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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: 10 UF 144/03
Rechtsgebiete: SGB VIII, Regelbetrag-VO, ZPO, BGB, BSHG


Vorschriften:

SGB VIII § 10 Abs. 1 Satz 1 a. F.
SGB VIII § 27
SGB VIII § 34
SGB VIII §§ 92 ff. a. F.
SGB VIII § 94 a. F.
SGB VIII § 94 Abs. 3 a. F.
Regelbetrag-VO § 1
Regelbetrag-VO § 2
ZPO § 563 Abs. 2
BGB § 1602
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1606 Abs. 3 Satz 1
BGB § 1612 b Abs. 5
BSHG § 91 Abs. 2 Satz 1 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

10 UF 144/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 20.12.2007

verkündet am 20.12.2007

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 1. wird das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 20. Mai 2003 unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und im Hinblick auf die Beklagte zu 1. wie folgt neu gefasst:

In Abänderung des Anerkenntnisurteils des Amtsgerichts Eberswalde vom 12. März 1999 - 3 F 141/98 - wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte zu 1. einen monatlichen Kindesunterhalt zu zahlen in Höhe von

- 194,50 € vom 1. Juli 2003 bis zum 6. August 2003 und

- 92,00 € vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. Juni 2007.

Die weitergehende Abänderungsklage betreffend die Beklagte zu 1. wird abgewiesen.

Für den Unterhaltszeitraum vom 8. September 2003 bis zum 31. Juli 2004 hat der Kläger den für die Beklagte zu 1. geschuldeten Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 92 € an die Beklagte zu 1. und im Übrigen an den Landkreis M... - Jugendamt - zu zahlen.

Für den Unterhaltszeitraum vom 1. August 2004 bis zum 30. September 2005 hat der Kläger den für die Beklagte zu 1. geschuldeten Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 92 € an die Beklagte zu 1. und im Übrigen an den Kreis St... - Fachdienst Familie und Schule/Wirtschaftliche Jugendhilfe - zu zahlen.

Für die übrigen Unterhaltszeiträume ist der gesamte Kindesunterhalt an die Beklagte zu 1. zahlbar.

2.

Auf die Berufung des Beklagten zu 2. wird das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 20. Mai 2003 unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und im Hinblick auf den Beklagten zu 2. wie folgt neu gefasst:

In Abänderung des Anerkenntnisurteils des Amtsgerichts Eberswalde vom 12. März 1999 - 3 F 141/98 - wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten zu 2. zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin einen monatlichen Kindesunterhalt zu zahlen in Höhe von

- 194,50 € vom 1. Juli 2003 bis zum 6. August 2003 und

- 104,57 € vom 1. August 2007 bis zum 31. Mai 2008.

Die weitergehende Abänderungsklage betreffend den Beklagten zu 2. wird abgewiesen.

3.

Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

a) 1. Instanz

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagte zu 1. zu 8,9 %, der Beklagte zu 2. zu 3,7 % und der Kläger zu 87,4 %.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten

der Beklagten zu 1. zu 80,6 % und

des Beklagten zu 2. zu 93,2 %.

Im Übrigen tragen die Beklagten ihre Kosten selbst.

b) Berufungsinstanz

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagte zu 1. zu 12,6 %, der Beklagte zu 2. zu 5,3 % und der Kläger zu 82,1 %.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten

der Beklagten zu 1. zu 74,2 % und

des Beklagten zu 2. zu 89,7 %.

Im Übrigen tragen die Beklagten ihre Kosten selbst.

c) Revisionsinstanz

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagte zu 1. zu 22,8 %, der Beklagte zu 2. zu 9,5 % und der Kläger zu 67,7 %.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten

der Beklagten zu 1. zu 48,5 % und

des Beklagten zu 2. zu 83,1 %.

Im Übrigen tragen die Beklagten ihre Kosten selbst.

4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5.

Der Streitwert für die Anschlussberufung wird auf 1.104 € festgesetzt.

Gründe:

A. Die Parteien streiten über die Abänderung titulierten Kindesunterhalts ab dem 6.5.2002.

Wegen des Sachverhalts wird zunächst Bezug genommen auf das erste Berufungsurteil des Senats vom 9.11.2004 sowie die Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshof (BGH) vom 4.7.2007.

Auf die Revision der beiden Beklagten hat der BGH die erste Entscheidung des Senats aufgehoben, soweit er darin zum Nachteil der Kinder der Abänderungsklage des Vaters stattgegeben hat. Im Umfang der Aufhebung hat der BGH den Rechtsstreit an den Senat zurückverwiesen.

Die Beklagten verfolgen ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie beantragen, in Abänderung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Strausberg vom 20.5.2003 die Abänderungsklage des Klägers in vollem Umfang abzuweisen. Die Beklagte zu 1. stellt diesen Antrag mit der Maßgabe, dass der Kläger im Umfang eines Anspruchsübergangs für die Zeit bis Juli 2004 zur Zahlung an den Landkreis M... - Jugendamt - und für die Zeit ab August 2004 zur Zahlung an den Kreis St... - Fachdienst Familie und Schule/Wirtschaft - verurteilt werde.

Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Berufung. Unter Hinweis darauf, dass nach dem ersten Berufungsurteil ein entscheidungserheblicher neuer Sachverhalt bekannt geworden sei und durch den zwischenzeitlichen Zeitablauf eine weit reichende Änderung der Verhältnisse eingetreten sei, hat der Kläger im Senatstermin ferner Anschlussberufung eingelegt. Mit ihr hat er beantragt, das Senatsurteil vom 9.11.2004 i. V. m. dem Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 20.5.2003 dahin abzuändern, dass er ab dem 13.11.2007 der Beklagten zu 1. keinen Kindesunterhalt mehr schulde. Nach Hinweiserteilung durch den Senat hat der Kläger seine Anschlussberufung mit Schriftsatz vom 22.11.2007 zurückgenommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Nachdem der Kläger seine im Senatstermin vom 13.11.2007 eingelegte Anschlussberufung nachträglich zurückgenommen hat, war nur noch über die Berufungen der Beklagten zu entscheiden. Ihre Rechtsmittel sind überwiegend begründet. Der in dem Anerkenntnisurteil titulierte Kindesunterhalt ist nur in einem geringen Umfang herabzusetzen. Er ergibt sich im Einzelnen aus dem Tenor dieser Entscheidung.

I.

Für die Beurteilung der prozessualen Behandlung der Sache durch den Senat ist im Ausgangspunkt die Frage der Rechtskrafterstreckung bzw. der Bindung des Senats an die sachliche und rechtliche Beurteilung durch den BGH von Bedeutung.

1.

Der in diesem neuen Berufungsurteil zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich auf Grund von erst nachträglich bekannt gewordenen Umständen bzw. zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen der Verhältnisse in tatsächlicher Hinsicht erheblich von dem im ersten Berufungsurteil und in der Revisionsentscheidung angenommenen Tatbestand. Folgende neue für die Unterhaltspflicht des Klägers entscheidungserhebliche Tatsachen/Veränderungen sind festzustellen:

a) Kläger

- Der Kläger ist wieder verheiratet. Im Jahr 2006 hat er seine Lebensgefährtin geheiratet, mit der er seit vielen Jahren zusammenlebt.

