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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.09.2002
Aktenzeichen: 9 UF 108/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 517
ZPO § 621 e
ZPO § 621 e Abs. 3 Satz 2
BGB § 1618 Satz 1
BGB § 1618 Satz 3
BGB § 1618 Satz 4
BGB § 1618 Satz 5
BGB § 1618 Satz 6
BGB § 1684 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 108/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Landgericht und den Richter am Oberlandesgericht

am 5. September 2002

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Antragstellerinnen vom 17. Juni 2002 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Antragsgegners in die Einbenennung der antragstellenden Kinder.

Die am 16. März 1989 geborene Antragstellerin zu 1. und die am 14. Dezember 1990 geborene Antragstellerin zu 2. sind die ehelichen Kinder des Antragsgegners. Die Ehe des Antragsgegners mit der Beteiligten zu 1., der Mutter der Antragstellerinnen, wurde im Jahr 1994 geschieden. Das alleinige Sorgerecht erhielt die Beteiligte zu 1. übertragen. Seither leben die Antragstellerinnen im Haushalte der Beteiligten zu 1., die im Jahre 2001 ihren Lebenspartner E Ka geheiratet und dessen Familiennamen angenommen hat. Die Beteiligte zu 1. ist Mutter weiterer drei Kinder, S Ka, geboren am 14. Januar 1996, sowie D sowie S Ka, beide geboren am 31. Januar 2002, von denen das Kind S auf Grund einer Einbenennung ebenfalls den Familiennamen Ka angenommen hat. Sämtliche Kinder leben im Haushalte der Familie Ka.

Die Antragstellerinnen, die Beteiligte zu 1. und ihr neuer Ehemann wünschen, einen gemeinsamen Namen zu tragen. Hierfür haben die Beteiligte zu 1. und ihr neuer Ehemann die Erteilung des neuen Ehenamens zu Gunsten der Antragstellerinnen erklärt, diese haben in diese Erteilung unter Zustimmung der Beteiligten zu 1. eingewilligt; die Erklärungen sind notariell beglaubigt (vgl. Bl. 41 f., 44 f. d. A.).

Der Antragsgegner verweigert die Zustimmung zur Einbenennung unter Hinweis auf die durch die Fortführung des Namens bestehende Bindung mit seinen Kindern. Er zahlt an die Antragstellerinnen Unterhalt; ein Umgang hat seit über drei Jahren nicht stattgefunden.

Das Amtsgericht hat nach Anhörung sämtlicher Beteiligter den gestellten Antrag auf Ersetzung der Einwilligung des Antragsgegners in die Einbenennung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Namensänderung sei für das Wohl der Kinder nicht dringend erforderlich. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerinnen, mit der sie ihren erstinstanzlich gestellten Antrag auf Ersetzung der verweigerten Einwilligung des Antragsgegners in die Einbenennung weiterverfolgen.

II.

Die begehrte Prozesskostenhilfe war den Antragstellerinnen zu versagen, da ihrem Rechtsmittel nach derzeitigem Stand keine Erfolgsaussicht zukommt, § 114 ZPO.

1.

Das als "Rechtsbeschwerde" eingelegte Rechtsmittel war als das statthafte, nämlich eine befristete Beschwerde gemäß § 621 e ZPO (allgemein dazu BGH FamRZ 1999,1648; Brandenburgisches OLG JAmt 2001, 98), auszulegen.

An der Zulässigkeit der befristeten Beschwerde bestehen keine Bedenken, insbesondere ist - die Monatsfrist für die Einlegung der befristeten Beschwerde gemäß § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO i. V. m. § 517 ZPO analog gewahrt.

2.

In der Sache selbst hat die befristete Beschwerde nach derzeitigem Stand aber keine Aussicht auf Erfolg. Die Voraussetzungen, unter denen die durch den Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Einbenennung zu ersetzen ist, liegen nicht vor. Es fehlt an der Erforderlichkeit der begehrten Einbenennung.

