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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: 1 Ss 38/09
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 47 | |
StGB § 52 | |
StGB § 53 | |
StGB § 263 |
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 12. November 2008 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Prenzlau hat gegen den Angeklagten mit Urteil vom 29. Januar 2008 wegen Betruges (durch die Annahme einer einzigen fortgesetzten Tat) eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt. Von einem weiteren Betrugsvorwurf (Vorwurf des Eingehungsbetruges beim Kauf eines gebrauchten Computers im Wert von 180,-- € im Dezember 2006) ist der Angeklagte erstinstanzlich freigesprochen worden.
Gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft am 04. Februar 2008 zuungunsten des Angeklagten Berufung mit dem Ziel eingelegt, unter Aufhebung des Freispruches auch eine Verteilung des Angeklagten wegen des weiteren Betrugsvorwurfes zu erreichen. Der Angeklagte hat über seinen Verteidiger am 05. Februar 2008 ein unbestimmtes Rechtsmittel erhoben.
Mit Urteil vom 12. November 2008 hat die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin das als Berufung durchzuführende Rechtsmittel des Angeklagten als unbegründet verworfen. Das Verfahren wegen des Betrugsvorwurfes, von dem der Angeklagte erstinstanzlich freigesprochen worden war, ist in der Berufungshauptverhandlung auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden im Hinblick auf eine - zeitlich jenem Tatvorwurf folgende - zweitinstanzliche Verurteilung des Angeklagten durch dieselbe Kammer am 23. Januar 2007, rechtskräftig seit dem 31. Januar 2007, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung.
Das angefochtene Urteil enthält zum Tatgeschehen unter anderem folgende Feststellungen:
"...Der Angeklagte borgte sich im Zeitraum vom 10. bis zum 26. Februar 2007 bei seiner Nachbarin, der Zeugin ..., folgende Gegenstände und Bargeld:
- am 10. Februar 2007 einen Kanister mit 20 Liter Benzin im Wert von 20,-- €,
- am 12. Februar 2007 30,-- € Bargeld,
- am 15. Februar 2007 50,-- € Bargeld,
- am 16. Februar 2007 zwei Tüten Eistee im Wert von 6,-- €,
- am 20. Februar 2007 50,-- € Bargeld,
- am 23. Februar 2007 40,-- € Bargeld,
- am 24. Februar 2007 Tabak im Wert von 10,-- €,
- am 25. Februar 2007 zwei Tüten Eistee im Wert von 3,-- €,
- am 26. Februar 2007 2,50 €,
- im gleichen Zeitraum in mehreren Partien Kohlen im Gesamtwert von ca. 200,-- €.
Jedes Mal sicherte der Angeklagte der Zeugin ... zu, die erhaltenen Gegenstände zu bezahlen bzw. das geborgte Bargeld unverzüglich zurückzuzahlen, sobald er wieder Leistungen vom Sozialamt erhalten habe. Dies hatte (er) jedoch zu keinen Zeitpunkt vor..."
Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte über seinen Verteidiger Revision eingelegt, mit welcher er - ohne nähere Ausführungen - die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 29. April 2009 beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Neuruppin zurückzuverweisen. Sie meint, die nur pauschale Feststellung in den Urteilsgründen, die Geschädigte habe auf die vom Angeklagten vorgespiegelte Zahlungsfähigkeit vertraut, genüge unter den vorliegenden Umständen fortlaufender Geld- und Sachzuwendungen trotz offener Forderungen des auf Sozialleistungen angewiesenen Angeklagten nicht, um von einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung ausgehen zu können.
II.
Die Revision des Angeklagten ist statthaft (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO).
Auf die zulässig erhobene Sachrüge des Angeklagten ist das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin aufzuheben.
Die Zusammenfassung der dem Angeklagten vorgeworfenen wiederholten und gleichartigen Betrugshandlungen unter dem Gesichtspunkt des Gesamtvorsatzes zu einer (einheitlichen) fortgesetzten Betrugshandlung im Sinne des § 52 StGB ist rechtlich zu beanstanden. Die Strafkammer hätte - unter Berücksichtigung der Aufgabe der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung in der Rechtsprechung (vgl. GrSen BGHSt 40, 138 ff.) - den Angeklagten nicht wegen fortgesetzten Betruges verurteilen dürfen.
Die Verbindung mehrerer Verhaltensweisen, die jede für sich einen Straftatbestand erfüllt, zu einer fortgesetzten Handlung setzt voraus, dass dies, was am Straftatbestand zu messen ist, zur sachgerechten Erfassung des verwirklichten Unrechts und der Schuld unumgänglich ist. Ein solcher Ausnahmetatbestand ist beim Betrug (§ 263 StGB) nicht gegeben. Seine Begehung setzt eine Täuschungshandlung und eine Vermögensverfügung voraus. Dabei sind die einzelnen Verhaltensweisen jeweils hinreichend voneinander abgrenzbar. Bei diesem Tatbestand fehlt es schon an Hinweisen in der Beschreibung der deliktischen Handlung, die eine Zusammenfassung mehrerer tatbestandsmäßiger Verhaltensweisen zu einer Betrugstat nahelegen könnten. Auch aus seinem Sinn ergeben sich keine Gründe, welche eine über die natürliche Handlungseinheit hinausgehende Wertung mehrerer Tatbestandshandlungen als eine fortgesetzte Tat gebieten würden (vgl. GrSenBGH a.a.O.).