- Am 15.3.2007 hat der Kläger eine vollschichtige Arbeit als Lagerarbeiter aufgenommen. Mit ihr hat der Kläger einen monatlichen Bruttolohn von 1.600 € erzielt.

Das Arbeitsverhältnis endete durch schriftliche Arbeitgeberkündigung vom 26.6.2007 zum 31.7.2007.

- Seit dem 5.6.2007 ist der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben. Seine Arbeitsunfähigkeit dauerte im Senatstermin noch an. Der Kläger bezieht von der A... B... Krankengeld.

b) S...

Auf Seiten der Beklagten zu 1. haben sich die Verhältnisse im Verlauf dieses Verfahrens wie folgt verändert:

- Seit dem 8.9.2003 ist sie in einem Heim der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in S... untergebracht. Es wird Heimerziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII geleistet. Nach den Angaben der Mutter im Senatstermin besucht die Beklagte zu 1. ihre Familie unregelmäßig alle zwei bis drei Monate.

- Am 8.6.2007 ist S... volljährig geworden.

- Der Schulbesuch von S... (...-Oberschule in S...) endete am 11.7.2007.

c) Ro...

Hinsichtlich des Beklagten zu 2. sind folgende Veränderungen festzustellen:

- Bis zum 13.7.2004 lebte er zusammen mit seiner Mutter in S....

- Am 14.7.2004 erfolgte der Umzug der Familie nach 22949 A.../Sch.... Ab dem 4.8.2004 besuchte Ro... die Realschule in Ah....

- Am 6.7.2007 hat Ro... seine Schulausbildung beendet.

- Seit dem 1.8.2007 geht Ro... einer zweijährigen Berufsausbildung zum Verkäufer in einem Schul- und Schreibwarengeschäft seiner Mutter mit integriertem ebay- und Hermes-Paket-Shop nach. Er bezieht eine Ausbildungsvergütung.

2.

Dieser neue Sachverhalt erfordert im Interesse der richtigen Rechtsanwendung eine neue, auf ihn ausgerichtete rechtliche Beurteilung, die der BGH und der Senat in dem ersten Berufungsurteil noch nicht vornehmen konnten. Im Rahmen dieser neuen rechtlichen Beurteilung sind jedoch die Grenzen zu beachten, die sich daraus ergeben, dass über das Abänderungsbegehren des Klägers durch das erste Berufungsurteil vom 9.11.2004 bereits teilweise rechtskräftig entschieden worden ist. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Beklagten durch die teilweise Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an den Senat nicht den durch das so genannte Verbot der reformatio in peius gewährten Schutz vor einer Verschlechterung der mit der Revision angegriffenen Entscheidung verloren haben (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1989, 957/958; BGH, NJW 1985, 2029/2030).

a)

Nach der Teilaufhebung des ersten Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an den Senat durch das Revisionsurteil stellt sich die prozessrechtliche Lage im Ausgangspunkt wie folgt dar:

Die Beklagten haben das erste Berufungsurteil nur teilweise angegriffen, d. h. soweit der Senat der Abänderungsklage des Vaters zum Nachteil der Kinder teilweise stattgegeben hat. Soweit der Kläger eine Abänderung des Unterhalts für jedes der Kinder auf weniger als monatlich 124,50 € und 92 € bzw. 35,1 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe gemäß § 2 Regelbetrag-VO in den im ersten Berufungsurteil im Einzelnen genannten Zeitabschnitten beantragt hat, ist seine Klage abgewiesen worden. In diesem Umfang, in dem das erste Berufungsurteil das Abänderungsbegehren des Klägers zum Teil abgewiesen hat, ist die Abweisung in Rechtskraft erwachsen. Denn das Urteil des Senats ist nur von den Beklagten und nicht auch vom Kläger angefochten worden (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, LM § 323 ZPO, Nr. 4; MünchKomm/ Wenzel, ZPO, 3. Aufl., § 563, Rn. 7).

Im Umfang der Teilaufhebung und Zurückverweisung ist der Senat erneut zur Entscheidung über die Berufung der Beklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil vom 20.5.2003 berufen. Nur in diesem Umfang ist das Berufungsverfahren wieder bei dem Senat anhängig.

b)

Für seine neu zu treffende Entscheidung ist der Senat gemäß § 563 Abs. 2 ZPO grundsätzlich an die der Aufhebung zu Grunde gelegte rechtliche Beurteilung des BGH gebunden (vgl. hierzu MünchKomm/Wenzel, a.a.O., Rn. 9). Diese Bindungswirkung greift jedoch nicht ein, wenn sich in der neu eröffneten Tatsacheninstanz ein neuer Sachverhalt ergibt, für den die bisherige rechtliche Beurteilung nicht zutrifft. Die Bindung erstreckt sich nur auf die rechtliche Würdigung der früher getroffenen Tatsachenfeststellungen (vgl. hierzu BGH, NJW 1985, 2029/2030).

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, unterscheidet sich der jetzt zu beurteilende Tatbestand in tatsächlicher Hinsicht von dem vom Senat im ersten Berufungsurteil angenommenen Sachverhalt. Das liegt zum einen darin begründet, dass die Parteien bis zum ersten Berufungsurteil für die Unterhaltspflicht des Klägers entscheidungserhebliche Umstände, wie die Heimunterbringung der Beklagten zu 1., nicht mitgeteilt haben. Zum anderen sind zwischenzeitlich zahlreiche tatsächliche Veränderungen in den Personen aller drei Verfahrensbeteiligten eingetreten, die unterhaltsrechtliche Auswirkungen haben. Soweit auch der BGH einen Sachverhalt angenommen hat, der so nicht zutrifft, ist für den Senat angesichts der neuen Tatsachenfeststellungen in diesem Umfang eine Bindung an die rechtliche Beurteilung des BGH entfallen (vgl. hierzu MünchKomm/Wenzel, a.a.O., Rn. 15; OLG Oldenburg, VersR 1990, 1348/1349).

Der neue Sachverhalt erfordert im Interesse der richtigen Rechtsanwendung eine neue, auf ihn ausgerichtete rechtliche Beurteilung, die der BGH und auch der Senat in dem ersten Berufungsurteil noch nicht vornehmen konnten (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, NJW 1985, 2029/2030). Die Beklagten sind hierbei hinreichend dadurch geschützt, dass über einen Teil des Abänderungsbegehrens des Klägers bereits rechtskräftig entschieden wurde und der Senat an das Verbot der reformatio in peius gebunden ist (vgl. hierzu MünchKomm/Wenzel, a.a.O., Rn. 15 f.).

c)

Der Senat ist danach berechtigt, den neu festgestellten Sachverhalt bei der Frage zu berücksichtigen, ob die Beklagten über ihren in dem ersten Berufungsurteil rechtskräftig festgestellten Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich jeweils 124,50 € und 92 € bzw. 35,1 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe gemäß § 2 Regelbetrag-VO hinaus in den einzelnen Zeitabschnitten weitergehende Unterhaltszahlungen von ihrem Vater verlangen können. Der neu festgestellte Sachverhalt wirkt sich daher nur zugunsten und für den "Mehranspruch" der Beklagten (bis zur Höhe des Anerkenntnisses des Klägers aus dem Jahr 1999) aus.

II.

Weiterhin bedarf es für die neue Sachentscheidung des Senats einer Klärung der inhaltlichen Reichweite des Anerkenntnisurteils.

