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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.09.2004
Aktenzeichen: 1 Ws 142/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 313
StPO § 313 Abs. 1
StPO § 313 Abs. 1 Satz 1
StPO § 313 Abs. 1 Satz 2
StPO § 322 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 Ws 142/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Strafsache

wegen vorsätzlicher Körperverletzung pp.;

hier: sofortige Beschwerde des Nebenklägers gegen Nichtannahme der Berufung

hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch am 27. September 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Nebenklägers wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom ......über die Nichtannahme der Berufung des Nebenklägers gegen das Urteil des Amtsgerichts .......aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Nebenklägers an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen.

Gründe:

Mit Urteil vom ......hat das Amtsgericht Potsdam - Strafrichter - den Angeklagten vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung in zwei Fällen - davon in einem Fall zum Nachteil des Nebenklägers, den der Angeklagte bei einer Rangelei ...verletzt haben soll.......... und der Beleidigung zum Nachteil des Nebenklägers frei. In der Hauptverhandlung hatten der Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger Freispruch aus tatsächlichen Gründen beantragt. Der Nebenkläger beantragte die Verurteilung des Angeklagten entsprechend der Tatvorwürfe in der zugelassenen Klageschrift. Gegen das amtsgerichtliche Urteil legte der Nebenkläger form- und fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein und begründete dieses. Durch den angefochtenen Beschluss hat die kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam die Berufung des Nebenklägers gem. 313 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.

Gegen diese Entscheidung hat der Nebenkläger form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. ....

Die sofortige Beschwerde des Nebenklägers, der sich unabhängig von der Entscheidung der Staatsanwaltschaft des Rechtsmittels bedienen kann (§ 401 Abs. 1 StPO), ist statthaft (vgl. OLG Zweibrücken MDR 1996, 732). Zwar ist die Entscheidung über die Nichtannahme einer Berufung nach § 313 StPO grundsätzlich nicht anfechtbar (vgl. § 322 a Satz 2 StPO). Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass es sich tatsächlich um eine Berufung i. S. d. § 313 Abs. 1 StPO handelt. In der vorliegenden Sache handelt es sich bei dem eingelegten Rechtsmittel jedoch nicht um eine sog. Annahmeberufung, so dass der Beschluss der kleinen Strafkammer, mit dem sie die Annahme ablehnt und damit eine Annahmepflichtigkeit bejaht, gem. § 322 Abs. 2 StPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, Rn. 8 zu § 322, Rn. 8).

Die sofortige Beschwerde des Nebenklägers ist begründet.

Nach der überwiegenden Ansicht in der Rechtsprechung (vgl. OLG Brandenburg Beschluss v. 27. Juli 1995 - 2 Ws 134/95 - ;OLG Zweibrücken a. a. O.; OLG Hamm VRS 98, 382 f.; OLG Stuttgart NStZ-RR 2001, 84 f. m. w. N.) ist § 313 Abs. 1 Satz 2 StPO auf Berufungen des Nebenklägers in Fällen, in denen der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft - wie im vorliegenden Fall - Freispruch aus tatsächlichen Gründen beantragt hat, der Nebenkläger sich diesem Antrag jedoch nicht angeschlossen hat, nicht anwendbar. Die gegenteilige Ansicht bei Meyer-Goßner (a. a. O., Rn. 4 a zu § 313) betrifft nicht den vorliegenden Fall. Meyer-Goßner hält in Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung Freispruch beantragt hat, eine Nichtannahmeentscheidung über die dann von dieser doch noch eingelegten Berufung aus kriminalpolitischen Erwägungen - nach seiner Ansicht setzt sich die gegenteilige herrschende Meinung in Widerspruch zu den Vorstellungen des Gesetzgebers, der in Bagatellfällen auch gerade der Staatsanwaltschaft kein uneingeschränktes Recht zubilligt, Berufungen einzulegen - für zulässig. Dies gilt jedoch offensichtlich nicht für den Fall der Berufungseinlegung durch den Nebenkläger, der bereits in der Hauptverhandlung eine Verurteilung des Angeklagten beantragt hat.

Darüber hinaus wäre Voraussetzung für eine Anwendung von § 313 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von nicht mehr als 30 Tagessätzen beantragt hätte. Dieser hatte jedoch Freispruch beantragt. Damit ist auf diese Fallkonstellation § 313 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht - auch nicht analog - anwendbar. Wie das OLG Stuttgart ausgeführt hat, soll die Beschränkungsmöglichkeit der Berufungseinlegung in § 313 StPO nur Fälle der Bagatellkriminalität erfassen, wenn - im Falle eines Freispruchs - aus der Sicht der Staatsanwaltschaft eine Straftat erwiesen ist und diese der Bagatellkriminalität zuzurechnen ist und die Staatsanwaltschaft deshalb eine Geldstrafe von nicht mehr als 30 Tagessätzen beantragt hatte. Kommt hingegen die Staatsanwaltschaft wie im vorliegenden Fall nach durchgeführter Beweisaufnahme zum Ergebnis, ein strafrechtlicher Schuldbeweis könne nicht geführt werden, kann aus ihrem Antrag auf Freispruch nicht auf das Vorliegen eines Bagatelldeliktes geschlossen werden. Der Antrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft belegt vielmehr, dass dieser davon ausgegangen ist, dass sich überhaupt keine Straftat ereignet habe bzw. dem Angeklagten ein strafbares Verhalten nicht nachgewiesen werden könne.

Es besteht auch kein Anlass, § 313 Abs. 1 Satz 2 StPO entsprechend oder sinngemäß auf die vorliegende Fallkonstellation anzuwenden. Der Antrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft auf Freispruch ist kein Minus im Vergleich zu dem in der gesetzlichen Vorschrift genannten Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe von höchstens 30 Tagessätzen sondern ein Aliud (vgl. OLG Hamm a. a. O. m. w. N.).

Da die Strafkammer zu Unrecht die Voraussetzungen der Annahmeberufung angenommen hat, war der angefochtene Beschluss aufzuheben. Die Strafkammer hat nunmehr über die Berufung des Nebenklägers in der Sache zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

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