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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 23.08.2004
Aktenzeichen: 1 AR 58/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 36 Abs. 2
ZPO § 788 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 764
ZPO § 802
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluß

1 AR 58/04

In dem Verfahren über den Antrag auf Festsetzung von Zwangsvollstreckungskosten

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Präsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...l

am 23. August 2004

beschlossen:

Tenor:

Zuständig ist das Amtsgericht Berlin-Wedding.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin hat gegen den nunmehr im Bezirk des Amtsgerichts Nauen wohnhaften und zuvor in Berlin wohnhaft gewesenen Schuldner bei dem Amtsgericht Hagen am 18. Juli 2004 einen Vollstreckungsbescheid erwirkt (Az.: 03-6246233-0-9). Mit der Zwangsvollstreckung aus diesem Titel hat sie einen Gerichtsvollzieher bei dem Amtsgericht Nauen beauftragt. Der Gerichtsvollzieher hat der Gläubigerin mit Schreiben vom 26. Januar 2004 mitgeteilt, daß die Zwangsvollstreckung fruchtlos ausgefallen sei und der Schuldner am 6. Februar 2003 bei dem Amtsgericht Berlin-Wedding die eidesstattliche Versicherung geleistet habe. Hierauf hat die Gläubigerin mit Schreiben vom 29. Januar 2004 bei dem Amtsgericht Berlin-Wedding einen Antrag auf Erteilung einer Abschrift aus dem Vermögensverzeichnis des Schuldners gestellt und die Abschrift vom Amtsgericht Berlin-Wedding übersandt erhalten.

Am 26. Februar 2004 hat die Gläubigerin bei dem Amtsgericht Nauen beantragt, die Kosten der Zwangsvollstreckung gemäß § 788 Abs.2 ZPO durch Beschluß festzusetzen. Nach Hinweis des Amtsgerichts Nauen auf Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit hat die Gläubigerin mit Schreiben vom 15. März 2004 die Verweisung an das Amtsgericht Berlin-Wedding beantragt. Mit Beschluß vom 24. März 2004 hat sich das Amtsgericht Nauen für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Berlin-Wedding verwiesen. Dieses hat die Übernahme des Verfahrens durch Beschluß vom 5. April 2004 abgelehnt und die Sache an das Amtsgericht Nauen zurückverwiesen. Mit Verfügung vom 17. Juni 2004 hat das Amtsgericht Nauen die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

1. Der Zuständigkeitsstreit zwischen dem im Bezirk des Brandenburgischen Oberlandesgerichts liegenden Amtsgericht Nauen und dem zum Bezirk des Kammergerichts gehörenden Amtsgericht Berlin-Wedding ist gemäß § 36 Abs.1 Nr.6 und Abs.2 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil das Amtsgericht Nauen mit dem Kostenfestsetzungsverfahren zuerst befaßt gewesen ist.

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs.1 Nr.6 ZPO liegen nunmehr vor. § 36 ZPO findet auch Anwendung auf Verfahren zur Festsetzung von Zwangsvollstreckungskosten nach § 788 Abs.2 ZPO (s. etwa BayObLGZ 1988, S.305, 306; BayObLGZ 1989, S.235, 237 m.w. Nw.; BayObLG, JurBüro 2003, S.326; vgl. auch BGH NJW 1983, S.1859; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24.Aufl.2004, § 36 Rdn.2).

Allerdings fehlte es bis zur Bekanntgabe der Beschlüsse des Amtsgerichts Nauen vom 24. März 2004 und des Amtsgerichts Berlin-Wedding vom 5. April 2004 an den Schuldner - die erst aufgrund der Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 13. Juli 2004 geschehen ist - an einer "rechtskräftigen" Unzuständigkeitserklärung beider Amtsgerichte. Denn hierzu bedarf es einer den Verfahrensbeteiligten bekannt gemachten ausdrücklichen beiderseitigen Kompetenzleugnung (vgl. BGH NJW 1998, S.1312; BayObLG, JurBüro 2003, S.326 m.w.Nw.; Senat, NJW 2004, S.780 m.w.Nw.; NJW-RR 2001, S.429, 430 m.w. Nw.; OLG-NL 2001, S.214; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24.Aufl. 2004, § 36 Rdn.24 f.; Baumbach/Hartmann, ZPO, 62.Aufl.2004, § 36 Rdn.36; Thomas/Putzo, ZPO, 25.Aufl.2003, § 36 Rdn.23 m.w.Nw.). Dies gilt auch für das Verfahren betreffend die Festsetzung von Zwangsvollstreckungskosten nach § 788 Abs.2 ZPO (vgl. insb. BayObLG, ebd.). Ebenso wie im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO (vgl. dazu BVerfG NJW 2000, S.1709 f.; Baumbach/Hartmann, aaO., § 104 Rdn.5 m.w. Nw.; Musielak/Wolst, ZPO, 3.Aufl.2002, § 104 Rdn.2) ist auch im Festsetzungsverfahren nach § 788 Abs.2 ZPO der Schuldner (Antragsgegner) anzuhören und sind die gerichtlichen Entscheidungen auch ihm gegenüber mitzuteilen. Fehlt es daran, so liegt keine "rechtskräftige" Zuständigkeitsverneinung vor. Dieser Mangel ist indes durch die vom Senat nachgeholte Bekanntgabe der amtsgerichtlichen Beschlüsse behoben worden, so daß eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs.1 Nr.6 ZPO nunmehr erfolgen kann.