1.

Der vom Kläger anerkannte Unterhalt ist in zeitlicher Hinsicht befristet. Nach dem Tenor des Anerkenntnisurteils besteht die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten zu 1. bis zum 30.6.2007. Für den Beklagten zu 2. hat der Kläger den anerkannten Unterhalt bis zum 31.5.2008 zu leisten.

2.

Die Feststellungen zur Höhe der geschuldeten Unterhaltsbeträge machen eine ergänzende Urteilsauslegung erforderlich.

a)

Der nicht zweifelsfreie Inhalt des Anerkenntnisurteils vom 12.3.1999 ist dahin auszulegen, dass sich die Höhe der vom Kläger für seine beiden Kinder zu leistenden Regelbeträge nach § 2 der Regelbetrag-VO bemisst.

Der Wortlaut des Anerkenntnisurteils enthält keine Festlegung, ob der Kläger den Beklagten Unterhalt nach § 1 oder nach § 2 der Regelbetrag-VO schuldet. Bei einem nicht zweifelsfreien Inhalt ist auch eine Urteilsformel nach den allgemein geltenden Grundsätzen auszulegen. Bei einem nicht streitigen Urteil ohne Entscheidungsgründe - wie es auch das Anerkenntnisurteil ist - kann für die Auslegung des Titelinhalts dabei auf den Parteivortrag zurückgegriffen werden (vgl. hierzu OLG Köln, FamRZ 1992, 1446).

Wie sich aus vorgerichtlichen Korrespondenz aus den Jahren 1997/1998 und dem Schriftwechsel der Parteien in dem Vorprozess ergibt, ist das Anerkenntnisurteil dahin zu verstehen, dass mit Rücksicht auf den Wohnsitz aller Beteiligten in den neuen Bundesländern eine Unterhaltsverpflichtung des Klägers nur in Höhe des jeweiligen Regelbetrages Ost tituliert werden sollte. Abweichendes machen die Beklagten auch selbst nicht geltend. Dementsprechend ist der Inhalt des Anerkenntnisurteils aufgrund der damaligen gemeinsamen Zielsetzung der Parteien dahin auszulegen, dass für die konkrete Höhe der Regelbeträge die Bezugnahme auf § 2 der Regelbetrag-VO festgelegt ist.

b)

Der Schuldner ist verpflichtet, den sich aus dem konkreten Titel ergebenden Zahlbetrag zu leisten. Das gilt auch dann, wenn dieser Titel - wie hier - materiell unrichtig geworden ist, z.B. durch eine Änderung der Rechtslage betreffend die Kindergeldanrechnung oder die Höhe des Kindergeldes.

c)

Nach dem so ermittelten Inhalt des Anerkenntnisurteils schuldet der Kläger seinen Kindern in dem jeweils in Rede stehenden Abänderungszeitraum einen monatlichen Unterhalt wie folgt:

 der Beklagten zu 1.dem Beklagten zu 2.
5/2002 - 6/2003(249 € - 63,91 € =) 185,09 €185,09 €
7/2003 - 6/2005(262 € - 63,91 € =) 198,09 €198,09 €
7/2005 - 6/2007(269 € - 63,91 € =) 205,09 €205,09 €
7/2007 - 5/2008 (267 € - 63,91 € =) 203,09 €

III.

Die Einkommensverhältnisse des Klägers seit Beginn des Abänderungszeitraums bis heute sind wie folgt zu beurteilen:

1.

Der BGH hat in dem Revisionsurteil den einkommensrechtlichen Ansatz des Senats gebilligt. Daran ist auch im Rahmen der vorliegenden Entscheidung festzuhalten.

Der Kläger hat eine wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands nicht nachgewiesen und bis Anfang 2007 hinreichende Erwerbsbemühungen nicht dargetan. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des Senats in dem ersten Berufungsurteil Bezug genommen. Der Kläger muss sich daher im Ausgangpunkt für die Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit an dem Einkommen festhalten lassen, das sich durch eine Rückrechnung für den Zeitpunkt der Anerkenntniserklärung in 3/1999 ergibt.

Der BGH hat allerdings in dem Revisionsurteil zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Senat im Rahmen dieser Berechnung ein Fehler unterlaufen ist. Im Zeitpunkt des Anerkenntnisses schuldete der Kläger nur einen Kindesunterhalt entsprechend der 2. (und nicht schon der 3.) Altersstufe. Die beiden Beklagten waren in 3/1999 erst acht bzw. neun Jahre alt.

Ausgehend von dem vorstehend festgestellten Inhalt des Anerkenntnisurteils und auf der Grundlage der seinerzeit geltenden Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (Stand 1.7.1998) ist danach vom Kläger folgendes unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Nettoarbeitseinkommen als für ihn erzielbar akzeptiert worden:

notwendiger Selbstbehalt für Erwerbstätige| 1.350 DM 100 %-iger Regelbetrag der 2. Altersstufe für S...| + 380 DM 1/2 Kindergeld |- 125 DM 100 %-iger Regelbetrag der 2. Altersstufe für Ro...| + 380 DM 1/2 Kindergeld - 125 DM |= 1.860 DM. Umgerechnet entspricht das rund| 951 €.

Dass ein Nettoeinkommen des Klägers in dieser Größenordnung für 1999 realistisch ist, wird durch die Arbeitslosenhilfebescheide aus der damaligen Zeit bzw. das darin ausgewiesene Bemessungsentgelt für die Arbeitslosenhilfeleistungen bestätigt. Im Interesse einer richtigen rechtlichen Beurteilung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten geht der Senat für die neue Entscheidung von dem korrigierten fiktiven Monatseinkommen des Klägers von umgerechnet 951 € im Jahr 1999 aus. Den Beklagten erwächst daraus kein Nachteil. Sie sind im Umfang des bereits in Rechtskraft erwachsenen ersten Berufungsurteils bzw. durch das Verbot der reformatio in peius hinreichend geschützt.

2.

Den seit dem Anerkenntnisurteil eingetretenen wirtschaftlichen Veränderungen ist im Hinblick auf das vorstehend festgestellte fiktive Erwerbseinkommen des Klägers Rechnung zu tragen. Das Einkommen ist daher in Anlehnung an das seit dem Jahr 1999 allgemein gestiegene Lohnniveau anzuheben. Ferner ist der Umstand zu berücksichtigen, dass der Kläger am 7.8.2003 nach B... umgezogen ist.

Insoweit hält es der Senat für sachgerecht, im Rahmen der gebotenen neuen Beurteilung nach Zeitabschnitten zu differenzieren:

6.5.2002 bis 6.8.2003

Für diesen Zeitabschnitt ist eine prozentuale Anhebung des ursprünglichen fiktiven Einkommens des Klägers vorzunehmen. Diese Anpassung ist anhand der gestiegenen Selbstbehaltsätze zu berechnen. Für den notwendigen Selbstbehalt am Wohnsitz des Klägers im Land Brandenburg galten nach den jeweiligen damals gültigen Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts folgende Beträge:

 bis 6/19991.350 DM
ab 7/19991.370 DM
ab 7/20011.515 DM/775 €
ab 7/2003775 €.

