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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.11.2002
Aktenzeichen: Verg 27/02
Rechtsgebiete: VOB/A
Vorschriften:
VOB/A § 10 Nr. 5 Abs. 3 | |
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Das Bauamt der Technischen Universität München als Vergabestelle des Antragsgegners (im folgenden: Vergabestelle) schrieb im Mai 2002 im Rahmen der Gesamtbaumaßnahme "Bayerisches Behördennetz für Sprachkommunikation" das Gewerk Lieferung und Montage von Telekommunikationsanlagen (4 Lose) im Offenen Verfahren nach VOB/A europaweit aus. In den Ausschreibungsunterlagen war festgelegt, dass das Vergabeverfahren nach den Vorschriften der VOB/A erfolgt und der Abwicklung der Baumaßnahme die VOB/B zugrunde zu legen sind. Die Bewerbungsbedingungen für die einzureichenden Angebote enthielten unter Nr. 6 unter der Überschrift "Nachunternehmer" folgende Bestimmung:
"Beabsichtigt der Bieter, Teile der Leistung von Nachunternehmern ausführen zu lassen, muss er in seinem Angebot Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben und auf Verlangen die vorgesehenen Nachunternehmer benennen."
Die Antragstellerin gab ein Angebot für alle 4 Lose ab. In ihrem Angebotsschreiben nach dem einheitlichen Verdingungsmuster EVM (B) Ang 213 erklärte sie zum Nachunternehmereinsatz unter Nr. 5.1 durch Ankreuzen der entsprechenden Rubrik, sie werde die in der von ihr beigefügten Liste zu 213 Nr. 5.1 aufgeführten Leistungen an Nachunternehmer übertragen, obwohl ihr Betrieb auf diese Leistungen eingerichtet sei. Die von der Antragstellerin entsprechend dieser Erklärung ihrem Angebot beigefügte Liste mit der Überschrift "Verzeichnis über Art und Umfang der von Nachunternehmern auszuführenden Leistungen" enthielt lediglich die Eintragung "S.-AG,... ".
Bestandteil der Verdingungsunterlagen und des Angebots der Antragstellerin war auch das Formblatt Erg Ang VOB 2001 "Tariftreue- und Nachunternehmererklärung bei Baumaßnahmen des Landes". In diesem erklärte die Antragstellerin formularmäßig, sie werde die Leistungen, auf die ihr Betrieb eingerichtet sei, weitgehend (gleichbedeutend mit mindestens 70 v. H.) im eigenen Betrieb ausführen. Zum Umfang der Eigenausführung habe sie die erforderlichen Angaben in Nr. 5 des Angebotsschreibens gemacht.
In ihrem Begleitschreiben zum Angebot vom 12.8.2002 hatte die Antragstellerin angegeben, für die Ausführung des Projekts stünde in ihrem Betrieb ein "Team Bayern Online" zur Verfügung. Des weiteren könne auf das Montage- und Servicepersonal der Firma S. zurückgegriffen werden.. Zur Förderung des Mittelstandes sei vorgesehen, Nachunternehmer verteilt auf Bayern zur weiteren Unterstützung einzusetzen.
Nach rechnerischer Prüfung durch die Vergabestelle lag das Angebot der Antragstellerin bei den Losen 1 bis 4 jeweils an erster, das Angebot der Beigeladenen jeweils an zweiter Stelle.
Die Vergabestelle informierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 2.9.2002 von ihrer Absicht, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Das Angebot der Antragstellerin werde ausgeschlossen, weil es entgegen Nr. 6 der Bewerbungsbedingungen die erforderlichen Angaben über Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen nicht enthalte.
Die Antragstellerin rügte gegenüber der Vergabestelle die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene und stellte, nachdem die Vergabestelle bei ihrer Entscheidung geblieben war, mit Schreiben vom 11.9.2002 Antrag auf Nachprüfung nach §§ 102, 107 GWB. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 9.10.2002 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 24.10.2002, die sie mit einem Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung dieser sofortigen Beschwerde verbunden hat.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB zu verlängern, war abzulehnen, da die Beschwerde der Antragstellerin keine Aussicht auf Erfolg hat. Zutreffend hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen.
1. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens liegen vor. Die Antragstellerin ist antragsbefugt (§ 107 Abs. 2 GWB). Die Antragstellerin hat mittels ihres Vorbringens, der Zuschlag sei ihr zu erteilen, da sie im Ausschreibungsverfahren das günstigste Angebot abgegeben habe und keine Gründe vorlägen, wonach ihr Angebot auszuschließen sei, dargelegt, dass ihr durch die behauptete vergaberechtswidrige Nichtberücksichtigung bei der Erteilung des Zuschlags ein Schaden zu entstehen droht.
2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet, weil die Vergabestelle zu Recht angekündigt hat, das Angebot der Antragstellerin bei der Erteilung des Zuschlags nicht zu berücksichtigen.
