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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.01.2002
Aktenzeichen: 9 WF 152/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 124
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 323
ZPO § 323 Abs. 1
ZPO § 323 Abs. 3
ZPO § 767
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 152/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde der Klägerin vom 10. August 2001 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 25. Juli 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ...

am 7. Januar 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg aufgehoben.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte Beschwerde der Klägerin ist zulässig.

In der Sache muss das Rechtsmittel zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen, denn das Amtsgericht hat der Klägerin bereits mit Beschluss vom 23. März 2001 Prozesskostenhilfe für die am 21. Dezember 2000 beim Amtsgericht eingegangene Klage bewilligt. Eine Abänderung des die Prozesskostenhilfe uneingeschränkt bewilligenden Beschlusses vom 23. März 2001 wäre unzulässig, da Gründe für eine nachträgliche Abänderung der bewilligten Prozesskostenhilfe im Sinne des § 124 ZPO nicht ersichtlich sind und ein nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe eingetretener Beurteilungswechsel des bewilligenden Gerichts die Aufhebung der Bewilligung ebensowenig wie eine rechtsirrig erfolgte Bewilligung rechtfertigt (OLG Hamm, FamRZ 1994, 1268, 1269).

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die am 21. Dezember 2000 beim Amtsgericht Oranienburg eingegangene Klage umfasste diese aber in vollem Umfang und auch insoweit, als die Klage in eine Abänderungsklage umzudeuten wäre.

Die Umdeutung einer fehlerhaften Prozesshandlung kommt in Betracht, wenn sie wegen ihrer Eindeutigkeit und Klarheit einer berichtigenden Auslegung nicht zugänglich ist, aber den Voraussetzungen einer anderen, den gleichen Zwecken dienenden entspricht, die prozessual zulässig ist. Die Umdeutung darf erfolgen, wenn ein entsprechender Parteiwille genügend deutlich erkennbar ist und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht. Denn der Zivilprozess hat die Verwirklichung des materiellen Rechts zum Ziel; die für ihn geltenden Vorschriften sind nicht Selbstzweck, sondern Zweckmäßigkeitsnormen, die auf eine sachliche Entscheidung des Rechtsstreits im Wege eines zweckmäßigen und schnellen Verfahrens gerichtet sind. Wenn irgend vertretbar, müssen die Verfahrensvorschriften daher so verstanden und angewendet werden, dass sie eine Entscheidung über die materielle Rechtslage nicht verhindern, sondern ermöglichen ( BGH NJW 1992,438,439 ).

Gegen die Umdeutung einer Vollstreckungsgegenklage in eine Abänderungsklage und umgekehrt bestehen grundsätzlich keine Bedenken (Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., Rnr. 16 zu § 323; BGH FamRZ 1991, 1040; OLG Bamberg, FamRZ 1999, 942, 943).

Die von der Klägerin erhobene Klage erfüllt - mit Ausnahme des Antrags - auch die Voraussetzungen einer Abänderungsklage. Dafür ist es erforderlich, dass der Kläger Tatsachen behauptet, die eine wesentliche Veränderung derjenigen Verhältnisse ergeben, die für die Verurteilung zu den Leistungen, für ihre Höhe oder Dauer ihrer Entrichtung maßgebend waren.

Das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 2. Oktober 1995, das die Klägerin zu einer monatlichen Unterhaltsleistung an den Beklagten in Höhe von 460 DM verpflichtete, ist zu Zeiten der Minderjährigkeit des Beklagten ergangen. Die Klägerin hat neben der von ihr behaupteten Einigung mit dem Beklagten, wonach dieser damit einverstanden gewesen sei, dass die Klägerin die Unterhaltszahlungen einstellt, die Veränderung ihrer eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit sowie die Tatsache, dass der Beklagte seit dem 1. Dezember 1996 volljährig ist, angeführt. Ihre gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 2. Oktober 1995 vorgebrachten Einwendungen waren damit geeignet, eine Abänderungsklage zu begründen.