Die Änderung der Selbstbehaltsätze beruht darauf, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsverpflichteten infolge Änderungen der Lebenshaltungskosten gewandelt haben. Sie ist damit als Ausdruck einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse zu werten (vgl. hierzu Soyka, Die Abänderungsklage im Unterhaltsrecht, 2. Aufl., Rn. 78). Wie sich aus der vorstehenden Aufstellung ergibt, ist der notwendige Selbstbehalt zwischen dem Erlass des Anerkenntnisurteils (in 3/1999) und dem Beginn des Abänderungszeitraums (in 5/2002) um 12,22 % gestiegen. Die geänderten Selbstbehaltsätze rechtfertigen eine entsprechende Abänderung des dem Kläger weiterhin zuzurechnenden Arbeitseinkommens. Es ist daher für den Abänderungszeitraum vom 6.5.2002 bis zum Tag vor dem Umzug des Klägers nach B..., also bis zum 6.8.2003, ein um 12,22 % höherer Betrag in Ansatz zu bringen. Für die Unterhaltsberechnung ist folglich ein fiktives Monatseinkommen des Klägers von rund 1.067 € zugrunde zu legen 7.8.2003 bis 30.6.2005

Für diesen Zeitabschnitt bedarf es einer Gesamtbeurteilung aller mit dem Wohnortwechsel des Klägers verbundenen Veränderungen.

Im Zeitpunkt des Umzugs des Klägers nach B... am 7.8.2003 standen sich ein notwendiger Selbstbehalt von 775 € in den neuen Bundesländern und 840 € in den alten Bundesländern gegenüber. Die Differenz beträgt 65 €.

Der Senat geht auf der einen Seite davon aus, dass für den Kläger in B... generell günstigere Erwerbsmöglichkeiten bestanden haben und noch bestehen als in Brandenburg. Auf der anderen Seite kann im Hinblick auf den schulischen und beruflichen Werdegang des Klägers, die in 8/2002 anerkannte Minderung seiner Erwerbsfähigkeit um 30 % sowie unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch... zur geistigen Leistungsfähigkeit des Klägers nicht angenommen werden, dass für ihn ein qualitatives berufliches Weiterkommen im Zuge seines Wohnortwechsels realistisch war. Der Sachverständige Dr. Sch... hat in dem vom Senat eingeholten Gutachten vom 4.6.2004 aus arbeitsmedizinischer Sicht folgende Tätigkeiten aufgeführt, die der Kläger (auch nach seinem Umzug) beispielsweise ausüben konnte:

- Pförtnerdienst

- einfache Büroarbeit

- Lagerist im Kleinteilbereich ohne Benutzungsnotwendigkeit von Leitern und Stufen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger trotz dieser Feststellungen des Sachverständigen im Zuge seines Wohnortwechsels durch eine von ihm zu erwartende qualifiziertere berufliche Tätigkeit oder eine besondere berufliche Weiterentwicklung eine zusätzliche Einkommenssteigerung hätte herbeiführen können, gibt es nicht. Zu berücksichtigen ist daher auch für die Zeit ab dem 7.8.2003 zunächst nur die Steigerung des erzielbaren Einkommens, die aus dem allgemeinen "Ost-West-Gefälle" resultiert.

Danach ergeben sich aus dem Umzug des Klägers von Brandenburg nach B... gegenläufige Veränderungen. Einerseits führt der Wohnortwechsel zu besseren Arbeitschancen, andererseits ist mit ihm die Erhöhung des Selbstbehaltsatzes verbunden. Unter Berücksichtigung der in der Person des Klägers liegenden besonderen Umstände geht der Senat davon aus, dass sich die gegenläufigen Veränderungen unterhaltsrechtlich im Ergebnis aufheben.

Dem Wohnortwechsel und dem daraus folgenden höheren notwendigen Selbstbehalt des Klägers ist somit (nur) durch eine entsprechende Einkommensanhebung in Höhe der Differenz zwischen den seinerzeit in Brandenburg und B... geltenden Selbstbehaltbeträgen, also monatlich 65 €, Rechnung zu tragen. Das fiktive Einkommen des Klägers ist folglich ab dem 7.8.2003 mit monatlich (1.067 € + 65 € =) 1.132 € in Ansatz zu bringen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Zuge seines Wohnortwechsels angesichts seiner Qualifikation bei den gebotenen intensiven Arbeitsbemühungen eine reale Chance auf eine Anstellung mit einem von den Beklagten geltend gemachten deutlich höheren Anfangsverdienst von monatlich 1.400 € netto gehabt hätte, bestehen nicht. Im Übrigen erwächst den Beklagten aus der geringeren Einkommenszurechnung für die Zeit ab dem 7.8.2003 auch kein Nachteil.

Aus den weiterhin geltenden Gründen des ersten Berufungsurteils vom 9.11.2004 muss sich der Kläger auch für die Zeit nach Verkündung des Urteils wegen andauernder Verletzung seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB an einer fiktiven Einkommenszurechnung festhalten lassen.

1.7.2005 bis 14.3.2007

Für diesen Zeitabschnitt sind nur die Erhöhungen in Ansatz zu bringen sind, die auf der gewöhnlichen Einkommensentwicklung beruhen.

Der notwendige Selbstbehalt in B... ist zum 1.7.2005 von 840 € auf 890 € gestiegen. Er ist damit um 5,95 % angehoben worden. Der Senat hält es auch in diesem Umfang für sachgerecht, das für den vorangegangenen Zeitabschnitt festgestellte fiktive Einkommen des Klägers nur um diesen Prozentsatz anzuheben. Folglich errechnet sich für die Zeit vom 1.7.2005 bis zum 14.3.2007 ein fiktives Monatsnettoeinkommen des Klägers von aufgerundet 1.200 €.

15.3.2007 bis 31.5.2008

Auch der Ansatz eines fiktiven Einkommens ist nicht unabänderlich. Beruht der titulierte Unterhalt - wie hier - auf einer Zurechnung fiktiver Erwerbseinkünfte, so kann zu überlegen sein, ob es gerechtfertigt ist, an der fiktiven Fortschreibung früherer Einkünfte auf unbegrenzte Zeit festzuhalten. Hierzu wird die Auffassung vertreten, es sei angemessen, die Fiktion im Regelfall nach drei Jahren nicht mehr aufrechtzuerhalten (vgl. hierzu Soyka, a.a.O., Rn. 83).

Im Streitfall beruht der Unterhaltsanspruch der Beklagten seit 3/1999 und damit über einen Zeitraum von mehr als acht Jahren auf der Zurechnung fiktiver Einkünfte. Ob es angesichts dieser Dauer angemessen ist, den Kläger auch weiterhin an der fiktiven Einkommenszurechnung festzuhalten oder ob der vorstehend genannten Auffassung zu folgen ist, kann für die vorliegende Entscheidung offen bleiben. Zu Gunsten des Klägers kann angenommen werden, dass er auf Grund ausreichender Bewerbungsbemühungen zum 15.3.2007 eine unterhaltsrechtlich nicht zu beanstandende Anstellung als Lagerarbeiter gefunden hat und es seit dieser Zeit gerechtfertigt ist, seine (geringeren) tatsächlichen Einkünfte für die Unterhaltsberechnung zu Grunde zu legen. Diese Annahme beschwert die Beklagten nicht.

Der Kläger war vom 15.3. bis zum 31.7.2007 bei der Firma M... GmbH ... als Lagerarbeiter angestellt. Ausweislich der vorgelegten Einkommensunterlagen hat er in dieser Zeit einen Nettoverdienst einschließlich Entgeltersatzleistungen in Höhe von insgesamt rund 5.319 € erzielt. Das entspricht 1.182 € im Monatsdurchschnitt.

Seit dem 1.8.2007 bezieht der Kläger Krankengeld in Höhe eines kalendertäglichen Netto-zahlbetrags von 28,55 €. Das entspricht einem Monatseinkommen von 856,50 €. Diese Krankengeldleistungen sind im Hinblick auf die im Senatstermin noch andauernde Krankschreibung des Klägers bis zum letzten Tag des (nur noch) Ro... betreffenden Abänderungszeitraums, also bis zum 31.5.2008, fortzuschreiben. Dem Beklagten zu 2. erwächst hieraus kein Nachteil.

Im Ergebnis sind für den Abänderungszeitraum folgende monatlichen Nettoeinkünfte des Klägers zu Grunde zu legen:

- 1.067 € vom 6.5.2002 bis zum 6.8.2003,

- 1.132 € vom 7.8.2003 bis zum 30.6.2005,

- 1.200 € vom 1.7.2005 bis zum 14.3.2007,

- 1.182 € vom 15.3. bis zum 31.7.2007,

- 856,50 € vom 1.8.2007 bis zum 31.5.2008.

IV.

Der Unterhaltsbedarf der Beklagten ist nach den gesetzlichen Vorschriften für den gesamten Abänderungszeitraum neu zu bemessen. Die Unterschiedlichkeit der für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Verhältnisse macht im Rahmen der neuen Senatsentscheidung eine getrennte Beurteilung für jedes Kind erforderlich.

1. S...

Zur Unterhaltsbedürftigkeit der Beklagten zu 1. gemäß § 1602 BGB sind für die einzelnen Zeitabschnitte folgende Feststellungen zu treffen:

6.5.2002 bis 7.9.2003

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen unter Ziffer III. ergibt, muss sich der gegenüber seinen beiden Kindern barunterhaltspflichtige Kläger für diesen Zeitabschnitt ein fiktives Monatseinkommen in Höhe von

- 1.067 € vom 6.5.2002 bis zum 6.8.2003 und

- 1.132 € vom 7.8.2003 bis zum 30.6.2005 zurechnen lassen.

Auf der Grundlage der an ihrem Wohnort in S... jeweils geltenden Brandenburgischen Unterhaltsleitlinien und unter Beachtung des Bedarfskontrollbetrages ergibt sich ein monatlicher Unterhaltsbedarf der Beklagten zu 1. in Höhe von

- 249 € vom 6.5.2002 bis zum 30.6.2003 und

- 262 € vom 1.7. bis zum 7.9.2003.

Eine Kindergeldanrechnung auf diese Tabellenbedarfsbeträge findet gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB nicht statt.

8.9.2003 bis 30.9.2005

a)

Seit dem 8.9.2003 lebt die Beklagte zu 1. nicht mehr im Haushalt der Mutter. Sie ist im Rahmen einer Maßnahme zur öffentlichen Erziehungshilfe in einem Kinder- und Jugendheim der AWO S... untergebracht worden. Seit dieser Zeit wird für die Tochter des Klägers Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27, 34 SGB VIII (KJHG) geleistet. Die Heimunterbringung dauert über den Eintritt ihrer Volljährigkeit (am 8.6.2007) hinaus und auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an.

Der Unterhaltsbedarf der Beklagten zu 1. wird durch ihre Heimunterbringung bestimmt. Er deckt sich mit den dort anfallenden Kosten (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1986, 48/49; BGH, FamRZ 2004, 186/187; Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2, Rn. 323).

b)

Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser Unterhaltsbedarf (jedenfalls bis zum 30.9.2005) nicht durch die seiner Tochter zugute gekommenen Leistungen der Jugendhilfe gedeckt worden.

Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfegesetz - KICK) vom 8.9.2005 wurde die Frage der Kostenheranziehung (u. a. der Eltern) umfassend reformiert. Diese Neuregelung ist zum 1.10.2005 in Kraft getreten (vgl. BGBl. I, 2005, S. 2740).

Für die Zeit bis zum 30.9.2005 war in § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII a. F. vorgesehen, dass die Verpflichtungen anderer - insbesondere der barunterhaltspflichtigen Eltern - durch die Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe nicht berührt werden. Für den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch folgte daraus, dass die Hilfeleistungen jedenfalls dann gegenüber dem Unterhalt subsidiär waren, wenn und soweit der Anspruch auf den Jugendhilfeträger übergegangen ist (vgl. hierzu Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, 2. Aufl., § 10, Rn. 22 und § 94, Rn. 2; DIJuF - Rechtsgutachten, JAmt 2005, 510/511; Wendl/Scholz, a.a.O., § 2, Rn. 327 a; OLG Düsseldorf, Kind-Prax 2005, 108/109).

Auch die Sonderregelungen über die Heranziehung der Eltern im Fall der Heimunterbringung in den §§ 92 ff. SGB VIII a. F. sprachen nicht gegen den Nachrang der öffentlichen Jugendhilfe. Insbesondere § 94 SGB VIII a. F. regelte nicht die materiell-rechtliche Unterhaltsverpflichtung der Eltern. Vielmehr konkretisierten die speziellen Heranziehungs- und Übergangsvorschriften nach §§ 92, 94 SGB VIII a. F. nur die öffentlich-rechtliche Heranziehung der Eltern zum Kostenersatz betreffend die Hilfe zur Erziehung. Hierbei ist danach differenziert worden, ob der Elternteil vor Beginn der Hilfe mit dem Kind zusammen lebte (§ 94 Abs. 2 SGB VIII a. F.) oder ob das nicht der Fall war (Abs. 3). Von demjenigen Elternteil, der - wie hier der Vater - mit dem Kind vor Beginn der Jugendhilfeleistung nicht zusammen lebte, wurde zwar kein Kostenbeitrag erhoben. Nach § 94 Abs. 3 SGB VIII a. F. ging jedoch der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen diesen vor der Heimunterbringung allein barunterhaltspflichtigen Elternteil kraft Gesetzes auf den Träger der öffentlichen Jugendhilfe über. Dieser gesetzliche Forderungsübergang war der Höhe nach allerdings begrenzt auf den (fiktiven) Unterhaltsbetrag, der zu leisten gewesen wäre, wenn das Kind weiter bei dem anderen Elternteil lebte. Die mit der Jugendhilfe verbundenen erhöhten Unterbringungs- und Erziehungskosten, die in diesem Umfang auch der Familienförderung dienen, waren also allein von der öffentlichen Hand zu tragen. Nur für den durch die Leistungen der Jugendhilfe (Heimunterbringung) entstehenden Mehrbedarf war also die Jugendhilfeleistung nach dem bis zum 30.9.2005 geltenden Recht nicht subsidiär und deshalb bedarfsdeckend anzurechnen (vgl. hierzu OLG Schleswig, MDR 2001, 875/876).

c)

Nach materiellem Unterhaltsrecht bemisst sich der Unterhaltsbedarf der ab 8.9.2003 in einem Wohnheim untergebrachten Beklagten zu 1. nach dem anrechenbaren Gesamtmonatseinkommen beider Elternteile. Sie haben sich auf Grund der auswärtigen Unterbringung der damals noch minderjährigen Beklagten zu 1. beide am Barunterhalt für die Tochter zu beteiligen (vgl. hierzu Wendl/Scholz, a.a.O., § 2, Rn. 290 sowie Ziffer 12.3 der für den Wohnort des Klägers maßgebenden Süddeutschen Unterhaltsleitlinien). Der Haftungsanteil beider Eltern bemisst sich dabei gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen.

