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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.11.2006
Aktenzeichen: 10 WF 218/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 572 Abs. 3
BGB § 1599 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 218/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Berger und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

am 21. November 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 29. September 2006 wird der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. September 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers vom 29.9.2006 ist als sofortige Beschwerde gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzusehen und als solche zulässig. Sie führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Kläger kann aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen Prozesskostenhilfe (PKH) nicht versagt werden. Die Sache ist gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da noch Feststellungen zur Frage der Bedürftigkeit zu treffen sind. Der Kläger hat zum einen widersprüchliche Angaben gemacht und in der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegeben, er beziehe keine Einkünfte, zahle aber Kindesunterhalt. Zudem hat er keine Belege für seine Angaben, etwa zum Bestand seines Bankkontos, beigefügt. Das Amtsgericht, das sich bisher mit der Bedürftigkeit des Klägers nicht auseinandergesetzt hat, wird dies nachholen und alsdann unter Beachtung der nachfolgend dargestellten Rechtsauffassung prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH gemäß § 114 ZPO gegeben sind und erneut über den Antrag des Klägers entscheiden.

Dem Kläger kann PKH nicht schon deshalb versagt werden, weil die beabsichtigte Vaterschaftsanfechtungsklage mutwillig wäre. Eine Rechtsverfolgung ist nämlich nur dann mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde nämlich, wenn das Klageziel einfacher erreicht werden kann. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der kostspieligere Weg von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen beschritten wird. Dem Hilfsbedürftigen darf aber nicht verwehrt werden, den sichersten Weg oder weitestgehenden Rechtsschutz zu wählen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114, Rz. 30 ff.). Danach ist die beabsichtigte Vaterschaftsanfechtungsklage nicht mutwillig.

Allerdings besteht, wenn das Kind während des Scheidungsverfahrens geboren wird, gemäß § 1599 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, die Vaterschaft des Ehemanns der Mutter durch einen privatautonomen Akt anzufechten, indem der andere Mann die Vaterschaft innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung anerkennt und die Mutter und ihr - geschiedener - Ehemann dem zustimmen. Auf diesen im Verhältnis zur Anfechtungsklage einfacheren Weg muss sich der Ehemann der Mutter jedoch nicht verweisen lassen (vgl. dazu OLG Köln, FamRZ 2005, 743 f; OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 232 f; OLG Naumburg, OLGR 2002, 493). Denn der Statusprozess stellt den weitestgehenden Rechtsschutz dar. Die auf der Anerkennung durch den Dritten beruhende Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB kann nämlich ihrerseits wieder angefochten werden. Dabei kann dahinstehen, ob dadurch der frühere Status wiederhergestellt wird und die Vaterschaft des Ehemanns auflebt (so Erman/ Holzhauer, BGB, 11. Aufl., § 1599, Rz. 16) oder es bei der Aufhebung der früheren Zuordnung bleibt mit dem Ergebnis, dass das Kind, sofern nicht eine weitere, gemäß § 1594 Abs. 2 BGB schwebend unwirksame Anerkennung ausgesprochen ist, vaterlos wird (so MünchKomm/Wellenhofer-Klein, BGB, 4. Aufl., § 1599, Rz. 53; Staudinger/Rauscher (2000), § 1599, Rz. 108). Allein die Tatsache, dass insoweit unterschiedliche Ansichten vertreten werden und mit zumindest vertretbarer Begründung das Aufleben der Vaterschaft des - geschiedenen - Ehemanns für möglich gehalten wird, zeigt, dass der Statusprozess den weitestgehenden Rechtsschutz darstellt.

Daher kann der Kläger zwischen dem Weg nach § 1599 Abs. 2 BGB und dem Statusprozess wählen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., § 1599, Rz. 9 a. E.; a. A. Weinreich/ Klein/Pieper, Familienrecht, 2. Aufl., § 1599, Rz. 18; § 1600 e, Rz. 8), ihm kann PKH zur Durchführung der Anfechtungsklage nicht wegen Mutwilligkeit versagt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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