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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.02.2009
Aktenzeichen: 9 AR 2/09
Rechtsgebiete: ZPO, GVG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 37
ZPO § 263 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 7
GVG § 23b Abs. 1 Nr. 8
BGB § 745 Abs. 2
BGB § 1361 b
BGB § 1361 b Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Zum zuständigen Gericht wird das Amtsgericht - Zivilabteilung - Perleberg bestimmt.

Gründe:

1. Die Parteien waren getrennt lebende Eheleute, die inzwischen rechtkräftig geschieden sind. Der Antragsteller hat mit seiner ausdrücklich für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 8. April 2008 eingereichten "Klage" die Antragsgegnerin auf Zahlung von Nutzungsentgelt für die Zeit seit September 2007 und Erstattung insoweit vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten in Anspruch genommen. Er hat hierzu behauptet, die Antragsgegnerin nutze nach seinem - des Antragstellers - Auszug aus der im Miteigentum beider Parteien stehenden Ehewohnung diese nunmehr mit ihrem neuen Lebenspartner und einem Pflegekind. Der Nutzungswert der Wohnung übersteige die unstreitig zwischenzeitlich allein noch von der Antragsgegnerin getragenen Kreditverbindlichkeiten für das Objekt mit der Folge, dass der Antragsteller hierfür in Höhe der Hälfte des überschießenden Betrages zu entschädigen sei.

Die Antragsschrift vom 7. April 2008 ist an das Amtsgericht Perleberg gerichtet und dort bei einer Zivilabteilung eingetragen worden. Der Abteilungsrichter hat den Antragsteller unter dem 14. April 2008 darauf hingewiesen, dass es sich um einen "Nutzungsvergütungsanspruch (...) familienrechtlicher Art" handeln dürfte und einen Abgabeantrag an die Familienabteilung anheimgegeben, der mit Schriftsatz vom 29. April 2008 gestellt worden ist. Nachdem der Antragsgegnerin Gelegenheit zur Stellungnahme (im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren) gegeben worden ist, hat das Amtsgericht - Zivilabteilung - sich mit Beschluss vom 11. November 2008 für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren antragsgemäß an die Familienabteilung abgegeben, weil Gegenstand des Rechtsstreits Ansprüche auf Nutzungsvergütung für die Ehewohnung seien, die in die Zuständigkeit des Familiengerichts fallen.

Die Abteilungsrichterin für Familiensachen hat sich nach Anhörung der Parteien durch Beschluss vom 14. Januar 2009 für sachlich unzuständig erklärt und die Übernahme abgelehnt mit der Begründung, die Parteien seien geschiedene Eheleute, die sich über die Nutzungsentschädigung zivilrechtlich auseinanderzusetzen hätten.

2. Das Brandenburgische Oberlandesgericht ist gemäß §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 37 ZPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit berufen. Diese Vorschriften finden bei den die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Gerichte betreffenden negativen Kompetenzkonflikten entsprechende Anwendung, auch wenn es sich um einen Zuständigkeitsstreit zwischen Zivilabteilung und Familienabteilung innerhalb desselben Gerichts handelt (vgl. BGHZ 71, 264; Zöller-Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 36 Rn. 2 a, 24, 29). Streitigkeiten zwischen einem Prozessgericht (Zivilgericht) und einem Familiengericht werden durch den Familiensenat des Oberlandesgerichts entschieden (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 10. April 2008, Az. 9 AR 2/08, vom 16. April 2008, Az. 9 AR 4/08, und vom 21. April 2008, Az. 9 AR 5/08; OLG Rostock, FamRZ 2004, 956).

a) Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandbestimmung liegen vor. Eines Gesuchs der Parteien bedarf es nicht; es genügt die Vorlage durch ein an dem Kompetenzkonflikt beteiligtes Gericht von Amts wegen.

Die beiden Abteilungen des Amtsgerichts Perleberg haben sich "rechtskräftig" im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für unzuständig erklärt. Das - den Parteien durch Übermittlung der entsprechenden Beschlüsse jeweils bekannt gegebene - tatsächliche Leugnen der Zuständigkeitskompetenz im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO reicht aufgrund der insoweit fehlenden Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen aus (vgl. BGH NJW 1978, 1531; BGH NJW-RR 1992, 579; Zöller-Gummer, a.a.O., § 23 b GVG Rdnr. 6 f.; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 36 Rdnr. 25).

Der Verweisungsbeschluss vom 11. November 2008 ist nicht gemäß § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO bindend, weil die Vorschrift nicht bei "Verweisungen" (eigentlich: Abgaben) zwischen Abteilungen innerhalb desselben Gerichts gilt (vgl. BGHZ 6, 178; 71, 264; OLG Rostock, FamRZ 2004, 650; BayObLG, FamRZ 1992, 333).

