Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.03.2007
Aktenzeichen: 9 WF 35/07
Rechtsgebiete: ZPO, RegelbetragVO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 323 Abs. 1
ZPO §§ 567 ff.
RegelbetragVO § 2
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1603 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die als sofortige Beschwerde geltende Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 27. Dezember 2006 - Az. 35 F 350/06 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die als sofortige Beschwerde gemäß §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Das Amtsgericht hat Prozesskostenhilfe aus den im Wesentlichen zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses sowie des Beschlusses vom 30. Januar 2007 zutreffend versagt.

Prozesskostenhilfe kann nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 ZPO. Das ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht der Fall, weil der Kläger für die begehrte Abänderung des Unterhaltstitels (Urkunde des Landkreises Oberhavel vom 20. März 2001, Urkundenregisternummer: 336/2001; Az.: 5141.7.0586) keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen hat.

Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es an substantiiertem Sachvortrag des Antragstellers zu seiner behaupteten herabgesetzten Leistungsfähigkeit. Der Antragsteller ist auf Grund der Urkunde vom 20. März 2001 zur Zahlung von 105,5 % des jeweiligen Regelbetrags entsprechend § 2 Regelbetragverordnung - unter Anrechnung des jeweiligen Kindergeldanteils - verpflichtet. Die behauptete Änderung der dieser Urkunde zu Grunde liegenden Verhältnisse ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Abänderungsklage und vom Antragsteller nachzuweisen. Dasselbe gilt für die behauptete Unfähigkeit, mehr als 23 % des Regelbetrags an Unterhalt leisten zu können (BGH, FamRZ 2002, 536; Wendl/Scholz, das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage, § 2 Rz. 259 a; Senat, NJW-RR 2005, 949 ff; MDR 2000, 1438).

Was die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse angeht, ist der Antragsschrift lediglich zu entnehmen, dass mittlerweile weitere Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der Ehefrau und dem am ... 2004 geborenen Kind L... bestehen. Damit liegen zwar formell die Voraussetzungen für eine Abänderungsklage vor, deren Begründetheit kann aber nicht festgestellt werden.

Der Antragsteller hat nichts zu den Umständen vorgetragen, auf denen die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt in Höhe von 105,5 % des jeweiligen Regelbetrages am 20. März 2001 beruhte. Weder zu seinen damaligen persönlichen Umständen hat er sich geäußert, noch zu seiner damaligen Vermögens- und Einkommenssituation. Es ist danach nicht einmal ersichtlich, ob der Antragsteller damals weiteren Personen gegenüber unterhaltspflichtig war. Es ist ebenso wenig vorgetragen, inwieweit eine Veränderung in seiner Vermögens- bzw. Einkommenssituation eingetreten ist. Es kann somit nicht festgestellt werden, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 323 Abs. 1 ZPO vorliegt.

Außerdem hat der Antragsteller nicht dargelegt, dass er seiner gegenüber der Antragsgegnerin bestehenden gesteigerten Erwerbsobliegenheit gemäß § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB nachgekommen ist. Die für einen Unterhaltsanspruch vorausgesetzte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners wird nicht allein durch das tatsächlich vorhandene Einkommen des Unterhaltsschuldners, sondern vielmehr auch durch seine Erwerbsfähigkeit bestimmt. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn die Obliegenheit, seine Arbeitskraft bestmöglich einzusetzen. Legt der Unterhaltsverpflichtete, der nicht bereit ist, auch nur den Regelbetrag zu zahlen, nicht dar, seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit vollständig gerecht geworden zu sein, so muss er sich fiktiv ein Einkommen zurechnen lassen, das ihm die Zahlung ermöglicht (Senat, aaO.; Wendl/Scholz, aaO. Rz. 256).

Ein gemäß § 1603 Abs. 2 BGB verschärft haftender Unterhaltspflichtiger hat sich intensiv, unter Ausnutzung aller vorhandenen Möglichkeiten um eine hinreichend entlohnten Arbeitsplatz zu bemühen, alle Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen und dafür ggf. auch einschneidende Veränderungen in seiner Lebensführung hinzunehmen (Bundesverfassungsgericht, FamRZ 2003, 661; Senat, aaO.).

Der Antragsteller hat nicht ausreichend dazu vorgetragen, diesen Anforderungen genügt zu haben. Auch unter Berücksichtigung seiner Darlegungen im Beschwerdeverfahren hat er bisher seine Arbeitskraft nicht im Rahmen des ihm Möglichen eingesetzt. Der Antragsteller hat keine Ausbildung, arbeitet aber seit November 1995 als pflegerische Hilfskraft. Seit Anfang 2004 ist er mit wöchentlich 35 Stunden beschäftigt und trägt vor, in der Branche würden Hilfspflegekräfte grundsätzlich nicht im Vollzeitbetrieb beschäftigt. Außerdem ermögliche es ihm das flexible Schichtsystem nicht, einer regelmäßigen Nebenbeschäftigung nachzugehen.

