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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.04.2006
Aktenzeichen: 6 U 26/04
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, GDO
Vorschriften:
BGB § 891 | |
BGB § 892 | |
BGB § 902 Abs. 1 S. 1 | |
BGB § 920 | |
BGB § 985 | |
BGB § 986 | |
BGB § 1004 | |
EGBGB Art. 231 § 6 | |
GDO § 10 | |
GDO § 479 Abs. 1 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
6 U 26/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 18.04.2006
Verkündet am 18.04.2006
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts Urteil OLG allgemein durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig und die Richterin am Oberlandesgericht Eberhard
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2006
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. Oktober 2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin - 3 O 537/00 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen des Räumungs- und Herausgabeanspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten des Rechtsstreits gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Herausgabe eines Teilstückes des Flurstückes 773, Flur 1, eingetragen im Grundbuch von H..., Blatt 5814. Dieses Flurstück stellt die ... Straße in H... dar. Im Grundbuch ist als deren Eigentümerin die Beklagte eingetragen. Die Klägerin nutzt dieses Teilstück als Vorgarten im Zusammenhang mit ihrem angrenzenden Hausgrundstück "... Straße 9", eingetragen im Grundbuch als Flurstück 772, Flur 1.
Auch weitere Anlieger der Summter Straße, so Herr W... P... (Flurstück 774/1, Flur 1; 6 U 25/04 - Brandenburgisches Oberlandesgericht) und Herr K... L... (Flurstück 775, Flur 1; 6 U 24/04 - Brandenburgisches Oberlandesgericht) nutzen im Zusammenhang mit ihrem Hausgrundstück Teile des Flurstückes 773, Flur 1.
Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 20.7.2000 (Bl. 7 d. A.) auf, ihre Grundstücksbegrenzung zurückzusetzen bzw. zu entfernen, da Vermessungsarbeiten die Inbesitznahme von Straßenland seitens der Klägerin ergeben hätten. Die Umzäunung ihres Grundstückes sei ca. 2,50 m auf Straßenland errichtet worden.
Die Vorgeschichte der Flurstücke ist folgende:
Im Jahre 1919 wurde ein großes, der Landgesellschaft "E... S... mbH" gehörendes Gebiet zu Besiedlungszwecken zusammenliegend vermessen und parzelliert. Darunter befand sich auch das Flurstück 1377/109. Aus dem Flurstück 1377/109 entstanden die heute so bezeichneten Flurstücke 772 und 773 (... Straße).
Mit Vertrag vom 22.5.1919, geschlossen zwischen der Landgemeinde H... und der Landgesellschaft "E... S... mbH", wurde geregelt, dass die Landgemeinde beabsichtige, auf den Katasterzellen Gemarkung H..., Kartenblatt 1 Abschnitt 1377/109 etc., Kleinsiedlerstellen zu gründen. Mit der Durchführung des Besiedlungsverfahrens wurde die "E... S... mbH" in Vollmacht und auf Rechnung der Auftraggeberin beauftragt. Wegen des weiteren Inhaltes des Vertrages wird auf Bl. 218 d. A. Bezug genommen. Bei Parzellierung der oben genannten Flurstücke wurde aus dem Flurstück 1377/109 das Flurstück 773 für die ... Straße mit einer Breite von 15 m gebildet. Zugleich wurden die Flurstücke 772 (F... - die Klägerin ), 774 (P...) und 775 (L...) heraus vermessen.
Mit Vertrag vom 13.6.1919 (Bl. 222 ff. d. A.) wurde zwischen dem Bauunternehmer "Fa. L...-N..." und ansiedlungswilligen Bürger geregelt, in welcher Weise die Gebäude zu errichten seien und dass die Kontrolle über die Bauausführung bei der Landgesellschaft "E... S..." oder bei dem Beauftragten der Gemeinde H... liegen solle.
Die Klägerin hat zunächst Klage auf Feststellung erhoben, wonach sie zur Herausgabe und Beräumung des bezeichneten Teilstückes nicht verpflichtet sei.
Hilfsweise hat sie geltend gemacht, gegenüber der Beklagten zur Herausgabe und Räumung des besagten Teilstückes nur Zug um Zug gegen Übernahme der Räumungskosten und Ersatz der bis zur Klageerhebung getätigten Investitionen auf der streitgegenständlichen Grundstücksfläche verpflichtet zu sein.
Nachdem die Beklagte im Wege der Widerklage die Räumung und Herausgabe eben jenes Teilstückes begehrt hatte, haben die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 19.12.2002 den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrages in Haupt- und Hilfsantrag übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Beklagte hat widerklagend beantragt,
die Klägerin zu verurteilen, die von ihr genutzte Teilfläche des Grundstückes Gemarkung H..., Flur 1, Flurstück 773 und Flurstück 756, eingetragen im Grundbuch von H..., Blatt 5814, von ca. 37 m Länge und einer Breite zwischen 2,55 Metern und 2,71 Metern, gelegen an der Grenze zum Grundstück Gemarkung H..., Flur 1, Flurstück 772, wie im Übersichtsplan des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs U... D... vom 12. Mai 2003 dargestellt ist, zu räumen und an die Beklagte herauszugeben, sowie festzustellen, dass die Beklagte Eigentümerin des unter dem Klageantrag zu 1. beschriebenen und mit dem Klageantrag zu 2. zeichnerisch dargestellten Grundstücksteiles ist.
