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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.12.1999
Aktenzeichen: Verg 7/99
Rechtsgebiete: VOB/A, GWB, VertrV, VgV, VOL/A, GKG


Vorschriften:

VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 1
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b
VOB/A § 25 Nr. 2 Abs. 1
VOB/A § 25 Nr. 3
VOB/A § 26 Nr. 1 Buchstabe a
VOB/A § 3 a Nr. 5 Buchstabe d
VOB/A § 1 a
VOB/A § 24
VOB/A § 24 Nr. 1 Abs. 1
VOB/A § 24 Nr. 2
GWB § 114 Abs. 2 Satz 1
GWB § 114 Abs. 2 Satz 2
GWB § 116 ff
GWB § 115 Abs. 1
GWB § 98 Nr. 1
GWB § 99 Abs. 1
GWB § 99 Abs. 3
GWB § 100 Abs. 1
GWB § 128 Abs. 3 Satz 1
GWB § 128 Abs. 4 Satz 2
VertrV § 1 Abs. 1 Nr. 1 a
VgV § 3 Abs. 1
VOL/A § 8 Nr. 4
GKG § 12 a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Verg 7/99

Vergabekammer Südbayern 120-3194.1-04-03/99

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BESCHLUSS

Der Vergabesenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Gummer sowie der Richter Sprau und Seifried

am 28. Dezember 1999

in dem Nachprüfungsverfahren

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß der Vergabekammer Südbayern vom 17. August 1999 aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, daß der Ausschluß des Angebots der Antragstellerin von der Wertung rechtswidrig war.

III. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens, jeweils einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin, zu tragen. Es wird festgestellt, daß die Zuziehung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor der Vergabekammer notwendig war.

IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 183.373 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Staatliche Hochbauamt hatte die Baumeisterarbeiten für das Bauvorhaben Neubau eines Dienstgebäudes im offenen Verfahren nach vorheriger öffentlicher Ankündigung ausgeschrieben. Die eingegangenen 13 Angebote wurden am 17.12.1998 eröffnet. Nach dem vorläufigen Submissionsergebnis (ungeprüfte Angebotssummen einschließlich angebotener Skonti. und Nachlässe) war die Antragstellerin günstigster Bieter. In der ersten Wertungsstufe wurden 9 Angebote wegen fehlender Erklärungen in den Verdingungsunterlagen ausgeschieden. Die Vergabestelle nahm die Prüfung der Angebotspreise der verbleibenden 4 Angebote - unter denen sich das Angebot der Antragstellerin befand - unter Einbeziehung des Gesamtpreises aller Bedarfspositionen vor. Dadurch änderte sich die Bieterfolge; die ohne Berücksichtigung der Bedarfspositionen an erster Stelle stehende Antragstellerin nahm unter Einbeziehung der Bedarfspositionen nur noch die dritte Stelle ein. Die Antragstellerin beantragte deswegen ein Nachprüfungsverfahren. Die Vergabekammer Südbayern wies die Vergabestelle mit Beschluß vom 1.3.1999 Az. 120.3-394.1-01-01/99 an, die Angebotswertung ohne Einbeziehung der Bedarfspositionen durchzuführen. Diese Entscheidung blieb unangefochten.

