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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.11.2001
Aktenzeichen: 1 AR 44/01
Rechtsgebiete: GVG, GKG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 23
GVG § 71
GVG § 23 Nr. 1
GVG § 71 Abs. 1
GKG § 18
GKG § 12 Abs. 1
GKG § 23 Nr. 1
ZPO § 5
ZPO § 36
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 5
ZPO § 5 Halbsatz 1
ZPO § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

1 AR 44/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Macke, den Richter am Oberlandesgericht Tombrink und den Richter am Amtsgericht Friedrichs am 15. November 2001

beschlossen:

Tenor:

Zuständig ist das Landgericht Frankfurt (Oder).

Gründe:

I.

Mit seiner am 11. Juli 2001 bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) eingereichten Klageschrift begehrt der Kläger von der Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über ihren Jahresüberschuß für das Jahr 2000 und nach Auskunftserteilung die Zahlung einer hiernach berechneten Provision von 4 %, höchstens 10.000,00 DM, nebst Zinsen. Der Kläger erwartet, daß der Jahresüberschuß der Beklagten für 2000 zumindest bei 250.000,00 DM liegt und sich damit der vereinbarte Provisionshöchstbetrag von 10.000,00 DM ergibt.

Nach entsprechendem, auf §§ 23, 71 GVG, § 18 GKG gestützten, Hinweis des Landgerichts hat der Kläger die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Strausberg beantragt. Diesem Antrag hat das Landgericht - ohne vorherige Zustellung der Klage und ohne Anhörung der Beklagten - mit Beschluß vom 30. Juli 2001 entsprochen. Mit Beschluß vom 28. September 2001 hat sich das Amtsgericht Strausberg unter Hinweis auf § 5 ZPO seinerseits für sachlich unzuständig erklärt und die Sache gemäß § 36 ZPO dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

1. Der Zuständigkeitsstreit ist entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das beiden beteiligten Gerichten übergeordnete Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden. Die Voraussetzungen für eine direkte Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen hier zwar nicht vor. Die Zuständigkeitsbestimmung kann vorliegend jedoch analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgenommen werden.

a) Die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO erfordert grundsätzlich, daß der zugrundeliegende Rechtsstreit bereits rechtshängig ist, da sich ein Gericht ansonsten nicht "rechtskräftig" für unzuständig erklären kann (s. etwa BGH NJW-RR 1996, S. 254; Senat, OLGR 2001, S.21: Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 36 Rdn. 26; Thomas/Putzo, ZPO. 23. Aufl. 2001, § 36 Rdn. 3, 22; Musielak/Smid. ZPO, 2. Aufl. 2000, § 36 Rdn. 26; Münch.Komm.-Patzina, ZPO; 2. Aufl. 2000, § 36 Rdn. 11, 34). Hieran fehlt es, da die Klage der Beklagten bislang nicht zugestellt worden ist (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO).

b) Gleichwohl kann in analoger Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO eine Zuständigkeitsbestimmung erfolgen, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines zuständig ist, jeweils eindeutig und abschließend zum Ausdruck gebracht haben, daß sie sich nicht für zuständig halten und eine baldige Beilegung des Zuständigkeitsstreits nicht erwartet werden kann. In diesen Fällen ist es geboten, daß das gemeinsam übergeordnete Gericht den Zuständigkeitsstreit entscheidet, um den Parteien eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens zu ersparen (vgl. BGH NJW 1983, S. 1062; BayObLGZ 1991, S. 240, 242; OLG Dresden, NJW 1999, S. 797, 798; Senat, OLGR 2001, S. 21; Zöller/Vollkommer, aaO., § 36 Rdn. 26; Thomas/Putzo, aaO., § 36 Rdn. 3; s. auch Baumbach/Hartmann, ZPO, 59. Aufl. 2001, § 36 Rdn. 37). So liegt es auch hier.

2. Zuständig ist das Landgericht Frankfurt (Oder).

a) Der Verweisungsbeschluß vom 30. Juli 2001 entfaltet mangels Rechtshängigkeit der Sache und mangels vorheriger Anhörung der Beklagten keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO.

b) Die Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) folgt aus § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG, § 5 Halbsatz 1 ZPO.

Nach überwiegender, auch vom Senat geteilter Ansicht ergibt sich der Zuständigkeitsstreitwert einer Stufenklage (§ 254 ZPO) gemäß § 5 Halbsatz 1 ZPO aus der Addition der Gegenstandswerte der einzelnen Anträge (Ansprüche) (s. KG, JW 1934, S. 2633; OLG Düsseldorf, OLGR 1992, S. 294; Zöller/Herget, aaO., § 3 Rdn. 16 "Stufenklage" und § 5 Rdn. 7; Baumbach/Hartmann, aaO., § 5 Rdn. 8: Thomas/Putzo, aaO., § 3 Rdn, 141 und § 5 Rdn. 4; a.A. - unter Hinweis auf den Rechtsgedanken in § 18 GKG - Musielak/Smid, aaO., § 5 Rdn. 9; Münch.Komm.-Schwerdtfeger, aaO., § 5 Rdn. 22). Hierfür sprechen folgende Erwägungen: Das Gesetz hat in § 18 GKG für die Berechnung des Gebührenstreitwerts der Stufenklage eine besondere Bestimmung getroffen. Dieser kostenschonenden Bestimmung hätte es nicht bedurft, wenn eine nämliche Regelung sich bereits aus § 12 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3, 5 ZPO ergäbe. Damit deutet die gesetzliche Regelung daraufhin, daß der Zuständigkeitsstreitwert der Stufenklage (§ 5 ZPO) abweichend von dem Gebührenstreitwert (§ 18 GKG) zu ermitteln ist. Die Anwendung von § 5 Halbsatz 1 ZPO auf die Stufenklage rechtfertigt sich sachlich daraus, daß das Prozeßgericht in verschiedenen Verfahrensstufen über mehrere (gestufte) Anträge zu entscheiden hat und sich das Volumen des von ihm zu erledigenden Rechtsstreits demnach vom Aufwand her aus der Addition der gestellten (Stufen-)Anträge berechnet. Dann aber ist es angemessen, daß die Bemessung des Zuständigkeitswertes der Stufenklage diesem gesteigerten Prozeßvolumen durch Addition der Gegenstandswerte der einzelnen Anträge Rechnung trägt. Übersteigt das sonach berechnete Prozeßvolumen die Wertgrenze des § 23 Nr. 1 GKG, so ist - unbeschadet der kostenschonenden Regelung des § 18 GKG - die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben.

So liegt es auch hier. Der noch unbezifferte Zahlungsantrag (Antrag zu 2)) ist entsprechend den Erwartungen des Klägers mit einem Wert von 10.000,00 DM zu bemessen, der Auskunftsantrag (Antrag zu 1)) mit einem Bruchteil davon, so daß der Gesamtwert der Stufenklage - jedenfalls - 10.000,00 DM übersteigt und gemäß § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts eröffnet ist.

Ende der Entscheidung

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