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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 28.10.2008
Aktenzeichen: 10 UF 90/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 85 Abs. 2 | |
ZPO § 315 Abs. 3 | |
ZPO § 310 Abs. 2 | |
ZPO § 517 | |
ZPO § 520 Abs. 2 | |
ZPO § 520 Abs. 3 | |
ZPO § 522 Abs. 1 |
Tenor:
Die Berufung des Beklagten vom 12. Juni 2008 gegen das Urteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 14. Dezember 2007 wird auf seine Kosten verworfen.
Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Berufung wird zurückgewiesen.
Der Berufungswert beträgt 10.718 €.
Gründe:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 14.12.2007 ist unzulässig und daher gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen. Denn die Berufung ist nicht fristgemäß begründet worden.
Wegen der Urteilsverkündung am 14.12.2007 und der nach Ablauf von mehr als fünf Monaten erfolgten Urteilszustellung am 29.5.2008 begann die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist am 14.5.2008 und ist am 14.7.2008 abgelaufen, § 520 Abs. 2 ZPO. Die Berufungsbegründung des Beklagten ist aber erst am 29.7.2008 eingegangen und wahrt daher die Berufungsbegründungsfrist nicht.
In der Berufungsschrift selbst kann eine Berufungsbegründung nicht gesehen werden. Denn sie enthält die nach § 520 Abs. 3 ZPO erforderlichen Angaben nicht. Diese können auch nicht durch Auslegung ermittelt werden.
Allerdings kann der Hinweis der Partei in der Berufungsschrift, das anzufechtende Urteil sei noch nicht zugestellt und sie müsse die Berufung zur Wahrung der Fünfmonatsfrist einlegen, dahin ausgelegt werden, dass das Urteil, gleich welchen Inhalts, in dem Umfang angefochten wird, in dem es den Rechtsmittelführer beschwert (vgl. BGH, FamRZ 2004, 22). Denn wenn dem Rechtsmittelführer innerhalb der Berufungsbegründungsfrist aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen das anzufechtende Urteil nicht bekannt ist, kann er eine Berufungsbegründung mit den nach § 520 Abs. 3 ZPO erforderlichen Erklärungen, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Änderungen des Urteils beantragt werden, nicht abgeben (vgl. BGH, a.a.O.). Einen solchen Hinweis, der etwa in der Mitteilung der Daten des Urteilserlasses und der Urteilszustellung zu sehen wäre, enthält die Berufungsschrift des Beklagten jedoch nicht. Er hätte auch nicht (mehr) den Tatsachen entsprochen. Denn bei Einlegung der Berufung war das Urteil des Amtsgerichts bereits zugestellt, sodass dem Beklagten der Umfang seiner Verurteilung bekannt war. Im Übrigen ist der Beklagte selbst nicht davon ausgegangen, die Berufung enthalte bereits eine Berufungsbegründung. Denn im Anschluss an den Eingangsstempel auf der vorgelegten Urteilsabschrift ist vermerkt, "29.6. Berufung", "29.7. Berufungsbegr.", offenkundig die Daten des jeweils letzten Tages für Berufungseinlegung und Berufungsbegründung. War dem Beklagten angesichts der am 29.5.2008 erfolgten Urteilszustellung der Umfang seiner Verurteilung bei Berufungseinlegung am 12.6.2008 bekannt, war er in der Lage, seine Berufung zu begründen und die nach § 520 Abs. 3 ZPO erforderlichen Erklärungen abzugeben. Dies konnte innerhalb der Berufungsbegründungsfrist, ggf. nach Fristverlängerung gemäß § 520 Abs. 2 ZPO, geschehen.
Vielmehr ist wegen der Berufungsbegründung auf den Schriftsatz vom 29.7.2008 abzustellen. Dieser ist jedoch außerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangen. Die Frist ist am 14.7.2007 in Lauf gesetzt worden. Denn an diesem Tag ist das angefochtene Urteil verkündet worden. Die Verkündung lässt sich dem bei den Akten befindlichen Protokoll entnehmen. Die vom Beklagten geäußerten Zweifel an der Richtigkeit des Protokolls genügen zur Widerlegung der Beweiskraft des Protokolls nicht, selbst wenn danach die Unrichtigkeit wahrscheinlich sein sollte (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 165, Rz. 3).
Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass das Aktenzeichen auf dem Verkündungsprotokoll fehlt, kann dem nicht entnommen werden, dass das aus der Anlage ersichtliche Urteil nicht verkündet worden wäre. Denn Protokoll und Urteil benennen dieselben Parteien und weisen dieselben Daten ("hat das Amtsgericht Eisenhüttenstadt im schriftlichen Verfahren am 14. Dez. 2007") auf. Sie befinden sich, wie sich den nicht geänderten oder überschriebenen Blattzahlen entnehmen lässt, unmittelbar nacheinander in den Akten.
Auch die weiter angeführten Gründe lassen den vom Beklagten gezogenen Schluss auf eine Protokollfälschung nicht zu.
