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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 13 U 18/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StVO


Vorschriften:

ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
BGB § 823
StVO § 43 Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 18/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 16.1.2008

Verkündet am 16.1.2008

in dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Trimbach, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Gerschner und die Richterin am Oberlandesgericht Rieger

auf die mündliche Verhandlung vom 19.12.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. November 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Im Herbst 2004 führte die Klägerin im Rahmen einer Baumaßnahme an der Bundesautobahn 14 nahe M... im Auftrag des zuständigen Straßenbauamtes die Verkehrssicherung durch. Im Zuge einer Kontrollfahrt, bei der der Fahrer der Klägerin den als Baustelle ausgeschilderten und abgesperrten Bereich befuhr, geriet er in eine etwa 22 m lange, 9 m breite und 10 - 12 cm tiefe Fahrbahnvertiefung. Diese hatte die Beklagte durch Abfräsen des Straßenbelages auf einer zusätzlich zu der eigentlichen Baustelle im abgesperrten Baustellenbereich geschaffen. Absperrungen oder sonstige Hinweise auf die Vertiefungen waren nicht angebracht. An dem Fahrzeug der Klägerin entstand ein Sachschaden, für dessen Reparatur der von der Klägerin beauftragte Sachverständige Kosten in Höhe von 7.804,88 € veranschlagte. Diese sowie die Kosten für das Gutachten in Höhe von 544,07 €, die Kosten für den Rücktransport des Fahrzeuges der Klägerin von der Baustelle in Höhe von 193,60 € sowie Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 50 € täglich für insgesamt 11 Tage = insgesamt 550 € macht die Klägerin mit ihrer Klage geltend.

Das Landgericht hat die Klage nach einer umfangreichen Beweisaufnahme u. a. zur Erkennbarkeit der ausgefrästen Baugruben abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass unabhängig davon, ob die Bauarbeiten der Beklagten tatsächlich einer zusätzlichen Absicherung bedurft hätten, jedenfalls nicht zur Überzeugung des Gerichts feststünde, dass das Unterlassen entsprechender Sicherungsvorkehrungen ursächlich für den Schaden am klägerischen Fahrzeug gewesen sei. Die dazu vernommenen Zeugen hätten einander widersprechende Angaben gemacht. Ausgehend davon stehe nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der eingetretene Schaden durch eine zusätzliche Absicherung der Fahrbahnvertiefungen vermieden worden wäre.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, dass es im Rahmen der Kausalitätsprüfung einzig darauf ankomme, ob der Schaden bei Beachtung der der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht verhindert worden wäre. Davon sei angesichts der auch vom Landgericht angenommenen generellen Sicherungspflicht der Beklagten auszugehen. Außerdem rügt sie hierfür das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung.

Sie beantragt,

das am 27.11.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.092,55 € nebst 11,25 % seit 4.11.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Dazu macht sie insbesondere geltend, dass die RSA, aus der allein sich ihre Verkehrssicherungspflicht ergebe, der Schutz Dritter, nicht jedoch dem an den Baumaßnahmen ebenfalls Beteiligten weiteren Unternehmen diene.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze und der Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung der Klägerin bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die dagegen mit der Berufung vorgebrachten Angriffe rechtfertigen eine abweichende Beurteilung nicht.

Die Beklagte haftet für den der Klägerin entstandenen Schaden nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung, § 823 BGB, der insoweit einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.