Nach § 1618 Satz 1 BGB können der alleinsorgeberechtigte Elternteil und sein Ehegatte, der nicht Elternteil des Kindes ist, dem Kind durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten ihren Ehenamen erteilen, wobei dies auch der Einwilligung des Kindes bedarf, § 1618 Satz 3 BGB a. E.. Diese Voraussetzungen liegen vor, insbesondere sind die formellen Voraussetzungen einer öffentlichen Beglaubigung gemäß § 1618 Satz 5 und 6 BGB erfüllt.

Die gemäß § 1618 Satz 3 BGB ferner erforderliche Einwilligung des anderen, d. h. nicht sorgeberechtigten Elternteils, hier also des Antragsgegners, ist gemäß § 1618 Satz 4 BGB dann zu ersetzen, wenn die Erteilung des neuen Namens zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Hierfür genügt es nicht, wenn die Beseitigung der Namensverschiedenheit innerhalb der neuen Familie des sorgeberechtigten Elternteils zweckmäßig und dem Kindeswohl förderlich erscheint (OLG Saarbrücken ZfJ 2000, 437, 438). Die bestehende Namensverschiedenheit trifft grundsätzlich jedes Kind, das aus einer geschiedenen Ehe stammt und bei einem wieder verheirateten Elternteil lebt, der den Namen des neuen Ehepartners angenommen hat. Zu berücksichtigen ist aber der Schutz der namensrechtlichen Bindung des Kindes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil, dem die Beseitigung der Namensverschiedenheit zuwider läuft. Aus diesen Gründen ist die erforderliche Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils nur dann zu ersetzen, wenn konkrete Umstände vorliegen, die das Kindeswohl gefährden und die Einbenennung daher als unerlässlich erscheinen lassen, um Schäden von dem Kind abzuwenden (BGH PER 2002, 267; Brandenburgisches OLG JAmt 2002, 81, 82 m. w. N.), wenn also anderenfalls schwerwiegende Nachteile für das Kind zu befürchten wären oder die Einbenennung zumindest einen so erheblichen Vorteil für das Kind darstellen würde, dass ein sich verständig um sein Kind sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Namensbandes nicht bestehen würde (BGH FER 2002, 154, 155 m. w. N.; OLG Köln, FPR 2002, 156).

Konkrete Umstände, die eine außerordentliche, durch die Namensdifferenz ausgelöste Belastung der beteiligten Kinder darstellen, können dem Vortrag der Antragstellerin nicht entnommen werden.

Soweit sie sich auf den mangelnden Umgang des Antragsgegners mit den Kindern berufen hat, genügt dies nicht. Der Schutz der namensrechtlichen Bindung des Kindes zum nicht sorgeberechtigten Elternteil gebietet auch bei mangelnden Kontakten zwischen dem nicht sorgeberechtigten Elternteil und dem Kind grundsätzlich Vorrang vor einer Einbenennung. Mag auch eine tatsächlich gelebte Bindung nicht mehr bestehen oder deren Umfang jedenfalls nur noch marginal durch die Namensänderung berührt werden, ist gleichwohl zu berücksichtigen, dass Kindes- und Elterninteressen gleichrangig sind. Auch wenn es grundsätzlich dem Wohl des Kindes entspricht, den gleichen Namen zu tragen wie die neue Familie, in der es jetzt lebt, ist die Kontinuität der Namensführung zum nicht sorgeberechtigten Elternteil gleichermaßen für das Wohl des Kindes wichtig, da hierdurch die Aufrechterhaltung seiner Beziehung zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil gekennzeichnet wird (zum Ganzen BGH FER 2002, 154, 155).

Hinzu kommt, dass der Antragsgegner selbst die Beibehaltung des namensrechtlichen Bandes ausdrücklich wünscht und für den mangelnden Umgang darauf hingewiesen hat, eine Belastung der neuen Familie seiner Kinder durch die Wahrnehmung von Umgangskontakten nicht herbeiführen zu wollen. Wenngleich ernsthafte Zweifel daran bestehen, ob er mit einer solchen Einstellung seiner aus § 1684 Abs. 1 BGB folgenden Pflicht zum Umgang mit den Antragstellerinnen genügt, ist gleichwohl nicht zu verkennen, dass auch die Beteiligte zu 1. ihrerseits ihren Pflichten, als sorgeberechtigter Elternteil der Antragstellerinnen deren Umgang mit ihrem Vater zu fördern, nach dem sich aus der Akte bislang ergebenden Eindruck nicht nachgekommen ist. Die mangelnden Umgangskontakte allein können daher die für die Ersetzung im Sinne von § 1618 S. 4 BGB erforderlichen Voraussetzungen nicht begründen (so auch BGH FER 2002, 154, 155; Gaatz, Probleme der Einbenennung nach § 1618 BGB, FPR 2002, 125, 132; a. A. OLG Dresden FamRZ 1999, 1378 - Vorlagebeschluss zu der zuvor zitierten Entscheidung des BGH).