Jedenfalls für die Zeit der Minderjährigkeit der Beklagten zu 1. ist der Kläger, der den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung erreichen will, für die Umstände darlegungs- und beweispflichtig, die sein Abänderungsbegehren rechtfertigen (vgl. hierzu Wendl/Thalmann, a.a.O., § 8, Rn. 166). Der Kläger hat jedoch nicht dargetan, dass unter Einbeziehung der Mithaftung der seit dem 8.9.2003 ebenfalls barunterhaltspflichtigen Mutter die auf ihn entfallende Haftungsquote hinter dem Betrag zurückbleibt, den er seiner Tochter auf Grund des Anerkenntnisurteils vom 12.3.1999 schuldet.

d)

Die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 1 BSHG a. F. findet im Rahmen des Anspruchsübergangs nach § 94 Abs. 3 SGB VIII a. F. keine entsprechende Anwendung.

Der Senat folgt nicht der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung, dass im Rahmen des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 94 Abs. 3 SGB VIII a. F. fiktives Elterneinkommen nicht anzurechnen ist bzw. eine sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung vorzunehmen ist (vgl. hierzu Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, a.a.O., § 94, Rn. 12; Münder u. a., Frankfurter Kommentar zum SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfe, 4. Aufl., § 94, Rn. 9). Es lässt sich nicht feststellen, dass das SGB VIII a. F. insoweit eine im Wege der Analogie zu schließende Regelungslücke enthält.

Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Reform des Kindesunterhaltsrechts durch das KindUG andere Regelungen des BSHG , unter Anderem die Rückabtretungsmöglichkeit (§ 91 Abs. 4 Satz 1 BSHG), ausdrücklich in das SGB VIII a.F. übernommen. Hinsichtlich des im Jahr 1990 in Kraft getretenen KJHG sind zwischen 1992 und 2005 über 20 Gesetzesänderungen vorgenommen worden (vgl. hierzu die Darstellung bei Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl., Einleitung, Rn. 8 - 35). Vor diesem Hintergrund ist die Annahme nicht gerechtfertigt, es liege bezüglich der nicht übernommenen Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 1 BSHG a.F. eine versehentliche Regelungslücke vor. Die betreffende Problemlage war schon längere Zeit vor dem In-Kraft-Treten des KindUG bekannt. Wenn der Gesetzgeber gleichwohl davon abgesehen hat, § 94 Abs. 3 SGB VIII a. F. auch hinsichtlich der Anwendbarkeit der sozialhilferechtlichen Schutzbestimmung der Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 1 BSHG anzupassen, ist davon auszugehen, dass die unterbliebene Regelung der gesetzgeberischen Intention entspricht (vgl. hierzu betreffend die gleiche Problematik im Rahmen von § 7 UVG: BGH, FamRZ 2001, 619, 621). Auch den Gesetzesmaterialien zum SGB VIII a.F. lässt sich insoweit nichts Abweichendes entnehmen (vgl. Regierungsbegründung, BT-Drucks. 12/2866, S. 25 - 27 sowie den Bericht des Ausschusses für Frauen und Jugend, BT-Drucks. 12/3711, S. 46).

Der bis zum 30.9.2005 angeordnete gesetzliche Forderungsübergang auf den Träger der öffentlichen Jugendhilfeleistung wird daher nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beklagten zu 1. gegenüber dem Kläger Unterhaltsansprüche auf fiktiver Einkommensgrundlage zustehen.

e)

Die Beklagte zu 1. hat im Zuge des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 94 Abs. 3 SGB VIII a. F. ihre Passivlegitimation auch nicht teilweise verloren.

Wegen der Sperrwirkung des § 323 Abs. 3 ZPO kommt im Streitfall eine Abänderung des Anerkenntnisurteils zugunsten des Klägers grundsätzlich nur für die Zeit nach Klageerhebung in Betracht. Der Anspruchsübergang nach Rechtshängigkeit, der im Zeitpunkt der Klageerhebung mangels Leistungserbringung noch nicht stattgefunden hat, ist aber nach § 265 Abs. 2 ZPO auf das Prozessrechtsverhältnis ohne Einfluss (vgl. hierzu auch Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 4. Aufl., § 323 ZPO, Rn. 41; Soyka, a.a.O., Rn. 42; OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 764/765). Es kann dahinstehen, ob sich der Unterhaltsberechtigte trotz des Anspruchsübergangs darauf beschränken kann, Klageabweisung zu beantragen, weil der Träger der öffentlichen Leistung die Möglichkeit der Umschreibungen der Vollstreckungsklausel nach § 727 Abs. 1 ZPO hat (vgl. hierzu Wendl/Scholz, a.a.O., § 6, Rn. 564). Die Beklagte zu 1. hat ihren Klageabweisungsantrag im Senatstermin vom 13.11.2007 in der Weise modifiziert, dass der Unterhalt im Umfang eines Anspruchsübergangs an die jeweiligen Träger der Jugendhilfeleistungen zu zahlen sei. Dass die von 9/2003 bis 9/2005 geleistete Jugendhilfe den in dem Anerkenntnisurteil vom 12.3.1999 zu Gunsten der Beklagten zu 1. titulierten Unterhaltsbetrag in jedem Fall übersteigt, wird vom Kläger selbst nicht in Frage gestellt.

Der modifizierte Klageabweisungsantrag der Beklagten zu 1. aus der letzten mündlichen Verhandlung ist allerdings bei verständiger Auslegung dahin zu verstehen, dass er sich nicht (mehr) auf denjenigen Teil ihres Unterhaltsanspruchs bezieht, über den der Senat durch das erste Berufungsurteil bereits rechtskräftig entschieden hat. In diesem Umfang ist das ohne jede Einschränkung abgewiesene Abänderungsbegehren des Klägers nicht mehr Gegenstand des laufenden Berufungsverfahrens und die Beklagte zu 1. durch das Verbot der reformatio in peius geschützt.