Die Beklagte hat behauptet, auf Grund der am 22. August 2000 durchgeführten Vermessung stehe fest, dass das Grundstück der Klägerin nach ihrer tatsächlichen Einfriedung in der bezeichneten Weise auf das Flurstück 773 reiche. Ihr, der Beklagten, stehe als der im Grundbuch eingetragenen Eigentümerin eben jenes Teilgrundstückes ein Herausgabeanspruch sowie ein Räumungsanspruch (§ 1004 BGB analog) zu. Ein Zurückbehaltungsrecht der Klägerin stehe nicht entgegen, es sei allenfalls ein Anspruch auf Ersatz notwendiger Verwendungen gegeben. Hierzu fehle es an substantiiertem Vortrag. Nützliche Verwendungen seien auf dem Teilgrundstück nicht vorgenommen worden, wegen gewöhnlicher Erhaltungskosten bestehe ein Ersatzanspruch nicht. Eine Werterhöhung habe im Übrigen nicht stattgefunden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe das Hausgrundstück in denjenigen Grenzen erworben, die heute in der Örtlichkeit sichtbar seien. Der gegenwärtige Grenzverlauf werde durch einen auf Höhe des Grundstücks Flur 1, Flurstück 744 vorgefundenen Grenzstein bestätigt. Selbst wenn eine Feinvermessung den von der Beklagten behaupteten Grenzverlauf des Flurstückes 773 bzw. des Flurstückes 772 ergeben sollte, stünde dies ihrem Eigentumserwerb an dem streitgegenständlichen Teilgrundstück nicht entgegen. Maßgeblich sei allein, über welche Grundstücksflächen sich der vormalige Erwerber des Grundstücks mit dem Veräußerer geeinigt habe. Bei Fehlvorstellungen über die Lage bzw. die Umrisse des zu veräußernden Grundstücks sei im Zweifel nicht der grundbuchmäßige, sondern der tatsächliche Umfang des Grundstückes, wie in der Natur ersichtlich, der gewollte Einigungs- und Auflassungsgegenstand. Bei übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien des Kaufvertrages von den örtlichen Grenzen des Grundstücks sei dieses in eben diesen und nicht in den katastermäßigen Grenzen aufgelassen worden. Seit Bestehen der vorliegenden Grundstücksgrenzen im Jahre 1920 seien alle Beteiligten von der Deckungsgleichheit der Grundstücksgrenzen mit der tatsächlichen Inanspruchnahme der Flächen, wie sie sich aus der Örtlichkeit ergebe, ausgegangen. Jedenfalls sei der Herausgabeanspruch der Beklagten verwirkt, nachdem die Nutzung der Flurstücke 773 und 772 durch den jeweiligen Eigentümer in der derzeitigen aus der Örtlichkeit ersichtlichen Grenzen in der Zeit von 1920 bis Juli 2000 durch die Beklagte nicht beanstandet worden sei. Zudem müsse die Beklagte sich an ihren eigenen Planungen festhalten lassen. So habe die Beklagte gegenüber den Grundstückseigentümern festgelegt, wie Zäune zu setzen wären und Versorgungsleitungen, Abwasser- und Stromleitungen im Erdreich zu verlaufen hätten. Einem möglichen Herausgabe- und Räumungsanspruch der Beklagten stehe entgegen, dass Bäume angepflanzt und gepflegt worden seien, die zwischenzeitlich einen Stammesumfang von über 30 cm aufwiesen und deren Entfernung daher unter Beachtung der Baumschutzordnung des Landes Brandenburg der behördlichen Erlaubnis bedurften. Der Annahme der Verwirkung stehe nicht entgegen, dass die Beklagte rechtlich erst seit dem 3. Oktober 1990 bestehe.
Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 19. Dezember 2002 (Bl. 146 d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Vermessungsingenieurs U... D... (Bl. 155 ff. d. A.). Der Sachverständige D... hat sein Gutachten im Termin vom 4. September 2003 mündlich erläutert (Bl. 207 ff. d. A.).
Das Landgericht Neuruppin hat mit dem am 2. Oktober 2003 verkündeten Urteil der Widerklage ganz überwiegend stattgegeben. Es hat die Klägerin zur Räumung und Herausgabe einer im Einzelnen genau bestimmten Teilfläche des Flurstückes 773, Flur 1, Gemarkung H..., eingetragen im Grundbuch von H..., Blatt 5814, wie in der Anlage zum Urteil rot gekennzeichnet, verurteilt. Von der Räumung ausgenommen hat es wegen Verjährung des diesbezüglichen Anspruches eine auf der Teilfläche befindliche Mauer und Lebensbaumhecke.
Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Beklagten stehe der in der Widerklage geltend gemachte Herausgabeanspruch aus § 985 BGB zu. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass der streitgegenständliche Grundstücksstreifen zum Flurstück 773 gehöre und damit im Eigentum des Beklagten stehe. Der Sachverständige D... habe nachvollziehbar den Vortrag der Beklagten bestätigt, wonach bereits die früher anlässlich der zur Veräußerung der Flurstücke durchgeführte Vermessung die Grundstücke in den durch die Beklagte behaupteten Grenzen festgestellt habe. An dieser katastermäßigen Feststellung habe sich nichts geändert. Es seien ferner die früheren Katasterangaben durch die vor Ort verbliebenen und wieder aufgefundenen Grenzabmarkungen bestätigt worden. Die im Feldbuch aus dem Jahre 1919 ausgewiesenen Grenzsteine seien vor Ort in eben der verzeichneten Lage vorgefunden worden. Soweit Grenzsteine auf dem Flurstück 772 nicht auffindbar gewesen seien, seien die Katasterangaben in die Örtlichkeit übertragen worden. Die Flurstücksgrenzen hätten damit eindeutig nachvollzogen werden können.
Die Klägerin habe an dem streitgegenständlichen Teilstück bei Erwerb ihres Flurstückes kein Eigentum erwerben können. Zwar sei rechtlich anerkannt, dass ein Grundstück abweichend von den sich aus dem Kataster ergebenden Grenzen erworben werden könne, wenn nämlich das Grundstück zuvor durch die Kaufvertragsparteien besichtigt worden sei und diese der Annahme gewesen seien, das Grundstück umfasse auch die zwischen den Parteien streitige Teilfläche. Hierzu hätte die Klägerin jedoch substantiiert zu den Vorstellungen und Willenserklärungen der ursprünglichen Kaufvertragsparteien, beginnend ab 1919, vortragen müssen. Daran fehle es. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb an dem streitgegenständlichen Teilstück sei ausgeschlossen. Die Beklagte habe den Herausgabeanspruch auch nicht verwirkt. Auch nach Jahrzehnten einer Nutzung könne dem Herausgabeanspruch eines eingetragenen Eigentümers der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nicht entgegen gehalten werden, weil dies im Ergebnis auf eine Ersitzung des Eigentums am Grundstück gegen das Grundbuch hinauslaufe. Ferner fehle im vorliegenden Falle das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment, wonach der Rechtsinhaber einen Vertrauenstatbestand dahin erzeugt habe, er werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ein solches Vertrauen komme dann nicht in Betracht, wenn der Rechtsinhaber von den tatsächlichen Umständen, die sein Recht begründen, keinerlei Kenntnis habe. Weiter liege der für eine Verwirkung erforderliche Umstand der Unzumutbarkeit nicht vor. Der Eingriff auf das Grundstück der Klägerin nach Herausgabe des streitgegenständlichen Teilstückes sein minimal. Dem Herausgabeanspruch der Beklagten lägen ferner erhebliche öffentliche Interessen zu Grunde. Auf Grund des sich aus § 1004 BGB ergebenden Räumungsanspruches sei die Klägerin zur Beseitigung unwesentlicher Bestandteile des Grundstückes verpflichtet und zwar auch insoweit, als diese vom Voreigentümer übernommen worden seien. Auch dieser Anspruch sei nicht verwirkt. Die Feststellungsklage sei begründet, da das Eigentum der Beklagten an dem streitgegenständlichen Teilgrundstück feststehe. Das Landgericht hat schließlich die Widerklage abgewiesen, soweit die Beklagte auch die Räumung und Herausgabe einer Teilfläche des Flurstückes 756 begehrt hat. Dieses Flurstück betreffe allein die N... Straße.