Am 8.3.1999 führte die Vergabestelle mit der Antragstellerin ein Bietergespräch. Mit Schreiben vom gleichen Tage teilte sie der Antragsstellerin mit, daß ihr Angebot "aus formalen Gründen und Eignungsgründen ausgeschieden werden" müsse. Die Begründung hierzu war im Schreiben der Vergabestelle vom 10.3.1999 enthalten. Darin beanstandete die Vergabestelle insbesondere, daß die in mehreren Positionen des Leistungsverzeichnisses vorgesehenen Bietereintragungen fehlten; insofern müsse das nicht § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A entsprechende Angebot nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b VOB/A ausgeschlossen werden. Die Antragstellerin habe ferner die Formblätter EFB-Preis 1 a, 1 b und 2 zurückgereicht mit einem Aufkleber, auf dem stand: "wird im Auftragsfall nachgereicht". Auch das stelle eine formale Verletzung der Auslobungsbedingungen dar, da die Antragstellerin demnach erst nach dem Zuschlag bereit sei, Auskunft über ihre Kalkulation zu geben. Der Auftraggeber müsse jedoch vor dem Zuschlag Angaben zur Preisermittlung erhalten. Ferner fehle es an der nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A zu prüfenden Eignung; ein Schreiben der Antragstellerin vom 15.1.1999 und eingezogene Erkundigungen begründeten Zweifel an der Eignung des Unternehmens.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 16.3.1999 beantragte die Antragstellerin erneut ein Nachprüfungsverfahren, das die Vergabekammer am 17.3.1999 einleitete.

Am 23.3.1999 teilte die Vergabestelle der Vergabekammer mit, daß die Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 Buchstabe a VOB/A aufgehoben werde, weil kein Angebot eingegangen sei, das den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Sie führte nun, wie sie mit Schreiben vom 24.3.1999 weiter mitteilte, "aufgrund der äußersten Dringlichkeit der Vergabe ein Verhandlungsverfahren ohne öffentliche Bekanntmachung entsprechend § 3 a Nr. 5 Buchstabe d VOB/A" durch und erteilte am 26.3.1999 den Zuschlag einem anderen Bieter.

Die Vergabekammer teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 1.4.1999 mit, das Nachprüfungsverfahren habe sich durch Aufhebung des Vergabeverfahrens erledigt. Mit Schriftsätzen vom 6. und 7.4.1999 erklärte die Antragstellerin, sie gehe mit der Vergabekammer konform, daß durch die Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens sich das Verfahren vor der Vergabekammer erledigt habe, und beantragte gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB festzustellen, daß der Ausschluß ihres Angebots aus der Wertung rechtswidrig gewesen sei.

Die Vergabekammer forderte von der Vergabestelle nähere Angaben über die Bedeutung der fehlenden Bieterangaben im Leistungsverzeichnis für die Angebotswertung. Von den insgesamt 34 Positionen des Leistungsverzeichnisses, bei denen Bietereintragungen vorgesehen waren, führte die Vergabestelle mit Schreiben vom 18.5.1999 10 Positionen an, bei denen das Fehlen der geforderten Eintragung die Wertung beeinträchtigt habe.

Mit Beschluß vom 17.8.1999 wies die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurück. Der Ausschluß des Angebots der Antragsstellerin sei zwar nicht wegen der Nachunternehmererklärung, auch nicht wegen der fehlenden Angaben in den Formblättern EFB-Preis 1 a, 1 b und 2 und wegen fehlender Bietererklärungen zu 7 der 10 von der Vergabestelle gerügten Positionen gerechtfertigt gewesen, wohl aber wegen des Fehlens der Bietererklärungen in den restlichen 3 Positionen, die eine Bodenplatte und die Bauschuttentsorgung betrafen (2.8.300, 1.4.382, 1.4.383).

Gegen diesen ihren Anwälten am 18.8.1999 zugestellten Beschluß legte die Antragstellerin mit am 1.9.1999 eingegangenem Anwaltsschriftsatz sofortige Beschwerde ein. Sie wendet sich gegen die Beurteilung der Vergabekammer, die fehlenden Bieterangaben in den 3 Positionen des Leistungsverzeichnisses seien für die weitere Wertung erheblich gewesen und könnten daher zum Ausschluß des Angebots führen. Diese Angaben hätten jedenfalls nachgefordert und nachgeholt werden können.