Die Klägerin hat ihrer Darlegungs- und Beweislast zu den Voraussetzungen einer Abänderungsklage bereits damit genügt, dass sie darauf hingewiesen hat, dass das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg im Zeitpunkt der Minderjährigkeit des Beklagten errichtet worden ist und der Beklagte nunmehr volljährig ist. Zwar trifft grundsätzlich den Kläger, der die Abänderung des Unterhaltstitels begehrt, die Darlegungs- und Beweislast für eine Veränderung der Verhältnisse, die für die Unterhaltsbemessung in dem früheren Titel maßgebend waren. Im Übrigen bleibt es aber bei der allgemeinen Verteilung der Beweislast. Stammt der Titel aus der Zeit der Minderjährigkeit, muss das nunmehr volljährige Kind dartun und beweisen, dass der Unterhaltsanspruch fortbesteht, insbesondere welche Haftungsquote etwa auf den jeweiligen Elternteil entfällt (OLG Köln NJWE-FER 2000, 144, 145; Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 2, Rnr. 451).

Der Umdeutung stehen keine schutzwürdigen Interessen des Beklagten entgegen. Zwar dient eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO nur der Durchsetzung rechtsvernichtender und rechtshemmender Einwendungen, durch die die Vollstreckbarkeit eines Urteils , nicht dagegen dessen Rechtskraft beseitigt wird. Dagegen zielt die Abänderungsklage nach § 323 ZPO darauf ab, dass sich ein rechtsbegründender Tatbestand anders entwickelt hat, als im Ausgangsurteil angenommen worden ist. Das Begehren des Beklagten ist darauf gerichtet, eine materiell-rechtliche Entscheidung darüber zu erhalten, dass die Klägerin weiterhin zu Unterhaltszahlungen verpflichtet ist. Diesem Begehren des Beklagten wird auch bei einer Umdeutung der Vollstreckungsgegenklage in eine Abänderungsklage in vollem Umfang Rechnung getragen.

Eine Umdeutung der Vollstreckungsgegenklage in eine Abänderungsklage scheitert jedenfalls bei dem hier gegebenen Sachverhalt auch nicht daran, dass einer Vollstreckungsgegenklage regelmäßig das einer Abänderungsklage eigene Begehren auf Rechtsgestaltung in Form der Abänderung eines Unterhaltstitels fehlt. Es wäre eine mit dem angeführten Sinn und Zweck verfahrensrechtlicher Vorschriften unvereinbare Betrachtungsweise, wenn eine Umdeutung aus dogmatischen Gründen abgelehnt würde, obwohl die Klägerin den abzuändernden Titel benannt und eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse im Sinne des § 323 Abs. 1 ZPO vorgetragen hat. Die Umdeutung in eine Abänderungsklage durchbricht auch nicht die Rechtskraft, da der Titel nur für die Zeit nach Klageerhebung abgeändert wird. Klageerhebung im Sinne des § 323 Abs. 3 ZPO ist dabei im Falle einer Umdeutung der Zeitpunkt der Erhebung der Vollstreckungsgegenklage. Denn die Umdeutung besteht gerade darin, die erhobene Klage von Anfang an als Abänderungsklage zu betrachten. Damit muss sie auch zu dem Zeitpunkt als erhoben angesehen werden, zu dem die Vollstreckungsgegenklage erhoben worden ist. Ein besonderer Vertrauensschutz des Beklagten steht dem nicht entgegen. Denn schon mit der Erhebung der Vollstreckungsgegenklage konnte der Beklagte nicht mehr darauf vertrauen, die Klägerin werde die Abänderung der Verhältnisse nicht geltend machen.

War aber die am 19. Dezember 2000 beim Amtsgericht eingereichte Klage von Anfang an in eine Abänderungsklage umzudeuten, bedurfte es der hilfsweisen Geltendmachung des Abänderungsbegehrens nicht und entsprechend auch keiner erneuten Prüfung der Erfolgsaussichten einer Abänderungsklage, wie sie das Amtsgericht vorgenommen hat.

Ende der Entscheidung

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