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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.12.2008
Aktenzeichen: 7 U 78/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, InsO


Vorschriften:

BGB § 195
BGB § 199 Abs. 1
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 3
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 362 Abs. 1
BGB § 366 Abs. 2
BGB § 389
BGB § 396 Abs. 1 Satz 1
BGB § 396 Abs. 1 Satz 2
BGB § 433 Abs. 2
ZPO § 139
ZPO § 167
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 529
ZPO § 531
InsO § 80 Abs. 1
InsO § 94
InsO § 96
InsO § 166 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 9. April 2008 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.783,10 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 11. November 2003 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kosten der ersten Instanz der Kläger zu 30 % und die Beklagte zu 70 %. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die die Vollstreckung betreibende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Am 1.1.2004 wurde über das Vermögen der B. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf die Begleichung von Rechnungen über verkaufte und gelieferte Verpackungsfolien in Anspruch.

Der Kläger hat - nach teilweiser Zurücknahme der Klage - beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.783,10 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 11.11.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dass an sie veräußerte Ware einem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Bu. GmbH unterlegen sei. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche seien durch Verrechnung gegen an sie - die Beklagte - abgetretene Ansprüche der Bu. GmbH gegen die Schuldnerin untergegangen. Im Hinblick auf diese Ansprüche hat sie hilfsweise die Aufrechnung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat durch Urteil des Einzelrichters vom 9.4.2008 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die der Schuldnerin zugewachsenen Ansprüche aus § 433 Abs. 2 BGB durch Aufrechnung erloschen seien; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Das Urteil ist dem Kläger am 15.4.2008 zugestellt worden. Der Kläger hat am 9.5.2008 Berufung eingelegt und diese am 10.6.2008 begründet.

Der Kläger trägt ergänzend zu den von ihm angeführten älteren Forderungen der Schuldnerin vor; wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die - als solche unstreitigen - Ausführungen auf Seite 2 der Berufungsbegründung (Bl. 196 d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts vom 9.4.2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.783,10 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 11.11.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat die Zurücknahme der Hilfsaufrechnung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Denn die von ihm erhobene Zahlungsklage ist - ebenfalls - zulässig und begründet.

1. Die Klage ist nicht nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Den danach bestehenden Bestimmtheitserfordernissen ist genügt, da der Kläger die Klageforderung beziffert und ausdrücklich auf die Rechnungen der Schuldnerin vom 27.5.2003, 28.5.2003, 4.6.2003 und 8.10.2003, Rechnungsnummern: 145, 148, 149, 152 und 230, unter Abzug einer Stornobuchung vom 11.6.2003 gestützt hat.

2. Die Klage hat in der Sache Erfolg. Der Kläger nimmt die Beklagte zu Recht aus § 433 Abs. 2 BGB auf die Zahlung von 20.783,10 € in Anspruch.

a) Die Ansprüche der Schuldnerin bzw. jetzt des Klägers unterliegen nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EGBGB dem deutschen Recht, da die Lieferung der Verpackungsfolien und damit die für den Vertrag charakteristische Leistung der in Deutschland ansässigen Schuldnerin oblegen hat und eine Rechtswahl nach Art. 27 EGBGB nicht dargetan ist.

b) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin ist der Kläger nach § 80 Abs. 1 InsO zur Geltendmachung der ihr zustehenden Ansprüche berufen. Daran ändert das Bestehen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts der Bu. GmbH nichts, weshalb dahinstehen kann, ob ein solcher mit dem Vorbringen der Beklagten anzunehmen ist; denn nach § 166 Abs. 2 InsO, der auch und insbesondere den verlängerten Eigentumsvorbehalt erfasst (HeidelbKomm./Landfermann, InsO, 5. Aufl., § 166, Rn. 23), sind zur Sicherheit abgetretene Forderungen ebenfalls vom Insolvenzverwalter einzuziehen oder zu verwerten.

c) Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche sind der Schuldnerin zugewachsen. Denn sie hat mit der Beklagten Kaufverträge über Verpackungsfolien geschlossen, diese erfüllt und durch die streitbefangenen Rechnungen vertragsgemäß abgerechnet; dem Vorbringen des Klägers, dass die Schuldnerin die Verpackungsfolien an die Beklagte verkauft und geliefert und dementsprechend in Rechnung gestellt hat, ist jene nicht entgegengetreten. Die Summe der streitgegenständlichen Rechnungen vom 27.5.2003, 28.5.2003, 4.6.2003 und 8.10.2003 stellt sich unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgetragenen Verrechnung von insgesamt 6.951,18 € auf die Rechnung vom 27.5.2003 und der Stornobuchung in Höhe von 8.710,57 € am 11.6.2003 auf die Klageforderung. Dabei kann dahinstehen, ob der Vortrag des Klägers über die Verrechnung von 6.951,18 € im Schriftsatz vom 11.8.2008 in der Berufung neu ist, nachdem in der ersten Instanz auf Seite 2 der Anspruchsbegründung von einer Zahlung dieses Betrages die Rede gewesen ist. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob der Vortrag über die Stornobuchung im Schriftsatz vom 11.8.2008 in der Berufung neu oder im Hinblick auf die in der ersten Instanz vorgelegte Anlage K 11 zum Schriftsatz des Klägers vom 28.1.2008 als rechtzeitiger erstinstanzlicher Vortrag anzusehen ist. Denn beides ist in der Berufung unstreitig geblieben und unterliegt daher nicht den Beschränkungen nach §§ 529, 531 ZPO (vgl. BGH NJW 2008, 448; 2005, 291, 292 f.; NJW-RR 2005, 437; Zöller/ Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 531, Rn. 21).

d) Die Ansprüche sind nicht durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 55.262,95 € an die Bu. GmbH nach § 362 Abs. 1 BGB entfallen. Denn diese Zahlung vom 30.7.2003 ist nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 20.11.2007 auf deren Zahlungspflicht aus der Abtretungsvereinbarung mit der Bu. GmbH vom 28.5.2003 geleistet worden und nicht etwa auf im Wege der Sicherungszession auf die Bu. GmbH übergegangene Ansprüche der Schuldnerin; auch hier kommt es daher nicht darauf an, ob die Schuldnerin tatsächlich Vorbehaltsware an die Beklagte veräußert hat.

e) Die Ansprüche sind auch nicht nach § 389 BGB durch eine vorgerichtliche Aufrechnung der Beklagten gegen an sie abgetretene Ansprüche der Bu. GmbH erloschen.

aa) Dem Vorbringen der Beklagten kann nicht entnommen werden, dass sie bei der Erklärung der Aufrechnung gemäß § 396 Abs. 1 Satz 1 BGB die Beträge der streitbefangenen Rechnungen als die zu tilgenden Ansprüche bestimmt hat.

Für eine derartige Tilgungsbestimmung ist die Beklagte als diejenige, die sich zu ihren Gunsten darauf beruft, darlegungspflichtig (vgl. MünchKomm./Schlüter, BGB, 5. Aufl., § 396, Rn. 4). Sie trägt eine solche jedoch nicht, jedenfalls nicht hinreichend substantiiert, vor. In der ersten Instanz hat sie im Schriftsatz vom 20.11.2007 zunächst nur ausgeführt, dass sie gegenüber den Ansprüchen der Schuldnerin gegen sie die Aufrechnung erklärt habe; welche konkreten Ansprüche der Schuldnerin Gegenstand der Aufrechnungserklärung gewesen sind, wird nicht dargestellt. Eine diesbezügliche Spezifizierung findet sich auch nicht im Schriftsatz vom 18.2.2008, soweit die Beklagte dort auf die Aufrechnung zurückkommt. In der Berufungserwiderung ist eine konkrete Tilgungsbestimmung ebenfalls nicht dargetan. Auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 25.8.2008 wird zwar erneut auf die vorgerichtliche Aufrechnungserklärung abgehoben; auch dort findet jedoch eine Konkretisierung des Vorbringens über deren Inhalt nicht statt.

Die Beklagte ist auf diese Unvollständigkeit ihres Vortrags in der mündlichen Verhandlung am 27.8.2008 hingewiesen worden. Sie hat das indes nicht zur Ergänzung ihres Vorbringens zum Anlass genommen hat; der Schriftsatz vom 15.9.2008 enthält ausschließlich die Erklärung der Zurücknahme der Hilfsaufrechnung, nicht aber weiteren Tatsachenvortrag zur Vornahme einer Tilgungsbestimmung nach § 396 Abs. 1 Satz 1 BGB.

bb) Demzufolge bemisst sich die Tilgungswirkung der Aufrechnung nach §§ 396 Abs. 1 Satz 2, 366 Abs. 2 BGB. Danach wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt. Dazu hat zunächst der Gläubiger darzulegen und zu beweisen, dass ihm noch weitere Forderungen gegen den aufrechnenden Schuldner zustehen, bevor dann der Schuldner darzulegen hat, warum gerade die im Streit stehende Forderung getilgt sein soll (BGH NJW-RR 1993, 1015; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 366, Rn. 12; MünchKomm./Wenzel, a.a.O., § 366, Rn. 16).