Der Beklagten ist schon eine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht vorzuwerfen, weil sie die im für den allgemeinen Straßenverkehr ordnungsgemäß abgesperrten und gesicherten Baustellenbereich vorgenommene zusätzliche Fahrbahnvertiefung nicht gesondert kenntlich gemacht bzw. durch Warnhinweise darauf aufmerksam gemacht hat. Allerdings trifft grundsätzlich jeden, der eine Gefahrenquelle schafft, die Pflicht, Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr von Personen und Sachen zu treffen. Dabei sind die Maßnahmen gefordert, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (BGH NZBau 2007, 309). Für Maßnahmen im Bereich des Straßenbaus konkretisiert die auf der Grundlage von § 43 Abs. 3 Nr. 2 StVO vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen erlassene Richtlinie für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (im folgenden RSA) neben der Person des Verkehrssicherungspflichtigen die zur Schadensabwendung notwendigen Sicherungsmaßnahmen. Nach deren Ziff. 1.3.1 obliegt die Verkehrssicherungspflicht demjenigen, der im öffentlichen Straßenraum Arbeiten ausführt oder ausführen lässt. Die Verkehrssicherungspflicht des Unternehmers besteht neben der des Straßenbaulastträgers und der der Straßenverkehrsbehörde. Sie betrifft den gesamten Baustellenbereich und endet erst dann, wenn der Unternehmer die tatsächliche Herrschaft über die Arbeitsstelle nicht mehr ausübt (Reitenspiess, NZV 2003, 504, 506). Mit Beginn der Fräsarbeiten hat die Beklagte im öffentlichen Straßenraum Arbeiten ausgeführt und - wie der zur Entscheidung anstehende Fall belegt - eine Gefahrenquelle für fremde Rechtsgüter geschaffen. Gleichwohl hält der Senat die Vorschriften der RSA als Grundlage weder für die Verkehrssicherungspflichtigkeit der Beklagten noch für die Art der von ihr zu treffenden Sicherungsvorkehrungen für einschlägig. Allerdings dienen die Regelungen der RSA gem. Ziff. 1.1 Abs. 2 dem Schutz der Teilnehmer des öffentlichen Straßenverkehrs und der Arbeitskräfte sowie der Geräte in der Arbeitsstelle. Den Regelplänen D 1 Autobahn ist jedoch zu entnehmen, dass mit den im Einzelnen zur Sicherung von Arbeitsstellen im Bereich von Autobahnen vorgesehenen Maßnahmen ausschließlich der Schutz der Teilnehmer des öffentlichen Straßenverkehrs vor von einer Baumaßnahme ausgehenden Gefahren bzw. Arbeitskräfte und Geräte des die Straßenbauarbeiten ausführenden Unternehmens vor Gefahren aus dem Bereich des öffentlichen Straßenverkehrs bezweckt ist. Solche Gefahren hat die Beklagte mit ihren Arbeiten nicht geschaffen. Die von der Beklagten vorgenommenen Fahrbahnvertiefungen begründeten für die Teilnehmer des öffentlichen Straßenverkehrs eine ungesicherte Gefahr schon deshalb nicht, weil der allgemeine Verkehrsfluss vorschriftsmäßig weit im Vorfeld vor der Arbeitsstelle der Beklagten wegen der großräumigen Absperrung der Fahrbahnen Richtung M... auf die Gegenfahrbahn übergeleitet worden war. Ebenso wenig gingen für die Arbeitskräfte und die Geräte der Beklagten vom allgemeinen Verkehrsfluss Gefahren aus, weil diese die Gegenfahrbahn befuhr.

Eine in einem aus Anlass einer umfangreichen Straßenbaumaßnahme bereits weiträumig abgesperrten Arbeitsbereich zusätzlich eingerichtete Arbeitsstelle, wie die der Beklagten, ist nach Ansicht des Senats einer Arbeitsstelle im Sinne der RSA nicht vergleichbar, weshalb deren Regelungen in Bezug auf die Verkehrssicherungspflichtigkeit und die notwendigen Maßnahmen auch nicht entsprechend heranzuziehen sind. Die wegen Arbeiten an der Straße vorübergehend gesperrten Verkehrsflächen sind nicht für den allgemeinen Straßenverkehr, sondern nur für einen eingeschränkten Verkehr, insbesondere Baustellenfahrzeuge, zugänglich. Dem danach für den Bereich einer Arbeitsstelle im Sinne der Ziff. 1 der RSA nur sehr eingeschränkt zugelassenen Verkehr sind im allgemeinen die durchgeführten Baumaßnahmen und die davon ausgehenden Gefahren sowohl für die dort tätigen Arbeitskräfte und die Arbeitsgeräte der Bau ausführenden Unternehmer, als auch die damit verbundenen entsprechenden Gefahren, bekannt. Zum Schutz dieses nur eingeschränkten Verkehrs bedarf es der in der RSA vorgesehenen umfangreichen Sicherungsmaßnahmen grundsätzlich nicht.

