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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: 1 Ss (OWi) 156 Z/05
Rechtsgebiete: OWiG, GVG, StVG
Vorschriften:
OWiG § 31 Abs. 2 | |
OWiG § 33 Abs. 1 Nr. 1 | |
OWiG § 33 Abs. 2 | |
OWiG § 33 Abs. 2 Satz 1 | |
OWiG § 66 | |
OWiG § 79 Abs. 3 | |
OWiG § 79 Abs. 3 Satz 1 | |
OWiG § 80a Abs. 3 S. 1 | |
GVG § 121 Abs. 2 | |
StVG § 26 Abs. 3 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
1 Ss (OWi) 156 Z/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Bußgeldsache
wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften
hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als Senat für Bußgeldsachen durch
am 16. November 2005
beschlossen:
Tenor:
Die Sache wird gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Beantwortung folgender Frage vorgelegt:
"Bedarf die erneute Absendung eines Anhörungsbogens im EDV-unterstützten Bußgeldverfahren an einen von der Person des bisher als Betroffenen geführten Kfz-Halter abweichenden Fahrer als neuen Betroffenen (sog. Betroffenenwechsel) einer schriftlichen Anordnung mit handschriftlicher Unterschrift oder Namenskürzel durch den Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde, um die Verjährungsunterbrechung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 OWiG herbeizuführen?"
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 22. März 2005 gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h eine Geldbuße von 80,00 Euro festgesetzt.
Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene am 14. Juni 2004 mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen die BAB 10 im Bereich des westlichen Berliner Rings.
Dort passierte er den Autobahnkilometer 135,2 in Fahrtrichtung des Autobahndreiecks Havelland mit einer Geschwindigkeit von mindestens 104 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war jedoch vor dieser Stelle durch das Kennzeichen 274 auf 80 km/h begrenzt worden.
In dem angefochtenen Urteil wird die Rechtsansicht vertreten, dass die von der Bußgeldbehörde am 27. Juli 2004 angeordnete Übersendung eines Anhörungsbogens an den als Fahrer ermittelten Betroffenen die Verfolgungsverjährung unterbrochen habe (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) und damit die Ordnungswidrigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides am 22. September 2004 noch nicht verjährt war.
Der Betroffene hat form- und fristgerecht die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das angefochtene Urteil beantragt und diese mit Schriftsatz vom 22. Mai 2005 durch seinen Verteidiger begründen lassen. Der Betroffene vertritt die Ansicht, dass die Tat zum Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides bereits verjährt gewesen sei. Durch die Übersendung des Anhörungsbogens sei die Verjährung nicht gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen worden. Eine derartige Unterbrechung könne dem Statusblatt der Bußgeldakte vom 22. November 2004 auch nicht entnommen werden. Bei diesem Blatt handele es sich um einen Computerausdruck, der zum Nachweis einer Verjährungsunterbrechung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 OWiG nicht geeignet sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 7. Juli 2005 ausgeführt, der zu entscheidende Einzelfall gebe keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage sei weder dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu entnehmen, noch sonst ersichtlich. Im übrigen sei über den Eintritt der Verfolgungsverjährung im Fall der Versendung von Anhörbögen mit Hilfe eines Computerprogramms bei fehlender Identität von Halter und Fahrer bereits durch den 2. Strafsenat als Senat für Bußgeldsachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (Senatsbeschluss vom 30. Juni 2005 - 2 Ss (OWi) 120 Z/05) - wenn auch im Sinne des Betroffenen - entschieden worden.
Der Einzelrichter beim 1. Senat für Bußgeldsachen hat die Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 16. Oktober 2005 zugelassen und gem. § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Der Senat möchte die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unbegründet verwerfen, da - abgesehen vom Fehlen weiterer Rechtsfehler - die Ordnungswidrigkeit nach Auffassung des Senats nicht verjährt, vielmehr die Verjährung gegenüber dem Betroffenen gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG am 27. Juli 2004 unterbrochen worden ist. Er sieht sich daran jedoch durch die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Dresden vom 27. April 2004 - Ss (OWi) 128/04 -(vgl. DAR 2004, 534 f) und 10. Mai 2005 - Ss (OWi) 886/04 (vgl. DAR 2005, 570 ff) gehindert (§ 121 Abs. 2 GVG).