Gegen dieses ihr am 29.10.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.11.2003 bei Gericht eingegangene Berufung der Klägerin welche sie innerhalb der bis zum 29. Januar 2004 verlängerten Frist mit dem am 27. Januar 2004 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, rechtsfehlerhaft sei vom Landgericht auf Grund des erstellten Gutachtens nur das Vorhandensein von Grenzzeichen geprüft und daraus auf die Stimmigkeit der Katastergrenzen von 1919 mit den heutigen Grenzen geschlossen worden. Zur Aufklärung der tatsächlichen Grundstücksgrenzen hätte jedoch ein Vergleich der Flächenangaben des Grundbuches betreffend das im Eigentum der Klägerin stehende Flurstück 772 mit der tatsächlich gegebenen Grundstücksfläche des Flurstückes erfolgen müssen. Der Schutz des guten Glaubens an die Richtigkeit des Grundbuches erstrecke sich nicht auf die Korrektheit der Wiedergabe der Flurstücke im Liegenschaftskataster sondern nur auf die Flächenangaben im Grundbuch. Ob ein Fall der geltend gemachten Grenzverwirrung (§ 920 BGB) vorliege, hätte vom Landgericht erst dann beurteilt werden können, wenn zusätzlich zu der gutachterlichen Feststellung der aufgefundenen Grenzsteine festgestellt worden wäre, dass die im Grundbuch verzeichnete Fläche der Flurstücke auch heute noch den tatsächlichen Grundstücksgrößen entspreche. Ferner habe das Landgericht allein die Übereinstimmung eines Feldbuches von 1919 mit den einzelnen aufgefundenen Grenzzeichen als ausreichend für die Bestimmung eines Eigentumsrechtes der Beklagten angesehen. Auf Grund der politischen Einwirkungen auf die Liegenschaftskataster über die Zeitläufe hinweg könne von einer Kontinuität des Katasters nicht ausgegangen werden. Insbesondere könnten Übertragungsfehler nicht ausgeschlossen werden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 31. August 2004 hat die Klägerin vortragen lassen, bei Beräumung eines in der ... Straße gelegenen Grundstückes, nämlich desjenigen der Frau A... B..., seien unter dem Gartenzaun, der das Grundstück nach altem Besitzstand von der ... Straße abgrenze, zwei Grenzsteine gefunden worden. Diese Grenzsteine, die bei der Erstabmaßung des entsprechenden Grundstückes gesetzt worden seien, belegten, dass die Grenzen des Flurstückes 773 nicht so verliefen, wie dies in erster Instanz durch die Beklagte und das eingeholte Sachverständigengutachten dargetan worden seien. Es sei ein Fall der Grenzverwirkung im Sinne von § 920 BGB gegeben, der ursprüngliche Verlauf der Flurstückgrenzen lasse sich nicht klären.
Weiter trägt die Klägerin in der Berufung vor, bei erster Veräußerung des Flurstückes 772 sei der veräußernde Eigentümer zugleich Eigentümer des angrenzenden Flurstückes 773 (... Straße) gewesen. Demzufolge komme entsprechend der Entscheidung des OLG Hamm (NJW-RR 1992, 152) ein Eigentumserwerb der Käufer an einem Teilstück des Flurstückes 773 in Betracht.
Die Klägerin beantragt,
in teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Widerklage abzuweisen. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Nach ihrer Ansicht liegt ein Fall der Grenzverwirrung nicht vor. Die Voraussetzung, dass sich die richtige Grenze nicht ermitteln lasse, sei nicht gegeben aufgrund des eindeutigen Vermessungsergebnisses des Sachverständigen D.... Nach dessen Gutachten stehe fest, dass sich die Entwicklung der Flurstücksgrenzen aus dem Katasterfeldbuch von 1919 widerspruchsfrei feststellen lasse. Die an der Einfriedung des Flurstückes der Frau A... B... aufgefundenen Steine stellten keine Grenzzeichen dar.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 24. Januar 2005 (Bl. 383 d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen D... (Bl. 395 ff. d. A.). Der Sachverständige hat sein Gutachten mündlich erläutert im Termin vom 14.3.2006 (Bl. 496 d. A.).
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung der Klägerin ist fristgemäß eingelegt und begründet worden, mithin zulässig (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO).
II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht Neuruppin die Klägerin auf die Widerklage der Beklagten zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Teilfläche des Flurstückes 773 verurteilt.
1.
Der Beklagten steht gegen die Klägerin der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zu.
a.
Die Klägerin ist Besitzerin der Teilfläche des Flurstückes 773, welche sie im Zusammenhang mit ihrem Hausgrundstück als Vorgarten nutzt.
Die Beklagte ist als Eigentümerin des Flurstückes 773 im Grundbuch eingetragen, für sie streitet bereits die Vermutung des § 891 BGB. Danach gilt der im Grundbuch eingetragene Berechtigte als gegenwärtiger Inhaber des Rechts.
Die Klägerin hat den ihr zur Widerlegung der Vermutung obliegenden Beweis nicht führen können.
Die Widerlegung der Vermutung aus § 891 BGB erfolgt nicht bereits durch die Erschütterung eben dieser Vermutung, sondern durch den vollen Beweis des Gegenteils (Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 891 Rn 8).
b.
Die Klägerin hat die Unrichtigkeit des Grundbuches nicht bewiesen (§ 894 BGB).
Die Unrichtigkeit kann im Wege der Einrede gegen den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB geltend gemacht werden.
Eine solche Einrede erhebt die Klägerin, indem sie unter Berufung auf die Entscheidung des OLG Hamm (Urteil vom 13.06.1991; NJW-RR 1992, 152) geltend macht, ihr Hausgrundstück (Flurstück 772) in den Grenzen zu Eigentum erworben zu haben, die heute in der Örtlichkeit sichtbar sind, mithin also auch die als Vorgarten umzäunte und genutzte Teilfläche des Flurstückes 773.
