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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 01.12.2009
Aktenzeichen: 1 AR 65/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 12
ZPO § 17 Abs. 1
ZPO § 29
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Bestimmungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Bestimmungsverfahrens wird auf 21.005,80 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Nachdem über das Vermögen der vor dem Landgericht Cottbus zunächst allein in Anspruch genommenen Schuldnerin mit Beschluss vom 11. Dezember 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, nimmt die Klägerin nunmehr den Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin auf Feststellung ihrer Forderung zur Insolvenztabelle und im Wege der Klageerweiterung die Beklagte zu 2. als Bürgin für eine Werklohnforderung in Anspruch. Die Beklagte zu 2. rügt unter Verweis auf die in der Bürgschaftsurkunde enthaltene Regelung zum Gerichtsstand sowie ihren Sitz in M..., die Zuständigkeit des Landgerichts Cottbus. Die Klägerin tritt dem entgegen und sieht die Zuständigkeit des Landgerichts Cottbus für den Rechtsstreit auch gegen die Beklagte zu 2. aus § 29 ZPO als gegeben an und beantragt, das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen.

II.

1. Das Brandenburgische Oberlandesgericht wäre nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 ZPO zur Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts berufen, weil das zu seinem Bezirk gehörende Landgericht Cottbus mit der Rechtssache bereits befasst ist.

2. Die weiteren Voraussetzungen nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen jedoch nicht vor.

Der Bestimmung eines zuständigen gemeinsamen Gerichts steht der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. vereinbarte ausschließliche Gerichtsstand entgegen.

Die Beklagten werden als Insolvenzverwalter der Hauptschuldnerin und als Bürge und somit rechtsgemeinschaftlich als einfache Streitgenossen in Anspruch genommen (Zöller/ Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., §§ 59, 60 Rdnr. 5).

Die Beklagten haben ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten. Hinsichtlich des nunmehr in Anspruch genommenen Insolvenzverwalters verbleibt es bei der bereits bestehenden Zuständigkeit des Landgerichts Cottbus nach § 17 ZPO. Die nach Rechtshängigkeit erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin und die Aufnahme des Rechtsstreits durch die Klägerin gegen den Insolvenzverwalter führen zu keiner Änderung der bestehenden Zuständigkeit.

Die Beklagte zu 2. hat ihren allgemeinen Gerichtsstand in M.... Sie wird als Bürge in Anspruch genommen. Für die Klage ist daher gemäß §§ 12, 17 Abs. 1, 29 ZPO grundsätzlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich ihr Sitz befindet, mithin das Landgericht M.... Erfüllungsort für die Bürgenverpflichtung ist nämlich in der Regel der Sitz des Bürgen zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme. Eine Vereinbarung der Maßgeblichkeit des Erfüllungsorts der Hauptverbindlichkeit ist nicht ersichtlich (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 29 Rdnr. 25 "Bürgschaft und Garantie"; Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 765 Rdnr. 26).

Die Klägerin und die Beklagte zu 2. haben zudem eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen. Diese Prorogation des ausschließlichen Gerichtsstandes hat zur Folge, dass keiner der allgemeinen Gerichtsstände der Beklagten, sondern nur der vereinbarte ausschließliche Gerichtsstand für die gemeinsame Klage bestimmt werden könnte (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 36 Rdnr. 15; BGH NJW 1988, 646).