1. Der für die Frage der Verjährung im vorliegenden Fall maßgebliche Ablauf des Verwaltungsverfahrens der Zentralen Bußgeldstelle des Landes Brandenburg in Gransee stellt sich nach dem Inhalt der Bußgeldakte und dem vorgehefteten Statusblatt (Vorgangshistorie) wie folgt dar:
Am 29. Juni 2004 wurden nach Vorgangserfassung eine Halteranfrage und am 30. Juni 2004 eine Fahrerermittlung eingeleitet. Am 20. Juli 2004 teilte die GmbH der Bußgeldstelle für den 14. Juni 2004 (Tattag) die Fahrerdaten des Betroffenen mit. Aus dem Statusblatt ergeben sich hierzu unter dem Datum 27. Juli 2004 und der Buchstabenfolge "osb93" die Eintragung "Betroffenenwechsel. neuer BT", die Eingabe "geänderte Daten", ein "Druckauftrag: Anhoer", und des weiteren folgende Eintragungen:
27.07.2004 09:11:11 osb93 B_AH Erst Anhörung an: "..."
27.07.2004 09:11:11 osb93 B_AH Erst Übergang: "Schriftliche Anhörung erteilt"
Der Senat hat von der Zentralen Bußgeldstelle der Polizei des Landes Brandenburg im Freibeweisverfahren eine schriftliche Stellungnahme eingeholt. In dieser Stellungnahme vom 12. Oktober 2005 führt die Sachbearbeiterin Folgendes aus:
"...
In der Zentralen Bußgeldstelle wird mit einem optischen Archiv gearbeitet. Hierbei werden alle notwendigen Schreiben nicht durch Lokaldruck erzeugt, sondern in einem entsprechenden Archiv fest hinterlegt. Die Anhörung zu o. g. Verkehrsordnungswidrigkeit konnte daher vom zuständigen Sachbearbeiter nicht unterzeichnet werden.
Bei der Rückäußerung zur Fahrerermittlung leitet der Sachbearbeiter folgende Schritte: Die Daten des verantwortlichen Fahrzeugführers werden zur Kenntnis genommen. Im Vorgang wird der Menüpunkt "Vorgang Allgemein" ausgewählt. Dann werden die Daten des benannten Fahrzeugführers unter dem Menüpunkt "Betroffenenwechsel" erfasst und dann erfolgt die Anhörung des Betroffenen.
Wie aus der beigefügten Vorgangshistorie (Blatt 2) ersichtlich ist, wurde die Anhörung am 27.07.2005 (Senat: gemeint ist wohl 2004) erstellt (Eintrag "Druckauftrag: AnhoerAkte"). Die Verfahrensschritte "Übergang: Schriftliche Anhörung erteilt" und "Übergang: Anhörung läuft" zeigt an, dass die Anhörung an den Betroffenen versandt wurde.
Jedem Sachbearbeiter ist ein osb-Kürzel zugeordnet.
Da der Zugriff auf dieses osb-Kürzel durch Kennwörter geschützt ist, kann der entsprechende Verfahrensabschnitt eindeutig diesem Sachbearbeiter zugeordnet werden
(hier stellt das osb-Kürzel "osb93" den Sachbearbeiter dar). Das Einleiten eines
Verfahrensschrittes durch eine andere Person ist daher ausgeschlossen.
In der Vorgangshistorie wird im Rahmen eines technischen Hintergrundprozesses die gesamte Vorgangsentwicklung verankert. Diese ist vom Sachbearbeiter nicht editierbzw. beeinflussbar.
..."
Nach Ansicht des Senats hat die von der Sachbearbeiterin bei der zentralen Bußgeldstelle unter dem individuellen Kürzel "osb 93" unter Zuhilfenahme der installierten Spezial-Software nach dem Betroffenenwechsel am 27. Juli 2004 veranlasste Versendung des Anhörungsbogens an den Betroffenen die Verjährung diesem gegenüber gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wäre deshalb im Ergebnis der Rechtsauffassung des Senats als unbegründet zu verwerfen.
