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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: 9 UF 213/06
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 313 a Abs. 1 S. 1 | |
ZPO § 540 Abs. 2 | |
ZPO § 629 a Abs. 3 S. 1 | |
EGZPO § 26 Nr. 9 | |
BGB § 1570 | |
BGB § 1573 Abs. 5 | |
BGB § 1578 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
9 UF 213/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 24.5.2007
Verkündet am 24.5.2007
In der Familiensache
hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2007 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, die Richterin am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 13. Oktober 2006 verkündete Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Oranienburg zu Ziffer II. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von € 289,33, jeweils im Voraus zum 1. eines jeden Monats, zu zahlen.
Die weitergehende Klage der Antragsgegnerin auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.552,04 € (Differenzbetrag 112,67 € x 12) festgesetzt.
Gründe:
I.
Von der Darstellung der gerichtlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs.2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen, da gemäß § 26 Nr. 9 EGZPO eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die vor dem 1. Januar 2010 verkündeten Berufungsurteile des Oberlandesgerichts nicht zulässig ist.
II.
Die zulässige Berufung des Antragstellers führt in der Sache in vollem Umfang zum Erfolg.
Der Antragsgegnerin steht gegenüber dem Antragsteller ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB für die Zeit ab rechtskräftiger Scheidung der Ehe der Parteien jedenfalls nicht in einem Umfang zu, der den vom Ehemann anerkannten Betrag in Höhe von monatlich 289,33 € übersteigt.
Zwar kann nach der genannten Vorschrift ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann, was im Grundsatz wegen der Betreuung und Versorgung der in ihrem Haushalt lebenden, am 5. April 1999 geborenen gemeinsamen Tochter M... vorliegend auf die Antragsgegnerin zutrifft und im Übrigen zwischen den Parteien auch nicht umstritten ist. Doch stellt sich die Einkommenssituation der Parteien (nun) anders dar als vom Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung angenommen. Dies ist vorrangig auf eine Steigerung der Erwerbseinkünfte der Ehefrau und ein weiteres Absinken des Einkommens des Ehemannes aus dem von ihm geführten Gewerbebetrieb zurückzuführen.
Zunächst ist auf Grund der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift am 23. Januar 2007 an die Antragsgegnerin, am 25. Januar 2007 an die übrigen Beteiligten des Scheidungsverbundverfahrens festzustellen, dass die Ehescheidung mit Ablauf des 25. Februar 2007 rechtskräftig geworden ist - § 629 a Abs. 3 S. 1 ZPO. Die bezogen auf diesen Zeitpunkt maßgebliche Einkommenssituation der Parteien rechtfertigt aber einen höheren Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin als in dem vom Antragsteller anerkannten Umfang nicht.
Zweifelsfrei wurde die Ehe der Parteien durch Erwerbseinkünfte des Mannes aus seinem Gewerbebetrieb, dem mietfreien Wohnen in einem im Alleineigentum des Mannes stehenden, noch belasteten Einfamilienhaus und den Einkünften der Antragsgegnerin aus einer Teilzeittätigkeit bestimmt.
Das Erwerbseinkommen der Antragsgegnerin belief sich ausweislich ihrer Gehaltsabrechnungen im Kalenderjahr 2006 auf insgesamt 11.084,89 € netto. - Dabei sind - wie in der angefochtenen Entscheidung korrekt angenommen - die Abzüge für die Entgeltumwandlung (Direktversicherung), die als berücksichtigungsfähige betriebliche Altersversorgung anzusehen ist, bereits in Abzug gebracht; die hierauf gewährte Zulage des Arbeitgebers in Höhe von 6,50 € monatlich, um die sich die eigenen Aufwendungen der Arbeitnehmerin verringern, sind folglich ihrem Nettoeinkommen wieder hinzuzurechnen. Auf Grund der Tatsache, dass die Antragsgegnerin neben ihrer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und dieser zusätzlichen Direktversicherung über eine überdurchschnittliche Altersvorsorge verfügt, erscheint es indes nicht angezeigt, die darüber hinaus offenbar bestehende weitere Altersvorsorgeversicherung, die die Antragsgegnerin nicht näher erläutert hat, auf die ihr Arbeitgeber ihr jedoch eine weitere Zulage im Umfang von 13,51 € monatlich gewährt, unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen. Um diese genannte Zulage des Arbeitgebers ist ihr Nettoeinkommen folglich zu verringern, sodass sich ein Jahresnetto in Höhe von 11.000,77 € und demzufolge ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 916,73 € errechnet.