Mit dem zitierten Urteil hatte das OLG Hamm entschieden, dass dann, wenn die Parteien eines Grundstückskaufvertrages das Kaufgrundstück vorher besichtigt haben und sich über den Umfang des Grundstückes in den aus der Natur ersichtlichen Grenzen (dort: landwirtschaftlich genutztes Grundstück) einig waren, der Gegenstand der Auflassung grundsätzlich nicht durch die im Katasterplan eingezeichneten Grenzen, sondern durch die in der Natur ersichtlichen Grenzen bestimmt wird. Unschädlich ist dabei, dass die Parteien den Gegenstand der Auflassung im Vertrag nicht richtig bezeichnen. Der wirkliche Wille der Parteien gehe dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vor. Es liegt eine - unschädliche - falsa demonstratio vor.
Unter Heranziehung dieser Grundsätze kann ein Erwerber des Flurstückes 772 bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen nur dann zugleich die angrenzende streitige Teilfläche durch Auflassung erworben haben, wenn der Veräußerer zum Zeitpunkt der Auflassung zugleich Eigentümer des angrenzenden Flurstückes 773 war.
Es ist von der Klägerin nicht substantiiert dargetan worden, dass sie nach diesen Grundsätzen Eigentum an der Teilfläche des Flurstückes 773 erworben hat. Die Klägerin hat schriftsätzlich zu den Umständen ihres Erwerbs des Flurstückes 772 nichts vorgetragen.
Für das angrenzende Flurstück 773 war von 1920 - 1926 die "E... S... Landgesellschaft mbH", von 1926 - 1927 die Gemeinde H..., von 1927 - 1962 die Landgemeinde, ab 1962 der Rat der Gemeinde H... als Rechtsträger des nunmehr volkseigenen Grundstückes und nach der deutschen Wiedervereinigung schließlich die Beklagte als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen (Bl. 346 d.A.).
Die Klägerin müsste Eigentum an dem Flurstück 772 von einem Veräußerer erworben haben, der zugleich Eigentümer des angrenzenden Flurstückes 773 gewesen ist. Danach müsste Veräußerer des Flurstückes 772 an die Klägerin die Beklagte bzw. der Rat der Gemeinde H... gewesen sein. Davon kann nicht ausgegangen werden.
Selbst wenn zu Gunsten der Klägerin davon auszugehen ist, dass jedenfalls der Ersterwerber des Flurstückes 772 nach dessen Herausbildung aus dem Flurstück 1377/109 Eigentum an demselben erworben hat durch Auflassung mit dem Verkäufer, der zugleich Eigentümer des angrenzenden Flurstücks 773 gewesen ist, nämlich die "E... S... Landgesellschaft mbH", hilft dies im Ergebnis nicht weiter. Der Ersterwerber hätte nämlich an der Teilfläche des Flurstückes 773 nur dann Eigentum erwerben können, wenn er letztlich im Grundbuch als Eigentümer eingetragen worden wäre (§§ 873, 925 BGB). Daran fehlt es.
Nachfolgende Grundstückserwerber können daher nicht gutgläubig bei Erwerb des Flurstückes 772 zugleich Eigentum an der angrenzenden Teilfläche des Flurstückes 773 erworben haben, weil es an einer Voreintragung des Veräußerers insoweit fehlt. Ein gutgläubiger Erwerb von Grundeigentum kann nicht "gegen das Grundbuch" stattfinden (§§ 891, 892 BGB).
Dies gilt auch, soweit eine Veräußerung des Flurstückes 772 nach Außerkraftsetzung des BGB unter der Geltung der Rechtsvorschriften der DDR stattgefunden hat. Diese Rechtsvorschriften unterschieden sich in den entscheidungsrelevanten Punkten nicht von denjenigen des BGB. Bis 31.12.1975 galten ohnehin die Vorschriften des BGB. Ab Geltung des ZGB war ein gutgläubiger Erwerb von Grundeigentum nicht möglich (§ 20 ZGB). Nach den Vorschriften der sodann geltenden Grundstücksdokumentationsordnung vom 06.11.1975 (GDO) war ein gutgläubiger Erwerb möglich, aber nur unter den gleichen Voraussetzungen, wie sie in §§ 891, 892 BGB bestimmt sind (§§ 7, 8 GDO).
c.
Die Klägerin kann gegenüber dem Herausgabeanspruch auch kein Recht auf Besitz geltend machen (§ 986 BGB).
Zwar wird ein Recht aus § 986 BGB anerkannt in den Fällen, in denen nach Abschluss des notariell beurkundeten Kaufvertrages im Hinblick auf den Eigentumserwerbsanspruch der Besitz an dem Grundstück schon übertragen wird, es letztlich aber zu einer Eintragung des Eigentumsüberganges im Grundbuch nicht kommt (BGHZ 90, 269). In einem solchen Falle kann der Käufer des Grundstückes nach dessen Übergabe gegenüber dem Verkäufer (Eigentümer) auch dann die Einwendungen nach § 986 BGB geltend machen, wenn der noch nicht erfüllte Anspruch auf Übereignung verjährt ist( BGH, NJW 1984, 1960).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Dass die Klägerin in eigener Person oder als Rechtsnachfolgerin von früheren Eigentümern einen Anspruch auf Übereignung der streitgegenständlichen Teilfläche gegen die Beklagte aufgrund wirksamer Auflassung und Besitzübertragung hat, kann nach den oben stehenden Ausführungen (Ziff. II 1 b) nicht angenommen werden. Unabdingbare Voraussetzung ist auch hier, dass der das Flurstück 772 Veräußernde und den Besitz Übertragende als Eigentümer der angrenzenden Teilfläche des Flurstückes 773 im Grundbuch eingetragen war.
Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgehen wollte, dass zum Zeitpunkt des Ersterwerbs des Flurstückes 772 die Parteien des Kaufvertrages sich nach den im Urteil des OLG Hamm zitierten Grundsätzen auch betreffend die Eigentumsübertragung der angrenzenden streitgegenständlichen Teilfläche geeinigt hätten und es ferner zu einer Besitzüberlassung eben dieser Teilfläche durch den Veräußerer an den Erwerber gekommen wäre, würde ein damit begründetes Recht des Ersterwerbers nach § 986 BGB der Klägerin nicht weiter helfen. Die Klägerin als gegenwärtige Besitzerin kann ein eventuell vom Ersterwerber abgeleitetes Besitzrecht geltend machen, solange der Ersterwerber ein Besitzrecht gegenüber dem Eigentümer hat (Palandt/Bassenge, a.a.O., § 986 Rn 5). Ist dieses Besitzrecht beendet, kann der Eigentümer die Herausgabe an sich verlangen. So liegt der Fall hier.
Andere die Herausgabe hindernde Besitzrechte der Klägerin sind nicht ersichtlich.
d.
Die Klägerin kann dem Herausgabeanspruch nach § 985 BGB auch nicht mit Erfolg entgegen halten, die richtige Grenze zwischen den aneinandergrenzenden Flurstücken 773 und 772 sei nicht feststellbar, die als Vorgarten genutzte Teilfläche gehöre tatsächlich zum Flurstück 772 (§ 920 BGB).
Aufgrund der vom Landgericht Neuruppin und dem erkennenden Senat eingeholten Gutachten des Sachverständigen U... D... steht der exakte Grenzverlauf zwischen beiden Flurstücken fest. Aus der durchgeführten Beweisaufnahme folgt, dass die Klägerin einen zum Straßengrundstück (Flurstück 773) der Beklagten gehörenden Teilstreifen nutzt.
Der Sachverständige hat eindeutig und nachvollziehbar ausgeführt, dass die im Kataster ausgewiesene Grenze die rechtmäßige ist.
Bei Vermessung der im Kataster nachgewiesenen Grundstücksgrenze mittels eines elektrooptischen Tachymeters am 24.04.2003 in der Örtlichkeit bei Aufmessung von Standpunkten aus, deren Lage über Punkte des Lagefeldpunktes bestimmt worden ist, hat der im Kataster ausgewiesene Grenzverlauf zweifelsfrei in die Örtlichkeit übertragen werden können. Zwar hat der Sachverständige keine Grenzsteine gefunden zwischen den Flurstücken 772 und 773. Er hat jedoch ausgehend von der Zerlegung des Flurstückes 1377/109 im Jahre 1919 die Grenze des Flurstückes 772 gegen das Flurstück 773 eindeutig vor Ort nachvollziehen können.
Die Ergebnisse der Zerlegung des Flurstückes 1377/109 ergeben sich aus dem Fortführungsriss vom 21.2.1924 und 26.07. 1919 (Anlage 2 zum Gutachten vom 03.03.2003, Bl. 160 ff d.A.) ergeben, so der Sachverständige. Darin ist auch die Ermittlung der Grenze des Flurstückes 772 (alte Bezeichnung: 1786/109) gegen die ... Straße - Flurstück 773 - (alte Bezeichnung: 1774/109) enthalten. Der Fortführungsriss ist in sich schlüssig, Differenzen sind nicht festgestellt worden. Das Ergebnis der Grenzermittlung und der Abmarkung der Flurstücksgrenzen ist in der dazugehörigen Messungsverhandlung vom 28.07.1919 (Anlage 3 zum Gutachten vom 03.03.2003, Bl. 163 d.A.) von den von der Vermessung betroffenen Beteiligten rechtsverbindlich anerkannt worden.
Im Ortstermin hat der Sachverständige weiter festgestellt, dass der örtliche Besitzstand, gekennzeichnet durch einen Zaun, einen Lebensbaum sowie eine Mauer von dem im Kataster nachgewiesenen Grenzverlauf abweicht (Anlage 4 zum Gutachten vom 03.03.2003, Bl. 165 d.A.).