2. Das OLG Dresden hat demgegenüber mehrfach entschieden, dass die Zusendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen zur Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung habe, wenn entweder der zuständige Sachbearbeiter durch Unterschrift oder Handzeichen in den Akten die Verantwortung für die Richtigkeit des beurkundeten Versendedatums übernommen habe oder der Anhörungsbogen mittels einer EDV-Anlage gefertigt worden sei, ohne dass der Sachbearbeiter zuvor in den vorprogrammierten Arbeitsablauf des Computers eingegriffen habe (DAR 2004, 534; DAR 2005, 570, 571). Nur in dem zuletzt genannten Fall sei eine unmittelbare Verfügung der Versendung des Anhörungsbogens entbehrlich, weil der Sachbearbeiter - anders als beim Erlass des Bußgeldbescheides - auch dann keine Individualentscheidung treffe, wenn er aufgrund einer Anzeige die Versendung des Anhörbogens an den Betroffenen manuell verfüge; in einem solchen Fall überprüfe dieser den Sachverhalt nicht. Die Tätigkeit des Sachbearbeiters könne daher auf die EDV-Anlage übertragen werden. § 33 Abs. 2 OWiG verlange die Unterzeichnung der verjährungsunterbrechenden Anordnung oder Entscheidung, während nach § 66 OWiG für den Bußgeldbescheid die einfache Schriftform genüge. Die Entscheidung des Sachbearbeiters, gegen den zunächst unbekannten und nicht mit dem Halter identischen Fahrer zu ermitteln, beinhalte einen Eingriff in den schematisierten EDV-Arbeitsablauf, der von dem darin manifestierten, ursprünglichen Willen der Behörde abweiche. Die von der Rechtsprechung für den Fall der Versendung von Anhörungsbogen mit Hilfe eines Computerprogramms entwickelten Grundsätze, die darauf abstellten, dass lediglich die Wiederholung des einmal betätigten Verwaltungswillens entbehrlich sei, könnten auf den vorliegenden Fall nicht angewandt werden (so auch OLG Köln NZV 2001, 314; OLG Zweibrücken NZV 2001, 483). Der Eingabe der festgestellten Personalien des mutmaßlichen Fahrzeugführers durch den Sachbearbeiter müsse eine - wenn auch unter Umständen nur oberflächliche - Prüfung vorausgehen, in wie weit die den Verfahrensgegenstand bildende Tat bezüglich des (neuen) Betroffenen überhaupt noch verfolgbar sei, insbesondere ob die Tat nicht bereits verjährt sei. Von einer solchen Individualentscheidung ihres Sachbearbeiters müsse die Verwaltungsbehörde in den Akten Zeugnis ablegen. Allein die sich bei der Akte befindende Historie, aus der sich ergebe, dass der Sachbearbeiter die entsprechenden Daten im EDV-Vorgang geändert und sein Namenskürzel dort aufgeführt hat, könne das erforderliche schriftliche Handzeichen in den Akten nicht ersetzen. (vgl. OLG Dresden DAR 2004, 534, 535).
Dieser Rechtsprechung hat sich der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als Bußgeldsenat angeschlossen, u.a. mit folgenden Erwägungen: Aus gutem Grund werde für die verjährungsunterbrechende Wirkung der Anhörung eine hinlängliche Dokumentation darüber gefordert, dass die Fortführung des Verfahrens gegen den Betroffenen überhaupt auf einer ordnungsgemäßen Autorisierung durch die Verwaltungsbehörde beruht und nach Prüfung der geltenden Voraussetzungen ergangen ist. Allein die aus den Akten ersichtliche Eingabe in die EDV-Anlage unter einem Personenkürzel genüge hierfür nicht (vgl. Beschlüsse vom 9. Juni 2005 - 2 Ss (OWi) 100 B/05 - und 30. Juni 2005 - 2 Ss (OWi) 120 Z/05 - , n.v.).
Danach wäre im vorliegenden Fall Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 1 Satz 1 OWiG) eingetreten. Die Sachbearbeiterin hat vor Veranlassung der Fertigung und Versendung des Anhörungsbogens einen Betroffenenwechsel durchgeführt und dabei im Rahmen einer Individualentscheidung in den vorprogrammierten EDV-Ablauf eingegriffen, ohne durch Unterschrift oder ein Handzeichen die Verantwortung für die Richtigkeit des betreffenden Datums der Anhörung zu übernehmen. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Dresden ist dadurch die Verjährung nicht unterbrochen worden, mit der Folge, dass die gemäß § 31 Abs. 2 OWiG, § 26 Abs. 3 StVG geltende Verjährungsfrist von drei Monaten seit Tatbegehung (14. Juni 2004) bei Erlass des Bußgeldbescheides am 22. September 2004 bereits abgelaufen wäre und nicht mehr wirksam hätte unterbrochen werden können. Der Senat müsste demgemäß das Verfahren auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen.
3. Der Senat möchte jedoch der dargelegten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Dresden zur Ablehnung der verjährungsunterbrechenden Wirkung der Versendung des Anhörungsbogens bei Betroffenenwechsel aus folgenden Erwägungen nicht beitreten und die Rechtsbeschwerde als unbegründet verwerfen.
