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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: 5 U 13/06
Rechtsgebiete: BGB, StGB, ZPO, BeurkG, WertV
Vorschriften:
BGB § 138 | |
BGB § 138 Abs. 1 | |
BGB § 138 Abs. 2 | |
BGB § 326 a. F. | |
BGB § 452 a.F. | |
BGB § 571 a. F. | |
StGB § 266 | |
ZPO § 256 | |
BeurkG § 3 Abs. 1 Nr. 7 | |
WertV § 16 Abs. 2 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
5 U 13/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 14. Dezember 2006
Verkündet am 14. Dezember 2006
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30.11.2006 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe und die Richterin am Oberlandesgericht Kosyra
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. Dezember 2005 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 1 O 689/02 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers des Klägers trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund dieses Urteils beizutreibenden Beträge abwenden, wenn der Kläger bzw. sein Streithelfer Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Gründe:
I.
Die Beklagte ist die umgewandelte LPG (P) S....
In den 80-iger Jahren hatte die LPG auf dem seinerzeit im Eigentum des Volkes stehenden Grundstück, Gemarkung S..., Flur 1, Flurstück 508/3, postalische Bezeichnung ...straße ... in S..., ein Mehrfamilienhaus für 12 Parteien (Wohnhaus) errichtet. Im Rahmen einer Rangrücktrittvereinbarung verpflichtete sich die Beklagte im September 1992, nicht betriebsnotwendige Anlagegüter, darunter das Wohnhaus, bis zum 31. Dezember 1995 zu veräußern. Mit Vertrag vom 23. November 1995 veräußerte die Beklagte ein benachbartes Wohnhaus mit 18 Wohneinheiten nebst Garage an einen Dritten zu einem Preis von 280.000 DM, wobei der Kaufpreis bis zum 15. Dezember 1995 zu zahlen war.
Am 29. Dezember 1995 wurde vor dem Streithelfer des Klägers, der die Beklagte seinerzeit auch in Rechtsangelegenheit beraten und vertreten hatte, mit dem Kläger als Erwerber und damaligen Prokuristen der Beklagten der Kaufvertrag über das Wohnhaus geschlossen. Dabei wurde die Beklagte von ihrem damaligen Vorstandsvorsitzenden S... sowie den beiden weiteren Vorstandsmitgliedern Sch... und I... vertreten. Der Kaufpreis wurde mit 229.000 DM vereinbart. Dieser war nach § 3 des Vertrages nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung in das noch anzulegende Gebäudegrundbuch fällig und zahlbar. Bis dahin waren weder Zinsen noch ein Nutzungsentgelt zu zahlen, obwohl der wirtschaftliche Übergang bereits für den 1. Januar 1996 vorgesehen war und auch stattgefunden hat. In dem Vertrag ist festgehalten, dass die Beklagte bereits die Anlegung eines Gebäudegrundbuchblattes beantragt habe. Dies geschah tatsächlich durch die Beklagte erst am 1. Oktober 1996. In der Folgezeit mahnte die Oberfinanzdirektion C... bei der Beklagten mehrfach die Vorlage von für die Anlegung des Gebäudegrundbuchblattes erforderlichen Unterlagen an. Auch der Streithelfer fragte bei den Parteien mehrfach nach dem Sachstand an.
Mit Anwaltsschreiben vom 14. August 2002 forderte die Beklagte den Kläger, dem die Mieter des Wohnhauses den Mietzins bis dahin gezahlt hatten, unter Fristsetzung bis zum 26. August 2002 auf, zu erklären, welche Aktivitäten er unternommen habe, um ein Gebäudegrundbuchblatt anzulegen und verlangte bis zum 30. August 2002 eine Auskunft und Abrechnung über die seit dem 1. Januar 1996 eingezogenen Mieten. Nach Verlängerung der gesetzten Frist erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 21. November 2002 den Rücktritt von dem Gebäudekaufvertrag und forderte den Kläger zur Auskunft über erzielte Mieteinnahmen auf. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage, mit der er die Feststellung der Wirksamkeit des am 29. Dezember 2005 geschlossenen Vertrages begehrt.