Einkommen Frau: | |||||
Netto | Zulage AV | Zulage Direktvers. | |||
Jan 06 | 831,41 € | - 13,51 € | 6,50 € | ||
Feb 06 | 853,93 € | - 13,51 € | 6,50 € | ||
Mrz 06 | 823,93 € | - 13,51 € | 6,50 € | ||
Apr 06 | 823,93 € | - 13,51 € | 6,50 € | ||
Mai 06 | 823,93 € | - 13,51 € | 6,50 € | ||
Jun 06 | 1.146,00 € | - 13,51 € | 6,50 € | ||
Jul 06 | 859,88 € | - 13,51 € | 6,50 € | ||
Aug 06 | 846,83 € | - 13,51 € | 6,50 € | ||
Sep 06 | 876,42 € | - 13,51 € | 6,50 € | ||
Okt 06 | 839,76 € | - 13,51 € | 6,50 € | ||
Nov 06 | 1.534,94 € | - 13,51 € | 6,50 € | ||
Dez 06 | 823,93 € | - 13,51 € | 6,50 € | ||
Summe | 11.084,89 € | - 162,12 € | 78,00 € | 11.000,77 € | 916,73 € |
Dieses Nettoeinkommen ist, wie vom Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung vorgenommen, lediglich um die Kosten einer Monatskarte für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsplatz zu bereinigen. Insoweit rechtfertigen auch die auf den Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2007 erstmals substantiierten, zu Protokoll erklärten Darlegungen der Antragsgegnerin zur Zurücklegung dieser Wegstrecke keine andere Beurteilung. Über die reine Zeitersparnis hinaus hat die Antragsgegnerin auch mit diesem Vortrag nicht dargetan, dass ihr die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumindest teilweise - etwa durch eine Anfahrt mit dem eigenen Pkw lediglich bis zum S-Bahnhof O... - möglich und zumutbar ist. Sie hat deshalb der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast für die Abzugsfähigkeit der von ihr geltend gemachten erhöhten Fahrtkosten in Gestalt einer Kilometerpauschale für die Nutzung des eigenen Pkws, deren Berücksichtigungsfähigkeit der Antragsteller stets in Abrede gestellt hat, nicht genügt.
Nach Abzug des so genannten Erwerbstätigensiebtels ergibt sich demzufolge ein bereinigtes Nettoeinkommen der Ehefrau in Höhe von 726,49 € monatlich.
bereinigtes Einkommen Frau: | |
Erwerbseinkommen | 916,73 € |
Fahrtkosten | - 69,16 € |
Zwischensumme | 847,57 € |
Erwerstätigensiebtel | - 121,08 € |
726,49 € |
Auf Seiten des Antragstellers ist für die Unterhaltsbemessung grundsätzlich dessen Einkommen aus seinem Gewerbebetrieb in dem, dem Unterhaltszeitraum vorausgehenden Abschnitt von drei Kalenderjahren maßgeblich, also in Anbetracht des Eintritts der Rechtskraft der Scheidung im Februar 2007 das Gewerbeeinkommen aus den Kalenderjahren 2004 bis 2006. Anhand der vom Antragsteller vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen für diese Kalenderjahre ermittelte sich unter Abzug der unstreitig gebliebenen und nachgewiesenen Zahlungen auf Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag sowie der erbrachten Vorsorgeleistungen ein Gesamteinkommen in Höhe von 78.552,07 €, umgerechnet monatlich demzufolge € 2.182.
