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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.08.2002
Aktenzeichen: 1 Ss (OWi) 117 B/02
Rechtsgebiete: AEntG, OWiG, StPO


Vorschriften:

AEntG § 1 Abs. 1
AEntG § 1 Abs. 1 S. 2
AEntG § 1 Abs. 1 S. 4
AEntG § 5 Abs. 1 Nr. 1
OWiG § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
OWiG § 79 Abs. 3
StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 Ss (OWi) 117 B/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Bußgeldsache

wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Arbeitnenmer-Entsendegesetz

hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als Senat für Bußgeldsachen durch

den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter

am 6. August 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 2. April 2002 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Potsdam zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Gegen die Betroffenen wurden durch Bußgeldbescheid des Arbeitsamtes Potsdam vom 9. Januar 2002 Geldbußen in Höhe von 1.900,00 € bzw. 2.050,00 € festgesetzt. Ihnen wurde vorgeworfen, als inländische Arbeitgeberin bzw. deren verantwortlich handelnder Geschäftsführer das Mindestlohngebot verletzt und damit den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz - AEntG -) vom 26. Februar 1996 erfüllt zu haben.

Nach den Feststellungen des Arbeitsamtes zahlte die betroffene GmbH durch ihren verantwortlichen Geschäftsführer - den Betroffenen zu 1. - an vier deutsche Arbeitnehmer einen geringeren Stundenlohn als den Gesamttariflohn von 18,87 DM (im Zeitraum bis einschließlich August 2001) bzw. 19,17 DM brutto (ab September 2001), der in den für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen zur Regelung eines Mindestlohnes für das Baugewerbe in den neuen Bundesländern vorgesehen war.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Betroffenen aus Rechtsgründen freigesprochen, da sich der Betroffene zu 1. in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden habe.

Hiergegen richtet sich die mit der Sachrüge begründete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beigetreten ist.

II.

Das gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte Rechtsmittel ist begründet.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit rechtlich nicht tragfähiger Begründung vom Vorwurf der Verletzung des Mindestlohngebotes freigesprochen. Der vom Arbeitsamt festgestellte, vom Tatrichter zu Grunde gelegte Sachverhalt erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AEntG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 S. 2, 4 AEntG. Die Ausführungen des Instanzgerichts zum Vorliegen eines sogenannten unvermeidbaren Verbotsirrtums halten hierbei rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Wie die Staatsanwaltschaft Potsdam in ihrer Rechtsmittelbegründungsschrift vom 7. Mai 2002 zu Recht ausgeführt hat, kann der Auffassung des Amtsgerichts zwar noch insoweit gefolgt werden, dass der Betroffene zu 1. in einem Verbotsirrtum gehandelt haben mag. Sein Verbotsirrtum war aber in jedem Fall vermeidbar. Soweit das Amtsgericht meint, der Betroffene könne grundsätzlich auf die (frühere!) Rechtsansicht der Oberlandesgerichte zum Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vertrauen, so hat es verkannt, dass mit der Neufassung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes durch Artikel 10 des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I, 3843, 3850) mit Wirkung ab 1. Januar 1999 klargestellt worden ist, dass das AEntG auf Arbeitgeber mit Sitz im Inland anwendbar ist. Über diese eindeutige - vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 21. März 2000 - 4 StR 287/99 - auch für bis zum 31. Dezember 1998 begangene Taten bestätigte - Rechtslage hatte sich der Betroffene zu 1. unter Einsatz aller intellektuellen Erkenntnismittel informieren können und als Geschäftsführer eines Bauunternehmens auch müssen Entsprechenden Rechtsrat einzuholen war ihm zumutbar und durfte von ihm erwartet werden.

Bei dieser Sach- und Rechtslage war der angefochtene Beschluss gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Potsdam zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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