Die Beklagte hat behauptet, der Kaufpreis sei durch kollusives Zusammenwirken des Klägers mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu Stande gekommen. Der vereinbarte Kaufpreis sei zu Lasten der Beklagten sittenwidrig niedrig vereinbart worden, der tatsächliche Wert des Wohnhauses habe mehr als das doppelte des vereinbarten Kaufpreises betragen. Selbst wenn der Vertrag nicht als nichtig angesehen werden könne, so sei er durch den Rücktritt hinfällig geworden. Die Beklagte sei zum Rücktritt berechtigt gewesen. Denn der Kläger habe nichts unternommen, dass das Gebäudegrundbuch angelegt und damit die Fälligkeit des Kaufpreises ausgelöst werde.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Einholung eines Verkehrswertgutachtens) festgestellt, dass der Vertrag wirksam sei und die Widerklage auf Erteilung einer Auskunft über Mieteinnahmen und -ausgaben abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Vertrag sei weder nichtig noch durch die Rücktrittserklärung liquidiert worden. Eine Nichtigkeit wegen Wuchers gemäß § 138 BGB komme nicht in Betracht. Nach dem Ergebnis des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens betrage der Verkehrswert des Mehrfamilienwohnblocks zum Stichtag, dem 29. Dezember 1995, 268.000 DM. Dieser Wert sei allerdings um den aus dem Kaufvertrag resultierenden Vorteil zu korrigieren, der daraus erwachse, dass der Eigentümer selbständigen Gebäudeeigentums regelmäßig sachenrechtsbereinigungsberechtigt sei. Aus diesem Grund sei der Wert für den Kaufgegenstand ausgehend von dem vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswert der zugeordneten Funktionsfläche in Höhe von 207.000 DM um weitere 100.000 DM auf 368.000,00 DM zu erhöhen. Damit liege der Verkehrswert des Objektes knapp unter dem doppelten des mit 229.000 DM vereinbarten Kaufpreises. Zu der schon deswegen festzustellenden erheblichen Unausgewogenheit komme hinzu, dass die Parteien die Vorschrift des § 452 BGB a.F. abgedungen hätten, so dass der Kläger seit nunmehr nahezu zehn Jahren Mieten vereinnahme, ohne seinerseits Zinsen entrichten bzw. ein Nutzungsentgelt zahlen zu müssen. Letztlich könne jedoch dahinstehen, ob der objektive Tatbestand des § 138 BGB erfüllt sei. Denn die Beklagte habe die Verwerflichkeit des Handelns nicht hinreichend dargelegt. Sie sei als eingetragene Genossenschaft Kaufmann im Sinne des HGB. Bei einem Kaufmann werde regelmäßig vermutet, dass dieser nur überlegte und wirtschaftlich sinnvolle Geschäfte abschließe. Er gelte als handelserfahren und habe daher darzulegen und zu beweisen, dass bei gegebenem objektivem Missverhältnis auch das subjektive Merkmal des Wuchertatbestandes, die Ausnützung einer Zwangslage oder einer besonderen Unerfahrenheit vorliege. Denn als Kaufmann kraft Gesetzes komme die Beklagte nicht in den Genuss der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach bei Vorliegen eines objektiven Missverhältnisses das Vorliegen der subjektiven Komponente für den Wuchertatbestand regelmäßig - widerleglich - vermutet werde. Allein die Behauptung, der damalige Vorstandsvorsitzende habe mit dem Kläger kollusiv zum Schaden der Beklagten gewirkt, genüge nicht. Der Abschluss des Kaufvertrags sei in den Leitungsgremien der Beklagten diskutiert und besprochen worden. Bei dem Vertragsabschluss sei die Beklagte durch insgesamt 3 Vorstandsmitglieder vertreten worden, die sämtlich den Vertragsabschluss genehmigt hätten. Dass auch der übrige Vorstand mit dem Kläger kollusiv zusammengewirkt hätte, behaupte die Beklagte nicht. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Nachbargebäude zeitgleich zu einem Kaufpreis in der gleichen Größenordnung veräußert worden sei. Damit seien keine ausreichenden Anhaltspunkte vorhanden für die Annnahme, dass die Beklagte den für sie ungünstigen Kaufvertrag auf Grund einer bestehenden Zwangslage oder wirtschaftliche Unerfahrenheit abgeschlossen habe.