3. Zuständig ist das Amtsgericht Berlin-Wedding.

a) Seine Zuständigkeit folgt allerdings nicht aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Nauen vom 24. März 2004 nach § 281 Abs.2 Satz 4 ZPO. § 281 ZPO findet zwar auch auf Verweisungsbeschlüsse im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 788 Abs.2 ZPO Anwendung (vgl. BayObLGZ 1988, S.305, 306; BayObLGZ 1989, S.235, 237; BayObLG, JurBüro 2003, S.326). Die Bindungswirkung nach § 281 Abs.2 Satz 4 ZPO entfällt aber bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art.103 Abs.1 GG) oder bei objektiver Willkür, die etwa auch dann gegeben sein kann, wenn die Verweisung offenbar gesetzeswidrig oder sonst grob rechtsfehlerhaft erfolgt ist (s. BGHZ Bd.71, S.69, 72; Bd. 102, S.338, 341; BGH NJW 1993, S.1273; NJW 2002, S.3634, 3635; BayObLG, NJW-RR 2000, S.589; Senat, NJW 2004, S.780 m.w.Nw.). Wegen der unterbliebenen Anhörung des Schuldners (Antragsgegners) ist der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Nauen vom 24. März 2004 - ebenso wie der Zurückverweisungsbeschluß des Amtsgerichts Berlin-Wedding vom 5. April 2004 - unter Verletzung des Anspruchs des Schuldners auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.103 Abs.1 GG) ergangen und entfaltet daher keine Bindungswirkung.

b) Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Berlin-Wedding ergibt sich indes aus § 788 Abs.2 Satz 1 ZPO. Danach ist für die Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag des Gläubigers, sofern die einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahme (s. Zöller/Stöber, aaO., § 788 Rdn.19a; Thomas/Putzo, aaO., § 788 Rdn.16) - wie hier - beendet ist, ausschließlich zuständig (§ 802 ZPO) das Vollstreckungsgericht (§ 764 ZPO), in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung erfolgt ist. Die letzte Vollstreckungshandlung ist hier im Bezirk des Amtsgerichts Berlin-Wedding vorgenommen worden. Dort hat die Gläubigerin die Erteilung einer Abschrift aus dem Vermögensverzeichnis des Schuldners beantragt und diese Abschrift daraufhin übersandt bekommen. Hierin liegt eine "Vollstreckungshandlung" im Sinne von § 788 Abs.2 ZPO. Sinn dieser Regelung ist es, daß das zuletzt mit der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner befaßte Gericht über den Kostenfestsetzungsantrag befinden soll. Dies muß nicht notwendig das Gericht sein, in dessen Bezirk sich der aktuelle Wohnsitz des Schuldners befindet. Hat der Schuldner etwa nach Abschluß der letzten Vollstreckungshandlung seinen Wohnsitz gewechselt, so bleibt dies für die Zuständigkeit nach § 788 Abs.2 Satz 1 ZPO ohne Bedeutung. Das zeigt auch der folgende Fall: Der Gläubiger sieht einstweilen von der Erteilung eines Vollstreckungsauftrags ab und wendet sich - vorsorglich - zunächst an das für die letzten ihm bekannten Wohnsitze des Schuldners zuständigen Amtsgerichte mit der Bitte um Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis, um sich auf diesem Wege vorab über die Erfolgsaussicht einer Vollstreckung zu unterrichten. Hierauf wird er von dem Gericht des früheren Wohnsitzes des Schuldners, in dessen Bezirk der Schuldner die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, entsprechend benachrichtigt. Auf seinen dahingehenden Antrag erhält der Gläubiger von diesem Gericht die Abschrift des Vermögensverzeichnisses übersandt. Hierfür entstehen dem Gläubiger Gerichtskosten (s. Nr.1644 KV-GKG a.F.; Nr. 2110 KV-GKG n. F.) und ggfs. auch Anwaltskosten (§§ 57, 58 Abs.1 und 3 Nr.11 BRAGO a.F. § 18 Nr. 18 RVG; s. dazu etwa Hartmann, Kostengesetze, 33.Aufl.2004, § 58 BRAGO Rdn.28 m.w.Nw.). Deswegen beantragt er sodann die Festsetzung der bislang entstandenen Vollstreckungskosten nach § 788 Abs.2 ZPO. Für die Entscheidung über diesen Antrag kann gemäß § 788 Abs.2 ZPO nur das Gericht zuständig sein, bei dem der Gläubiger die Erteilung einer Abschrift des Vermögensverzeichnisses beantragt hat, da bei dieser Fallgestaltung kein anderes Gericht mit "Zwangsvollstreckungshandlungen" befaßt gewesen ist. Dementsprechend ist auch die Erteilung einer Abschrift des Vermögensverzeichnisses des Schuldners als "Vollstreckungs-handlung" im Sinne von § 788 Abs.2 ZPO anzusehen.

4. Es verbleibt daher bei der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Berlin-Wedding nach § 788 Abs.2 Satz 1 , §§ 764, 802 ZPO.



Ende der Entscheidung

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