Anhaltspunkte, die gegen eine Wirksamkeit der Prorogation sprechen, sind nicht erkennbar. Die Parteien sind Kaufleute. Die Klägerin selbst beruft sich auf ein Bestehen eines Bürgschaftsvertrages zwischen ihr als Gläubigerin und dem Bürgen. Ihre Ausführungen zum Nichterfordernis der Annahmeerklärung sind unzutreffend. So hat die Klägerin das ihr durch Übersendung der Urkunde übermittelte Angebot gem. § 151 S. 1 BGB angenommen, wie sich unzweifelhaft im Behalten der Bürgschaftsurkunde (BGH NJW 2000,1563) und zusätzlich im nunmehrigen Geltendmachen der Forderung zeigt. Diese Urkunde enthält zugleich die Prorogation. Ob es sich bei dieser Gerichtsstandsvereinbarung um einen zusätzlichen oder um einen ausschließlichen Gerichtsstand handelt, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei es keine Vermutung für eine der beiden Möglichkeiten gibt (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 38 Rdnr. 14). Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass mit der in M... ansässigen Beklagten zu 2. ein zusätzlicher Gerichtsstand vereinbart werden sollte. Die Interessenlage der Beteiligten spricht vielmehr für die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes. Die Beklagte zu 2. hat ihren Sitz als allein maßgeblich für den Gerichtsstand bestimmen wollen. Für das von der Klägerin angeführte Interesse den Rechtsstreit am "gemeinsamen Erfüllungsort beim Bauvertrag" führen zu wollen, spricht dagegen nichts. Eine beabsichtigte Vereinbarung der Maßgeblichkeit des Erfüllungsorts der Hauptverbindlichkeit ist bereits deshalb nicht ersichtlich, weil die Klägerin selbst den Erfüllungsort nach § 29 ZPO für ihre Klage nicht gewählt hat.

Mit dieser Prorogation ist für eine Gerichtsstandsbestimmung kein Raum mehr. Dieser Gerichtsstand kann der Beklagten zu 2. über den Weg einer Gerichtsstandsbestimmung nicht entzogen werden, andererseits kann er dem Beklagten zu 1. aber auch nicht aufgedrängt werden (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 36 Rdnr. 15).

Jedoch wird in der Rechtsprechung unter Berücksichtigung der verfahrensökonomischen Zielsetzung der Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Zuständigkeitsbestimmung in Fällen eines prorogierten Gerichtsstands nicht als von vornherein ausgeschlossen angesehen (Zöller/ Vollkommer, a.a.O. § 36 Rdnr. 15, 18). Das mit einem Streitgenossen als ausschließlich zuständig vereinbarte Gericht kann danach gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch für andere Streitgenossen als zuständig bestimmt werden, wenn es diesen anderen Streitgenossen unter Berücksichtigung der mit der Prorogation verfolgten Zwecke zugemutet werden kann, sich ebenfalls vor diesem Gericht verklagen zu lassen. Anhaltspunkte, dass dem Beklagten zu 1. zugemutet werden kann, den Rechtsstreit vor dem Landgericht M... zu führen, sind nicht ersichtlich. Nach dem System der Regelung über die örtliche Zuständigkeit gem. §§ 12 ff. ZPO muss sich ein Beklagter in einem anderen Gerichtsstand nur verklagen lassen, wenn er sich diesem Gerichtsstand durch eine besondere Vereinbarung unterworfen hat. Daraus wird allgemein abgeleitet, dass sich ein Streitgenosse grundsätzlich nicht den mit dem anderen Streitgenossen vereinbarten Gerichtsstand aufdrängen lassen muss. Anhaltspunkte für die Zulassung einer Ausnahme sind nicht erkennbar. Die Klägerin hat bereits Klage im allgemeinem Gerichtsstand der vormaligen Beklagten erhoben und nunmehr diesen Rechtsstreit aufgenommen und gegen die Beklagte zu 2. erweitert. Die vormalige Beklagte hat sich bereits vor dem Landgericht Cottbus eingelassen. Auf einen mit Kosten verbundenen Wechsel des Verfahrens in den mit der Beklagten zu 2. vereinbarten Gerichtsstand braucht sich der Beklagte zu 1. daher nicht einzulassen.

Die Klägerin selbst verweist zudem auf die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 03.02.2003 (1 Z AR 6/03), welches zutreffend ausgeführt hat, dass die bereits bestehende Rechtshängigkeit, im vorliegenden Fall also die im Verhältnis zum Beklagten zu 1., im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr geändert werden darf.

Es war der Klägerin im Übrigen unbenommen vor Erhebung der Klage gegen die Beklagte zu 2. zu klären, ob diese bereit gewesen wäre, den Gerichtsstand zu derogieren.

Die Klägerin hat die Kosten des Bestimmungsverfahrens (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; BGH NJW-RR 1987,757) zu tragen. Der Gegenstandswert für das Gerichtsstandsbestimmungsverfahren gem. § 3 ZPO wird auf 21.005,80 € festgesetzt (1/4 des Wertes des Antrages zu II.; Stein-Jonas-Roth, 22. Aufl., § 37 Rdnr. 4 m.w.N.).



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