Auch der Rücktritt der Beklagten vom 21. Oktober 2002 habe nicht zur Beendigung des Vertragsverhältnisses geführt. Ein Rücktrittsgrund liege nicht vor. In dem Vertrag hätten die damaligen Vertragsparteien festgehalten, dass die Beklagte die Anlegung eines Gebäudegrundbuchblattes bereits beantragt habe. Damit hätten die Parteien gleichviel, ob dies tatsächlich geschehen sei, eine Regelung dahingehend getroffen, dass die Beklagte für die Anlegung des Gebäudegrundbuchblattes verantwortlich sein solle. Hierfür spreche auch, dass die Beklagte jedenfalls nach Abschluss des Kaufvertrages die Anlegung des Gebäudegrundbuchblattes bei der Oberfinanzdirektion C... beantragt habe. Dies liege auch deswegen nahe, weil die Parteien die Kaufpreisfälligkeit an die Eintragung der Auflassungsvormerkung im Gebäudegrundbuchblatt geknüpft gehabt hätten und naturgemäß nur die Beklagte ein wirtschaftliches Interesse an der Anlegung des Gebäudegrundbuchblattes hätte haben können. Ob der Kläger im Rahmen seiner vertraglichen Mitwirkungspflichten verpflichtet sei, für die Beantragung des Gebäudegrundbuchblattes erforderliche Unterlagen herauszugeben, könne dahinstehen, weil von der Beklagten ein solcher Anspruch gegenüber dem Kläger nicht geltend gemacht worden sei. Die zulässige Widerklage sei unbegründet, da der geltend gemachte Anspruch nur im Falle der Unwirksamkeit des am 29. Dezember 1995 geschlossenen Kaufvertrags in Betracht komme.
Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die sie auf Verletzung formellen und materiellen Rechts stützt.
Die Beklagte geht nach wie vor von einem auffälligen und sehr groben Leistungsmissverhältnis aus. Denn, so meint sie, der Sachverständige habe den noch viel höheren Sachwert des Gebäudes von 604.000,00 DM nicht außer Acht lassen dürfen, was einem Verhältnis zum Kaufpreis von 264 % entspreche. Komme dann noch der hälftige Wert des Grund und Bodens hinzu, erhöhe sich das Verhältnis auf 309 %. Die Sittenwidrigkeit gelte umso mehr, als der Kläger trotz Einräumung der Nutzungsbefugnis nicht einmal verpflichtet gewesen sei, den Kaufpreis auf ein Notaranderkonto zu hinterlegen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass schon Ende 1995 allgemein bekannt gewesen sei, dass die Anlegung eines Gebäudegrundbuchblattes längere Zeit in Anspruch nehme. Das Landgericht habe bei der Frage der Sittenwidrigkeit des Geschäfts nicht die Kaufmanneigenschaft der Beklagten berücksichtigen dürfen. Sie, die Beklagte, handele durch ihre Organe. Der Streithelfer des Klägers habe seine Berufspflichten als Notar verletzt, indem er sie, die Beklagte, nicht darüber belehrt habe, welche wirtschaftlichen Folgen die hinausgeschobene Fälligkeit des Kaufpreisanspruches im Verhältnis zur sofortigen Übergabe des Kaufgegenstandes habe. Tatsächlich habe der Kläger als ihr Prokurist mit dem ihm sehr nahestehenden Streitverkündeten zu 2., ihrem damaligen Vorstandsmitglied, den Tatbestand der Untreue des § 266 StGB erfüllt. Durch das Zusammenwirken der beiden sei ihr, der Beklagten, Vermögen verschleudert worden. Solange der Vertrag wirksam sei, werde der Vermögensverlust immer größer.
Die Beklagte sei aber auch zu Recht von dem Gebäudekaufvertrag zurückgetreten. Die Parteien hätten die Anlegung des Gebäudegrundbuchblattes zu einer gemeinsamen Angelegenheit gemacht. Den Kläger habe eine aktive Mitwirkungspflicht getroffen. Er hätte deswegen die Anfrage danach, was er unternommen habe, beantworten müssen. Nachdem dies nicht geschehen sei, sei die Kündigung gerechtfertigt. Schließlich sei der Rücktritt nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gerechtfertigt, was das Landgericht übersehen habe. Nachdem der Kaufvertrag über zehn Jahre hinweg nicht abgewickelt worden sei, könne es ihr, der Beklagten, nicht mehr zugemutet werden, an den Kaufvertrag gebunden zu sein. Aber selbst wenn aus diesem Grund der Kaufvertrag nur anzupassen sei, könne der Kläger aus dem ursprünglichen Kaufvertrag keine Rechte mehr herleiten. Dann sei der Kaufvertrag in seiner ursprünglichen Fassung nicht mehr wirksam und die Feststellungsklage abzuweisen, während die Widerklage begründet sei. Mangels Eigentumsüberganges sei sie, die Beklagte, nach wie vor Vermieterin, so dass der Auskunftsanspruch gerechtfertigt sei.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 30. Dezember 2005
1. die Klage abzuweisen,
2. den Kläger im Wege der ersten Stufe zu verurteilen, der Beklagten betreffend das Wohnhaus ...straße ... in S..., bestehend aus 12 Wohnungen, Auskunft zu erteilen über
a) die seit dem 1. Januar 1996 erzielten Mieteinnahme und Betriebskostenvorschüsse, und zwar durch Vorlage einer systematischen Zusammenfassung/Aufstellung, gegliedert
- nach den einzelnen Mietern (Soll + Ist) betreffend Mietzahlungen und Betriebskostenvorauszahlungen nebst etwaiger Betriebskostenerstattungen und/oder Nachzahlungen sowie
- nach den Betriebskosten (Soll + Ist) insbesondere öffentliche Abgaben, Wasser, Abwasser, Nutzen, Lasten, Steuern, sonstige Verpflichtungen; b) den Bestand der Mieter seit dem 1. Januar 1996, und zwar unter Vorlage der Mietverträge jedes einzelnen Mieters.
Der Kläger und sein Streithelfer beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger und sein Streithelfer verteidigen das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung. Allerdings sind sie der Ansicht, dass bei der Feststellung des tatsächlichen Wertes des Gebäudes der Bodenwert unberücksichtigt zu bleiben habe.
II.
Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgereicht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1, 2, 513, 517, 519, 520 ZPO).
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
1. Die Feststellungsklage ist zulässig, insbesondere hat der Kläger das hierfür gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, da die Beklagte die Wirksamkeit des Gebäudekaufvertrages bestreitet und bereits die Mieter veranlasst hat, den Mietzins fortan an sie zu zahlen. Die Feststellungsklage ist auch begründet. Der am 29. Dezember 1995 von den Parteien geschlossene Gebäudekaufvertrag scheitert weder an Beurkundungsmängeln, noch ist seine Sittenwidrigkeit zu erkennen, es liegt auch kein wirksamer Vertragsrücktritt vor. Schließlich ist der Vertrag auch nicht nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage rückabzuwickeln.
a) Es hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Vertrages, dass der Urkundsnotar die Beklagte bereits vor Beurkundung des notariellen Vertrages regelmäßig in anderen Angelegenheiten rechtlich beraten und auch gerichtlich vertreten hat. Das Mitwirkungsverbot nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG wäre nur ausgelöst worden, wenn sich die frühere Tätigkeit des Streithelfers auf dieselbe Angelegenheit, nämlich den Vertrag vom 29. Dezember 1995, bezogen hätte. Auch hätte eine etwaige Vorbefasstheit nicht zur Nichtigkeit des beurkundeten Geschäfts geführt.
b) Es kommt auch keine Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 Abs. 2 BGB in Betracht.
Dies würde voraussetzen, dass der Kläger einen bei der Beklagten bestehenden Mangel am Urteilsvermögen im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB ausgenutzt hätte. Ein Mangel am Urteilsvermögen ist gegeben, wenn dem Betroffenen im erheblichen Maße die Fähigkeit fehlt, sich durch vernünftige Beweggründe leiten zu lassen (Staudinger/Sack, BGB 2003, § 138 Rn. 209). Dazu zählt insbesondere die Unfähigkeit, die für und gegen ein konkretes Rechtsgeschäft sprechenden Gründe zu erkennen und die beiderseitigen Leistungen vor diesem Hintergrund sachgerecht zu bewerten (MünchKomm. Meyer-Maly/Armbrüster, 4. Auflage, § 138 Rn. 151). Im Gegensatz zu der in § 138 Abs. 2 BGB ebenfalls aufgeführten erheblichen Willensschwäche, bei der der Betroffene die Tragweite des Rechtsgeschäfts durchschaut, sich aber wegen einer verminderten psychischen Widerstandsfähigkeit nicht sachgerecht verhalten kann, ist der vom mangelnden Urteilsvermögen Betroffene nicht in der Lage, Inhalt und Folgen des Geschäfts richtig zu erkennen und einzuschätzen (Palandt/Heinrichs, 65. Auflage, § 138 Rn. 72 f). Dies sind Fälle der Verstandesschwäche, der geringen Bildung oder hohen Alters. Kein Fall von mangelndem Urteilsvermögen liegt demgegenüber vor, wenn die Vertragsparteien nach ihren Fähigkeiten zwar in der Lage waren, die Vor- und Nachteile des Rechtsgeschäftes sachgerecht zu bewerten, diese Fähigkeiten vor und bei dem Vertragsabschluss aber nicht oder nur unzureichend eingesetzt wurden. Denn der Wuchertatbestand soll nicht vor einer unrichtigen Einschätzung eines Rechtsgeschäfts schützen. Grundsätzlich war die Beklagte bzw. waren ihre Organe in der Lage, die Vor- und Nachteile des Rechtsgeschäftes sachgerecht zu bewerten. Nach dem Vortrag der Beklagten haben sie die Fähigkeit nur nicht eingesetzt.
c) Es scheidet auch ein wucherisches Rechtsgeschäft im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB aus.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, sind Rechtsgeschäfte, bei denen ein auffälliges Missverhältnis zwischen der versprochenen Vergütung und dem Wert der dafür zu erbringenden Leistung besteht, dann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn weitere Umstände hinzu treten, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung oder die Ausbeutung der schwierigen Lage oder Unerfahrenheit des Partners für das eigene unangemessene Gewinnstreben. Liegt ein grobes, besonders krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, so rechtfertigt dieser Umstand regelmäßig den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragsteils und damit auf den sittenwidrigen Charakter des Rechtsgeschäfts. Der Senat vermag ein derartiges auffälliges grobes Missverhältnis nicht festzustellen. Ein derartiges Missverhältnis ist nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung, die auch stets vom Senat vertreten wird, bei Grundstückskaufverträgen dann anzunehmen, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie derjenige der Gegenleistung (BGH NJW 2000, 1254, 1255 m.w.N.). Dabei ist für das Vorliegen eines auffälligen Missverhältnisses auf den objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen (BGH a.a.O.). Maßgeblich ist einerseits der vereinbarte Kaufpreis und andererseits der Marktwert (BGH a.a.O.).
aa) Bei der Abwägung der gegenseitigen Leistung ist der Kaufpreis mit 229.000 DM zu Grunde zu legen.
bb) Dem Kaufpreis von 229.000 DM steht der von dem Sachverständigen zutreffend im Ertragswertverfahren, weil es um ein Mietobjekt geht, ermittelte Verkehrswert von 268.000 DM gegenüber. Dieser Wert ist nicht etwa, wie vom Landgericht angenommen, um den hälftigen reinen Bodenwert der Funktionsfläche nach oben hin zu korrigieren. Vielmehr ist die Chance des Gebäudekäufers, die Funktionsfläche zum halben Verkehrswert hinzu zu erwerben bzw. zu günstigen Bedingungen einen Erbbaurechtsvertrag zu schließen, in Anlehnung an § 16 Abs. 2 WertV, dergestalt zu berücksichtigen, dass der als Abschlag vom Reinertrag des Gebäudes angesetzte Liegenschaftszins von 4,5 % zu ermäßigen ist, da dieser unter Umständen zukünftig ganz wegfällt. Vorliegend wäre, da mit dem Gebäude lediglich die Chance zur Sachenrechtsbereinigung erworben wurde, eine Ermäßigung auf 2 % des Liegenschaftszinses angemessen. Dies ergäbe wegen der Ertragswerterhöhung einen Gebäudewert von 367.341,40 €. Die Gesamtschau dieser Umstände, die auch den Vorteil aus der zinslosen Stundung des Kaufpreises berücksichtigt, würde nicht zu einem Wert führen, der nahezu das Doppelte des vereinbarten Kaufpreises erreichen würde. Dass die Anlegung des Gebäudegrundbuches und die davon abhängige Eintragung einer Auflassungsvormerkung noch geraume Zeit in Anspruch nehmen würde, war seinerzeit nicht absehbar, zumal die Parteien - wenn auch irrtümlich - davon ausgegangen waren, dass der Antrag auf Anlegung eines Gebäudegrundbuches bereits gestellt gewesen sei.
Zu Recht hat das Landgericht bei der Verneinung der Sittenwidrigkeit des Vertrages auch berücksichtigt, dass die Beklagte Vollkaufmann ist. Nur bei Privatleuten besteht die widerlegliche Vermutung, dass der Benachteiligte sich wegen seiner wirtschaftlich schwachen Lage, Rechtsunkundigkeit und Geschäftsungewandtheit den schlechten Vertragsbedingungen unterworfen habe und dass der Begünstigte dies erkannt oder sich zumindest leichtfertig dieser Einsicht verschlossen habe. Bei einem Geschäft eines Vollkaufmanns wird das Gegenteil unterstellt. Die Beklagte hätte deswegen widerlegen müssen, dass der Kläger nicht in verwerflicher Weise ihre persönliche oder geschäftliche Unterlegenheit ausgenutzt hätte. Hierzu reicht ihr Einwand, dass die Beklagte zwar Kaufmann sei, nicht aber ihre Vorstandsmitglieder, nicht aus. Denn dies berücksichtigt nicht deren Funktion. Immerhin waren bzw. sind sie noch Vorstandsmitglieder und hatten bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft anzuwenden. Von sämtlichen Vorstandsmitgliedern war also die besondere Sorgfalt zu fordern, zur Erreichung und langfristigen Sicherung des gesetzlichen Förderzwecks der Genossenschaft unter Berücksichtigung der Interessen der Mitglieder Erträge zu erwirtschaften, um Gewinne an die Genossen auszuschütten und den Bestand der Genossenschaft zu sichern. Dabei hat der Vorstand die Pflicht zur eigenverantwortlich Leitung der Genossenschaft (§ 27 Abs. 1 S. 1 GG). Jedes Vorstandsmitglied trägt hierbei außer der fachlichen Einzelverantwortung für den eigenen Geschäftsbereich grundsätzlich auch die persönliche Gesamtverantwortung für die gesamte Breite der Geschäftsleitung. Im Rahmen dieser kollektiven Leitungsverantwortung waren jedenfalls die beiden weiteren Vorstandsmitglieder zum Einschreiten verpflichtet, wenn für sie greifbarer Anlass bestand, nicht mehr darauf zu vertrauen, dass der von dem Streitverkündeten mit dem Kläger initiierte Vertrag nicht den Interessen der Genossenschaft entspricht. Schließlich wäre auch der Aufsichtsrat bei der Veräußerung von Gebäuden gemäß § 21 Ziffer 6 a der Satzung der Beklagten zu beteiligen gewesen. Wenn die Beklagte sich mit einem unerfahrenen und nicht geschäftsgewandten Vorstand begnügt und auch ihr Aufsichtsrat sich nicht der ihm obliegenden Angelegenheiten annimmt, kann es nicht Aufgabe des § 138 Abs. 1 BGB sein, derartige Nachlässigkeiten auf Seiten der Beklagten zu korrigieren, selbst wenn der Kläger die Defizite erkannt hat.
Dass der gesamte bei Abschluss des Vertrages beteiligte Vorstand mit dem Kläger zum Nachteil der Beklagten den ungünstigen Vertrag in der Absicht, diese zu schädigen, geschlossen hätte, was zu einer Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB führen könnte, ist ebenso wenig hinreichend dargetan wie Anhaltspunkte für eine Veruntreuung vorhanden sind. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Vorstand seinerzeit davon ausgegangen ist, dass das Gebäude dem Kläger zu einem Schleuderpreis überlassen werde. Dagegen spricht schon der Umstand, dass ein etwas größeres Haus zu einem vergleichbaren, allerdings nicht gestundeten Kaufpreis veräußert wurde.
2. Die Beklagte ist auch nicht wirksam von dem Gebäudekaufvertrag zurückgetreten.
Da der Rücktritt nicht wegen eines vertraglichen Rücktrittsrechts ausgesprochen wurde, setzt die Wirksamkeit des Rücktritts von dem vor dem 1. Januar 2002 geschlossenen Vertrag voraus, dass die Verzugsvoraussetzungen des § 326 BGB a. F. erfüllt sind. Der Kläger hätte sich also mit einer Hauptleistungspflicht im Verzuge befunden haben müssen. Hier geht es um die Handlungen, die zur Eintragung des Gebäudes in das Gebäudegrundbuch erforderlich sind, um die Kaufpreisfälligkeit auszulösen und damit um Pflichten, die nach dem Willen der Parteien für die Durchführung des Vertrages von wesentlicher Bedeutung sind. Tatsächlich hatte die Beklagte im Jahr 1996 die Anlegung eines Gebäudegrundbuchblattes beantragt. Der Kläger, dem es im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht oblag, alles zu tun, damit der Vertragserfolg erreicht werde, musste deswegen, aber auch weil es bereits im Vertrag heißt, dass der Antrag seitens der Beklagten bereits bei Vertragsabschluss gestellt sei, zunächst nichts veranlassen. Tätig werden musste er erst nach einer Aufforderung der Beklagten oder der OFD C..., bestimmte Unterlagen vorzulegen, die für die Anlegung des Gebäudegrundbuchblattes erforderlich waren. An einer derartigen Aufforderung fehlt es hier. Die OFD hat sich stets an die Beklagte gewandt, die auf entsprechende Anfragen und Anschreiben bis zur Einschaltung ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten jedoch nicht reagiert hat.
Allein darauf, dass der Kläger nicht auf die Anfrage des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten reagiert hat, kann ein Rücktritt vom Kaufvertrag nicht gestützt werden. Denn, wie ausgeführt, hatte die Beklagte ja selbst den Antrag gestellt und sie war aufgefordert worden, notwendige Unterlagen noch nachzureichen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihrerseits sich wegen etwaiger Unterlagen an den Kläger gewandt hätte. Dann konnte die Beklagte sich die Anfrage aber auch selbst beantworten.