Weiter hat der Sachverständige zur Überzeugung des Gerichtes ausgeführt, dass es sich bei den im Zusammenhang von Räumungsarbeiten auf dem Flurstück 751 (... Straße 6) im Jahre 2004 aufgefundenen Steinen nicht um Grenzsteine handelt. Der aus dem Lichtbild (Bl. 342 d.A.) ersichtliche Stein ist die Abmarkung eines Aufnahmepunktes, verzeichnet im Kataster, der im Zuge eines 1993 erfolgten Vermessungsverfahrens entstanden ist. Der weitere aus dem Lichtbild (Bl. 343 d. A.) ersichtliche quaderförmige Granitstein stellt die Markierung eines Polygonpunktes dar. Derartige Markierungen sind in der Zeit von 1900 - 1960 benutzt worden sind.
Schließlich ist der aus dem Lichtbild (Bl. 341 d.A.) ersichtliche quaderförmige Granitstein mit einer kreuzweisen Einkerbung auf der Oberfläche die klassische Abmarkung eines trigonometrischen Punktes und damit Bestandteil eines Lagefestpunktfeldes zu Vermessungszwecken.
Aus den Ausführungen des Sachverständigen folgt ferner, dass das Kataster kontinuierlich geführt worden ist und Übertragungsfehler, wie sie die Klägerin geltend machen will, nicht vorliegen.
Soweit die Klägerin meint, zur Aufklärung der tatsächlichen Grundstücksgrenzen sei ein Vergleich vorzunehmen zwischen der im Grundbuch eingetragenen Flächengröße des Flurstückes 772 und der tatsächlich gegebenen Fläche, kann sie nicht gehört werden. Maßgeblich ist die Umgrenzung des Flurstückes, wie sie im Kataster ausgewiesen ist. Die im Kataster ausgewiesene Umgrenzung ist nach Angaben des Sachverständigen in der Örtlichkeit eindeutig nachvollziehbar; soweit es zu Maßdifferenzen gekommen ist, liegt dies in den Genauigkeitsanforderungen begründet, die an die Vermessungen im Jahre 1919 gestellt worden sind.
e.
Der Herausgabeanspruch der Beklagten ( § 985 BGB) ist nicht verjährt.
Für die Verjährung von Ansprüchen gilt nach dem Einigungsvertrag die Übergangsregelung des Art. 231 § 6 EGBGB. Danach finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Verjährung nur auf die am Tag des Wirksamwerden des Beitritts bestehenden und nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Ob ein Anspruch zum 03.10.1990 bereits verjährt war, ist nach dem Recht der DDR zu beurteilen. Am 03.10.1990 war der Herausgabeanspruch nicht verjährt.
Der Anspruch unterlag zunächst unter der Geltung des BGB (bis 31.12.1975) der Vorschrift der Unverjährbarkeit (§ 902 BGB). Sodann nach Einführung des ZGB (01.01.1976) bestimmte dessen § 479 Abs. 1 iVm § 10 GDO die Unverjährbarkeit von im Grundbuch eingetragenen Rechten.
Ab dem 03.10.1990 galt und gilt wiederum § 902 Abs. 1 S.1 BGB, wonach der Anspruch des im Grundbuch eingetragenen wahren Berechtigten nicht verjährt.
2.
Der Räumungsanspruch der Beklagten folgt aus § 1004 BGB.
Die Klägerin macht in der Berufung Verjährung des Räumungsanspruches, soweit dieser nicht bereits im Tenor des erstinstanzlichen Urteiles Einschränkungen erfahren hat, nicht geltend.
Zur Begründung des Räumungsanspruches wird im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
3.
Die Klägerin kann sich gegenüber der Widerklage auch nicht mit Erfolg auf Verwirkung der geltend gemachten Ansprüche berufen.
Zwar kann der Eigentümer grundsätzlich auch seine dinglichen Ansprüche verwirken, wenn er sie, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre, über einen erheblichen Zeitraum hin nicht geltend macht (Zeitmoment) und sich der Besitzer wegen der Untätigkeit des Eigentümers bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde seine Rechte nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment, vgl. BGH, JZ 1980, 767, Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 242 Rn 87). Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben.
Nicht eindeutig feststellbar ist bereits, ob die aus dem Eigentum fließenden Rechte hier tatsächlich über einen für die Verwirkung hinreichenden Zeitraum nicht geltend gemacht worden sind. Bei der Frage, welcher Zeitraum insoweit erforderlich ist, muss berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber das Grundeigentum gegenüber anderen Rechten in außergewöhnlicher Weise dadurch geschützt hat, dass er seine Ersitzung durch einen bloßen gutgläubigen Eigenbesitzer ganz ausgeschlossen und die aus dem Eigentum fließenden Rechte unverjährbar ausgestaltet hat. Die Länge des Zeitraums muss sich unter diesen Umständen an der üblichen dreißigjährigen Verjährungsfrist als unterster Grenze orientieren, im Regelfall jedoch darüber liegen. Ob ein derartig langer Zeitraum hier vergangen ist, lässt sich nicht feststellen. Seit wann genau die streitgegenständliche Teilfläche von den Rechtsvorgängern der Klägerin in Besitz genommen und als Vorgarten genutzt worden ist, ist im Einzelnen nicht vorgetragen. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgehen wollte, Mauer und Zaun seien in zeitlicher Nähe zur Bebauung des Grundstückes, also in den 20iger Jahren gesetzt worden, ist zu berücksichtigen, dass im Zeitraum zwischen dem Jahre 1952 und dem 03.10.1990 die Ansprüche aus dem Eigentum nicht verwirkt werden konnten. Denn das Grundstück stand zwischen 1952 und 1962 in kommunalen Eigentum, das wie volkseigenes Eigentum zu behandeln war; seit 1962 war es als Volkseigentum in Rechtsträgerschaft des Rates der Gemeinde H... im Grundbuch eingetragen. Die aus dem Eigentum an volkseigenen Grundstücken fließenden Ansprüche konnten aber nach den Gesetzen der DDR nicht verwirkt werden. Bei Geltendmachung des Herausgabeanspruches durch die Beklagte mit Schreiben vom 20.07.2000 war daher der für die Erfüllung des Zeitmoments erforderliche Mindestzeitraum selbst im für die Klägerin günstigsten Fall nur knapp erreicht bzw. überschritten.
