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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.07.2004
Aktenzeichen: 1 AR 15/04
Rechtsgebiete: StPO, StGB, GVG
Vorschriften:
StPO § 14 | |
StPO § 19 | |
StPO § 270 | |
StGB § 63 | |
GVG § 24 Abs. 1 Nr. 2 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss
In der Strafsache
wegen gefährlicher Körperverletzung
hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
am 22. Juli 2004
beschlossen:
Tenor:
Die 3. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder ist das zur Verhandlung und Entscheidung zuständige Gericht.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder erhob gegen den Angeklagten mit Anklage vom 17. Dezember 2003 den Vorwurf, am 26. April 2003 mittels eines gefährlichen Werkzeugs vorsätzlich eine andere Person körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben (Vergehen, strafbar gemäß §§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 223 Abs. 1 StGB). Nach Eröffnung des Hauptverfahrens verhandelte die Strafrichterin des Amtsgerichts Bad Freienwalde am 10. März 2004 gegen den Angeklagten, verlas ein in einem gegen diesen geführten Betreuungsverfahren am 17. November 2003 erstelltes "nervenärztliches Kurzgutachten" und verkündete schließlich den Beschluss, das Verfahren an das Landgericht Frankfurt/Oder "abzugeben". ........
Mit "Berichtigungsbeschluss" vom 18. Mai 2004 änderte das Amtsgericht daraufhin den Tenor seiner Entscheidung vom 10. März 2004 dahingehend ab, "dass das Verfahren an das Landgericht Frankfurt/Oder verwiesen wird". Seine Entscheidung begründete es damit, statt des Wortes "verwiesen" versehentlich das Wort "abgegeben" benutzt zu haben, obgleich nach Aktenlage klar erkennbar sei, "dass es sich um einen Verweisungsbeschluss im Sinne des § 270 StPO handelt".
Die 3. Strafkammer des Landgerichts hat daraufhin mit Beschluss vom 2. Juni 2004 die Übernahme des Verfahrens mangels sachlicher Zuständigkeit abgelehnt und die Sachakten "analog den §§ 14, 19 StPO" dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Nach Auffassung der Strafkammer steht der amtsgerichtliche Verweisungsbeschluss vom 18. Mai 2004 "mit den Grundprinzipien der rechtsstaatlichen Ordnung in Widerspruch", da in der Hauptverhandlung vom 10. März 2004 "nicht mit genügender Sicherheit erkennbar geworden ist, dass eine Sachentscheidung nach § 63 StGB erforderlich wird, die in die nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG ausschließlich sachliche Zuständigkeit des höheren Gerichts fällt"; die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus habe die Strafrichterin vor Ergehen des Verweisungsbeschlusses auch nicht ansatzweise festgestellt, das Kurzgutachten vom 17. November 2003 vermöge die Annahme einer zumindest verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Tatbegehung nicht zu rechtfertigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 2. Juni 2004 verwiesen.
II.
Das Oberlandesgericht hat gemäß § 19 StPO als das gemeinschaftliche obere Gericht das zuständige Gericht zu bezeichnen,.....
Das Landgericht ist zuständig; es ist an den Verweisungsbeschluss der Strafrichterin gebunden.
Tatsächlich handelte es sich bereits bei dem in der Hauptverhandlung vom 10. März 2004 ergangenen "Abgabebeschluss" des Amtsgerichts der Sache nach um einen Verweisungsbeschluss nach § 270 StPO. .....
Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses, der auf § 270 StPO beruht, entfällt nur ganz ausnahmsweise bei Entscheidungen, die mit den Grundprinzipien rechtsstaatlicher Ordnung in Widerspruch stehen, wenn der Mangel für einen verständigen Beurteiler offenkundig ist (BGH NJW 1980, 1586; OLG Stuttgart, Justiz 1983, 164). Die Wirksamkeit der Verweisung wird hingegen regelmäßig auch dann nicht in Frage gestellt, wenn sie zu Unrecht ausgesprochen worden ist; die Bindung des höheren Gerichts besteht mithin selbst dann, wenn der Verweisungsbeschluss formell oder materiell unrichtig ist (OLG Karlsruhe MdR 1980, 599, OLG Hamm JMBl. NRW 1976, 106; OLG Düsseldorf JMBl. NRW 1979, 152).
Von einer objektiven Willkürlichkeit des Verweisungsbeschlusses kann im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht die Rede sein. Umstände, die als mit den Grundprinzipien rechtsstaatlicher Ordnung offensichtlich in Widerspruch stehend angesehen werden müssen, sind nicht erkennbar. Die Tatsache, dass der Angeklagte vor Ergehen des Verweisungsbeschlusses nicht angehört worden war, stellt sich jedenfalls nicht als für die Sachentscheidung materiellrechtlich grob fehlerhaft dar, so dass der Beschluss vom 10. März 2004 schon deshalb keinen Bestand haben würde. Die Strafrichterin hat die die sachliche Zuständigkeit betreffenden Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes auch nicht offenkundig falsch ausgelegt. Das "nervenärztliche Kurzgutachten" vom 17. November 2003 konnte objektiv Veranlassung geben anzunehmen, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten auch zur Tatzeit jedenfalls erheblich vermindert gewesen ist und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus notwendig werden könnte. Die Unterbringungsvoraussetzungen nach § 63 StGB müssen gerade nicht sicher feststehen, um die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG zu begründen. Die Grundlage für die nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG zu treffende Prognoseentscheidung mag vorliegend zwar noch nicht stark fundiert gewesen sein. Die Wirksamkeit der Verweisung wird davon jedoch nicht tangiert, weil sie jedenfalls nicht mit tragenden Grundprinzipien rechtsstaatlicher Ordnung in Widerspruch steht. Die dem Amtsgericht in der Hauptverhandlung bekannt gewordenen Hinweise auf eine bei dem Angeklagten vorliegende psychische Erkrankung (Schizophrenie) in Verbindung mit der vorgeworfenen Anlasstat und den zahlreichen Vorverurteilungen geben objektive Anhaltspunkte ab, die eine Einweisung des Angeklagten in ein psychiatrisches Krankenhaus rechtfertigen könnten. Vor diesem Hintergrund verstößt der Verweisungsbeschluss jedenfalls unter keinem denkbaren Gesichtspunkt grob gegen geltendes Recht.
Ende der Entscheidung
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