Auch die mit Schriftsatz vom 2. Mai 2002 vorgebrachten weiteren Gründe können die Ersetzung der Einwilligung nicht rechtfertigen.

Soweit auf Schwierigkeiten der Antragstellerinnen mit anderen Schulkindern innerhalb des Schulbetriebes verwiesen wird ("Hänseleien"), die auf die nunmehr bestehende Namensverschiedenheit zurückzuführen seien, genügt dies nicht. Derartige Probleme im schulischen Umgang, aber überhaupt mit dritten Beteiligten, treten bei Namensverschiedenheiten regelmäßig auf und können für sich betrachtet nicht die Ersetzung der Einwilligung rechtfertigen. Zudem ist auch nach den Schilderungen der Antragstellerinnen das Maß dieser persönlichen Auseinandersetzungen nicht derart gravierend, dass von einem schwerwiegenden Nachteil für die beteiligten Kinder auszugehen ist. Im Übrigen ist zu erwarten, dass bei normalem Verlauf der Dinge sich diese Differenzen in Zukunft weiter abschwächen werden.

Ebenso wenig genügt es, wenn sich die Antragstellerinnen innerhalb der Familie zurückgesetzt fühlen, da die jüngeren Geschwister, insbesondere aber der Sohn S Ka, auf Grund dessen Namensänderung den Namen ihrer Mutter tragen. Es ist gerade Aufgabe der Beteiligten zu L, als verantwortungsvoll handelnder alleinsorgeberechtigter Elternteil den Kindern die Bedeutung der unterschiedlichen Namen zu erläutern und so die möglicherweise aufkommenden Differenzen zwischen den Kindern abzumildern.

Ebenso wenig genügt es, wenn die Kinder nach den Angaben der Beteiligten zu 1. auf die Ablehnung der Namensänderung mit Weinen reagiert und die Antragstellerin zu 2. verstärkt zum Bettnässen neige. Auch die erfolgte Ablehnung ist eine Erfahrung, mit der die Antragstellerinnen sich persönlich auseinandersetzen müssen, wobei es erneut der Beteiligten zu 1. obliegt, durch entsprechend einfühlsames Vorgehen den Kindern die Bedeutung der Namensverschiedenheit aufzuzeigen und daher das Verständnis für die getroffene Entscheidung zu erleichtern. Unter Berücksichtigung dessen ist zu erwarten, dass sich die dargestellten Folgen der Ablehnung der Namenserteilung lediglich als kurzfristige Erscheinung erweisen, die sich nachfolgend immer mehr abschwächen wird. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des von der Beteiligten zu 1. dargestellten verstärkten Bettnässens der Antragstellerin zu 2., weshalb es dahinstehen mag, ob dieses tatsächlich auf die Ablehnung der Änderung des Namens zurückzuführen ist, was auch nach den eigenen Angaben der Beteiligten zu 1. nicht zweifelsfrei erscheint.

Zuletzt spricht auch der durch die elf- bzw. dreizehnjährigen Antragstellerinnen übereinstimmend geäußerte Wille, den neuen Familiennamen anzunehmen, nicht für die Annahme eines schwerwiegenden Nachteils bei Fortführung des bestehenden Namens. Zum einen vermögen Kinder in diesem Alter die volle Tragweite einer neuen Namenszuordnung noch nicht zu erkennen, zum anderen ist nicht auszuschließen, dass dieser Wunsch auf einen starken Einfluss der neuen Familie und insbesondere ihrer Mutter zurückzuführen ist.

Ende der Entscheidung

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