Unter diesen Umständen - die ausgeübte Tätigkeit erlaubt nach den Angaben des Antragstellers die Erfüllung der bestehenden Unterhaltsverpflichtungen nicht - ist es dem Antragsteller unterhaltsrechtlich zuzumuten, seine Arbeitskraft anders als im ausgeübten Beruf einzusetzen. Die gesteigerte Erwerbsobliegenheit bringt es mit sich, eine Berufsausübung auch außerhalb desjenigen Bereichs suchen zu müssen, die der Ausbildung oder der bisher ausgeübten Tätigkeit entspricht. Der Antragsteller hat sich aber um eine anders geartete Tätigkeit, die eine bessere Bezahlung seiner Arbeitskraft ermöglichen könnte, gar nicht bemüht, wie sich seinen Schriftsätzen entnehmen lässt. Da ihn die Darlegungs- und Beweislast für eine fehlende Leistungsfähigkeit trifft, kann auf der Basis seines Vortrages nicht festgestellt werden, dass er eine besser entlohnte Beschäftigung nicht ausüben kann. Eine andere Beschäftigung könnte es ihm auch ermöglichen, Nebentätigkeiten nachzugehen, sodass er insgesamt in die Lage versetzt würde, seinen Unterhaltspflichten nachzukommen.

Zwar mag es zutreffen, was ausdrücklich offen bleiben soll, dass dem Antragsteller insbesondere unter Berücksichtigung des Alters seiner Kinder, der familiären Situation und damit verbundener Kosten nicht angesonnen werden kann, Arbeit im Ausland oder in größerer Entfernung von seinem Wohnort zu suchen. Allerdings kann er sich nicht darauf zurückziehen, nur in unmittelbarer Umgebung seines bisherigen Wohnorts nach Arbeit zu suchen. Eine bis zu zweistündige Fahrt zur Arbeit kann - je nach erzielbarem Einkommen - im Interesse der Unterhaltsberechtigten zuzumuten sein. Dies gilt insbesondere, weil der Wohnort des Antragstellers im Verkehrsverbund Berlin/Brandenburg gut angebunden ist. Auf die zeitweilige Betreuung seines Sohnes, deren Umfang nicht einmal dargelegt wurde, kann sich der Antragsteller gegenüber der Beklagten nicht berufen. Angesichts des Alters der Kinder (J... ist derzeit 11 Jahre alt, L... zwei Jahre) und der derzeit bestehenden Arbeitslosigkeit seiner Ehefrau ist auch nicht ersichtlich, warum es dem Antragsteller nicht zumutbar sein soll, mit seiner Familie dorthin umzuziehen, wo sich Arbeitsmöglichkeiten im Bundesgebiet ergeben. Die Unterhaltspflicht gegenüber beiden minderjährigen Kindern dürfte noch viele Jahre lang fortbestehen, sodass ein Umzug eher zumutbar ist als bei nur noch kurzer Zeit fortdauernder Unterhaltsverpflichtung. Dass die Ehefrau des Antragstellers durch die ausgeübte geringfügige Beschäftigung an den bisherigen Wohnort gebunden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Angesichts der noch lange Zeit bestehenden Unterhaltsverpflichtung fallen die Kosten für einen Umzug nicht derart ins Gewicht, dass von einer Unzumutbarkeit auszugehen wäre. Umstände, die eine solche begründen könnten, sind vom Antragsteller auch nicht dargetan.

Die vom Antragsteller vorgetragenen Bemühungen um eine anderweitige Arbeit genügen nicht. Einige wenige Bewerbungen, die sich allein auf den Pflegedienst in unmittelbarer Umgebung seines Wohnortes beschränken, können den Anforderungen an die Darlegung ausreichender Erwerbsbemühungen nicht genügen.

Angesichts des nicht ausreichenden Sachvortrags des Antragstellers ist hier die Grenze des Zumutbaren nicht überschritten; sein Grundrecht nach Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz ist nicht berührt. Da der Antragsteller zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Umständen nicht mehr vorgetragen hat, gebietet es auch nicht die Verfassung, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen, um die Unterhaltspflicht in einem Rechtsstreit abschließend zu klären. Besonderheiten des Einzelfalles die nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 2006 (Az. 1 BvR 2236/06) die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gebieten würden, sind hier nicht ersichtlich und hätten vom Antragsteller vorgetragen werden müssen. Sein Ermessen kann das Gericht nur insoweit ausüben, als Umstände vorgetragen worden sind.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück