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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.03.2003
Aktenzeichen: 1 AR 8/03
Rechtsgebiete: LwAnpG, LwVG, ZPO, GVG


Vorschriften:

LwAnpG § 42
LwAnpG § 44
LwAnpG § 44 Abs. 1
LwAnpG § 65
LwAnpG § 65 Abs. 1
LwVG § 12
LwVG § 12 Abs. 1
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 281
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
GVG §§ 17 ff.
GVG § 17 a Abs. 2
GVG § 17 a Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

1 AR 8/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Macke, den Richter am Oberlandesgericht Tombrink und den Richter am Landgericht Kleingünther am 25. März 2003

beschlossen:

Tenor:

Zuständig ist das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Guben.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin war Mitglied der LPG Gö, die sich nachfolgend auflöste und mit anderen LPG in das VEG Gö überführt wurde. Sie macht gegen die Antragsgegnerin - als Rechtsnachfolgerin des VEG Gö - Abfindungsansprüche geltend, die sie aus § 44 Abs. 1 LwAnpG herleitet. Wegen dieser Ansprüche hat die Antragstellerin bei dem Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Guben Stufenklage auf Auskunft und Zahlung eingereicht. Mit Schriftsatz vom 13. August 2001 hat die Antragsgegnerin die fehlende Zuständigkeit des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Guben gerügt. Dem ist die Antragstellerin entgegengetreten. Mit Verfügung vom 24. Mai 2002 hat das Landwirtschaftsgericht mitgeteilt, daß es das Zivilprozeßgericht für zuständig halte, und mit Verfügung vom 6. August 2002 auf das Erfordernis eines Verweisungsantrags hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 25. September 2002 hat die Antragstellerin hierauf die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Lübben beantragt. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2002 entgegnet, daß das Landgericht Cottbus zuständig sei, und unter anderem auch auf § 12 Abs. 1 LwVG hingewiesen. Mit Verfügung vom 11. Oktober 2002 hat das Landwirtschaftsgericht seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, daß es das Landgericht Cottbus für sachlich zuständig halte. Demgegenüber hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25. November 2002 die Ansicht vertreten, daß die Zuständigkeitswertgrenze von 5.000,- EUR nicht überschritten sei. Durch Beschluß vom 5. Dezember 2002 hat das Landwirtschaftsgericht sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit "auf Antrag des Antragstellers" an das Landgericht Cottbus verwiesen. Dieses hat sich mit Beschluß vom 30. Januar 2003 seinerseits für sachlich unzuständig erklärt und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sachverhaltsdarstellung im Beschluß des Landgerichts Cottbus vom 30. Januar 2003 Bezug genommen.

II.

1. Der Zuständigkeitsstreit ist analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht als das beiden beteiligten Gerichten im jeweiligen Rechtszug gemeinsam nächst übergeordnete Gericht zu entscheiden.

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung analog § 36 Abs. l Nr. 6 ZPO liegen vor.

§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO findet anerkanntermaßen - analog - auf Zuständigkeitskonflikte zwischen einem Zivilprozeßgericht und einem als FGG-Gericht befaßten Landwirtschaftsgericht Anwendung (vgl. dazu: Bamstedt/Steffen, LwVG, 6. Aufl. 2001, § 12 Rdn. 14; Zöller/ Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 36 Rdn. 31 m.w.Nw.; Baumbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl. 2003, § 36 Rdn. 35; Baumbach/Albers, aaO., 17 a GVG Rdn. 8; Musielak/ Smid, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 35 Rdn. 25).

Sowohl das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Guben als auch das Landgericht Cottbus haben sich im Sinne von § 36 Abs. l Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt; insoweit genügt eine den Parteien bekannt gemachte ausdrückliche beiderseitige Kompetenzleugnung (vgl. BGHZ Bd. 102, S. 338, 340; Bd. 104, S. 363, 366; BGH NJW 2002, S. 3634, 3635; Senat, OLG-NL 2001, S. 70 und S. 214; Zöller/Vollkommer, aaO. § 36 Rdn. 24 f.; Baumbach/Hartmann, aaO., § 281 Rdn. 48; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl. 2002, § 36 Rdn. 23).

3. Dem Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Guben vom 5. Dezember 2002 kommt nach Lage des Falles keine Bindungswirkung zu.

Das Landwirtschaftsgericht ist hier unter Hinweis auf §§ 44, 65 LwAnpG ausdrücklich als FGG-Gericht angerufen worden, hat seine Verweisung an das Landgericht Cottbus indes offensichtlich auf § 281 ZPO gestützt. Dies war fehlerhaft. Will das FGG-Landwirtschaftsgericht die Sache an das Zivilprozeßgericht weitergeben, so geschieht dies nicht durch - nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbaren - ZPO, sondern durch - analog § 17 a Abs. 4 GVG anfechtbaren - Abgabebeschluß nach § 12 Abs. 1 LwVG (s. Bamstedt/Steffen, aaO., § 12 Rdn. 23, 38 ff.). Für das Zuständigkeitsverhältnis zwischen FGG-Landwirtschaftsgericht (in FGG-Streitverfahren) und Zivilprozeßgericht gelten - neben § 12 LwVG - die Regelungen der §§ 17 ff. GVG analog. Die Gleichbehandlung mit einer Rechtswegfrage rechtfertigt sich aus den grundlegenden Unterschieden zwischen beiden Verfahrensarten und entspricht allgemeiner Auffassung (s. BGH MDR 1996, S. 1290; AgrarR 2000, S. 232,233; NJW 2001, S. 2181; Senat, OLG-NL 1997, S. 212 = AgrarR 1997, S. 225; AgrarR 1999, S. 194,195 = VIZ 2000, S. 180,181 m.w.Nw.; Zöller/ Gummer, aaO., vor § 17 GVG Rdn. 11 m.w.Nw.; Baumbach/Albers, aaO., § 17 a GVG Rdn. 4; Musielak/ Wittschier, aaO., § 17 GVG Rdn. 2; Bamstedt/Steffen, aaO., § 12 Rdn. 40 f. m.w.Nw.).