Auf den reinen Zeitablauf kommt es allerdings nicht an. Denn jedenfalls liegt das erforderliche Umstandmoment nicht vor.
Auch an das Vorliegen dieses Moments sind erhebliche Anforderungen zu stellen. Ziel des Gesetzgebers war es, im Grundbuch eingetragenen Rechten zweifellosen und dauernden Bestand zu sichern und ein dauerndes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz, der das erstere zu einem inhaltslosen Recht werden ließe, zu verhindern. Diese Zielrichtung fand ihren Ausdruck in der gesetzlich angeordneten Unverjährbarkeit der aus dem Eigentum fließenden Rechte (s. hierzu v. Olshausen, JZ 1983, 288 m.w.Hinw.). Die der ursprünglichen Vorstellung des Gesetzgebers demnach zuwiderlaufende Verwirkung der aus dem Eigentum fließenden Ansprüche kann daher nur ganz eingeschränkt in Fällen angenommen werden, in denen der Eigentümer gegenüber dem Besitzer in zurechenbarer Weise - etwa durch Zusagen in einem später fehlgeschlagenen Vertrag ( z.B. BGH, NJW 1960,673) - einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat, der nahe an einen rechtsgeschäftlichen Verzicht auf die Durchsetzung der dinglichen Ansprüche heranreicht.
An einem derartigen von der Beklagten gesetzten oder ihr zuzurechnenden Vertrauenstatbestand fehlt es vorliegend. Vertragliche Bindungen zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits oder deren Rechtsvorgängern bestanden - soweit erkennbar - nicht. Ein Vertrauenstatbestand ist auch nicht dadurch zurechenbar geschaffen worden, dass der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Setzung des Gartenzaunes und der Mauer in der heute noch aktuellen Lage genehmigt worden ist. Der von der Klägerin hierzu getätigte Vortrag ist unsubstantiiert. Sie trägt weder zur "Person" der erteilenden Behörde noch zum konkreten Inhalt der Genehmigung vor. Im Übrigen werden bei Erteilung einer Genehmigung für bauliche Anlagen im Normalfall nur bauordnungsrechtliche Vorschriften durch die genehmigende Behörde geprüft, nicht jedoch die Eigentumsverhältnisse an dem zu bebauenden Flurstück. Die Klägerin oder ihre Rechtsvorgänger konnten die Erteilung der Genehmigung unter diesen Umständen nicht als Aussage zu möglichen dinglichen Ansprüchen oder gar als einen Verzicht auf Eigentumsansprüche verstehen. Dies gilt umso mehr, als die Parteien offenbar keine zutreffende Vorstellung von der tatsächlichen Lage hatten, also davon, dass die Klägerin einen Teil des Straßenlandes als Vorgarten nutzte. Auch war die örtliche Situation nicht so ausgestaltet, dass sich die Vorstellung der Nutzung gegen das Grundbuch dem jeweils eingetragenen Eigentümer des Straßenlandes hätte aufdrängen müssen. Vielmehr nutzten sämtliche Anlieger der ... Straße einen Streifen des Straßenlandes als Vorgarten, so dass sich in der Natur eine geordnete Fluchtlinie entlang der Grundstücksgrenzen zur ... Straße hin ergab. Im Übrigen wird in diesem Punkt auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichtes Bezug genommen.
Da es somit bereits an den Voraussetzungen für die Verwirkung fehlt, bedarf es einer umfassenden Würdigung des Verhaltens der den Herausgabeanspruch geltend machenden Beklagten nicht.
4.
Die Berufung bleibt aus den oben genannten Gründen auch ohne Erfolg, soweit das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil das Eigentum der Beklagten am Flurstück 773 festgestellt hat.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, wobei der Senat bei Bemessung der Sicherheitsleistung hinsichtlich des Herausgabe- und Räumungsanspruches von dem geschätzten Verkehrswert der streitgegenständliche Fläche ausgegangen ist.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
Ende der Entscheidung
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