Die im Angebot der Antragstellerin enthaltenen Angaben zum beabsichtigten Nachunternehmereinsatz weisen Lücken und Unklarheiten auf mit der Folge, dass der Umfang der angebotenen Nachunternehmerleistungen für die Vergabestelle nicht erkennbar war. Dies hat den Ausschluß des Angebots zur Folge.
a) Nach § 10 Nr. 5 Abs. 3 VOB/A kann der Auftraggeber die Bieter auffordern, in ihrem Angebot die Leistungen anzugeben, die sie an Nachunternehmer zu vergeben beabsichtigen. Von dieser Möglichkeit hat die Vergabestelle hier Gebrauch gemacht, indem sie unter Nr. 6 der Bewerbungsbedingungen vorgegeben hat, dass der Bieter in seinem Angebot Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben muss.
Hierzu enthält das Angebot der Antragstellerin jedoch nur lückenhafte, unklare und widersprüchliche Angaben.
aa) Der unter Bezugnahme auf die beigefügte Liste erfolgten Erklärung der Antragstellerin unter Nr. 5.1 des Angebotschreibens ist die Absicht der Antragstellerin zu entnehmen, nicht näher bezeichnete Leistungen an Nachunternehmer zu übertragen, obwohl ihr Betrieb auf diese Leistungen eingerichtet ist. Als Nachunternehmer wird die S.-AG genannt. Weder zur Art noch zum Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen enthält diese Erklärung irgendwelche Angaben.
bb) Die formularmäßige Erklärung in der Tariftreue- und Nachunternehmererklärung enthält lediglich eine Äußerung der Antragstellerin dahingehend, dass sie mindestens 70 v.H. der Leistungen, auf die ihr Betrieb eingerichtet ist, im eigenen Betrieb ausführen werde. Insoweit kann die Erklärung der Antragstellerin dahingehend verstanden werden, dass der Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen 30 v.H. nicht übersteigen wird. Die geforderten konkreten Festlegungen zum Umfang des Nachunternehmereinsatzes sind dieser Erklärung ebenso wenig zu entnehmen wie irgendwelche Angaben zur Art der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen.
cc) Auch die Angaben der Antragstellerin im Angebotsbegleitschreiben vom 12.8.2002 enthalten keine konkreten Festlegungen zur Art und zum Umfang des Nachunternehmereinsatzes. Mit ihrem Hinweis, dass auf Montage- und Servicepersonal der Firma S. zurückgegriffen werden könne, wiederholt die Antragstellerin lediglich die bereits in der Liste zu 213 Nr. 5.1 enthaltene Aussage, dass die Firma S. als Nachunternehmer in Betracht komme. Diese für sich genommen eindeutige Erklärung zur Firma S. als (einziger) möglicher Nachunternehmer wird aber durch die nachfolgende widersprüchliche Angabe, zur Förderung des Mittelstands sei vorgesehen, Nachunternehmer verteilt auf Bayern zur weiteren Unterstützung einzusetzen, in Frage gestellt und insgesamt unklar. Da der Einsatz des Großunternehmens S.-AG als Nachunternehmer mit Mittelstandsförderung nicht ohne weiteres in Verbindung gebracht werden kann, war die Angabe von einem vernünftigen Empfänger in der Lage der Vergabestelle objektiv so aufzufassen (vgl. BayObLG VergabeR 2001, 222/224), dass die Antragstellerin auch den Einsatz weiterer bisher nicht namentlich genannter mittelständischer Nachunternehmer vorgesehen hat, wobei zur Art und Umfang dieses Nachunternehmereinsatzes wiederum jegliche konkrete Angaben fehlen.
b) Entgegen den von der Vergabestelle in Einklang mit § 10 Nr. 5 Abs. 3 VOB/A gestellten Anforderungen war aus dem Angebot der Antragstellerin somit allenfalls ersichtlich, dass sie mit bis zu 30 v.H. der zu erbringenden Leistungen Nachunternehmer beauftragen wollte, nicht aber, in welchem konkreten Umfang und für welche Art von Leistungen. Dies wird offenbar auch von der Antragstellerin selbst so gesehen, da sie in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 24.10.2002 (S. 6 und S. 8) ausdrücklich vorträgt, "überhaupt keine Erklärung" bzw. "letztlich keine verwertbare Erklärung" zum Nachunternehmereinsatz abgegeben zu haben.