Es trifft zwar zu, dass der Richter des Amtsgerichts nach Erlass von Beschlüssen verfügt hat, was zu veranlassen ist, und eine Vorlagefrist notiert hat. Dass er solche Verfügungen nach Verkündung des Urteils nicht verfasst hat, besagt aber nichts. Denn die Zustellung des Urteils erfolgt von Amts wegen durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§§ 317, 168 ZPO), einer Anweisung bzw. Verfügung des Richters bedarf es nicht. Durch die Verkündung des Urteils wurde die Instanz abgeschlossen, sodass es keinen Grund gab, eine Wiedervorlage zu verfügen.
Auf die vom Beklagten im Zusammenhang mit dem Verkündungsvermerk aufgeworfene Frage kommt es für die Beurteilung der ordnungsgemäßen Verkündung nicht an. Denn die Verkündung wird nur durch das Protokoll bewiesen, selbst die Nichtbeachtung der Vorschrift des § 315 Abs. 3 ZPO hat keine Folgen (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 315, Rz. 7).
Dass sich der Schriftsatz des Beklagten vom 12.2.2008 nicht bei den Akten befindet und das Gericht - insoweit folgerichtig - darauf nicht reagiert hat, kann verschiedene Gründe haben, etwa den, dass er - zu Unrecht - zu einer anderen Akte genommen worden ist. Mängel der Urteilsverkündung lassen sich hieraus nicht ableiten.
Dasselbe gilt für das von der Beklagtenvertreterin angeführte Telefongespräch vom 26.5.2008. Dass sich der Richter des Amtsgerichts in dem dargestellten Sinn geäußert hat, besagt nichts über die Urteilsverkündung und den Auflauf, in dessen Folge das Urteil mit dem Vermerk "Urteil zur Geschäftsstelle am 26.5.2008" versehen worden ist.
Ob das vollständige Urteil bei Verkündung noch nicht vorgelegen hat, kann dahinstehen. Denn selbst dieser Umstand würde nicht zur Unwirksamkeit der Urteilsverkündung führen. Die insoweit maßgebliche Vorschrift des § 310 Abs. 2 ZPO stellt nämlich nur eine Ordnungsvorschrift dar. Ihre Verletzung stellt die Wirksamkeit der - wenn auch etwa fehlerhaften - Urteilsverkündung nicht in Frage (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 310, Rz. 5). Das Gericht kann das vollständige Urteil nach dessen Verkündung absetzen, was hier offenbar geschehen ist.
Darauf, dass die Absetzung des vollständigen Urteils nach dessen Verkündung grundsätzlich spätestens binnen fünf Monaten nach der Verkündung nachgeholt werden muss (vgl. BGH, FamRZ 2004, 1277 m. w. N.), kommt es vorliegend nicht an. Die Begründung des BGH für die Fünfmonatsfrist, dass das richterliche Erinnerungsvermögen abnimmt und nach Ablauf dieser Frist nicht mehr gewährleistet ist, dass der Eindruck von der mündlichen Verhandlung zuverlässigen Niederschlag in den verspätet abgefassten Gründen der Entscheidung findet (BGH, a.a.O.), greift hier schon deshalb nicht, weil das Amtsgericht im schriftlichen Verfahren entschieden hat. Die Überlegung in der Literatur, die Rechtsmittelfristen für die Parteien dürften nicht verkürzt werden, die Parteien müssten die Möglichkeit haben, in Kenntnis der Urteilsbegründung zu entscheiden, ob sie Rechtsmittel einlegen wollten (vgl. Zöller/Vollkom-mer, a.a.O., § 310, Rz. 5), kommt hier ebenfalls nicht zum Tragen. Denn tatsächlich ist eine Verkürzung der Rechtsmittelfrist für den Beklagten nicht erfolgt. Er hat seine Berufung nämlich innerhalb der mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung einsetzenden Berufungsfrist von einem Monat, § 517 ZPO, eingelegt. Die Überschreitung der Fünfmonatsfrist für das Absetzen des vollständigen Urteils wirkt sich somit nicht aus. Im Übrigen hatte der Beklagte die Möglichkeit, eine Verlängerung der Berufungsbegründungfrist gemäß § 520 Abs. 2 ZPO zu beantragen.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht bewilligt werden. Denn der Beklagte war nicht ohne sein bzw. das ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnende Verschulden seiner Bevollmächtigen gehindert, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Die Bevollmächtigte hat sich nämlich erkennbar nicht auf die Rechtssprechung des BGH, die im Übrigen einen anderen als den hier zugrunde liegenden Sachverhalt betrifft, verlassen. Sie hat vielmehr innerhalb der Frist für die "Berufung" bis zum "29.6."2008, die der bereits weiter vorn angeführte Vermerk auf dem angefochtenen Urteil enthält, nämlich am 13.6.2008, Berufung eingelegt und diese am 29.7.2008, dem Tag, an dem lt. Vermerk die Berufungsbegründung scheinbar spätestens erfolgen musste, begründet. Damit haben sich Vermerk und prozessuales Verhalten der Prozessbevollmächtigen des Beklagten ganz offenkundig - unzutreffend - nach der am 29.5.2008 erfolgten Zustellung des angefochtenen Urteils gerichtet. Das hätte vermieden werden können, wenn angesichts der Urteilsverkündung am 14.12.2007 der Ablauf der Berufungsfrist richtig auf Montag, den 16.6.2008, der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auf den 14.7.2008 notiert worden wäre.
Der Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten bietet aus den vorstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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