Wenn seitens der Verwaltungsbehörde die Versendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen veranlasst wird, unterbricht dies gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG die Verjährung nicht nur dann, wenn die zugrunde liegende Anordnung durch eine Unterschrift oder ein Handzeichen des betreffenden Sachbearbeiters belegt ist. Eine derartige Einschränkung sieht das Gesetz nicht vor. Entgegen der vom Oberlandesgericht Dresden vertretenen Auffassung (DAR 2004, 534, 535) verlangt § 33 Abs. 2 Satz 1 OWiG nicht die Unterzeichnung der verjährungsunterbrechenden Anordnung oder Entscheidung. Die Vorschrift bestimmt lediglich den Zeitpunkt der Verjährungsunterbrechung für den Fall, dass eine schriftliche Anordnung oder Entscheidung getroffen wird. Ein Formerfordernis für die Unterbrechungshandlung wird damit nicht begründet. Der Norm lässt sich für die Wirksamkeit der betreffenden Anordnung hinsichtlich der Verjährungsfrage nichts entnehmen (vgl. König DAR 2002, 526; DAR 2005, 572). Im Übrigen ist auch wertungsmäßig nicht nachzuvollziehen, warum für eine verjährungsunterbrechende Anordnung die Unterzeichnung erforderlich sein soll, wenn demgegenüber für den Bußgeldbescheid gemäß § 66 OWiG die einfache Schriftform genügt und darüber hinaus für die Feststellung seines wirksamen Erlasses auch eine für Außenstehende verständliche Dokumentierung in den Akten nicht erforderlich ist (BGHSt 42, 380, 383 ff).
Für den Eintritt der verjährungsunterbrechende Wirkung genügt es deshalb grundsätzlich, dass sich für Inhalt und Zeitpunkt der Unterbrechungshandlung aus den Verfahrensakten konkrete Anhaltspunkte ergeben, damit die Entscheidung über die Frage, ob die Verjährung unterbrochen ist, nicht nur vom Erinnerungsvermögen des Ermittlungsorgans abhängt, das dem Betroffenen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben hat (vgl. zu § 78c Abs. 1 Nr.3 StGB: BGHSt 30, 215, 219).
Gemessen daran ist im vorliegenden Fall die durch die zuständige Sachbearbeiterin bei der Zentralen Bußgeldstelle am 27. Juli 2004 veranlasste Versendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen ausreichend dokumentiert.
Aufgrund der ergänzend vom Senat durchgeführten Ermittlungen bestehen auch keine Zweifel daran, dass die Anordnung des Betroffenenwechsels in der von der Zentralen Bußgeldstelle gehandhabten Art und Weise den Anforderungen an eine verjährungsunterbrechende Anordnung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG entspricht. Anhand der Darlegung der Sachbearbeiterin G und der von ihr mit ihrer Stellungnahme übermittelten Kopien hinsichtlich der einzelnen weiteren Bearbeitungsschritte bei einem Betroffenenwechsel (sog. "hard copy") lässt sich nachvollziehen, dass die Sachbearbeiterin unter Zuhilfenahme des EDV-technisch aufbereiteten Bearbeitungsprogramms eine Individualverfügung betreffend den Betroffenen vorgenommen hat. Von der getroffenen Individualentscheidung der Sachbearbeiterin legt die oben zitierte Zeile aus dem Statusblatt unter dem Datum 27. Juli 2004 eindeutig Zeugnis ab. Aus dem übrigen Inhalt des Statusblattes und der konkreten Zeile betreffend den Betroffenenwechsel lassen sich die Person des Betroffenen, dessen persönliche Daten, die konkrete Ordnungswidrigkeit unter Nennung des Tatdatums und des Tathergangs (Tatvorwurf) mit derartiger Sicherheit entnehmen, dass die verjährungsunterbrechende Verfügung der Sachbearbeiterin ohne jeden Zweifel einem konkreten Bußgeldvorgang zugeordnet werden kann. Über diese Einzelmerkmale hinausgehende Anforderungen an die Qualität einer verjährungsunterbrechenden Handlung sind dem Gesetz im Hinblick auf die hier zu beurteilende Situation nicht zu entnehmen. Die Dokumentation der behördlichen Abläufe in der "Vorgangshistorie" bietet ausreichende Gewähr für die Zuverlässigkeit und Richtigkeit der darin verzeichneten Daten und steht einer handschriftlichen Verfügung insoweit in nichts nach. Aus der - unter Zuhilfenahme der von der Zentralen Bußgeldstelle zur Verfügung gestellten Bearbeitungs-Software - unter dem konkreten Datum "27.07.2004" erstellten Bearbeitungszeile