Einkommen Mann: | |||
2004 | 2005 | 2006 | |
Gewinne | 39.465,78 € | 41.532,10 € | 38.465,78 € |
Steuern + Soli | - 8.814,37 € | - 4.465,45 € | - 4.879,12 € |
Vorsorgeaufwand | - 7.859,84 € | - 6.996,69 € | - 7.896,12 € |
Netto | 22.791,57 € | 30.069,96 € | 25.690,54 € |
Summe (04 bis 06) | 78.552,07 € | ||
: 36 = | 2.182,00 € |
Ferner ist auf Seiten des Ehemannes auf Grund der Nutzung des in seinem Alleineigentum stehenden Hauses ein Wohnvorteil unterhaltsrechtlich zuzurechnen. Dieser ermittelt sich - entgegen der von der Antragsgegnerin vertretenen Auffassung - im Rahmen der Bedarfsbemessung stets in der Weise, dass auf den Mietwert, der sich im hier zu beurteilenden Fall unstreitig auf 725 € monatlich beläuft, sowohl die Zins- wie auch die Tilgungsleistungen auf Verbindlichkeiten anzurechnen sind. Dies folgt bereits daraus, dass die Tilgung die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt und den Wert des Wohnens vermindert hat. Aus diesem Grunde müssen also im Rahmen der Bedarfsermittlung dem Wohnwert auch die Tilgungsleistungen gegenübergestellt werden, sodass es insoweit auf die Eigentumsverhältnisse nicht ankommt (vgl. BGH FamRZ 2005, 1817; 2005, 1159; 1998, 899; Wendl/Staudigl-Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage, § 1, Rn. 345; Graba, FamRZ 2006, 300; Schwolow, FuR 2006, Heft 2; Reinecke, ZFE 2004, 361; Borth, FamRB 2003, 328). Korrekturen wären hier nur ausnahmsweise vorzunehmen, wenn die Tilgung nicht angemessen, das heißt übermäßig hoch erfolgte (so BGH FamRZ 2000, 950), was vorliegend indes nicht ersichtlich ist. Das hat zur Folge, dass in die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs der Ehefrau - hier auf Seiten des Antragstellers - die gesamten (unstreitigen) Zins- und Tilgungsleistungen für die Immobilie einzustellen sind, woraus sich ein "negativer Wohnvorteil" in Höhe von monatlich minus 365,25 € ergibt.
Ausschließlich auf der Stufe der Leistungsfähigkeit wären erbrachte Tilgungsleistungen dann anders zu behandeln, wenn sie zur teilweisen oder vollständigen Leistungsunfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten führen würden, was vorliegend jedoch nicht der Fall ist.
Ferner ist das Nettoeinkommen des Antragstellers weiterhin um den (unstreitigen) Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 353 € sowie um das Erwerbstätigensiebtel zu kürzen, woraus sich sodann ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 1.254,64 € errechnet.
bereinigtes Einkommen Mann: | ||
Erwerbseinkommen | 2.182,00 € | |
Wohnvorteil | ||
145 qm á € 5 | 725,00 € | |
abzgl. Zins + Tilgung | - 1.090,25 € | |
ergibt | - 365,25 € | 1.816,75 € |
Kindesunterhalt | - 353,00 € | |
Zwischensumme | 1.463,75 € | |
Erwerbstätigensiebtel | - 209,11 € | |
1.254,64 € |
Aus Vorstehendem folgt, dass sich aus den bereinigten Einkünften der Ehefrau in Höhe von 726,49 € monatlich um denjenigen des Ehemannes in Höhe von 1.254,64 € monatlich ein Gesamteinkommen der Parteien von 1.981,13 € und damit ein hälftiger Unterhaltsbedarf der Ehefrau von 990,57 € errechnet, den sie durch eigene Einkünfte nur teilweise zu decken in der Lage ist. Es verbleibt ein restlicher Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin, der unterhalb des vom Antragsteller erstinstanzlich anerkannten und im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht weiter angegriffenen Betrages von 289,33 € monatlich liegt.
Auf die Frage einer Begrenzung dieses Unterhaltsanspruches nach §§ 1573 Abs. 5, 1578 BGB, die der Berufungsführer in seine Überlegungen miteinbezogen hat, kommt es mithin nicht an. Ein derartiger, nach dem Willen des Gesetzgebers höchst seltener Ausnahmefall, der dann anzunehmen ist, wenn bei der Betreuung gemeinsamer Kinder nicht von ehebedingten Nachteilen ausgegangen werden kann, ist hier ohnehin nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Der Streitwert des Berufungsverfahrens bemisst sich nach § 42 Abs. 1 GKG.
Ende der Entscheidung
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