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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 29.08.2002
Aktenzeichen: 1 AR 42/02
Rechtsgebiete: SchuldRAnpG, ZPO, ZGB /DDR, GVG


Vorschriften:

SchuldRAnpG § 1 Abs. 1
SchuldRAnpG § 55
ZPO § 29a Abs. 1
ZPO § 36
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 40 Abs. 2
ZGB /DDR §§ 312 ff.
GVG § 23 Nr. 2 lit. a)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 AR 42/02 Brandenburgisches Oberlandesgerich

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Präsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 29. August 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Kläger haben gegen die Beklagten vor dem Landgericht Neuruppin Klage auf Zahlung von 25.000,- DM nebst Zinsen erhoben. Ihre Klageforderung stützen sie auf eine Vereinbarung vom 23. August/5. September 2000, die zwischen ihnen als Nutzer des Erholungsgrundstücks ("Datschengrundstücks") K...straße 46, ... Sch..., mit Herrn H... P... als Vertreter der Eigentümer des Grundstücks abgeschlossen worden ist. Eigentümer des Grundstücks sind die Beklagten. Wesentlicher Gegenstand der Vereinbarung war die Beendigung des Nutzungsverhältnisses und Räumung des Grundstücks zum 31. Oktober 2000 gegen Zahlung eines Betrages von 25.000,- DM. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2001 haben die Kläger unter Hinweis auf § 55 SchuldRAnpG die Verweisung des Rechtsstreits an das für Sch... zuständige Amtsgericht, hilfsweise die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts nach § 36 ZPO, beantragt. Mit Beschluß vom 29. Juli 2002 hat das Landgericht Neuruppin die Sache hierauf dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt und seine Auffassung mitgeteilt, daß der Gerichtsstand nach § 55 SchuldRAnpG hier keine Anwendung finde.

II.

Eine Gerichtsstandsbestimmung kommt hier allein nach § 36 Abs. 1 Nr.3 ZPO in Betracht, scheidet aber aus, da für alle Beklagten ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist. Dieser ergibt sich aus § 55 SchuldRAnpG und befindet sich bei dem für ... Sch... zuständigen Amtsgericht Oranienburg.

§ 55 SchuldRAnpG begründet die ausschließliche örtliche und sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts, in dessen Bezirk das genutzte Grundstück belegen ist, für alle Streitigkeiten zwischen Grundstückseigentümern und Nutzern über Ansprüche aus Vertragsverhältnissen nach § 1 Abs. 1 SchuldRAnpG oder über das Bestehen solcher Verhältnisse. Zwischen den Parteien (bzw. deren Gesamtrechtsvorgängern) hat an dem Grundstück K...straße 46 in ... Sch... ein Nutzungsverhältnis im Sinne der §§ 312 ff. ZGB /DDR (§ 1 Abs. 1 Nr.1 SchuldRAnpG) bestanden. Der Abwicklung dieses Nutzungsverhältnisses diente die Vereinbarung vom 23. August/5. September 2000, auf welche die Klageforderung gestützt wird. Auch solche Streitigkeiten fallen unter § 55 SchuldRAnpG.

§ 55 SchuldRAnpG ist der Regelung in § 23 Nr.2 lit. a) GVG sowie in § 29a Abs. 1 ZPO für Streitigkeiten (insbesondere) aus Wohnraummietverhältnissen nachgebildet und verfolgt ähnliche soziale Schutzziele (s. etwa Münch.Komm.-Kühnholz, ZPO, Bd.6, 3.Aufl.1997, § 55 SchuldRAnpG Rdn. 1; Schnabel, SchuldRÄndG, 1995, § 55 SchuldRAnpG Rdn. 1; Kiethe/Kinne, Kommentar zum SchuldRAnpG, § 55 Rdn.1). Die Parteien, vor allem aber der Nutzer, sollen die das Nutzungsverhältnis betreffenden Zivilgerichtsverfahren unabhängig von der Höhe des Streitwerts vor einem ortsnahen Gericht ohne kostenauslösende Beauftragung eines Rechtsanwalts (§ 78 ZPO) austragen können. Diese Zielsetzung hat der Gesetzgeber noch dadurch unterstrichen, daß er die Zuständigkeit des Amtsgerichts - mit den Wirkungen nach § 40 Abs. 2 ZPO - als ausschließliche bestimmt hat. Das legt bei der Anwendung von § 55 SchuldRAnpG einen Gleichklang mit der anerkannten weiten Auslegung von § 23 Nr.2 lit. a) GVG und § 29a Abs.1 ZPO nahe. Für § 29a Abs. 1 ZPO wird die Erstreckung auf alle Klagen, die sich auf Abwicklungspflichten aus einem Mietverhältnis beziehen, verbreitet bejaht (s. etwa Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 29a Rdn. 9; Münch.Komm.-Patzina, ZPO, 2. Aufl.2000, § 29a Rdn.21, 24; Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. 1999, S. 1584, 1586). Entsprechendes gilt für § 55 SchuldR-AnpG. Hierfür spricht auch die Nähe zu anderen, unbestreitbaren Anwendungsfällen dieser Norm: § 55 SchuldRAnpG erfaßt insbesondere auch Räumungs- und Schadensersatzansprüche (s. Münch.Komm.-Kühnholz, aaO., § 55 SchuldRAnpG Rdn.5; Thiele, SchuldRÄndG, § 55 SchuldRAnpG Rdn. 3) und - dem ausdrücklichen Wortlaut nach - Streitigkeiten über das (Fort-)Bestehen des Nutzungsverhältnisses. Mit diesen Fällen aber stehen Streitigkeiten aus Abwicklungsvereinbarungen über solche Nutzungsverhältnisse naturgemäß in enger Berührung. Es wäre daher nicht gerechtfertigt, Streitigkeiten aus Abwicklungsvereinbarungen über Nutzungsverhältnisse im Sinne von § 1 Abs. 1 SchuldRAnpG von der Gerichtsstandsregelung des § 55 SchuldRAnpG auszunehmen. Entscheidend ist - ähnlich wie bei § 23 Nr. 2 lit. a) GVG und § 29a Abs. 1 ZPO -, daß der Rechtsstreit Ansprüche betrifft, die in ihrem Kern im Nutzungsverhältnis wurzeln und in einem engen inneren Zusammenhang mit dem Nutzungsverhältnis stehen.

Sonach unterfallen Klagen wegen Forderungen aus Abwicklungsvereinbarungen über Nutzungsverhältnisse im Sinne von § 1 Abs. 1 SchuldRAnpG der Gerichtsstandsregelung nach § 55 SchuldRAnpG.

Das Landgericht Neuruppin wird somit, wie von den Klägern vornehmlich beantragt, den Rechtsstreit an das Amtsgericht Oranienburg zu verweisen haben.

Ende der Entscheidung

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