des Statusblattes lässt sich entnehmen, welcher konkrete Sachbearbeiter - im hier vorliegenden Fall die Sachbearbeiterin mit dem Kürzel "osb93" - den Betroffenenwechsel nach Kenntnisnahme der von der Vermietungsgesellschaft übermittelten Fahrerdaten im Sinne einer Individualentscheidung vorgenommen hat. Die Tatsache, dass das Sachbearbeiter-Kürzel durch ein individuelles Passwort und damit der Zugang zur elektronischen Bußgeldakte ausschließlich für die konkrete Sachbearbeiterin freigeschaltet ist, gewährleistet den vollständigen Nachvollzug der Individualentscheidung dieser Sachbearbeiterin und dokumentiert diese Entscheidung gleichzeitig ausreichend in der Vorgangshistorie des Bußgeldvorgangs. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts und anderer Obergerichte, dass der bei den Akten befindliche Ausdruck eine "Vorgangshistorie", in der das von der Behörde für das Bußgeldverfahren eingesetzte EDV-System zu jedem einzelnen Vorgang Aufzeichnungen anlegt, die durch den jeweiligen Sachbearbeiter nicht beeinflusst werden können, eine ausreichende Dokumentation für die Vornahme der verjährungsunterbrechenden Handlung darstellt (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 29. April 1997 - 1 Ss (OWi) 19 Z/97 -; zuletzt Senatsbeschluss vom 11. April 2005 - 1 Ss (OWi) 56 Z/05 -; OLG Köln DAR 2000, 131; OLG Frankfurt VRS 50, 220 m. w. N.). Das Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift oder Paraphe der Sachbearbeiterin im Zusammenhang mit der Vornahme des sog. Betroffenenwechsels vom 27. Juli 2004 ist in diesem Zusammenhang unbedenklich, weil aufgrund der - im Freibeweis zur Überzeugung des Senats ermittelten - "Dokumentensicherheit" der betreffenden Zeile der Vorgangshistorie mit Sicherheit feststeht, dass diese Individualentscheidung von der Sachbearbeiterin unter ihrem Sachbearbeiter-Kürzel "osb93" getroffen worden ist. Die eindeutige personelle und historische Nachvollziehbarkeit dieser Individualentscheidung ist durch die Besonderheiten der bei der Bearbeitung des Bußgeldvorgangs verwendeten Software in einem derart hohen Maß gewährleistet, dass das Erfordernis einer zusätzlichen Unterschriftsleistung der Sachbearbeiterin eine bloße Förmelei darstellen würde und die Vorteile der EDV-unterstützten Bearbeitung derartiger Massenvorgänge verloren gingen. Im Übrigen ist auch bereits nach der bisherigen Rechtsprechung das Fehlen einer Unterschrift unter einer derartigen Individualverfügung unschädlich, sofern der geäußerte Wille der Unterbrechungshandlung auf andere Weise festgestellt werden kann (vgl. BayObLG VRS 62, 58; DAR 2004, 531, 532).
4. Die abschließende Klärung der Frage der Verjährungsunterbrechung hat über den Einzelfall hinaus weitreichende Bedeutung, weil die Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr im Land Brandenburg fast ausschließlich von der Zentralen Bußgeldstelle der Polizei des Landes mit der beschriebenen Software bearbeitet werden. An seiner beabsichtigten Entscheidung, nämlich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das angefochtene Urteil als unbegründet zu verwerfen, wäre der Senat durch die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Dresden gehindert. Entgegen der vom Bayerischen Obersten Landesgericht mit Beschluss vom 24. Mai 2004 (DAR 2004, 531, 532) vertretenen Auffassung betrifft die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Dresden nicht (nur) den Fall, dass sich die Anordnung der Anhörung nicht aus dem Inhalt der Akten, sondern lediglich aus einer Änderung des EDV-Programmes ergibt. Denn das Oberlandesgericht Dresden stützt seine Entscheidung unter anderem darauf, dass die "bei der Akte befindliche Historie, aus der sich ergibt, dass die Sachbearbeiterin die entsprechenden Daten im EDV-Vorgang geändert und ihr Namenskürzel dort aufgeführt hat, (...) ihr schriftliches Handzeichen in den Akten nicht zu ersetzen" vermag (DAR 2004, 534, 535). Die Vorlage der strittigen Rechtsfrage ist deshalb gemäß § 121 Abs.2 GVG, § 79 Abs. 3 OWiG erforderlich.
Ende der Entscheidung
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