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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 12.03.2007
Aktenzeichen: 10 UF 226/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 1671 | |
BGB § 1696 | |
ZPO § 114 | |
ZPO § 117 | |
ZPO § 119 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
10 UF 226/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Familiensache
betreffend die elterliche Sorge für das Kind L... K..., geboren am ... 2002,
hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Berger und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein
am 12. März 2007
beschlossen:
Tenor:
Die Prozesskostenhilfegesuche des Antragsgegners und der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Dem Antragsgegner ist die von ihm für das Beschwerdeverfahren beantragte Prozesskostenhilfe (PKH) nicht zu bewilligen. Sein zulässiges Rechtsmittel hat aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, in der Sache keine Erfolgsaussicht.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine Änderung der angefochtenen Entscheidung. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen.
1.
Gegenstand des Verfahrens ist nicht eine Erstregelung der elterlichen Sorge. Im Hinblick auf den im Anschluss an die Vereinbarung der Eltern vom Amtsgericht erlassenen Sorgerechtsbeschluss vom 27.3.2006 geht es vorliegend um eine Abänderungsentscheidung. Diese ist an den Voraussetzungen des § 1696 BGB zu messen. § 1696 BGB verlangt eine Steigerung der auch sonst im Rahmen von § 1671 BGB maßgeblichen Kindeswohlerfordernisse, um zu vermeiden, dass bereits abgeschlossene Verfahren nach Belieben erneut aufgerollt werden. Die Änderungsgründe der von § 1696 BGB vorausgesetzten Gewichtigkeit müssen im Streitfall dabei gerade hinsichtlich des am 27.3.2006 festgelegten Lebensmittelpunkts von L... im Haushalt der Mutter und hinsichtlich des ihr allein übertragenen Aufenthaltsbestimmungsrechts gegeben sein. Derartige Feststellung lassen sich hier nicht treffen.
a)
Auf die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Besuchswochenende 8. bis 12.6.2006 kann der Antragsgegner sein Abänderungsbegehren nicht stützen.
Für die Entscheidung kann zu Gunsten des Vaters davon ausgegangen werden, dass es am Wochenende 8. bis 12.6.2006 zu keiner vorwerfbaren Pflichtverletzung in seinem Obhutsbereich gekommen ist. Auf der anderen Seite ist aber auch kein vorwerfbares Verhalten der Mutter feststellbar. Die Sorgen, die sich die Antragstellerin über die am 12.6. festgestellten und bei Beginn des Besuchswochenendes nach den eigenen Bildern des Vaters noch nicht vorhandenen ungeklärten Hautverletzungen bei L... gemacht hat sowie die von ihr daraus gezogenen Konsequenzen, sind verständlich und nachvollziehbar. Ein Handeln im Kindeswohlinteresse erschien nach den äußeren Umständen geboten. Die Mutter hat sich insoweit auch in einem nicht zu beanstandenden Rahmen berechtigter Interessenwahrnehmung gehalten. Sie hat bei ihrem Vorgehen insbesondere nicht die Grenze überschritten, die den Schluss auf eine mangelnde Erziehungsfähigkeit rechtfertigen könnte. Das gilt sowohl hinsichtlich der Körperverletzungsanzeige gegenüber der Polizei als auch hinsichtlich der im Wege der einstweiligen Anordnung beantragten Umgangsaussetzung. Im Termin vom 3.7.2006 hat die Mutter sich nach Erörterung des Sachverhalts sodann auch mit der Aufhebung des Beschlusses über die Umgangsaussetzung einverstanden erklärt und zugesagt, für eine Fortsetzung der Umgangskontakte zwischen Vater und Tochter Sorge zu tragen. Dass dies abredewidrig nicht erfolgte, ist nicht vorgetragen. Angesichts der ungeklärten Umstände handelte es sich am 13.6.2006 jedenfalls nicht um mutwillige Anträge der Mutter. Sachliche und an sich nahe liegende Gespräche der Eltern untereinander scheiterten damals - und scheitern auch heute - an der konfliktbehafteten Situation und der den Eltern fehlenden Kommunikationsfähigkeit. Im Übrigen kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Amtsgericht den Vortrag der Mutter zu den bei L... festgestellten Verletzungen zum Anlass genommen hat, auf Grund des ungeklärten Sachverhalts am 14.6.2006 durch einstweilige Anordnung den Umgang des Vaters vorläufig auszusetzen.
Die Ereignisse anlässlich des Besuchswochenendes 8. bis 12.6.2006 stellen folglich keine Umstände im Sinne von § 1696 BGB dar. Sie rechtfertigen keine Änderung der Regelung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht.
b)
Entsprechendes gilt für den Umzug der Mutter nach B..., den sie nach Aufhebung der amtsgerichtlichen Untersagungsverfügung Anfang 11/2006 vollzogen hat.
Es ist weder vorgetragen noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Umzug erfolgte, um den Umgang zwischen Vater und Tochter zu vereiteln. Erschwernisse sind hinzunehmen. Die Umgangskontakte werden dem Vater durch den Umzug tatsächlich nicht unmöglich gemacht. Der Umgang findet weiterhin statt. Im Übrigen hat sich die Mutter bereit erklärt, etwaigen neuen entfernungsbedingten Erschwernissen durch eine zeitliche Umgangsausdehnung Rechnung zu tragen. Wie dem Bericht der Kindertagesstätte "F..." vom 21.2.2007 zu entnehmen ist, hat sich L... zwischenzeitlich in B... gut eingelebt. Aus dem Umzug als solchem lassen sich somit ebenfalls keine triftigen Gründe im Sinne von § 1696 BGB zu Gunsten des Vaters herleiten.
c)
Besondere Bedeutung gewinnt für die zu treffende Entscheidung der Umstand, dass die Eltern am 27.3.2006 mit Zustimmung des Amtsgerichts eine Vereinbarung getroffen haben, durch die das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L... der Mutter allein übertragen worden ist. Damit ist der Lebensmittelpunkt von L... nicht bloß vorläufig und im Einvernehmen beider Eltern bei der Mutter festgelegt worden. Er liegt dort auch tatsächlich seit nunmehr einem Jahr. Dass neben den vorstehend angesprochenen Umständen schwerwiegende Gründe des Kindeswohls gegen die Wahrung dieser Aufenthaltskontinuität sprechen, ergibt sich weder aus dem Vorbringen des Antragsgegners noch bestehen Anhaltspunkte dafür.
d)
Insoweit kann der Vater auch nichts aus den Angaben von L... bei ihrer Anhörung durch das Amtsgericht am 30.8.2006 für sich herleiten.
Zum einen hat sich L... im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens unterschiedlich geäußert. Zum anderen, und das ist hier entscheidend, hat die vom Amtsgericht mit der Erforschung des Kindeswillens beauftragte Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Frau P..., in ihrem Bericht vom 25.9.2006 festgestellt, dass L... eine ausgeprägte Bindung zu beiden Elternteilen hat und sich in beiden Haushalten (der jeweils neuen Familie) wohl fühlt. Es ist danach schon kein bestimmter Kindeswunsch in der einen oder anderen Richtung feststellbar.
e)
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners besteht im Rahmen der beantragten Abänderungsentscheidung auch kein Anlass für die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens.
Es ist keine wesentliche Veränderung der für die ursprüngliche Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts maßgebenden tatsächlichen Umstände eingetreten, die nach einer neuen Begutachtung verlangen. Die Streitfragen kann der Senat aus eigener Sachkunde beantworten.
Der Einwand des fehlerhaften bzw. einseitig zu Gunsten der Mutter ausgerichteten Gutachtens der Sachverständigen Frau K... aus dem Vorverfahren ist dem Vater im vorliegenden Verfahren verschlossen. Der Vater hat in Kenntnis des Inhalts dieses in 2/2006 erstellten Sachverständigengutachtens am 27.3.2006 die gerichtlich genehmigte Vereinbarung zum weiteren dauerhaften Verbleib von L... bei der Mutter und zur Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter allein geschlossen. Er hat damit in Kenntnis des Gutachteninhalts mit dem zukünftigen Lebensmittelpunkt des Kindes im Haushalt der Mutter einverstanden erklärt. Von diesem Einverständnis kann er sich nicht im nachhinein mit Einwänden gegen das Sachverständigengutachten, die er bei Vergleichsabschluss am 27.3.2006 aufgegeben hatte, lösen.
Aus dem Vorbringen des Vaters ergibt sich auch nicht, dass sich infolge nachträglich eingetretener Umstände gezeigt hätte, dass das Gutachten von falschen tatsächlichen Grundlagen ausgeht oder inhaltlich falsche Einschätzungen trifft, die es aus triftigen, das Kindeswohl nachhaltig berührenden Gründen im Sinne von § 1696 BGB nahe legen könnten, das frühere Gutachten als ungeeignete Entscheidungsgrundlage zu beurteilen und ein neues Gutachten in Auftrag zu geben. Hierfür bestehen auch nach Aktenlage keine Anhaltspunkte. Die Einwände des Antragsgegners gegen das Gutachten beruhen allein auf seinen abweichenden persönlichen Wertungen.
2.
Die Eltern sind angesichts der nach wie vor stark konfliktbeladenen Situation, der wechselseitigen Anschuldigungen, die sogar zu Strafanzeigen geführt haben, und vor allem wegen ihrer fehlenden Fähigkeit und Bereitschaft zu einer im Kindeswohlinteresse erforderlichen Kooperation und Kommunikation nicht in der Lage, in Zukunft die elterliche Sorge für L... weiter gemeinsam auszuüben. Die Konflikte dauern an. Sie haben ein Ausmaß angenommen, dass die Voraussetzungen nach § 1696 BGB für die Übertragung auch der nach dem Beschluss aus 3/2006 noch verbliebenen gemeinsamen Sorge auf einen Elternteil allein zu bejahen sind. Das wird auch vom Antragsgegner selbst so gesehen.
3.
Wenn nach alldem feststeht, dass
- einerseits eine Änderung des Lebensmittelpunkts von L... nicht aus triftigen, das Kindeswohl berührenden Gründen erforderlich ist und
- andererseits die verbliebene gemeinsame Sorge mangels Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern aufzuheben ist,
wird die Entscheidung zu Gunsten der Mutter zu treffen und ihr das verbliebene elterliche Sorgerecht allein zu übertragen sein. Die Entscheidung des Amtsgerichts erweist sich mithin als richtig. Dementsprechend kann dem Antragsgegner wegen fehlende Erfolgsaussicht seiner Beschwerde die beantragte PKH nicht bewilligt werden, §§ 119, 114 ZPO.
II.
Der Antragstellerin ist die beantragte PKH zu versagen, da sie entgegen ihrer Ankündigung die aktuelle Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemäß § 117 ZPO nicht vorgelegt hat.
Ende der Entscheidung
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