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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 29.01.2001
Aktenzeichen: 10 WF 149/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 575
ZPO § 115 Abs. 2
ZPO § 118 Abs. 2 Satz 4
ZPO § 118 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 121
ZPO § 114
ZPO § 121 Abs. 1
ZPO § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 127 Abs. 4
BGB § 1360 a Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

10 WF 149/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 16. November 2000 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Oktober 2000 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schael, den Richter am Landgericht Gutjahr und den Richter am Amtsgericht Werth

am 29. Januar 2001

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde führt zu der aus der Beschlußformel ersichtlichen Entscheidung. Der Antragsgegnerin kann Prozeßkostenhilfe nicht aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen versagt werden. Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin auf einen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen den Antragsteller verwiesen. Ausreichende Feststellungen dazu, ob ein solcher Anspruch gegeben ist und ob es der Antragsgegnerin zuzumuten ist, einen solchen etwa gegebenen Anspruch gegenüber dem Antragsteller geltend zu machen, hat das Amtsgericht nicht getroffen. Deshalb ist die Sache aufzuheben und gemäß § 575 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 127, Rz. 38).

Allerdings zählt ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß grundsätzlich zum Vermögen, welches gem. § 115 Abs. 2 ZPO, soweit zumutbar, einzusetzen ist (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 115, Rz. 66 ff.). Ein solcher Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß ist insbesondere zwischen Ehegatten, § 1360 a Abs. 4 BGB, soweit der beabsichtigte Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit, wie ein Ehescheidungsverfahren, darstellt, gegeben (Zöller/Philippi, a.a.O., § 115, Rz. 68).

Keine Vorschußpflicht besteht, wenn der eigene angemessene Unterhalt des Vorschußpflichtigen durch den Vorschuß gefährdet würde (OLG Köln, FamRZ 1999, 792; OLG München, FamRZ 1997, 1088; Zöller/Philippi, a.a.O., § 115, Rz. 70; Kalthoener/Bürtner/Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rz. 371). Auch scheidet ein Vorschußanspruch aus, wenn der Vorschußpflichtige seinerseits Ansprach auf Prozeßkostenhilfe, sei es auch gegen Raten, hätte (OLG Bamberg, FamRZ 2000, 1093 f.; OLG Rostock, OLG-NL 1995, 88; OLG München, FamRZ 1993, 714; Thomas/Put2O, ZPO, 22. Aufl., § 115, Rz. 19; Zöller/Philippi, a.a.O., § 115, Rz. 70, mit Nachweisen auch zur Gegenauffassung). Schließlich muß, bevor die Partei auf den Vorschußanspruch verwiesen wird, geprüft werden, ob ihr die Inanspruchnahme des Ehegatten zuzumuten ist (KG, FamRZ 1983, 1267; Zöller/Philippi, a.a.O., § 115, Rz. 69). Dabei ist insbesondere von Bedeutung, ob der Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß etwa nicht realisierbar ist, weil zum Beispiel der Unterhaltspflichtige leistungsunwillig ist (LG Koblenz, FamRZ 2000, 761; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 114, Rz. 59; vgl. auch OVG Münster, FamRZ 2000, 21). Daß all diese Voraussetzungen nicht vorliegen, hat das Amtsgericht nicht ausreichend geprüft.

Nach Eingang des Antrags der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hat das Amtsgericht Bedenken gegen das Prozeßkostenhilfegesuch unter Hinweis darauf geäußert, daß eine Prozeßkostenvorschußpflicht des Ehemannes in Betracht komme, und eine Frist von zwei Wochen zur Rückäußerung gesetzt. Nachdem innerhalb der gesetzten Frist eine Stellungnahme der Antragsgegnerin nicht eingegangen war, hat das Amtsgericht den Prozeßkostenhilfeantrag durch den angefochtenen Beschluß zurückgewiesen. Der darauf eingelegten Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Amtsgericht mit der Begründung nicht abgeholfen, Anhaltspunkte, die gegen eine Realisierbarkeit des Prozeßkostenvorschusses sprächen, seien nicht erkennbar. Das aber reicht nicht aus, um der Antragsgegnerin Prozeßkostenhilfe zu versagen.