Mehrere - wie hier schon mangels eines einheitlichen Tatentschlusses - nicht zur natürlichen Handlungseinheit verbundene Betrugshandlungen können daher nicht mehr unter dem Gesichtspunkt des Gesamtvorsatzes als fortgesetzte Tat zusammengefasst werden, sondern stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit nach § 53 StGB.
Das Urteil kann wegen der rechtsfehlerhaften Annahme eines fortgesetzten Betruges keinen Bestand haben. Zwar ist der Angeklagte in der Regel durch die unzutreffende Annahme einer (fortgesetzten) Tat anstelle von Tatmehrheit nicht beschwert (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1996 - 5 StR 478/96 -; Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess, 7. Aufl., Rn. 34). Eine Beschwer des Angeklagten ist jedoch dann ausnahmsweise zu bejahen, wenn nicht sicher auszuschließen ist, dass er bei Annahme tatmehrheitlich begangener Betrugshandlungen durch Einzelstrafenfestsetzungen und Gesamtstrafenbildung milder beurteilt werden könnte (vgl. BGHR StGB vor § 1/fortgesetzte Handlung Auswirkung, nachteilige 13; BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1994 - 5 StR 476/94 - bei juris). So liegt der Fall hier.
Mit dem angefochtenen Urteil ist gegen den Angeklagten wegen fortgesetzten Betruges eine Einheitsfreiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt worden. Wegen des Verschlechterungsverbotes dürfen zwar weder die neu zu bildende Gesamtstrafe noch die Einzelstrafen die bisherige Strafe übersteigen (vgl. BGHR StPO § 358 Nachteil 5 m.w.N.). Da allerdings im Rahmen der Einzelstrafenfestsetzungen die Verhängung von Einzelgeldstrafen in Betracht kommen kann, ist es aber denkbar, dass auch die Gesamtstrafe milder ausfallen könnte (vgl. insoweit auch BayObLG, wistra 1996, 236f.). Bei der Festsetzung der Höhe der Einzelstrafen hat das neue Tatgericht für jede der Betrugshandlungen - im Falle ihrer abermaligen Feststellung - angesichts der gesonderten und isolierten Betrachtungsweise von einem anderen, nämlich geringeren Schuld- und Unrechtsgehalt auszugehen. Dies führt dazu, dass die Einzelstrafen jeweils niedriger ausfallen müssen als die bisherige Freiheitsstrafe, deren Bemessung eine Gesamtschau der dem Angeklagten vorgeworfenen Betrugsserie mit einem summarisch ermittelten Vermögensschaden zugrunde lag, mit der Folge, dass das neue Tatgericht im Falle von Schuldsprüchen die Vorschrift des § 47 Abs. 1 StGB bei der Bestimmung der Einzelstrafen zu beachten haben wird.
Nach dieser Vorschrift dürfen kurze Freiheitsstrafen statt möglicher Geldstrafen nur dann verhängt werden, wenn besondere Umstände entweder in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters gegeben sind, die einen solchen Strafausspruch zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen (zur Anwendung des § 47 StGB wird auf die umfangreiche obergerichtliche Rechtsprechung verwiesen; vgl. insoweit auch Senatsbeschluss vom 19. Januar 2009 - 1 Ss 99/08 - m.w.N.). Insbesondere wegen des Bagatellcharakters eines wesentlichen Teils der dem Angeklagten vorgeworfenen Betrugshandlungen wird daher zu prüfen sein, ob sich kurze Einzelfreiheitsstrafen als gerechtfertigt erweisen. Denn in Bagatellfällen ist die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen denkbar. Allein täterbezogene Umstände wie einschlägige Vorstrafen und Bewährungsversagen sind, für sich genommen, ungeeignet, eine solche Sanktion zu legitimieren (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2009 a.a.O. m.w.N., Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2007 - 1 Ss 79/07 - bei juris).
Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen. Eine Aufrechterhaltung der Feststellungen, die dem Schuldspruch zugrunde liegen, kommt vorliegend nicht in Betracht.
Denn das neue Tatgericht ist nicht nur gehalten, ergänzende Feststellungen dahin zu treffen, ob die fortwährenden Verfügungen der Zeugin ... trotz offener Forderungen noch auf ursächliche Vorspiegelungen des Angeklagten über seine Zahlungsfähigkeit zurückgingen. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft verwiesen. Darüber hinaus hat das Gericht die neue Beweisaufnahme auch auf die divergierenden Feststellungen im erst- und zweitinstanzlichen Urteil zu einer etwaigen Gegenleistung oder Rückzahlung des Angeklagten (Zahlung von 100,-- € am 06. März 2007) zu erstrecken. Um im Rahmen einer neuen Entscheidung einen solchen Sachverhalt mit den eventuell hierzu im Widerspruch stehenden Ausführungen im angefochtenen Urteil der Strafkammer, der Angeklagte habe gegenüber der Zeugin ... das Bestehen von Geldschulden gänzlich bestritten, zu ermöglichen, bedarf es auch der Aufhebung der den Schuldspruch betreffenden Feststellungen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 353 Rn. 21). Sollte das neue Tatgericht - wie das Amtsgericht - zu der Feststellung einer "Einmalzahlung von 100,-- €" gelangen, zöge dies die Notwendigkeit näherer Darlegungen zum Täuschungsvorsatz des Angeklagten bereits zum Zeitpunkt der Begründung der jeweiligen Rückerstattungsverpflichtungen nach sich.
Ende der Entscheidung
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