1.10.2005 bis 30.6.2007

Mit dem zum 1.10.2005 in Kraft getretenen Kinder- und Jugendhilfeentwicklungsgesetz -KICK - wurde die Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe umfassend reformiert. Insbesondere ist der gesetzliche Forderungsübergang weggefallen. Mit der Neuregelung wurde eine eigenständige öffentlich-rechtliche Bemessung und Heranziehung durch Erhebung eines Kostenbeitrags in Form eines Verwaltungsaktes (§§ 31 ff. SGB X) eingeführt. Damit ist es zu einer Entflechtung von Unterhaltsrecht und Sozialleistungsrecht gekommen. Eine etwaige Kollision zwischen zivilrechtlicher Unterhaltspflicht einerseits und öffentlich-rechtlicher Kostenbeitragspflicht von Eltern, Ehegatten und Lebenspartnern junger Menschen andererseits wird über § 10 Abs. 3 SGB VIII gelöst (vgl. hierzu Wiesner, a.a.O., § 94, Rn. 5). Während bislang die Heimunterbringung eines Kindes im Rahmen der Jugendhilfe keine Auswirkungen auf die Höhe seines Unterhaltsanspruchs gegenüber seinem barunterhaltspflichtigen Elternteil hatte, wird diese Jugendhilfeleistung seit dem 1.10.2005 unterhaltsrechtlich als bedarfsdeckend angesehen. Maßgeblich ist § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. Dort heißt es u. a.:

"Soweit der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen". Im Ergebnis bedeutet dies, dass die vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe erbrachten Vorleistungen eine unterhaltsrechtliche Bedarfsdeckung zur Folge haben (vgl. hierzu Münder/Wiesner, Kinder- und Jugendhilferecht, 2007, Kap. 5.5.1.2, Rn. 5; Wiesner, a.a.O., § 10, Rn. 28; DIJuF, Rechtsgutachten, JAmt 2005, 510/511). An dieser bedarfsdeckenden Wirkung der Jugendhilfe ändert auch der Umstand nichts, dass die Eltern nachträglich gemäß §§ 90 ff SGB VIII zu den Kosten der gewährten Leistung herangezogen werden. Die Kostenheranziehung verfolgt vor allem den rechtspolitischen Zweck, die Eltern als nächste Angehörige nicht aus ihrer materiellen Verantwortung gegenüber ihrem untergebrachten Kind zu entlassen, sondern durch die Erhebung eines Kostenbeitrags in die Pflicht zu nehmen (vgl. hierzu Regierungsbegründung, BT-Drucks. 15/3676, S. 31).

Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass im Zuge der Neuregelung der unterhaltsrechtliche Bedarf durch die (materielle) Leistungsgewährung der öffentlichen Jugendhilfe in aller Regel gedeckt wird (vgl. hierzu BT-Drucks. 15/3676, S. 31 und 41).

Auf Grund der bis zum Senatstermin fortlaufend gewährten Leistungen der Jugendhilfe fehlt es für den Abänderungszeitraum vom 1.10.2005 bis zum 30.6.2007 an der Unterhaltsbedürftigkeit der Beklagten zu 1. nach § 1602 BGB.

Im Ergebnis ist der monatliche Unterhaltsbedarf der Beklagten zu 1. auf der Grundlage der fiktiven Erwerbseinkünfte des Klägers wie folgt festzustellen:

- 249 € vom 5.6.2002 bis zum 30.6.2003

- 262 € vom 1.7.2003 bis zum 30.6.2005

- 269 € vom 1.7. bis zum 30.9.2005.

Seit dem 1.10.2005 fehlt es auf Grund der bedarfsdeckenden Leistungen der Jugendhilfe an der Unterhaltsbedürftigkeit der Beklagten zu 1. nach § 1602 BGB.

2. Ro...

Der nach materiellem Unterhaltsrecht zu beurteilende Unterhaltsbedarf des Beklagten zu 2. stellt sich in den einzelnen Zeitabschnitten wie folgt dar:

6.5.2002 bis 13.7.2004

Für diesen Zeitraum ist dem Beklagten zu 2. wie seiner Schwester ein monatlicher Unterhaltsbedarf von

- 249 € vom 6.5.2002 bis zum 30.6.2003 und

- 262 € vom 1.7.2003 bis zum 13.7.2004 zuzubilligen.

In der Folgezeit weichen die Lebensumstände der Beklagten zu 1. von denjenigen des Beklagten zu 2. ab. Daraus ergeben sie folgende Auswirkungen auf seinen materiell-rechtlichen Unterhaltsbedarf:

14.7.2004 bis 31.7.2007

Der Umzug des Beklagten zu 2. nach A... hat zur Folge, dass sich sein Tabellenbedarf seither nach den Unterhaltsleitlinien des OLG Schleswig richtet. Das führt zu einem erhöhten monatlichen Unterhaltsbedarf des Beklagten zu 2. Von

- 284 € vom 14.7.2004 bis zum 30.6.2005,

- 291 € vom 1.7.2005 bis zum 30.6.2007,

- 288 € vom 1.7. bis zum 31.7.2007.

Während seiner Schulzeit und im ersten Monat der Berufsausbildung hat der Beklagte zu 2. eine Nebentätigkeit ausgeübt. Er hat stundenweise Zeitungen ausgetragen und daraus Einkünfte in Höhe von unstreitig ca. 60 € monatlich erzielt. Diese Einkünfte des Beklagten zu 2. beruhen auf einer überobligationsmäßigen Tätigkeit. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechend dem Rechtsgedanken des § 1577 Abs. 2 BGB sind die Eigeneinkünfte dem Beklagten zu 2. in vollem Umfang anrechnungsfrei zu belassen (vgl. hierzu auch Ziffer 12.2 der Schleswig-Holsteinischen Unterhaltsleitlinien).

Auch das Kindergeld ist mit Blick auf § 1612 b Abs. 5 BGB weder ganz noch teilweise bedarfsdeckend anzurechnen.

1.8.2007 bis 30.5.2008

Der Beklagte zu 2. hat am 1.8.2007 mit einer Berufsausbildung begonnen. Die monatliche Ausbildungsvergütung beläuft sich im ersten Ausbildungsjahr auf netto 366,85 €. Einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf hat der Beklagte zu 2. nicht geltend gemacht.

Im Hinblick auf die Minderjährigkeit des Beklagten zu 2. ist seine Ausbildungsvergütung nur zur Hälfte auf seinen Barbedarf anzurechnen. Für die Zeit ab 8/2007 verbleibt folglich ein ungedeckter Unterhaltsbedarf des Beklagten zu 2. in Höhe von (288 € - 183,43 € =) 104,57 € monatlich.

Im Ergebnis ist für den Abänderungszeitraum der monatliche Unterhaltsbedarf des Beklagten zu 2. wie folgt festzustellen:

- 249 € vom 6.5.2002 bis zum 30.6.2003,

- 262 € vom 1.7.2003 bis zum 13.7.2004,

- 284 € vom 14.7.2004 bis zum 30.6.2005,

- 291 € vom 1.7.2005 bis zum 30.6.2007,

- 288 € vom 1.7. bis zum 31.7.2007,

- 104,57 € vom 1.8.2007 bis zum 31.5.2008.

V.

Wie vom Senat bereits festgestellt wurde, schuldet der Kläger seinen beiden Kindern auch während ihrer Minderjährigkeit Unterhalt nicht unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit. Er muss den vorstehend festgestellten Unterhaltsbedarf der Beklagten in dem Umfang decken, in dem er ohne Gefährdung seines notwendigen Selbstbehalts dazu in der Lage ist.

1.