3. Schließlich beruft sich die Beklagte zu Unrecht auf den Gesichtspunkt der Änderung der Geschäftsgrundlage.
Die Parteien haben zwar in dem notariellen Vertrag vereinbart, dass der Kaufpreis mit Eintragung der Auflassungsvormerkung im Gebäudegrundbuch fällig sein solle. Bei Abschluss des Vertrages waren die Parteien auch davon ausgegangen, dass dies innerhalb absehbarer Zeit der Fall sein werde. Denn sie waren ja davon ausgegangen, dass der Antrag gestellt war. Dass beide Parteien dennoch gewusst hätten, dass die Herstellung des Gebäudegrundbuchs noch geraume Zeit in Anspruch nehmen werde, ist hiernach nicht ersichtlich. Nach Ablauf von mehr als drei Jahren kann angesichts des Umstands, dass der Kaufpreis zinslos gestundet war, schließlich eine wesentliche Störung der Geschäftsgrundlage angenommen werden. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Vertrag nunmehr rückabzuwickeln wäre.
Auch wesentliche Änderungen der Verhältnisse rechtfertigen eine Anpassung des Vertrages nicht, wenn sich durch die Störung ein Risiko verwirklicht hat, das eine Partei zu tragen hat (BGHZ 101, 152). Dabei ergibt sich aus dem Vertrag, wie die Risikosphären der Parteien gegeneinander abzugrenzen sind. Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass das Risiko der Verzögerung der Anlegung des Gebäudegrundbuchs zu Lasten der Beklagten geht. Denn diese hatte ausweislich des Vertrages den zur Durchführung des Vertrages notwendigen Antrag bereits gestellt. Sie war es auch, die als Gebäudeeigentümerin das Verfahren in die Wege zu leiten hatte. Sie allein verfügte auch über die Unterlagen. Denn dafür, dass dem Kläger bestimmte genau bezeichnete, für die Anlegung des Grundbuchs erforderliche Unterlagen mit Vertragsabschluss übergeben worden wären, ist der Vortrag der Beklagten schon zu unsubstantiiert und zudem nicht unter Beweis gestellt worden. Damit geht aber das Risiko der Verzögerung der Anlegung des Gebäudegrundbuchs vollständig zu ihren Lasten und damit auch das Risiko der verzögerten Eintragung einer die Kaufpreisfälligkeit begründenden Auflassungsvormerkung. Die Regeln des Wegfalls bzw. der Änderung der Geschäftsgrundlage könnten allenfalls eingreifen, wenn die Verzögerung der Anlegung des Gebäudegrundbuches auch auf Gründe zurückzuführen gewesen wäre, die nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten gelegen hätten, wie etwa die Überlastung der Behörde. Hiervon kann aber nicht ausgegangen werden. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Denn die Beklagte war mehrfach und unter Androhung der Zurückweisung des Antrags detailliert aufgefordert, weitere Unterlagen einzureichen. Die Ursache der Änderung der Geschäftsgrundlage ist damit auf ein eigenes Verhalten der Beklagten zurückzuführen, so dass auch aus diesem Grund Rechte aus dem Gesichtspunkt der Änderung der Geschäftsgrundlage ausgeschlossen sind.
4. Auch die Widerklage hat keinen Erfolg. Der Kläger ist nicht zu einer Auskunft über erzielte Mieteinnahmen verpflichtet. Die Beklagte kann ihr Auskunftsverlangen nicht darauf stützen, dass sie nach wie vor Mietvertragspartei sei, weil das Gebäudeeigentum noch nicht auf den Kläger übergegangen ist und § 571 BGB a. F. deswegen nicht eingreift. Die Mieter des Wohnhauses haben jahrelang bis zum September 2002 die Mieten dem Kläger entrichtet. Damit sind die Mietvertragsverhältnisse durch dreiseitige Vereinbarungen auf den Kläger übergegangen.
5. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 97, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
Ende der Entscheidung
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