabestelle entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

5. Der Beschwerdewert wurde gemäß § 12a Abs. 2 GKG auf 5 % der Auftragssumme festgesetzt. Hierbei wurde, da ein Auftrag bisher nicht erteilt ist, von der im Vergabebericht enthaltenen Kostenschätzung ausgegangen.

Ende der Entscheidung

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