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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.02.2006
Aktenzeichen: 1 AR 77/05
Rechtsgebiete: VermG, ZPO, BGB


Vorschriften:

VermG § 2 Abs. 1 Satz 1
VermG § 2 Abs. 3 Satz 1
VermG § 3 Abs. 3
VermG § 3 Abs. 3 Satz 2 lit. b)
VermG § 3 Abs. 3 Satz 4
VermG § 3 Abs. 3 Satz 6
ZPO § 31
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
BGB § 677
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 AR 77/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

am 6. Februar 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Bestimmung des gemeinsam zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht als Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG aus abgetretenem Recht gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz von Kosten nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG geltend, die die Landeshauptstadt Potsdam als Verfügungsberechtigte im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG für das in Potsdam gelegene Restitutionsgrundstück aufgewendet haben will.

Die Klägerin hat die Klage am Ort der Verwaltung in Potsdam eingereicht. Das Landgericht Potsdam hat mit Verfügung vom 5. Juli 2005 darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeitsregelung in § 31 ZPO seiner Auffassung nach "im Falle einer Abtretung" nicht einschlägig sei.

Die Klägerin beantragt nunmehr, das Landgericht Potsdam und hilfsweise das Landgericht Aurich als das zuständige Gericht zu bestimmen.

II.

Der Antrag auf Bestimmung des Landgerichts Potsdam als zuständiges Gericht ist unzulässig, weil ein Fall von § 36 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, 4 bis 6 ZPO nicht gegeben ist. Der Antrag auf Bestimmung des Landgerichts Aurich als gemeinsam zuständiges Gericht ist ebenfalls unzulässig, weil die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht vorliegen.

Zwar sollen die Beklagten als Gesamtschuldner (§§ 427, 421 ZPO) und somit einfache Streitgenossen (§§ 59, 60 ZPO) in Anspruch genommen werden und haben ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12 f. ZPO) bei verschiedenen Gerichten, nämlich in E... (Landgericht G...) und A... (Landgericht A...). Eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt jedoch weiter voraus, dass für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Daran fehlt es. Denn für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ist der besondere Gerichtsstand des Orts der Vermögensverwaltung nach § 31 ZPO beim Landgericht Potsdam eröffnet.

Vermögensverwaltung im Sinne dieser Vorschrift ist jede Verwaltung, gleich ob gesetzlich, vertraglich oder ohne Rechtsgrund, die sich auch auf einen einzelnen Vermögensgegenstand beziehen kann, sofern sie nur eine Mehrheit von zu besorgenden Angelegenheiten beinhaltet (statt vieler Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 31 Rdnr. 1). Beispielhaft für ein Rechtsverhältnis nach § 31 ZPO ist die Geschäftsführung ohne Auftrag, an welche die Regelungen in § 3 Abs. 3 VermG angelehnt sind (s. OLG Rostock, OLGR 1998, 169, 170 mit weiteren Nachweisen). Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 6 und Satz 2 lit. b)VermG hat der Verfügungsberechtigte die der Erhaltung und Bewirtschaftung des Vermögenswertes dienenden Rechtsgeschäfte grundsätzlich so zu führen, wie das Interesse des Berechtigten mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert. Die Vorschrift deckt sich in ihren Rechtsfolgen mit den Pflichten des Geschäftsführers ohne Auftrag nach § 677 BGB, mag sich die Berechtigung des Verfügungsberechtigten zur Geschäftsführung auch aus dem Vermögensgesetz selbst ergeben. Im Übrigen folgt die in § 31 ZPO mit dem Begriffspaar Geschäftsherr/Verwalter vorausgesetzte Fremdnützigkeit der Geschäftsführung, die letztlich für jede treuhänderische Vermögensverwaltung charakteristisch ist, daraus, dass der Verfügungsberechtigte nach In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes bis zur Bescheidung des Restitutionsantrags (§ 3 Abs. 3 Satz 1 VermG), dessen Nichtvorliegen er sich zu vergewissern hat (§ 3 Abs. 5 VermG), bzw. bis zum Ablauf der Anmeldefrist (§ 3 Abs. 4 VermG) nicht darauf vertrauen darf, über das Restitutionsgut rechtswirksam verfügen zu dürfen.

Geführt wird die Vermögensverwaltung, wo der Verwalter regelmäßig tätig wird. Das war hier in Potsdam, wo sowohl die Verfügungsberechtigte ihren Sitz hat als auch das verwaltete Vermögen belegen ist. Die Maßgeblichkeit des Mittelpunkts der Vermögensverwaltung hat ihren inneren Grund in der Zweckmäßigkeit, Rechtsstreitigkeiten aus der Vermögensverwaltung in räumlicher Nähe zum verwalteten Vermögen zu führen, weil dort auch Beweisaufnahmen leichter und weniger aufwendig durchzuführen sind (BAG, AP Nr. 1 zu § 31 ZPO). Dieser Sinn und Zweck des besonderen Gerichtsstands nach § 31 ZPO wird durch die Abtretung des Kostenersatzanspruchs an die Klägerin nicht berührt. Ein Gläubigerwechsel ist für den Gerichtsstand nur dann von Belang, wenn die Bereitstellung des Gerichtsstands von der Schutzbedürftigkeit der betreffenden Person abhängt (wie hier OLG Köln, VersR 1992, 1152 f.: "Rechtsnachfolge" in nach § 38 Abs. 1 ZPO zugelassene Gerichtsstandsvereinbarung, weil es nach Sinn und Zweck der Vorschrift auf die Prorogationsfähigkeit zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung ankommt; in diesem Sinne auch EuGH, ZIP 1993, 826, 828, für den Verbrauchergerichtsstand nach § 13 EuGVÜ - jetzt §§ 15 f. EuGVVO -, der von der fortbestehenden Verbrauchereigenschaft des Zessionars abhänge; a. A. offenbar - ohne Begründung - Münch-Komm/Roth, BGB, 4. Aufl. 2003, § 398 Rdnr. 94). Der im Schrifttum (Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 31 Rdnr. 1; Münch-Komm/Patzina, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 31 Rdnr. 3; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 31 Rdnr. 6; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. 1976, § 31 Anm. A) befürwortete Ausschluss von "Ansprüchen Dritter" vom Anwendungsbereich des § 31 ZPO kann sich mithin nur auf solche Ansprüche beziehen, die nicht im Verhältnis zwischen Geschäftsherr und Verwalter entstanden sind. So liegt es hier aber nicht.

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