Die Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO entfällt, wenn der Verweisungsbeschluß schlechterdings nicht als im Rahmen von § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (s. BGHZ Bd. 2, S. 278, 280; BGH NJW 2002, S. 3634, 3635). So liegt es hier, da das Landgericht den Weg nach § 281 ZPO beschriften hat, obgleich es nach § 12 Abs. 1 LwVG, § 17 a Abs. 2 und 4 GVG hätte vorgehen müssen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Wegen ist nicht etwa nur formaler Natur, da der Beschluß nach § 281 ZPO für die Beteiligten grundsätzlich unanfechtbar ist (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO), der Beschluß nach § 12 Abs. 1 LwVG, § 17 a GVG hingegen anfechtbar (§ 17 a Abs. 4 GVG).

Der Fehler des Landwirtschaftsgericht fallt hier umso schwerer ins Gewicht, als es von Seiten der Antragsgegnerin ausdrücklich auf § 12 Abs. 1 LwVG hingewiesen worden ist, hierauf aber - soweit ersichtlich - nicht eingegangen ist. Hinzu kommt, daß das Landwirtschaftsgericht die Verweisung an das Landgericht Cottbus "auf Antrag des Antragstellers" ausgesprochen hat, obwohl die Antragstellerin ausdrücklich und eindeutig die Verweisung der Sache an das Amtsgericht Lübben beantragt und einen Antrag auf Verweisung an das Landgericht Cottbus offensichtlich gerade nicht gestellt hatte.

Insgesamt erweist sich die Verweisungsentscheidung des Landwirtschaftsgericht daher als objektiv willkürlich. Im Falle von objektiver Willkür entfaltet selbst ein formal zu Recht im Rahmen von § 281 ZPO ergangener Verweisungsbeschluß anerkanntermaßen keine Bindungswirkung (s. BGHZ Bd. 71, S. 69, 72; Bd. 102, S. 338, 341; BGH NJW 1993, S. 1273; NJW 2002, S. 3634, 3635; BayObLG, NJW-RR 2000, S. 589; Senat, OLG-NL 2001, S. 70 und S. 214; Zöller/Greger, aaO., § 281 Rdn. 17; Baumbach/Hartmann, aaO., § 281 Rdn. 38 ff. m.w.Nw.; Thomas/Putzo/Reichold, aaO., § 281 Rdn. 12).

4. Sachlich zuständig ist das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Guben. Dies folgt aus § 65 Abs. 1 LwAnpG (analog).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei § 65 LwAnpG zwar um eine Ausnahmeregelung im System des Rechtsschutzes, die eng auszulegen ist; sie erstreckt sich grundsätzlich nur auf Streitigkeiten, die ihre materielle Grundlage unmittelbar in den Regelungen des LwAnpG haben (BGHZ Bd. 118, S. 179,181; BGH AgrarR 1994, S. 197). Während der Bundesgerichtshof in einer früheren Entscheidung - zum LwAnpG a. F. - die Auffassung vertreten hat, daß die Rückforderung von Inventarbeiträgen von einem ehemaligen VEG, das die Aktiven und Passiven der aufgelösten LPG übernommen hat, nicht unter das LwAnpG fällt (s. BGH AgrarR 1994, S. 197 = VIZ 1994, S. 133), hat er in einer neueren Entscheidung - zum LwAnpG n. F. - eine innengesellschaftliche Beteiligung der ehemaligen LPG-Mitglieder an dem VEG angenommen und Abfindungsansprüche analog §§ 42,44 LwAnpG bejaht (BGH VIZ 1999, S. 124 f.; s. zustimmend auch: Wenzel, AgrarR 1998, 5. 69). Dann aber muß für die gerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung solcher Abfindungsansprüche konsequenterweise auch der Rechtsweg nach § 65 LwAnpG (analog) eröffnet sein. Die Erwägungen zur analogen Heranziehung der §§ 42, 44 LwAnpG - Vergleichbarkeit mit Abfindungsansprüchen gegen die LPG - gelten ebenso für die analoge Heranziehung von § 65 LwAnpG. Hierfür sprechen auch folgende Überlegungen: Das Landwirtschaftsgericht ist mit der Verhandlung und Entscheidung von Abfindungsansprüchen nach § 44 LwAnpG vertraut. Es wird hierbei unter Beteiligung fachkundiger ehrenamtlicher Landwirtschaftsrichter und im Wege der Amtsermittlung tätig. Die Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichts gewährleistet zudem, daß die Abfindungsansprüche sämtlicher Gläubiger eines VEG vor demselben Gericht verhandelt und entschieden werden. Die Zuständigkeit der Zivilprozeßgerichte würde dazu führen, daß diese Streitigkeiten je nach konkretem Streitwert entweder vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht oder vor dem örtlich zuständigen Landgericht auszutragen wären, also gerade nicht "in einer richterlichen Hand" lägen, obschon es stets um dasselbe VEG geht. Dies wiederum brächte die Gefahr von uneinheitlichen Entscheidungen in parallelen Rechtsstreitigkeiten mit sich und geriete auf diese Weise in unnötigen Konflikt mit dem Gebot der Rechtssicherheit.

Nach alldem verbleibt es bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts - Landwirtschaftstgerichts - Guben.

Ende der Entscheidung

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