Der Antragsgegner ist diesen Ausführungen entgegengetreten und hat außerdem geltend gemacht, daß auch von der Vergabekammer nicht anerkannte Ausschlußgründe bestanden hätten, nämlich die Nichteinreichung der (ausgefüllten) Formblätter EFB-Preis 1 und 2 mit der Erklärung, diese Angaben würden erst "im Auftragsfall", also nicht vor dem Zuschlag nachgereicht, und die fehlenden Bieterangaben zu den 7 Positionen des Leistungsverzeichnisses, die von der Vergabekammer zu Unrecht als unerheblich angesehen worden seien.

Die Antragstellerin meint, es sei allein darüber zu entscheiden, ob die von der Vergabekammer für die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses ihres Angebots angeführten Gründe zuträfen. Die weiteren Ausschlußgründe, auf die sich der Antragsgegner außerdem noch berufe, könnten nicht berücksichtigt werden, weil sie außerhalb des Umfangs der Anfechtung lägen.

II.

Die frist- und formgerecht beim zuständigen Gericht (§ 116 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 GWB, § 1 Nr. 25 ZustÜVJu, § 16 Abs. 3 GZVJu) eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (§ 116 Abs. 1, § 117 Abs. 1, 2 und 3 GWB). Die Antragstellerin ist durch die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer beschwert, da mit dieser ihr Antrag auf Feststellung einer Rechtsverletzung (§ 114 Abs. 2 Satz 2 GWB) zurückgewiesen wurde (vgl. Bechtold GWB 2. Aufl. § 116 Rn. 2).

Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die Vergabestelle hat den Anspruch der Antragstellerin auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren (§ 97 Abs. 7 GWB) dadurch verletzt, daß sie ihr Angebot ausschloß; der Ausschluß war nicht nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A gerechtfertigt.

1. Der Senat geht davon aus, daß die Vertretung des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren nach §§ 116 ff GWB nicht durch die Verordnung über die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern geregelt wird, da es sich nicht um ein Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 a VertrV handelt, sondern um ein Verfahren eigener Art, das wie die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Stadler DÖV 1960, 815; Eder BayVBl 1969, 157/158 Fußn. 11) in der Vertretungsverordnung nicht geregelt ist. Die Vertretung des Antragsgegners ergibt sich daher, solange eine andere Regelung nicht getroffen ist, aus dem Ressortprinzip; er wird von derjenigen Behörde vertreten, die den Sachverhalt, aus dem sich das Gerichtsverfahren entwickelt hat, verwaltungsmäßig bearbeitet hat, oder von einer übergeordneten Behörde dieses Geschäftsbereichs (Eder aaO S. 157; Stadler aaO; vgl. auch Sprau/Bauer Justizgesetze in Bayern § 1 VertrV Rn. 10 und Art. 23 AGGVG Rn. 1), hier also zulässigerweise von der Mittelbehörde in der Bauverwaltung des Antragsgegners. Unter rechtlichen Gesichtspunkten steht dem nicht entgegen, daß die Vergabekammer bei derselben Behörde gebildet ist.

2. Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob die Antragstellerin durch den Ausschluß ihres Angebots in ihrem Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren verletzt wurde.

a) Die Antragstellerin hat im Verfahren vor der Vergabekammer ihren Antrag nach § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB darauf beschränkt, festzustellen, daß sie durch den Ausschluß ihres Angebots in ihren Rechten verletzt worden sei. Diese Beschränkung des Antrags auf Feststellung der Rechtsverletzung hat die Vergabekammer für zulässig gehalten, weil sich das Nachprüfungsverfahren durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens erledigt habe. Dies ist im Ergebnis zutreffend, obwohl zweifelhaft ist, ob die Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 Buchst. a VOB/A aufgehoben werden konnte; denn wenn das Angebot der Antragstellerin - zum Zeitpunkt des 8.3.1999 - nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen, so stand zumindest noch nicht fest, ob kein Angebot eingegangen war, das den Ausschreibungsbedingungen entsprach. Die Antragstellerin hat sich aber gegen die Aufhebung der Ausschreibung nicht gewandt. Der Anspruch des Bieters auf Beachtung der seinen Schutz bezweckenden Vergabevorschriften steht zu seiner Disposition. Er kann den Umfang der Nachprüfung jedenfalls insoweit bestimmen, als es sich um die Überprüfung selbständiger Teile des Vergabeverfahrens handelt (BayObLGZ 1999, 127/134 f.). Da die Antragstellerin die Aufhebung der Ausschreibung hingenommen und eine Verletzung des § 26 Nr. 1 Buchst. a VOB/A nicht gerügt hat, ist die Beendigung des Vergabeverfahrens der Nachprüfung entzogen. Dies hat zur Folge, daß von der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch die Aufhebung der Ausschreibung ausgegangen werden muß, unabhängig davon, ob diese zusammen mit der anschließenden Zuschlagserteilung mit § 115 Abs. 1 GWB vereinbar war. Gemäß dem Antrag der Antragstellerin kommt daher nur noch die Feststellung einer - gerügten - Rechtsverletzung in Betracht.