Aus der fehlenden Anwendbarkeit der RSA auf den baustelleninternen Verkehr folgt indessen nicht notwendigerweise, dass für im Bereich weiträumig gesperrter Verkehrsflächen separat durchgeführter Baumaßnahmen von vornherein keine Verkehrssicherungspflichten bestehen. Die allgemeine zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht des Unternehmers bezieht sich auf jeden, der erfahrungs- und bestimmungsgemäß den Gefahren in dem für den allgemeinen Verkehr gesperrten Baustellenbereich ausgesetzt ist. Das sind bei einer umfangreichen Straßenbaumaßnahme, an der unter Umständen mehrere Unternehmer beteiligt sind, die übrigen im Baustellenbereich tätigen Arbeitskräfte und gegebenenfalls beschränkt zugelassener Verkehr. Zum Schutz dieses beschränkten Baustellenverkehrs ist das Bau ausführende Unternehmen gehalten, erforderliche Sicherungsvorkehrungen zu treffen, etwa Warnhinweise auf nicht oder schwer erkennbare Gefahrenstellen aufzustellen o. ä. Mit der Beklagten ist allerdings davon auszugehen, dass es einer Absicherung der von ihr vorgenommenen Vertiefungen deswegen nicht bedurfte, weil nicht ersichtlich ist, dass und ggf. aus welchem Grund die von der Beklagten durch ihre Fräsarbeiten geschaffene Gefahrenstelle einer zusätzlichen Sicherung bedurfte. Es ist schon nicht ersichtlich, dass innerhalb des gesperrten Baustellenbereichs neben Baustellenfahrzeugen weiterer (beschränkter) Verkehr zugelassen war. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin ist weder unter Beweis gestellt noch bewiesen. Wenn aber der gesperrte Bereich ausschließlich der Benutzung von Baustellenfahrzeugen vorbehalten gewesen wäre, hätte es einer zusätzlichen Warnung vor der Vertiefung schon deshalb nicht bedurft, weil die übrigen, wenn auch an einem anderen Arbeitsbereich tätigen Unternehmer, diese während der Fräsarbeiten allein durch das Vorhandensein von Baumaschinen erkennen konnten und nach Arbeitsschluss diese Baustelle kannten. Mit dem Befahren der abgesperrten Fläche durch andere Verkehrsteilnehmer, denen die Fräsarbeiten nicht bekannt waren, hätte die Beklagte nicht rechnen und dementsprechend auch keine Warnhinweise anbringen müssen. Dessen ungeachtet ist angesichts des Umfangs der Baumaßnahme nicht ersichtlich, dass sie bei der innerhalb eines Baustellenbereichs auch ohne gesonderte Warnhinweise gebotenen Aufmerksamkeit nicht erkennbar war. Die Fahrbahn war ausweislich des von der Klägerin zu den Akten gereichten Berichts der Autobahnpolizei L... an zwei aufeinander folgenden Flächen in einer Länge von 22 m, einer Breite von 9 m und einer Tiefe von 10 - 12 cm abgefräst. Infolge dessen wies sie einen anderen Straßenbelag auf als die nicht abgefräste Verkehrsfläche. Dass dieser Unterschied im Straßenbelag bei Abblendlicht nicht sichtbar war, ist nicht nachvollziehbar dargelegt. Noch weniger hat die Klägerin nachvollziehbar dargelegt, dass der Fahrer ihres Fahrzeugs nach Durchqueren der ersten Vertiefung noch in die zweite Vertiefung geraten konnte, ohne diese vorher wahrzunehmen.

Selbst wenn entgegen den vorstehenden Überlegungen ausnahmsweise eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten für die von ihr geschaffenen und beherrschten Gefahrenquellen anzunehmen wäre, wäre die selbst mit der Aufgabe der Verkehrssicherung für den gesamten Baustellenbereich betraute Klägerin nicht in den Schutzbereich der Sicherungspflicht der Beklagten einbezogen. Grundsätzlich kann eine Verkehrssicherungspflicht auch zugunsten desjenigen bestehen, der selbst verkehrssicherungspflichtig ist. Ebenso wie die Verantwortung unter mehreren Pflichtigen zeitlich aufgeteilt werden kann, kommt auch eine Aufspaltung in getrennte Aufgabenbereiche in Betracht (OLG Hamm, VersR 2002, 1298). Zu einer derartigen Aufspaltung bedarf es dann jedoch wie zu einer Delegation der Verkehrssicherungspflicht auf einen anderen einer klaren Absprache zwischen den mehreren Verkehrssicherungspflichtigen. An einer solchen fehlt es vorliegend. Dass es dazu nicht gekommen ist, weil die Klägerin von der zusätzlichen Baumaßnahme der Beklagten innerhalb des für den allgemeinen Verkehr gesperrten Baustellenbereichs keine Kenntnis hatte, entlastet die Klägerin jedenfalls im Verhältnis zur Beklagten nicht. Sie, als für die gesamte Baumaßnahme an sich Verkehrssiche-rungsverpflichtete, konnte nicht blind darauf vertrauen, dass der gesamte - ursprünglich ausschließlich für die Brückenbauarbeiten - gesperrte Baustellenbereich keinerlei Gefahren für den allenfalls beschränkt zugelassenen Verkehr barg und insbesondere die ohnehin erforderlich gewordene Fahrbahnsperrung nicht gleichzeitig für kleinere Reparaturarbeiten am Straßenbelag genutzt würde. Jedenfalls bestand aus Sicht der Beklagten, die aus Baubesprechungen mit dem Straßenbauamt um die Übertragung der Aufgaben der Verkehrssicherung auf andere wusste und deren Fräsarbeiten im Verlaufe des Tages nicht verborgen geblieben sein konnten, keinerlei Veranlassung, mit der Klägerin eine Absprache zur Sicherung des inneren Bereichs der Straßenbaumaßnahme zu treffen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1 , 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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