Der Umstand, dass sich das Verfahren nach wie vor im Stadium der Prozesskostenhilfeprüfung befindet, steht einer Entscheidung, die grundsätzlich auch vor Rechtshängigkeit einer Klage in Betracht kommen kann, nicht entgegen (BGH NJW-RR 1991, 1342; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 36 Rdnr. 8).

b) Zuständig ist die Zivilabteilung des Amtsgerichts Perleberg.

Ausschlaggebend für die Frage, ob eine Familiensache oder eine allgemeine zivilrechtliche Streitigkeit vorliegt, ist die Klagebegründung. Nicht entscheidend ist dabei die in der Klagebegründung von der Partei vorgenommene rechtliche Wertung. Abzustellen ist vielmehr auf den vorgetragenen Lebenssachverhalt und die daraus abgeleiteten Schlüsse und Ansprüche (BGH FamRZ 1980, 988).

Im Streitfall hat der Kläger mit der - von der Beklagten noch in der Erwiderung vom 21. Mai 2008 ausdrücklich bestätigten, also unstreitig gestellten - Darlegung des Getrenntlebens der Parteien Nutzungsentschädigung dafür begehrt, dass die Beklagte nach dem Auszug des Klägers die bisher gemeinsam genutzte Ehewohnung nunmehr allein (bzw. hier mit einem neuen Lebenspartner und Kind) bewohnt. Es wird also - wenn auch isoliert neben dem seinerzeit bei dem Amtsgericht Perleberg zum Az. 16 a F 187/07 bereits anhängigen Scheidungsverfahren - unmittelbar eine finanzielle Folge der Trennung der Ehegatten zum Streitgegenstand erhoben. Alleinige Anspruchsgrundlage ist - jedenfalls für die bei Einreichung der Antragsschrift noch andauernde - Zeit der Trennung § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB, der selbst für den bis zur Neufassung der Vorschrift noch umstrittenen und hier möglicherweise vorliegenden Fall eines freiwilligen Weichens eines Ehepartners (vgl. dazu BGH FamRZ 2006, 930) lex specialis auch gegenüber den allgemeinen Regelungen für Miteigentümer nach § 745 Abs. 2 BGB ist (vgl. erkennender Senat, Beschluss vom 7. Juni 2006, Az. 9 AR 3/06; Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 4. Aufl., § 1361b Rdnr. 33). Da auch das isolierte Verlangen nach einer Nutzungsentschädigung für die Dauer des Getrenntlebens einen Anspruch nach § 1361b BGB und damit die Regelung über die Ehewohnung betrifft, besteht grundsätzlich gemäß §§ 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO, 23b Abs. 1 Nr. 8 GVG die ausschließliche Zuständigkeit des Familiengerichts (vgl. erkennender Senat, Beschluss vom 7. Juni 2006, Az. 9 AR 3/06; OLG Dresden OLGR 2005, 781). Dies ist auch sachgerecht, weil das Problem der Nutzungsvergütung in der Praxis regelmäßig von der unterhaltsrechtlichen Problematik überlagert wird (vgl. Johannsen/Henrich, a.a.O., Rdnr. 31; OLG Dresden a.a.O.).

Im Streitfall allerdings sind die Parteien jedenfalls inzwischen rechtkräftig geschieden. Diese Veränderung bleibt nicht ohne Wirkung für die Zuständigkeit des Prozessgerichts, weil § 263 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur den nach Rechtshängigkeit eintretenden Veränderungen der die Zuständigkeit des Prozessgerichts begründenden Umstände keine Relevanz mehr beimisst. Zwar wird bei gleichzeitiger Einreichung von Prozesskostenhilfegesuch und Klage neben dem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren auch der Rechtsstreit als solcher anhängig. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Antragsteller eindeutig klarstellt, dass er den Klageantrag nur bedingt für den Fall der Prozesskostenhilfebewilligung stellen will (vgl. BGH FamRZ 2005, 794; KG MDR 2008, 585; Zöller-Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 117 Rdnr. 7). So liegt der Fall hier. In der Antragsschrift vom 7. April 2008 heißt es ausdrücklich: "Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird beantragt werden". Dadurch hat der Antragsteller klargestellt, dass die Klage erst nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhoben werden soll. Da das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren noch andauert, ist Rechtshängigkeit bisher nicht eingetreten.

Für eine nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe isoliert und in keinem Zusammenhang mit familienrechtlichen Ansprüchen wie Unterhalt, Hausrats- oder Wohnungszuweisung oder Zugewinnausgleich erhobene Klage auf Nutzungsentschädigung für die alleinige Nutzung der ehelichen Wohnung während des Trennungszeitraumes und ggf. darüber hinaus - eine Befristung des geltend gemachten Anspruchs auf die Zeit des Getrenntlebens ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich - ist aber die allgemeine Zivilgerichtsbarkeit zuständig (vgl. OLG Jena, OLG-NL 2002, 93).

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