b) Die Vergabestelle hatte für den Ausschluß in ihrem Schreiben vom 10.3.1999 mehrere Gründe angeführt. Die Vergabekammer hat zum größten Teil der von der Vergabestelle vorgebrachten Gründe Stellung genommen und sie überwiegend als den Ausschluß nicht tragend beurteilt; allein wegen fehlender Bietererklärungen zu 3 Positionen des Leistungsverzeichnisses hat sie den Ausschluß für nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A begründet gehalten. Damit hat sich aber der Verfahrensgegenstand nicht auf die Frage verengt, ob die fehlenden Bietererklärungen zu diesen 3 Positionen den Ausschluß rechtfertigten. Dem Antragsgegner kann es nicht verwehrt sein, sich auch auf weitere Ausschlußgründe zu berufen, die er schon vor der Vergabekammer vorgebracht hatte, die aber von der Vergabekammer nach seiner Ansicht zu Unrecht nicht für durchschlagend erachtet wurden bzw. die für die Vergabekammer - bei ihrem rechtlichen Standpunkt - keine Bedeutung mehr hatten.

3. Auf das Vergabeverfahren sind nach § 98 Nr. 1, § 99 Abs. 1 und 3, § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 3 Abs. 1 VgV, § 1 a VOB/A die Bestimmungen des Abschnitts 2 der VOB/A anzuwenden. Die Gesamtbaumaßnahme wird in Fachlosen ausgeschrieben. Der Gesamtauftragswert beträgt mehr als 5 Mio Europäische Währungseinheiten; die hier ausgeschriebenen Baumeisterarbeiten überschreiten den für Lose geltenden Schwellenwert von 1 Mio ECU.

4. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/A bestimmt, daß die Angebote nur die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten sollen. Aus dieser Formulierung wird gefolgert, daß die Angebote die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten müssen (Heiermann/Riedl/Rusam VOB 8. Aufl. A § 21 Rn. 4, A § 25 Rn. 10; Ingenstau/Korbion VOB 13. Aufl. A § 21 Rn. 4). Nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A werden Angebote ausgeschlossen, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A nicht entsprechen. Da § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/A aber - im Gegensatz zu den Sätzen 2 und 3 - als Soll-Vorschrift formuliert ist, ist der Ausschluß eines Angebots, das geforderte Erklärungen nicht enthält, nicht zwingend; er setzt vielmehr die Prüfung voraus, ob das Angebot sich deswegen nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Wertung eignet. Hat das Fehlen geforderter Angaben oder Erklärungen keinen Einfluß auf den Wettbewerb und die Eindeutigkeit des Angebotsinhalts, so besteht kein Anlaß, das Angebot von vornherein auszuschließen. Unerheblich ist es daher, wenn Erklärungen fehlen, die ohne Einfluß auf die Preise und damit auf das Wettbewerbsergebnis sind, so daß ihre nachträgliche Ergänzung die Wettbewerbsstellung des Bieters nicht verändert (Ingenstau/Korbion Rn. 10 ff, insbesondere 13 f, Heiermann/Riedl/Rusam Rn. 127 jeweils zu A § 25; Daub/Piel/Soergel VOB ErlZ A 25.25). Bei dieser Auslegung stimmt der Regelungsgehalt der genannten Vorschriften überein mit demjenigen von § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 und § 25 Nr. 1 Abs. 2 Buchst. a VOL/A. Danach "müssen" die Angebote die Preise und die sonstigen geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Angebote, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten, "können" ausgeschlossen werden. Das Fehlen geforderter Angaben und Erklärungen führt nur dann zum Ausschluß des Angebots, wenn die Ergänzung der fehlenden Angaben die Wettbewerbsstellung des betreffenden Bieters ändern würde. Können die fehlenden Angaben oder Erklärungen ohne Schädigung des Wettbewerbs nachträglich eingeholt werden, besteht kein Grund, das Angebot auszuschließen (Daub/Meierrose/Eberstein/Kulartz VOL/A 4. Aufl. § 25 Rn. 25). Das Angebot darf dann zur Aufrechterhaltung des Wettbewerbs auf möglichst breiter Basis nicht ausgeschlossen werden (vgl. § 97 Abs. 1 GWB, § 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/A; Ingenstau/Korbion A § 25 Rn. 10), jedenfalls nicht ohne Aufforderung zur Ergänzung der fehlenden Angaben.

Die Kriterien für einen Ausschluß wegen fehlender Angaben oder Erklärungen des Bieters überschneiden sich also mit denjenigen des § 24 VOB/A. Darf der Auftraggeber über eine Frage, zu der die Bietererklärung fehlt, nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A mit dem Bieter verhandeln, so fehlt ein zwingender Grund für den Ausschluß des Angebots. Würde die Ergänzung der fehlenden Angabe dagegen zu einer "Änderung der Angebote oder Preise" (§ 24 Nr. 3 VOB/A) und damit zu einem Eingriff in die Wettbewerbsstellung der Bieter führen, muß das Angebot ausgeschlossen werden.

5. Auch die Vergabekammer ist davon ausgegangen, daß fehlende Bietereintragungen nicht zwangsläufig zum Ausschluß des Angebots führen. Sie hat allerdings ein engeres Kriterium für den Ausschluß angenommen, nämlich, ob die Bietereintragung für die Wertung erheblich wäre. Nach der Meinung des Senats ist das zwar eine notwendige, aber nicht auch schon hinreichende Bedingung für den Ausschluß. Dieser ist vielmehr auch dann nicht zulässig, wenn die fehlende, für die Wertung erhebliche Bietereintragung ohne Veränderung des Wettbewerbsergebnisses und im übrigen auch ohne wesentlichen Aufwand nachgeholt werden kann.

Im Ergebnis stimmt die Beurteilung der Vergabekammer bezüglich der fehlenden Eintragungen in den Positionen 1.2.100, 1.2.120, 1.4.780, 1.11.160, 3.2.30, 1.4.380 und 1.4.381 mit der des Senats überein. Darüber hinaus können aber auch die fehlenden Bieterangaben zu den Positionen 2.8.300, 1.4.382 und 1.4.383 den Ausschluß des Angebots nicht rechtfertigen.

a) In der Position 1.2.100 ist die Bietereintragung ohnehin nur als eine Möglichkeit vorgesehen, von der der Bieter Gebrauch machen kann, aber nicht muß. Er kann statt der durch das Leistungsverzeichnis vorgegebenen technischen Ausführungsvarianten eine andere wählen, die er dann angeben müßte. Macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, so erklärt er, die Ausführung nach einer der vom Leistungsverzeichnis vorgeschlagenen Varianten vorzunehmen. Daß er nicht sagt, nach welcher, ist für die Wertung unabhängig davon ohne Bedeutung, ob nun der Auftraggeber oder der Bieter die Wahl trifft; denn alle vorgeschlagenen Varianten erfüllen die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses, müssen also als gleichwertig angesehen werden.