Im Ausgangspunkt ist der notwendige Selbstbehalt mit denjenigen Beträgen in Ansatz zu bringen, die nach den Unterhaltsleitlinien des jeweils für den Wohnort des Unterhaltsverpflichteten zuständigen Oberlandesgerichts gelten. Die dem Kläger zu belassenden Selbstbehalte richten sich daher bis zum 6.8.2003 nach den jeweils gültigen Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg. Seit seinem Umzug nach B... am 7.8.2003 sind die Selbstbehaltsätze nach den jeweiligen Süddeutschen Unterhaltsleitlinien zu bemessen. Auf der Grundlage dieser Unterhaltsleitlinien sind für den Kläger die folgenden monatlichen notwendigen Selbstbehalte für Erwerbstätige (bis zum 31.7.2007) bzw. für Nichterwerbstätige (ab dem 1.8.2007) anzusetzen:

- 775 € vom 6.5.2002 bis zum 6.8.2003,

- 840 € vom 7.8.2003 bis zum 30.6.2005,

- 890 € vom 1.7.2005 bis zum 30.6.2007,

- 900 € vom 1.7. bis zum 31.7.2007,

- 770 € vom 1.8.2007 bis zum 31.5.2008.

2.

Diese notwendigen Selbstbehaltsätze sind mit Rücksicht auf das während des gesamten Abänderungszeitraums andauernde Zusammenleben des Klägers mit seiner Lebensgefährtin bzw. neuen Ehefrau um jeweils 12,5 % abzusenken.

Aus dem Zusammenleben und gemeinsamen Wirtschaften ergeben sich für die Partner der Lebens- bzw. Ehegemeinschaft im Hinblick auf eine Vielzahl täglicher Ausgaben erfahrungsgemäß Haushaltsersparnisse. Das ist auch dann der Fall, wenn die Paare getrennte Kassen führen. Dieser im Mehrpersonenhaushalt eintretende wirtschaftliche Vorteil von bis zu 25 % des Selbstbehalts ist im Zweifel den Partnern zu gleichen Teilen zuzurechnen. Nach dem neuen und unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten liegen diese Voraussetzungen mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Lebensgefährtin/Ehefrau des Klägers während des gesamten Abänderungszeitraums vor. Der notwendige Selbstbehalt des Klägers in Höhe der vorstehend für die einzelnen Zeitabschnitte dargestellten Beträge ist folglich um jeweils 12,5 % zu reduzieren. Er beträgt danach gerundet

- 678 € vom 6.5.2002 bis zum 6.8.2003,

- 735 € vom 7.8.2003 bis zum 30.6.2005,

- 779 € vom 1.7.2005 bis zum 30.6.2007,

- 788 € vom 1.7. bis zum 31.7.2007,

- 674 € vom 1.8.2007 bis zum 31.5.2008.

3.

Nach Abzug dieser Selbstbehalte von den unter Ziffer III. festgestellten (erzielbaren bzw. tatsächlichen) Einkünften des Klägers verbleibt für die Unterhaltsansprüche der beiden Beklagten eine monatliche Verteilungsmasse in Höhe von

- 389 € (= 1.067 € - 678 €) vom 6.5.2002 bis zum 6.8.2003,

- 397 € (= 1.132 € - 735 €) vom 7.8.2003 bis zum 30.6.2005,

- 421 € (= 1.200 € - 779 €) vom 1.7.2005 bis zum 14.3.2007,

- 403 € (= 1.182 € - 779 €) vom 15.3. bis zum 30.6.2007,

- 394 € (= 1.182 € - 788 €) vom 1.7. bis zum 31.7.2007,

- 182,50 € (= 856,50 € - 674 €) vom 1.8.2007 bis zum 31.5.2008.

VI.

1.

Die vorstehenden Ausführungen zu Ziffer II. bis V. lassen sich durch folgende Übersicht zusammenfassen:

2.

Für die Berufung der Beklagten zu 1. ergibt sich daraus Folgendes:

a)

Für den Zeitraum

- vom 6.5.2002 bis zum 30.6.2003 und

- vom 7.8.2003 bis zum 30.9.2005

hat das Abänderungsbegehren des Klägers keinen Erfolg. Eine Abänderungswiderklage ist von den Beklagten nicht erhoben worden.

b)

Hinsichtlich des Zeitraums

- vom 1.7. bis zum 6.8.2003

führt die Abänderungsklage zu einem geringen Erfolg. Den in Höhe von jeweils 198,09 € monatlich titulierten Unterhaltsansprüchen der Beklagten steht nur eine Verteilungsmasse von 389 € gegenüber. Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers führt daher zu einem auf 194,50 € monatlich herabzusetzenden Unterhaltsanspruch der Beklagten zu 1.

c)

In der Zeit

- vom 1.10.2005 bis zum 30.6.2007

fehlt es zwar auf Grund der bedarfsdeckenden Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe an der Unterhaltsbedürftigkeit der Beklagten zu 1. Wie bereits festgestellt hat die Beklagte zu 1. als Rechtsmittelklägerin durch die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch den BGH nicht den durch das Verbot der reformatio in peius gewährten Schutz vor einer Verschlechterung der mit der Revision angegriffenen Entscheidung verloren. Über den Unterhaltsanspruch der Beklagten zu 1. in Höhe von monatlich 92 € für die Zeit vom 1.10.2005 bis zum 30.6.2007 hat der Senat aber bereits rechtskräftig entschieden. Es bleibt daher bei diesem festgestellten Unterhaltsanspruch der Beklagten zu 1.

d)

Soweit der auf die Träger der Jugendhilfeleistung in der Zeit vom 8.9.2003 bis zum 30.9.2005 nach § 94 Abs. 3 SGB VIII a. F. übergegangene Unterhaltsanspruch der Beklagten zu 1. über den vom Senat bereits rechtskräftig entschiedenen Betrag von monatlich 92 € hinausgeht, war antragsgemäß anzuordnen, dass der Kläger die geschuldeten Zahlungen an diese leistet.

3.

Die vom Beklagten zu 2. eingelegte Berufung ist überwiegend begründet.

a)

Für den Zeitraum

- vom 1.7. bis zum 6.8.2003

führt die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers auch hinsichtlich des Beklagten zu 2. zu einem auf 194,50 € monatlich herabzusetzenden Unterhaltsanspruch.

b)

Im Hinblick auf die zur Hälfte bedarfsdeckende Ausbildungsvergütung verbleibt für die Zeit

- vom 1.8.2007 bis zum 31.5.2008

nur noch ein Unterhaltsanspruch des Beklagten zu 2. in Höhe von monatlich 104,57 €.

c)

Im Umfang der vorgenannten Beträge kann der Kläger eine Abänderung des Anerkenntnisurteils verlangen. Im Übrigen hat sein Abänderungsbegehren keinen Erfolg.

VII.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 analog, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 ZeitraumVerteilungsmasseUnterhaltsbedarf  durch das Anerkenntnisurteil titulierter Unterhalt
  Beklagte zu 1. Beklagter zu 2.Beklagte zu 1. Beklagter zu 2.
6.5.2002 bis 30.6.2003389 €249 € 249 €185,09 € 185,09 €
1.7. bis 6.8.2003389 €249 € 249 €198,09 € 198,09 €
7.8.2003 bis 13.7.2004397 €262 € 262 €198,09 € 198,09 €
14.7.2004 bis 30.6.2005397 €262 € 284 €198,09 € 198,09 €
1.7. bis 30.9.2005421 €269 € 291 €205,09 € 205,09 €
1.10.2005 bis 14.3.2007421 €Null 291 €205,09 € 205,09 €
15.3. bis 30.6.2007403 €Null 291 €205,09 € 205,09 €
1.7. bis 31.7.2007394 € 288 € 203,09 €
1.8.2007 bis 31.5.2008182,50 € 104,57 € 203,09 €



Ende der Entscheidung

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