Der ihn so treffenden Darlegungslast hat der Kläger - jedenfalls - in der Berufungsbegründung genügt, indem er auf deren Seite 2 unter Bezugnahme auf die in der ersten Instanz vorgelegte Anlage K 11 die älteren Rechnungen der Schuldnerin im Einzelnen aufgeführt und dargestellt hat, dass durch die Verrechnung gegen diese Forderungen die Ansprüche der Beklagten aus abgetretenem Recht der Bu. GmbH erschöpft sind. Nachdem dieser Vortrag ebenfalls unstreitig geblieben ist, ist - auch hier ungeachtet der Frage, ob das Vorbringen in der Berufung neu oder mit der Vorlage der Anlage K 11 rechtzeitig in der ersten Instanz in den Rechtsstreit eingeführt worden ist - für eine Präklusion nach §§ 529, 531 ZPO kein Raum.

Demgemäß ist davon auszugehen, dass die dargestellten älteren Ansprüche der Schuldnerin dem Grunde und der Höhe nach bestanden haben und fällig gewesen sind. Nachdem für Unterschiede in der Besicherung oder Lästigkeit der Ansprüche nichts dargetan ist, hat folglich mit dem Vorbringen des Klägers die Anrechnung von den älteren Forderungen zu den neueren hin zu erfolgen.

Aus dem Vorbringen der Beklagten lässt sich eine andere Tilgungswirkung nicht herleiten. Soweit sie im Schriftsatz vom 18.2.2008 das Bestehen einer Kontokorrentabrede anspricht, fehlt es - auch hier - an einem hinreichend substantiierten Vortrag; konkrete tatsächliche Umstände, aus denen sich eine solche Vereinbarung mit der Schuldnerin ersehen lassen könnte, werden nicht vorgetragen. Dasselbe gilt für den Inhalt der Berufungserwiderung, soweit dort auf die in der Anlage K 11 ausgewiesenen Salden abgehoben wird. In der mündlichen Verhandlung am 27.8.2008 ist die Beklagte auch auf diesen Mangel ihres Vortrags nach § 139 ZPO hingewiesen worden, ohne dass eine Ergänzung stattgefunden hat.

cc) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin steht nach § 94 InsO der Wirksamkeit der vorgerichtlichen Aufrechnung nicht entgegen. Für eine - dann allerdings jegliche Tilgungswirkung ausschließende - Unzulässigkeit der Aufrechnung nach § 96 InsO lässt sich dem Vorbringen der Parteien nichts entnehmen.

f) Die vom Kläger erhobenen Ansprüche sind nicht verjährt. Nach den Inhalten der streitgegenständlichen Rechnungen haben die ihnen zugrunde liegenden Geschäfte mit der Beklagten im Jahr 2003 stattgefunden. Daraus folgt, dass nach § 199 Abs. 1 BGB die Verjährung nicht vor dem Ablauf des 31.12.2003 begonnen hat. Damit aber ist die dreijährige Verjährung gemäß § 195 BGB zum Zeitpunkt der Beantragung des Mahnbescheids durch den Kläger am 29.12.2006 nicht vollendet gewesen. Der Antrag hat nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB zur Hemmung der Verjährung geführt, da die Zustellung des Mahnbescheids am 17.7.2007 noch demnächst im Sinne des § 167 ZPO stattgefunden hat. Eine dem Kläger anzulastende wesentliche Verzögerung des Mahnverfahrens kann nämlich nicht erkannt werden kann. Der Kläger hat auf die Anfrage des Mahngerichts vom 12.4.2007 unverzüglich am 16.4.2007 geantwortet und die Anweisung der angeforderten Übersetzungskosten angezeigt. In der Zeit davor und danach hat der Gang des Mahnverfahrens und damit der Zeitablauf bis zur Zustellung des Mahnbescheids den Besonderheiten der vorzunehmenden Auslandszustellung Rechnung getragen und beeinträchtigt die Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO daher nicht (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 167, Rn. 12, m.w.N.).

g) Über die im Rechtsstreit hilfsweise erklärte Aufrechnung ist nicht zu entscheiden, nachdem die Beklagte deren Zurücknahme erklärt hat (vgl. BGH NJW-RR 1991, 156, 157; OLG Zweibrücken NJW-RR 2004, 651, 652; Zöller/Greger, a.a.O., § 145, Rn. 11).

h) Die Zinsansprüche bestehen aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, 3 BGB.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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