Deswegen wäre es auch ohne weiteres möglich, die vom Bieter beabsichtigte Art der Ausführung durch eine Verhandlung nach 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A zu ermitteln; die Vergabestelle würde sich damit nur "über das Angebot selbst" bzw. "die geplante Art der Durchführung" unterrichten.

b) In weiteren Positionen (1.2.120, 1.4.780, 1.11.160, 3.2.30) wird jeweils vom Bieter die Angabe des Fabrikats oder Erzeugnisses bzw. die Angabe des Typs des einzusetzenden Krans gefordert, teils mit (Positionen 1.4.780, 1.11.160), teils ohne (Positionen 1.2.120, 3.2.30) technische Spezifikationen. In den letzteren Fällen kann die Angabe des Fabrikats nicht zur Wertung herangezogen werden; denn damit würden aus der Ausschreibung selbst nicht hervorgehende Kriterien angewandt. Dies wäre mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bewerber und der Vergabe allein nach sachlichen und willkürfreien Kriterien nicht vereinbar (BGH WM 1999, 1027/1029). Wird die Leistung aber nach allgemeinen technischen Kriterien beschrieben, so ist die zusätzliche Angabe des vom Bieter gewählten Fabrikats oder Erzeugnisses nur eine Angabe "über das Angebot selbst" bzw. über "die geplante Art der Durchführung". Sie kann daher in einer Verhandlung nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A ergänzt werden. Dahinstehen kann, ob in einem derartigen Fall, in dem es durch die Art der geforderten Leistung nicht gerechtfertigt ist, bestimmte Erzeugnisse vorzuschreiben (§ 9 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A), vom Bieter die Angabe des von ihm gewählten Erzeugnisses verlangt werden kann. Damit ist jedenfalls die Gefahr gegeben, daß bei der Wertung weitere, aus der Ausschreibung selbst nicht ersichtliche Kriterien angewandt werden. § 8 Nr. 4 VOL/A läßt daher die Forderung nach der Angabe des Herstellers nur zu, wenn sie für die Beurteilung der Güte von Erzeugnissen unentbehrlich ist. Daß eine entsprechende Vorschrift in der VOB/A fehlt, rechtfertigt noch nicht den Schluß, daß Forderungen nach Angabe des gewählten Erzeugnisses im Rahmen der VOB/A uneingeschränkt zulässig seien.

c) Entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu den Positionen 1.4.780 und 1.11.160 ist auch die fehlende Bieterangabe zu Position 2.8.300 kein Grund, das Angebot auszuschließen. Abgesehen davon, daß auch die Vergabekammer die Angabe der Bauart oder des Systems der Bodenplatte nicht für die Wertung des Angebots selbst für erforderlich hält, sondern nur, um für eventuell später erforderliche geänderte oder zusätzliche Leistungen die Angemessenheit des Einheitspreises überprüfen zu können, handelt es sich um eine Angabe, die nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A ohne Änderung des Angebots nachgeholt werden kann.

d) Dies gilt auch für die Angabe der Entsorgungsstelle für den Bauschutt nicht nur in den Positionen 1.4.380, 1.4.381 und teilweise 1.4.382, soweit sich die Entsorgungsstelle aus einer Satzung der Landeshauptstadt München ergibt, sondern auch im übrigen, also in der Position 1.4.383 und - zum andern Teil - in der Position 1.4.382.

6. Die fehlende Ausfüllung der Formblätter EFB-Preis 1 a, 1 b und 2 mit der Erklärung "wird im Auftragsfall nachgereicht" hat die Vergabekammer nicht als Ausschlußgrund angesehen. Die Erklärung sei so auszulegen, daß der Bieter sich abweichend vom Wortlaut nicht definitiv weigere, diese Unterlagen auch vor dem Auftragsfall nachzureichen. Hierzu hätte er aufgefordert werden müssen; erst im Weigerungsfall hätte das Angebot deswegen ausgeschlossen werden können.