Allerdings hat die Prozeßkostenhilfe begehrende Partei grundsätzlich darzulegen, daß der Vorschußpflichtige den Vorschuß nicht aufbringen kann (OLG Köln, FamRZ 1994,1409 f.; Zöller/Philippi, a.a.O., § 115, Rz. 70). Von der bedürftigen Partei kann aber nicht erwartet werden, daß sie ohne konkreten gerichtlichen Hinweis darauf, welche Angaben von ihr erwartet werden, diejenigen Tatsachen darlegt, die das Gericht aus seiner Sicht zur Beurteilung der Frage, ob ein Prozeßkostenvorschußanspruch besteht, benötigt. Die Mitwirkungspflicht der bedürftigen Partei wird im Gesetz auch nur insoweit sanktioniert, als gem. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe abzulehnen ist, wenn der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat. Das Amtsgericht hat von der Antragsgegnerin weder die Beantwortung konkreter Fragen noch Glaubhaftmachung verlangt, sondern allein pauschal darauf hingewiesen, daß eine Kostenvorschußpflicht des Antragstellers bestehen könnte. Dies allein reicht mit Rücksicht auf die gerichtliche Fürsorgepflicht (vgl. hierzu BVerfG, NJW 1998, 2044; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., Einleitung III, Rz. 27) nicht aus. Es versetzt die Antragsgegnerin nicht in die Lage, diejenigen Angaben zu machen, die zur Beurteilung der Frage, ob ein Prozeßkostenvorschußanspruch gegenüber dem Antragsteller besteht, erforderlich sind.

Das Amtsgericht wird im weiteren Verfahren nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen prüfen, ob die Antragsgegnerin tatsächlich auf eine Kostenvorschußpflicht dem Antragsteller gegenüber verwiesen werden kann. Soweit es dafür zusätzliche Angaben der Antragsgegnerin benötigt, wird es dieser konkret aufgeben, innerhalb einer angemessenen Frist die diesbezüglichen Fragen zu beantworten. Auch wird das Amtsgericht erwägen, selbst Erhebungen gem. § 118 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzustellen.

Vorsorglich weist der Senat daraufhin, daß der Antragsgegnerin Prozeßkostenhilfe entgegen der vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 06.12.2000 geäußerten Auffassung nicht schon deshalb versagt werden kann, weil sie mit Rücksicht auf das - bisherige - Fehlen von Folgesachen noch keine anwaltliche Hilfe benötige. Denn auf die Frage, ob die bedürftige Partei eines Anwalts bedarf, kommt es allein im Rahmen einer Beiordnungsentscheidung nach § 121 ZPO an. Für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist lediglich erforderlich, daß die Partei bedürftig ist, ihr Rechtsbegehren hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint, § 114 ZPO. Dabei erfährt das Erfordernis der Erfolgsaussicht im Scheidungsverfahren eine Einschränkung. Unabhängig davon, wie sich der Antragsgegner auf den Scheidungsantrag einläßt, ist ihm, soweit die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, da er am Verfahren notwendig beteiligt ist (Senat, NJ 1996, 262; OLG Bamberg, FamRZ 1995, 370; Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rz. 43).

Sofern der Antragsgegnerin Prozeßkostenhilfe zu bewilligen ist, muß ihr auch ein Rechtsanwalt beigeordnet werden. Ist nämlich eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, § 121 Abs. 1 ZPO. In Ehesachen besteht gem. § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO bereits im erstinstanzlichen Verfahren Anwaltszwang (vgl. auch Zöller/Philippi, a.a.O., § 121, Rz. 3 a). Die Beiordnung eines Anwalts ist nicht davon abhängig, daß entweder in der Ehesache selbst oder in einer Folgesache streitige Anträge gestellt werden sollen. Denn bei Beginn des Verfahrens läßt sich noch nicht absehen, ob nicht auch auf seiten des Antragsgegners im weiteren Verlauf das Bedürfnis, eigene Anträge zu stellen, hervortritt (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 103; OLG Hamm, FamRZ 1995, 748 Nr. 462).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

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