Soweit die Antragstellerin ausgehend von ihrer eigenen Prämisse, keine (verwertbaren) Erklärungen zum Nachunternehmereinsatz abgegeben zu haben, der Ansicht ist, ihr Angebot habe gleichwohl nicht ausgeschlossen werden dürfen, verkennt sie, dass ihr Angebot infolge der fehlenden und unklaren Angaben zum Nachunternehmereinsatz seinem Inhalt nach weder eindeutig noch bestimmbar und damit nicht annahmefähig war (Palandt/ Heinrichs BGB 61. Aufl. § 145 Rn. 11). Ein Vertragsangebot muss so beschaffen sein, dass der Vertrag mit der Annahmeerklärung zustande kommen kann. Das bedeutet, dass es nach seinem Inhalt derart bestimmt sein muss, dass die Annahme durch ein einfaches "ja" erfolgen kann (vgl. BayObLG Beschluss vom 10.10.2000 - Verg 5/00 - Umdruck S. 9). Dem wird das Angebot der Antragstellerin nicht gerecht.
Hier kommt noch hinzu, dass das zu den Verdingungsunterlagen und zum Angebot der Antragstellerin gehörende Formblatt "Tariftreue- und Nachunternehmererklärung bei Baumaßnahmen des Landes" unter Nr. 2.2 die Regelung enthält, dass für den angegebenen Umfang der Weitergabe von Leistungen an Nachunternehmer die nach § 4 Nr. 8 Abs. 1 Satz 2 VOB/B erforderliche Zustimmung des Auftraggebers mit Vertragsschluss als erteilt gelte. Ein in bezug auf den Nachunternehmereinsatz weder eindeutiges noch bestimmbares Angebot ist somit auch unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Zustimmung der Vergabestelle zum Nachunternehmereinsatz nicht annahmefähig.
Soweit die Antragstellerin aus ihrem unklaren Angebot nunmehr die Folgerung ziehen möchte, mangels verwertbarer Erklärungen zum Nachunternehmereinsatz sei sie gemäß § 4 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B zur Ausführung sämtlicher Leistungen im eigenen Betrieb verpflichtet und ihr in diesem Sinne zu verstehendes Angebot sei annahmefähig, kann sie nicht durchdringen. Ein solches Verständnis des Angebots der Antragstellerin trägt dem in den Vergabebedingungen zum Ausdruck gekommenen Willen der Vergabestelle, Nachunternehmereinsatz nicht grundsätzlich auszuschließen, sondern Sachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Bieters auch anhand der geforderten Angaben zum Nachunternehmereinsatz zu beurteilen und gegebenenfalls bei der Vergabe die gemäß § 4 Nr. 8 Abs. 1 Satz 2 VOB/B erforderliche Zustimmung zum Nachunternehmereinsatz zu erteilen, nicht Rechnung und ist mit den Erklärungen der Antragstellerin, denen zufolge Nachunternehmereinsatz grundsätzlich in Betracht kommt, nicht zu vereinbaren. Der Beschluss des Kammergerichts vom 15.4.2002 (Kart Verg 3/02 - VergabeR 2002, 398), auf den die Antragstellerin hingewiesen hat, betraf einen anders gelagerten Sachverhalt; insbesondere war es in dem dort entschiedenen Fall den Bietern generell nicht gestattet, Nachunternehmer einzusetzen (vgl. VergabeR 2002, 398/402).
Darüber hinaus trägt der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin durch die Vergabestelle dem Umstand Rechnung, dass ein Angebot, das entgegen § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A nicht sämtliche von der Vergabestelle geforderten wettbewerbserheblichen Erklärungen enthält, nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b VOB/A zwingend auszuschließen ist. Dies gilt grundsätzlich auch bei einer Aufteilung des ausgeschriebenen Gewerks in Lose für das Angebot in seiner Gesamtheit. Bei Art und Umfang eines beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes handelt es sich grundsätzlich um kalkulationserhebliche Erklärungen, die sich wegen ihrer erheblichen Bedeutung für die Beurteilung der Sachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit eines Bieters auf die Wettbewerbsstellung auswirken (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28.8.2002 - Verg 20/02; Thüringer OLG VergabeR 2002, 256/259; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.6.2001 - Verg 10/00; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.5.2000 - 11 Verg 1/99; Beck'scher VOB-Kommentar/Prieß § 10 Rn. 15 und § 21 Rn. 34; Heiermann/Riedl/Rusam VOB 9. Aufl. A § 25 Rn. 127). Ob eine andere Beurteilung dann geboten sein könnte, wenn die an Nachunternehmer zu vergebenden Leistungen nur einen ganz geringfügigen Anteil an dem Gesamtauftrag ausmachen, kann hier offen bleiben, da nach den Erklärungen der Antragstellerin in ihrem Angebot ein Nachunternehmereinsatz bei bis zu 30 v.H. der zu erbringenden Leistungen in Betracht kam und das Angebot jedenfalls deshalb, weil es unvollständig und damit nicht ohne weiteres annahmefähig war, ausgeschlossen werden musste.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB sind Kosten des Beschwerdeverfahrens, über die entsprechend §§ 91 ff. ZPO einheitlich im Rahmen der Entscheidung über die Kosten der Hauptsache zu befinden ist.
Ende der Entscheidung
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