Diesen Ausführungen tritt der Antragsgegner entgegen. Die Erklärung "wird im Auftragsfall nachgereicht" bedeute nach ihrem Wortlaut, daß der Bieter nicht gewillt sei, vor dem Zuschlag eine Auskunft über seine Kalkulation zu geben. Dann aber sei es für die Verwertung der Formblätter zu spät; sie würden für die Vergabeentscheidung benötigt.

Die in den Formblättern EFB-Preis 1 a, 1 b und 2 vorgesehenen Erklärungen werden, wie es auf den Formblättern ausdrücklich heißt, nicht Vertragsbestandteil. Sie sind daher auch nicht Teil des Angebots. Ihr Fehlen kann daher nicht zum Ausschluß nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/A führen (OLG Celle BauR 1986, 436; Heiermann/Riedl/Rusam A § 25 Rn. 11). Sie sind erst für die Beurteilung der Angebote nach § 25 Nr. 3 VOB/A von Bedeutung (vgl. OLG Celle aaO). Die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern hat daher mit Rundschreiben vom 15.5.1995 (zitiert bei Heiermann/Riedl/Rusam aaO Rn. 12) die Verwaltungsanweisung gegeben, soweit verlangte Formblätter nicht ausgefüllt dem Angebot beigefügt worden seien, ihre Ausfüllung "für die Angebote der engeren Wahl unverzüglich nachzufordern". Verweigere ein Bieter dann die Vorlage ausgefüllter Formblätter, könne sein Angebot nach § 24 Nr. 2 VOB/A ausgeschlossen werden (vgl. auch § 25 Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 VOB/A).

Der Senat teilt die Auffassung der Vergabekammer, daß der Formulierung "wird im Auftragsfall nachgereicht" nicht eine definitive Weigerung in diesem Sinne zu entnehmen ist. Es verbleiben zumindest Zweifel, ob es sich nicht lediglich um eine unsorgfältige Ausdrucksweise handelt und nicht der Auftragsfall gemeint ist, sondern der Fall, daß die Auftragserteilung an die Antragsstellerin ernsthaft in Betracht kommt. Diese Zweifel hätten durch eine Aufforderung an die Antragstellerin, nunmehr ausgefüllte Formblätter vorzulegen, ausgeräumt werden müssen. Ohne diesen Versuch war ein Ausschluß des Angebots nicht zulässig.

7. Auf die Fragen, ob das Angebot wegen des Zusatzes zur Nachunternehmererklärung "Genauere Angaben erhalten Sie auf Wunsch nachgereicht" oder wegen fehlender Eignung der Antragstellerin ausgeschlossen werden konnte, war nicht einzugehen, weil der Antragsgegner auf diese Gründe zur Rechtfertigung des Ausschlusses im Verfahren vor dem Senat nicht mehr zurückgekommen ist.

8. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin einschließlich der Gebühren und Auslagen ihrer Verfahrensbevollmächtigten (§ 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG) insoweit gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 GWB zu tragen. Es kann weiter (vgl. BayObLGZ 1999, 127/144) offen bleiben, nach welchen Vorschriften sich die Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens richtet, die nicht ausdrücklich geregelt ist. Im vorliegenden Fall führen die Normen, deren entsprechende Anwendung in Betracht kommt (§ 128 Abs. 3 und 4 GWB, § 78 Satz 1 und 2 GWB, §§ 91 ff ZPO) zu dem einheitlichen Ergebnis, daß der Antragsgegner auch die vor dem Beschwerdegericht angefallenen Kosten und die dabei der Antragstellerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

9. Der Beschwerdewert wurde gemäß § 12 a Abs. 2 GKG auf 5 % der Auftragsumme (gemäß dem Angebot der Antragstellerin) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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