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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.05.2001
Aktenzeichen: 1 Ss (OWi) 26 B/01
Rechtsgebiete: StVG, StVO, OWiG, StPO, BKatV


Vorschriften:

StVG § 24
StVG § 25 Abs. 1
StVG § 25 Abs. 1 Satz 1
StVG § 25 Abs. 2 a
StVG § 26 a
StVO § 41
StVO § 49 Abs. 3 Nr. 4
OWiG § 79 Abs. 1 Nr. 3
OWiG § 79 Abs. 3 Satz 1
StPO § 341 Abs. 1
StPO § 344
StPO § 345 Abs. 1
BKatV § 2 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 Ss (OWi) 26 B/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Bußgeldverfahren

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als Senat für Bußgeldsachen durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Landgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

am 17. Mai 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Senftenberg vom 29. September 2000 im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu gehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Senftenberg zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 24 StVG, 41 i.V.m. 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO zu einer Geldbuße von 450,00 DM verurteilt. In dem Bußgeldbescheid, der dem Verfahren zugrunde liegt, war seitens der zuständigen Verwaltungsbehörde eine Geldbuße von 195,00 DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat gegen den Betroffenen verhängt worden.

Gegen das Urteil richtet sich die auf den Rechtfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft. Sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts und macht geltend, das Amtsgericht habe zu Unrecht von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthaft und auch im übrigen zulässig. Sie ist insbesondere gemäß den §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341 Abs. 1, 344, 345 Abs. 1 StPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden.

Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Erwägungen, mit denen die Tatrichterin von der Verhängung des nach der Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) vorgesehenen Fahrverbots von einem Monat abgesehen hat, sind rechtsfehlerhaft.

Nach den Urteilsfeststellungen überschritt der Betroffene außerhalb geschlossener Ortschaften fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 32 km/h, indem er am 26. November 1999 mit dem PKW VW, amtliches Kennzeichen ..., die Bundesautobahn ... in Fahrtrichtung D... bei Kilometer ... mit einer Geschwindigkeit von mindestens 112 km/h befuhr, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit dort auf 80 km/h beschränkt war. Gegen den Betroffenen war bereits zuvor mit Bußgeldbescheid vom 30. Juli 1999, rechtskräftig seit 18. August 1999, wegen einer fahrlässigen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit von 27 km/h eine Geldbuße Verhängt worden. Das Amtsgericht hat zutreffend erkannt, daß danach gemäß den §§ 25 Abs. 1 Satz 1, 26 a StVG, 2 Abs. 2 Satz 2 BKatV im Regelfall ein Fahrverbot von einem Monat zu verhängen ist und hiervon nur in Ausnahmefällen abgesehen werden kann, wenn entweder keine grobe Pflichtverletzung im Sinn des § 25 Abs. 1 StVG vorliegt oder der Zweck des Verfahrens auch durch eine angemessene Erhöhung der Regelbuße erreicht werden kann.

Das Gericht begründet sein Abweichen vom Regelfall damit, dass den Betroffenen, der ein Taxiunternehmen betreibt, eine Härte ganz ungewöhnlicher Art treffen würde. Der Betroffene habe "nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass die Verhängung des Fahrverbotes für ihn eine ernsthafte Existenzgefährdung darstellen würde".

Diese Ausführungen tragen ein Absehen vom Regelfahrverbot nicht. Allerdings kann von der nach der BKatV regelmäßig vorgesehenen Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden, wenn der Sachverhalt zu Gunsten des Betroffenen ausnahmsweise erheblich vom Normalfall abweicht und bei Verhängung des Fahrverbotes eine außergewöhnliche Härte - z.B. durch Verlust der wirtschaftlichen Existenz - zu befürchten wäre (BGHSt 38, 125; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschlüsse vom 13. Mai 1997, Az.: 1 SS (OWi) 55 B/97, und 24. Februar 2000, Az.: 1 Ss (OWi) 16 B/00). Bei der Beurteilung, ob ein solcher Einzelfall vorliegt, steht dem Tatrichter ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, weshalb mit der Rechtsbeschwerde grundsätzlich, nur die fehlerhafte Beurteilung der rechtlichen Entscheidungsgrundlage und die Überschreitung des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums gerügt werden kann (vgl. BayObLG VRS 87, 303 ff.).

Hier wird die Annahme des Amtsgerichts, dass der Betroffene im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit unbedingt auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist und durch die Verhängung eines Fahrverbotes in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet würde, von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Die dazu getroffenen Feststellungen sind lückenhaft und ermöglichen dem Rechtsbeschwerdegericht keine Überprüfung der getroffenen Entscheidung zum Absehen vom Fahrverbot. So fehlt es an konkreten Darlegungen dazu, woraus sich durch die Verhängung des Regelfahrverbotes eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen ergeben soll. Zwar ergibt sich aus der Schilderung der Einkünfte und der monatlichen Belastungen, dass die Verhängung des Fahrverbots zu finanziellen Nachteilen, nämlich zu fehlenden Einkünften für den Zeitraum führen könnte, den der Betroffene glaubt, nicht mit Urlaub überbrücken zu können. Eine Existenzgefährdung läßt sich allein hieraus jedoch nicht herleiten; bloße wirtschaftliche Einbußen, die ein Fahrverbot regelmäßig nach sich zieht, hat der Betroffene grundsätzlich hinzunehmen. Im übrigen ist auch nicht erkennbar, weshalb es dem Betroffenen nicht möglich sein soll, in dem nicht durch die Inanspruchnahme von Urlaub zu überbrückenden Zeitraum auf einen Ersatzfahrer (z.B. einen Studenten oder Arbeitslosen) zurückzugreifen, zumal da § 25 Abs. 2 a StVG, der hier anzuwenden wäre, die Möglichkeit eröffnet, innerhalb von vier Monaten entsprechende Dispositionen zu treffen.

Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Das Gericht ist nicht gehindert, der Einlassung des Betroffenen hinsichtlich seiner persönlichen bzw. beruflichen Verhältnisse zu folgen, doch darf das nicht unkritisch geschehen. Sofern Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Betroffene seine finanzielle und berufliche Situation entgegen der Wirklichkeit so dargestellt hat, daß sie eine für ihn günstige Entscheidung rechtfertigen, hat sich der Tatrichter mit der Einlassung auseinanderzusetzen und gegebenenfalls Beweis darüber zu erheben, ob die Behauptungen zutreffen.

Ende der Entscheidung

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